NRW will Fahrraddemonstrationen auf Autobahnen unterbinden

  • Etwas unter dem Radar, aber nicht weniger brisant finde ich ja https://www.landtag.nrw.de/home/dokumente…ungsgesetz.html

    Die Formulierung dazu lautet in Drucksache 17/12423:

    Zitat

    Öffentliche Orte mit besonderer Widmung und besonderen Gefahrensituationen sind mit Rücksicht auf die Verpflichtung des Staates zur Gefahrenabwehr und zum Schutz der Rechte Dritter

    und der Infrastruktur stets von Versammlungen freizuhalten. So ist auf Autobahnen und Bahngleisen kein kommunikativer Verkehr eröffnet. Deswegen dürfen dort in der Praxis der Versammlungsbehörden keine Versammlungen erlaubt werden, auch dann nicht, wenn in der Weise ein vorgeblicher „inhaltlicher“ Bezug hergestellt werden soll, dass von Autogegnern auf einer Autobahn gegen Umweltschäden durch den Kraftverkehr demonstriert werden soll. Demonstrationen gegen den Kraftverkehr, auch den auf der Autobahn, können auf insoweit geeigneten Straßen des örtlichen Verkehrs durchgeführt werden. Die Inanspruchnahme der Autobahn für ein solches partikulares Interesse wäre ein übermäßiger Eingriff in die Fortbewegungsfreiheit und in die negative Versammlungsfreiheit Nichtbetroffener und in die sehr gefahrengeneigte, hochkomplexe und anfällige staatliche Verkehrsinfrastruktur, welche Bestandteil der öffentlichen Sicherheit ist. Die Auffassung, in derartigen Fällen könne im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null ein Anspruch auf die Autobahn als Örtlichkeit einer Demonstration bestehen (so Kniesel, in: Dietel/Gintzel/Kniesel, aaO, Teil I Rn. 147; dagegen zutreffend etwa Blanke, in: Grundrechte-Kommentar, aaO, Art. 8 Rn. 44; Depenheuer, in: Maunz/Dürig, aaO, Art. 8 Rn. 163; Gusy, NdsVBl. 2017, 257 (263)>; vgl. ferner OVG Münster, Beschluss

    vom 30. Januar 2017 – 15 A 296/16)), ist daher ausdrücklich zurückzuweisen.

    Sofern man eine Demonstration als eine Versammlung mit unmittelbar kommunikativen Charakter versteht, halte ich die Begründung für gar nicht mal so ganz abwegig: Auf einer Autobahn kann ich zwar mit Plakaten demonstrieren oder Forderungen stellen, die dann aber höchstens mittelbar durch die Medien wiedergegeben werden, im Gegensatz zur örtlichen Fußgängerzone, wo ich direkt von Passanten gesehen werde. Auch wenn ich vielleicht nicht mit § 8 GG in der Hand gegenüber der Versammlungsbehörde einen Ort meiner Wahl vorbehaltlos wählen darf, scheint mir die Begründung etwas halbgar — ich war bislang in der Planung von Demonstrationen über Bundesautobahnen nur mittelbar beteiligt, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sich jemand um den „kommunikativen Verkehr“ bei einer Demonstration auf der Autobahn sorgt, sondern auf der Autobahn wie auch auf anderen Straßen allein die Sorge besteht, wie sich der Fluss des Kraftverkehrs aufrecht erhalten lässt und da ist natürlich enie Demonstration auf einer Autobahn eine ganz andere Hausnummer als auf einer örtlichen oder einer Überlandstraße.

    Die Versammlungsgesetze der übrigen Bundesländer dürften ja in den nächsten Jahren von dieser Idee partizipieren und ich wundere mich, ob davon dann auch die jährlichen Sternfahrten mit Autobahnbeteiligung betroffen sein werden, etwa die Berliner Sternfahrt über den AVUS oder die Hamburger Fahrradsternfahrt, die aufgrund der Elbe sinnvoll nur über die Bundesstraße 75 abgewickelt werden kann, die aber unmittelbar südlich der Elbe in die Bundesautobahn 255 mündet. Als bei der Hamburger Fahrradsternfahrt im Jahr 2013 aufgrund der Bundesgartenschau nicht über die Autobahn gefahren werden durfte, war das ja auch schon alles ein bisschen enger.

  • In München wurde der Eilantrag zurückgewiesen. Die sehr große Demo ist dann auf Nebenstraßen gefahren, natürlich nur auf einer Seite wg. Rettungsgasse und so und es gab ein riesiges Verkehrschaos, weil der Demozug natürlich durch die neue Route deutlich langsamer war, als er es je auf der AB gewesen wäre und nicht wenige AB-Ausfahrten stattdessen blockiert waren. Dafür hatten wir einen eigenen Hubschrauber, der uns beobachtet hat. Ich glaube, das Hauptsacheverfahren läuft aber noch.

  • Versammlungsfreiheit ist kein absolutes Grundrecht und muss gegen die Rechte anderer abgewogen werden.

    Sonst könnte man auch zu dritt jeden Morgen um 7 eine Demo auf der Autobahn durchführen und so mit minimalem Einsatz einen hohen Schaden für viele andere Menschen bewirken.

    Als Versammlungsbehörde würde ich eine Demo auf der Autobahn nur selten erlauben und nur bei genug Teilnehmern.

    Das Kommunikative halte ich für ein vorgeschobenes Argument. Jeder kann seine Forderungen über soziale Medien selbst verbreiten oder sich an der der Ausweichstrecke mit nem Plakat hinstellen um die Aktion zu erklären.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Als Versammlungsbehörde würde ich eine Demo auf der Autobahn nur selten erlauben und nur bei genug Teilnehmern.

    Und schon würdest du deine Kompetenzen überschreiten, weil du deinen eigenen Bias als Maßstab nimmst? :) Was, wenn es alle 2 Tage "genug" Teilnehmer gäbe? Wäre es dann nicht mehr "selten" genug, oder wären dann einfach "genug" Teilnehmer nicht mehr genug?

    Insgesamt sehr schwierig, aber im konkreten Fall "München" waren es tatsächlich Tausende und noch dazu ein exzeptionelles Ereignis. Dennoch wurde es verboten.

    Genau genommen könnte man auch sagen, dass der tägliche Stau auf der Autobahn eine nicht genehmigte Versammlung ist 8o Letzte Endes läuft es doch immer darauf hinaus, dass das, was ist, "normal" ist, und das, was nicht sein soll, "unnormal" ist. Mehr steckt doch nicht dahinter, oder?

  • "In mehreren deutschen Städten kam es am Wochenende zu prorussischen Demonstrationen und proukrainischen Gegenveranstaltungen. So versammelten sich in Frankfurt am Main etwa 800 Menschen auf dem Opernplatz. Die Demonstration fand unