Putins Überfall auf die Ukraine

  • Mit welcher Begründung, außer atavistischen Männlichkeitsbildern, lassen sich hier Privilegien für Frauen rechtfertigen?

    Wenn ich Frau Strack-Zimmermann richtig verstehe, dann betrachtet sie es als ein Privileg, bei der Bundeswehr den Pflichtwehrdienst leisten zu dürfen. Während du es als Privileg betrachtest, keinen militärischen Pflichtwehrdienst leisten zu müssen. Da ist mir deine Position auf jeden Fall sehr viel näher als die Position der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses. ;)

    Scherz beiseite! Wenn ein Krieg losbricht, dann hat die Politik eklatant versagt. Und für dieses Totalversagen sollten nicht auch noch Frauen als zwangsverpflichtete Militärdienstleistende zum Töten und Getötet werden im Krieg gezwungen werden dürfen.

    Ein atavistisches Männlichkeitsbild, dass du mir vorwirfst, sehe ich aktuell vor allem darin, dass leichtfertig Krieg als "Problemlöser" ins Spiel gebracht wird.

    Denn genau das versucht Marie-Agnes Strack-Zimmermann mit ihrer aktuellen Aufforderung die Wehrpflicht wieder einzuführen und dabei auch gleich noch die Frauen zwangszuverpflichten. Dabei ist das Thema Wehrpflicht gesetzlich geregelt. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann die Wehrpflicht wieder aufleben. Warum spricht sich also Marie-Agnes Strack-Zimmermann jetzt nicht nur dafür aus, die Wehrpflicht aufleben zu lassen, sondern auch gleich noch neben den Männern auch noch die Frauen für den Militärdienst zu requirieren? Was treibt die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses an? Militärisch ausgedrückt: Was führt sie im Schild?

    Ich hatte es bereits oben erwähnt, in §12a, Abs. 4 GG wird die Zwangsverpflichtung von Frauen zum Militärdienst klar ausgeschlossen. "Sie [Frauen] dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden." Das bedeutet ja nicht, dass es Frauen, die sich freiwillig zum Dienst in der Bundeswehr verpflichten, verboten ist, in der Bundeswehr Aufgaben zu übernehmen oder Positionen zu besetzen, die mit dem Einsatz von Waffen verbunden sind. Damit ist der Forderung nach Gleichberechtigung hinreichend Genüge getan. Es geht ja um Gleichberechtigung und nicht um Gleichverpflichtung.

    Du hattes es in deinem Betrag so genannt:

    (gleiches Unrecht für alle)

    Ich will aber kein "gleiches Unrecht für alle", sondern bin froh, wenn wenigstens die Frauen von Unrecht in dieser Angelegenheit verschont bleiben, zumal sie immer noch über Gebühr in vielen anderen Lebensbereichen von Unrecht betroffen sind.

  • Als "Kriegsziel der Ukraine" im Abwehrkampf gegen den Angriffskrieg der russischen Föderation formuliert CDU-Chef Merz in einem Interview mit NDR-Info am 24.2.23, dem Jahrestag des Beginns des Angriffskrieges, Folgendes: Der Reporter stellt fest, dass es der ukrainischen Armee vermutlich nicht gelingen wird, jeden russischen Soldaten aus dem ukrainischen Staatsgebiet zu vertreiben.

    Dazu Merz: "Das Ziel, das realistisch sein müsste, wäre, die sogenannte Kontaktlinie vom 23. Februar 2022, also vom Tag vor dem Kriegsbeginn, wiederherzustellen als die Linie, über die dann anschließend auch verhandelt wird. Aber davon sind wir wahrscheinlich noch ziemlich weit entfernt, ist das Land, wir, ist die Ukraine noch ziemlich weit entfernt, das zu erreichen." Minute (4:25 bis 4:50)

    Merz bleibt, möglicherweise bewusst ein bisschen unklar, wen genau er mit "wir" meint. Im weiteren Verlauf des Interviews schließt Merz allerdings einen Kriegseintritt Deutschlands oder der westlichen Verbündeten aus. Betont aber die Notwendigkeit, die Ukraine mit Waffenlieferungen in ihrem Abwehrkampf gegen den Angriffskrieg der Russischen Föderation zu unterstützen.

    Aber wie weit geht diese Unterstützung? Merz zufolge bis zu einem Zurückdrängen der Angreifer auf die "die sogenannte Kontaktlinie vom 23. Februar 2022". Die Ukraine dagegen erwartet eine weitergehende militärische Unterstützung. Die "russische Kontaktlinie vom 23.2.2022", die Merz anspricht, beinhaltet auf der Seite der Angreifer die im Osten der Ukraine von prorussischen Separatisten kontrollierten sogenannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk und die Krim. Die hatte sich in einem zweifelhaften Referendum der Russischen Föderation angeschlossen, was von einer deutlichen Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten verurteilt wurde.

    Nach den Vorschlägen Chinas für eine Friedenslösung gefragt, antwortet Merz, dass man sich hier nicht in derselben Weise falsch verhalten dürfe gegenüber China, wie man sich jahrelang gegenüber Russland falsch verhalten habe. Und dann wörtlich: "Auch China ist ein totalitärer kommunistischer Staat, der ausschließlich seine eigenen Interessen wahrnimmt." (Minute 8:56 bis 9:01)

    Und noch eine Stelle ist interessant: Merz hält es für ausgeschlossen, dass die Russische Föderation ihren Angriffskrieg gegen die Ukraine so weit eskaliert, dass es zum Einsatz von Atomwaffen kommt. "Im übrigen: Die Behauptung, dass Atommächte keine Kriege verlieren, ist falsch: Russland hat den Krieg in Afghanistan verloren, ..." Minute 9:46

    NDR-Interview mit Merz vom 24.2.2023

    Tatsächlich hat nicht Russland in Afghanistan-Krieg geführt, sondern es war die Sowjetunion, die in Afghanistan in einen Bürgerkrieg eingegriffen hat, um die kommunistische Regierung zu stützen.

    Ist das jetzt eine kalkulierte Ungenauigkeit, oder einfach nur "Wurstigkeit", dass Merz (und viele andere) so wenig differenzieren, zwischen Russland, Sowjetunion und Russische Föderation? Außerdem ist die Russische Föderation kein "totalitärer kommunistischer Staat", obwohl ganz klar ist, dass es sich bei Putin nicht um einen "lupenreinen Demokraten" handelt, wie es Ex-Kanzler Schröder mal in einer Fernseh-Diskussionssendung bejaht hatte.

    Die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik war ein Teil der Sowjetunion und auch Soldaten aus der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik kämpften in Afghanistan. Will Merz solche Zusammenhänge in Vergessenheit rücken?

    Siehe auch: Spiegel vom 11.8.2013

    4 Mal editiert, zuletzt von Ullie (24. Februar 2023 um 13:38) aus folgendem Grund: Link zum Interview eingefügt, es war der falsche Link, jetzt ist es der richtige

  • "Die Behauptung, dass Atommächte keine Kriege verlieren, ist falsch"

    Wenn dir das Russland-Beispiel nicht passt, nimm halt den Vietnamkrieg. Die Atommacht USA hat diesen Krieg verloren.

    "Auch China ist ein totalitärer kommunistischer Staat"

    Ohmann, was labert der Merz da für'n Müll. Das heutige Russland ist weder totalitär noch kommunistisch. Wie heißt's richtig, Autokratische Kleptokratie?

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Nach den Vorschlägen Chinas für eine Friedenslösung gefragt, dass Merz (und viele andere) so wenig differenzieren, zwischen Russland, Sowjetunion und Russische Föderation?

    Wenn ich es richtig mitbekommen habe, ist es weniger das Problem dass Merz nicht zwischen Russland, Sowjetunion und Russischer Föderation unterscheiden kann, das dürfte der Weltgeschichte eher weniger Probleme bereiten, sonder dass Putin das nicht kann, oder nicht will.

    Er hat ja, glaubt man seinen Aussagen, offensichtlich so ein Mischwesen im Kopf, dass die Gebiete der Sowjetunion mit einer Form Altrussisches Reich verknüpft, mit reinen Russen die Wieselflink, hart und blöd sind.

    Inwiefern hat China denn eine Friedenslösung vorgeschlagen? Also angekündigt ja, aber wo in den 12 Punkten findet sich denn eine konkrete Friedenslösung?

  • Heute fanden diverse Demonstrationen zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine statt und ich habe keine davon besucht; weder die große Demonstration in Berlin noch die kleinere in Hamburg, obwohl ich dort in unmittelbarer Nähe war.

    Und im Nachhinein ärgere ich mich — natürlich — darüber.

    Aber ich sah mich heute morgen tatsächlich außerstande, an diesem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine eine Demonstration zu besuchen, bei der ich Gefahr laufen könnte, wieder irgendwelchen seltsamen Müll aus dem Megaphon zu hören. Ich erinnere mich dran, am Abend des 24. Februar 2022 auf dem Lüneburger Marktplatz zu stehen und mir eine Rede von irgendeinem Politiker der Linken anzuhören, der sich an der angeblichen Bedrohung Russlands durch die NATO und die Vereinigten Staaten abarbeitete, während nur ein paar tausend Kilometer entfernt unschuldige Menschen von russischen Bomben getötet wurden.

    Und so wurde auch jede weitere Kundgebung, die damals beinahe täglich und im späteren Verlauf des Krieges noch wöchentlich stattfanden, ein gewisser Balanceakt: Kommt gleich wieder einer und schlägt vor, die Ukraine solle sich einfach ergeben, damit so etwas wie in Butscha sich nicht wiederhole?

    Ich bin ja eigentlich recht tolerant, was Demonstrationen angeht. Klar, man marschiert nicht mit Nazis oder mit der AfD, aber wenn bei Fridays for Future mal wieder irgendjemand vom Sozialismus schwärmt oder allzu leichtfertige Forderungen gestellt werden, von wegen wir sollten die Automobilindustrie doch einfach von heute auf morgen zumachen, dann stelle ich mich halt an den Rand der Demonstration, wo es nicht so voll ist, denn mit den grundsätzlichen Zielen der Bewegung stimmte ich ja überein, wenngleich auch nicht mit jeder Zeile jeder dort geschwungenen Rede.

    Aber ich gehe nicht noch mal zu einer Demonstration, bei der jemand fordert, die Ukraine solle sich einfach ergeben, damit das Töten aufhöre. Oder wir sollten keine Waffen mehr liefern, um den Krieg zu beenden.

    Nun stellte sich im Nachhinein heraus, dass bei den heutigen Demonstrationen in Hamburg und Berlin solche Forderungen nicht gestellt wurden, aber nachher ist man ja immer schlauer. Nun ärgere ich mich, meiner Bürgerpflicht nicht nachgekommen zu sein, um wenigstens mal zwei Stunden meiner Zeit zu investieren, für meine Meinung — und für die Ukraine — auf die Straße zu gehen.

    Immerhin war ich so konsequent, heute die Critical Mass ausfallen zu lassen. An einem Tag wie diesem noch fröhlich mit Musik und Seifenblasen durch die Stadt zu radeln wäre mir tatsächlich zu viel gewesen.

  • Aber ich sah mich heute morgen tatsächlich außerstande, an diesem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine eine Demonstration zu besuchen, bei der ich Gefahr laufen könnte, wieder irgendwelchen seltsamen Müll aus dem Megaphon zu hören.

    Ich habe gestern die Veranstaltung in Kiel besucht. Mitgefühl mit Kriegsopfern, umso mehr diese zu den Angegriffenen gehören, ist aus meiner Sicht so etwas wie ein kleinster gemeinsamer Nenner unter zivilisierten Menschen. Es gab viele Ukraine- und Europafahnen, einige Transparente mit Putin- Hitlervergleichen und mehrere Ansprachen. Am meisten zustimmen konnte ich der Zusicherung der Stadt Kiel weiter offen für geflüchtete Menschen aus der Ukraine zu sein.

    Bei den als alternativlos geltenden Waffenlieferungen habe ich persönlich immer Bauschmerzen. Nicht weil ich einen besseren Vorschlag hätte, sondern weil die Parteien, die jetzt Militärgerät ausliefern uns erst einen verlorenen Krieg in Afghanistan eingebrockt haben. Bei dem habe ich bereitwillig mitgemacht und die offizielle Linie mit Beistandsverpflichtung und UN-Mandat brav nachgebetet. Der, als Unterstützung für die Franzosen gedachte, Einsatz in Mali nimmt ein ebenso unrühmliches Ende und auch dort war ich relativ unreflektiert mit dabei.

    Ich persönlich habe das Vertrauen verloren, dass es in unserer Gesellschaft eine realistische Einschätzung davon gibt welche Ziele mit Waffengewalt tatsächlich erreicht werden können und führende Politiker*innen tatsächlich eine strategische Vorstellung vom erwartbaren Erfolg derartiger Bemühungen haben, die über das Prinzip Hoffnung hinausgeht.

  • Wenn dir das Russland-Beispiel nicht passt, nimm halt den Vietnamkrieg. Die Atommacht USA hat diesen Krieg verloren.

    Es ist kein Russland-Beispiel, sondern ein Sowjetunion-Beispiel, das ich genannt habe: Trotzdem der Militäreinsatz der Sowjetunion in Afghanistan drohte zu scheitern, übrigens nicht zuletzt deshalb, weil die USA und andere westliche Staaten die Taliban unterstützten, hatte die Sowjetunion keine Atomwaffen eingesetzt. Vor 35 Jahren zogen die Sowjettruppen aus Afghanistan ab. Möglicherweise hatte die Sowjet-Führung den Einsatz von Atomwaffen in Afghanistan erwogen. Vielleicht findest du ja einen Hinweis darauf?

    Im Vietnamkrieg, wo die USA vor 50 Jahren ihre Truppen abzogen, war meines Erachtens der Einsatz von Atomwaffen konkreter angedacht, auch wenn es letztlich nicht dazu gekommen ist:

    "Nixon erwog Atombomben-Abwurf über Vietnam

    Vor genau 30 [Stand heute 51] Jahren kam es zwischen zwei Top-Politikern der USA zu einem kurzen, aber dramatischen Dialog. Während die Hippies gegen den Vietnamkrieg demonstrierten, beratschlagten Präsident Richard Nixon und sein Nationaler Sicherheitsberater Henry Kissinger über den Abwurf der Atombombe in Fernost."

    Spiegel vom 28.2.2002

    Auch wenn es seit Hiroshima und Nagasaki bisher noch nicht dazugekommen ist, dass die weltweit größten Militärmächte und andere Länder mit Atomwaffen diese auch in einem Krieg eingesetzt hätten, ist das keine Garantie dafür, dass das so bleiben wird.

    Selbst die FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann weist auf die Gefahr hin: "Er würde ja nicht nur sein eigenes Land stark gefährden, sondern er würde damit - ein solcher Atomschlag ist ja nicht eingrenzbar - ja auch die NATO-Anrainer möglicherweise tangieren. Und deswegen geht man davon aus, dass er das nicht wagt. Aber dass dem Irrsinn keine Grenzen gesetzt werden, das weiß man auch hier. Und so ist die Hoffnung und der Mut stärker als die Angst." Strack-Zimmermann im online-nachrichtenmagazin

    regionalHeute.de vom 7.10.22

    Baerbock spricht in diesem Zusammenhang von "Kaffeesatzleserei".

    Stimme vom 30.9.22

    Hofreiter spricht von "Angstpropaganda"

    rtl news vom 3.5.22

    an anderer Stelle bezeichnet Hofreiter Putins Drohung als "Bluff".

    mdr vom 29.9.22

    Wenn bei diesem Wettstreit zwischen FDP und Grünen über eine möglichst maximale militärische Unterstützung der Ukraine selbst Strack-Zimmermann eher zur Vorsicht rät als die Grünen, dann ist das immerhin bemerkenswert.

  • Heute fanden diverse Demonstrationen zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine statt und ich habe keine davon besucht; weder die große Demonstration in Berlin noch die kleinere in Hamburg, obwohl ich dort in unmittelbarer Nähe war.

    "Die Ukraine sei sehr dankbar für die deutschen Waffen für »unsere Jungs und Mädels an der Frontlinie«, sagte Makeiev. »Ohne Waffen werden Kriege nicht gewonnen, und die Ukraine wäre überrannt worden, und viele Tausend Zivilisten wären ermordet worden.« Er betonte: »Wir werden diesen Krieg gewinnen mit einer tollen deutschen Hilfe.«" Immerhin scheint der Melnyk-Nachfolger Makeiev im Amt des ukrainischen Botschafters in Deutschland weniger konfrontativ aufzutreten als sein Vorgänger.

    Spiegel vom 24.2.23

    Spiegel vom 24.2.23

    Aber die Bezeichnung "Jungs und Mädels" für Soldaten, die mit todbringenden Waffen arbeiten, halte ich gelinde gesagt für unangemessen und unglücklich. (Vielleicht ein Übersetzungsproblem?)

    Und was unter "gewinnen" zu verstehen ist, ist weiter in der Schwebe. Ich halte es da eher mit Scholz, der bislang davon Abstand genommen hat, von einem Sieg der Ukraine zu sprechen, und stattdessen sagt: "Die Ukraine darf diesen Krieg nicht verlieren."

    rnd vom 19.1.23

  • Aber ich gehe nicht noch mal zu einer Demonstration, bei der jemand fordert, die Ukraine solle sich einfach ergeben, damit das Töten aufhöre. Oder wir sollten keine Waffen mehr liefern, um den Krieg zu beenden.

    Und das hier sind die Leute, die ich meinte. Als ich gestern zum Lüneburger Bahnhof düste, beobachtete ich einen Kastenwagen, der am Bahnhof ein paar Leute und eine ganze Menge Schilder entlud. „WW 3 verhindern!“, „Ihr lasst euch von ein (sic!) Schauspieler verarschen!“ oder ein kleiner Comic: „Nun haben wir so viele Waffen geliefert…“, „… und trotzdem ist alles kaputt.“

    Die standen dann auch am Bahnhof herum und wollten wohl mit dem Nahverkehr über Uelzen und Stendal nach Berlin rumpeln. Ich muss gestehen: Demonstranten, die sich ein Schild um den Hals hängen, sind mir zunehmend suspekt. Das scheint ja ein Erkennungszeichen der Friedensbewegung zu sein.

    Kurz darauf in Altona steht die örtliche Friedensinitiative und erklärt, wie der Krieg beendet werden kann:

    Denn: Wenn die NATO keine Waffen mehr liefert, dann werde sich Putin sofort an den Verhandlungstisch setzen und über ein echtes Friedensabkommen verhandeln.

    Dass Putin einfach gar kein Interesse an Verhandlungen hat (und das auch recht deutlich macht) und das Putin eigentlich die ganze Ukraine einnehmen möchte (und das auch recht deutlich macht) und die Menschen in der Ukraine anschließend sicherlich nicht in Freiheit, sondern unter russischer Besatzung leben werden (was Putin ja auch recht deutlich macht): Nö. Wenn die NATO sich zurückzieht, werde Frieden herrschen.

    Und auf diese Leute habe ich einfach keine Lust.

    Mir geht’s da gar nicht primär um die viel diskutierte Abgrenzung nach rechts und so weiter und so fort, sondern eher darum, dass diese Menschen vor allem einen Frieden für sich selbst möchten: Sie wollen morgens ohne Horrornachrichten aufwachen und wieder billiges Erdgas beziehen. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie sich wirklich um das Schicksal der Menschen in der Ukraine sorgen, denn ansonsten ginge die Argumentation einige Schritte weiter als einfach zu behaupten, zöge sich die NATO zurück, herrsche wieder Frieden. Ich wüsste ja zu gerne, welche Telegram-Gruppen man konsumieren muss, um so sehr daran zu glauben, dass wir Putin einfach nur falsch verstehen und er eigentlich für alle nur das beste will.

  • Im Dezember '21 gabs ja diesen überraschenden "Vorschlag" Russlands an die UNO, die aktuellen postsowjetischen Strukturen zu zementieren: Keine (weitere) NATO-Osterweiterung, keine EU-Assoziierung mit zentralasiatischen Staaten, insbesondere Georgien. Im Gegenzug Wiederaufnahme von Abrüstungsverhandlungen und das "Nachholen" der Verträge auf Basis der "Versprechungen", die während der Auflösung des Warschauer Pakts angeblich mündlich ausgemacht wurden. Sowie die Forderung, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen NATO und GUS neu zu bestätigen bzw. zu intensivieren (oder so). Fein säuberlich als unterschriftsreifer Vertrag formuliert :) und von der UNO/NATO(?) als "nicht akzeptabel" abgelehnt.

    Fanden damals denn irgendwelche Verhandlungen statt? Weiß da wer was genaueres?

  • Fanden damals denn irgendwelche Verhandlungen statt? Weiß da wer was genaueres?

    Na ja, nach Eingang wurde es diskutiert und ziemlich schnell als nicht akzeptabel befunden. Das war so etwas wie die Pistole Richtung NATO, um Druck zu erzeugen. Die USA haben zu dem Zeitpunkt schon lange vor einem Einmarsch in die UA gewarnt und RUS war da schon in Belarus an der Grenze aufmarschiert. Mit Sicherheit haben Amerikaner und Russen darüber geredet, ich meine das Biden und Putin das in einer Video-Konferenz besprochen haben, aber an so etwas wie Verhandlungen kann ich mich nicht erinnern. Die NATO hat Gespräche angeboten.

    RUS wollte, dass sich die NATO an die Grenzen von vor dem Zerfall der SU zurückzieht, also ohne Polen, Slowakei, Tschechien, Baltikum, Rumänien etc. wenn ich mich richtig erinnere.

    Die Frage, wäre RUS dann nicht irgendwann in die Ukraine einmarschiert, oder hätte sich Putin ins Fäustchen gelacht über so viel Dummheit und wir hätten in ein paar Jahren nicht nur ein Krieg in UA sondern auch in den anderen Ländern der SU.

    Eine NATO-Osterweiterung Richtung UA, Moldawien und Georgien stand sowieso nicht auf dem Plan, das wusste RU, dafür hat Putin ja überall Krieg angefangen.

  • Denn: Wenn die NATO keine Waffen mehr liefert, dann werde sich Putin sofort an den Verhandlungstisch setzen und über ein echtes Friedensabkommen verhandeln.

    Dass Putin einfach gar kein Interesse an Verhandlungen hat (und das auch recht deutlich macht) und das Putin eigentlich die ganze Ukraine einnehmen möchte (und das auch recht deutlich macht) und die Menschen in der Ukraine anschließend sicherlich nicht in Freiheit, sondern unter russischer Besatzung leben werden (was Putin ja auch recht deutlich macht): Nö. Wenn die NATO sich zurückzieht, werde Frieden herrschen.

    Zu Recht muss man Teilen der Demonstrierenden, die sich an der Inszenierung von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer in Berlin beteiligten, vorwerfen, sie denken zu kurz und zu schlicht.

    Putin hat in den von seinen Militärs besetzten Gebieten Referenden abgehalten, deren zweifelhaftes Ergebnis die Gründung jeweils eigener Staaten waren, die allerdings nur von der Russischen Föderation als solche anerkannt wurden und die dann auch Teil der Russischen Föderation wurden.

    "Bei einer Zeremonie zur Annexion von vier ukrainischen Regionen hat Russlands Präsident Wladimir Putin deren Bewohner als russische Staatsbürger bezeichnet. "Die Bewohner von Luhansk und Donezk, Cherson und Saporischschja werden für immer unsere Bürger", sagte Putin am Freitag [30.9.22] vor der politischen Elite des Landes. "Die Menschen haben für unsere gemeinsame Zukunft gestimmt.""

    Südwest Presse vom 30.9.22

    Luhansk und Donezk: Diese Regionen hat Russland annektiert
    Seit Monaten herrscht Krieg in der Ukraine. Doch bereits seit acht Jahren ist der Donbass umkämpft. Donezk und Luhansk wurden jetzt annektiert.
    www.swp.de

    Es ist nicht zu erwarten, dass Putin einfach mal eben so eine erneute Abstimmung in den ukrainischen Gebieten zustimmt, die aus seiner Sicht bereits längst rechtmäßige Teilstaaten der Russischen Föderation sind. Aber selbst wenn das der Fall sein sollte, wer kontrolliert dann zum Zeitpunkt der Abstimmung die Gebiete militärisch?

    Aber wie realistisch ist das Vorhaben der Ukraine, diese Gebiete mit militärischen Mitteln vollständig zurückzuerobern? Und wie weit wird dabei die Unterstützung durch andere Staaten gehen, oder gehen können, ohne selbst Kriegspartei zu werden? Oder andere Gefahren einzugehen?

    Einmal editiert, zuletzt von Ullie (26. Februar 2023 um 20:20) aus folgendem Grund: Überarbeitung

  • Was braut sich da zusammen?

    "Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat auf die enthüllten Übernahmepläne Russlands reagiert und schließt nicht aus, dass sie echt sind. Das geht aus Zitaten hervor, die die staatliche Nachrichtenagentur Belta veröffentlicht hat."

    rnd vom 26.2.23

    "Auf Basis von Informationen von "Partisanen" berichtete auch Franak Wiacorka – ein Berater der im Exil lebenden Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja – von einem Drohnenangriff auf ein russisches Flugzeug. Der Anschlag am Sonntagmorgen soll von zwei Belarussen mit einer Drohne verübt worden sein – so Wiacorka auf Twitter. Sie sollen das Land verlassen haben und sich in Sicherheit befinden."

    Berliner Morgenpost vom 27.2.23

    Interessant ist die Wortwahl "Partisanen", an anderer Stelle hatte ich "Rebellen" gelesen. NTV vom 27.2.23

    NTV vom 27.2.23

    Da sind anscheinend zwei Männer, die sich als Rebellen und oder Partisanen bezeichnen, angeblich mit belarussicher Staatsangehörigkeit. Und die bringen mit bewaffneten Drohnen ein Aufklärungsflugzeug der russischen Föderation zur Explosion, das in Belarus stationiert ist. Ist das vergleichbar mit dem Anschlag der RAF auf das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Deutschland im Mai 1972? Die RAF begründete den Anschlag unter anderem mit der Kriegsführung der USA in Vietnam.

  • Es klingt reichlich verrückt, dass die AfD jetzt mit einer Forderung nach einer engeren Anbindung Deutschlands an Russland und einem "Brexit" aus der EU und einem Austritt aus der Nato in den Europa-Wahlkampf zieht:

    „Höcke und Krah wollen weg von der Westbindung und näher an Russland“

    Welt vom 30.07.2023

    Das sollte jedoch für die anderen Parteien kein Grund dafür sein, jegliche militärische Verteidigungsaktionen der Ukraine zu rechtfertigen. Besonders dann nicht, wenn es zu Ereignissen keine gesicherten Erkenntnisse gibt:

    "Die russische Hauptstadt ist zum Ziel eines Drohnenangriffs geworden, die Ukraine äußerte sich bisher nicht dazu. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter verteidigt das Vorgehen."

    dlf vom 30.7.23

    Warum verteidigt Kiesewetter das Vorgehen der Ukraine, obwohl gar nicht sicher ist, ob die Ukraine für die Drohnenangriffe verantwortlich ist, bzw. ohne dass die Ukraine sich bisher dazu bekannt hat? Ist das der Versuch, die AfD-Propaganda im Keim zu ersticken, indem quasi ein Dogma aufgestellt wird, demzufolge alle militärischen Maßnahmen der Ukraine pauschal gutgeheißen werden?

    Ein ähnliches Verhalten gab es schon bei dem Einsatz der Streubomben durch die Ukraine. Ist ein solcher Einsatz durch die Ukraine gerechtfertigt, weil Russland Streubomben einsetzt? Darüber gehen die Meinungen auseinander: "Während Spanien und Großbritannien die Lieferentscheidung der USA kritisieren, zeigt die Bundesregierung Verständnis. In der Ukraine bestehe „eine besondere Konstellation“, da „die Ukraine eine solche Munition zum Schutz der eigenen Zivilbevölkerung einsetzt“, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit."

    taz vom 9.7.23 taz vom 9.7.23

    Es ist gut, dass jenseits solcher Rhetorik bislang Deutschland keine Streubomben an die Ukraine liefert: "Für Deutschland kommt es nach den Worten von Verteidigungsminister Pistorius nicht infrage, die Ukraine mit Streumunition zu beliefern."  dlf vom 7.7.23

    Beim Einsatz von Drohnen gegen Ziele in der Russischen Föderation, insbesondere in Moskau, kommt ganz unabhängig von moralischen Bedenken hinzu: Es könnte passieren, dass dadurch die Zustimmung in der russischen Bevölkerung zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine noch weiter gestärkt wird. Stattdessen hoffen anscheinend einige Beobachter, die Bevölkerung Moskaus und der ganzen russischen Föderation werde mit den Drohnenangriffen verunsichert und die Unterstützung für Putin schmilzt dahin. Eine sehr vage Hoffnung, die keine Drohnenangriffe rechtfertigt.

    Ich halte auch nichts von der Argumentation, dass die bisher erfolgten Drohnenangriffe gegen Moskau zwar keine nennenswerten Schäden verursacht und auch keine Menschenleben gekostet hätten, aber trotzdem Zweifel gesät hätten hinsichtlich der Behauptung der russischen Regierung, Moskau sei sicher.

    Es gibt keinen Grund, jegliche militärische Aktionen der Ukraine gutzuheißen und jegliche Forderung nach Lieferung von Waffensystemen zu erfüllen. Deshalb ist es auch gut, dass Pistorius weiterhin die Lieferung von Marschflugkörpern ablehnt: "Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beharrt beim Thema deutsche Marschflugkörper für die Ukraine weiterhin auf seinem Nein. Auf Anfrage der "Welt am Sonntag" bestätigt eine Sprecherin von Pistorius' Verteidigungsministerium, dass es "keine Lieferungen geben wird"."

    t-online vom 29.7.23

    Eine solche Haltung ist kein Anbiedern an Positionen der AfD. Da gibt es ganz andere, wirklich unrühmliche Beispiele für, etwa wenn CDU-Chef Merz arabischstämmige Schüler "kleine Paschas" nennt. ZDF vom 11.1.23

    2 Mal editiert, zuletzt von Ullie (1. August 2023 um 09:51) aus folgendem Grund: Links bearbeitet, ergänzt, dass AfD oder zumindest ein Teil der AfD aus der Nato raus will.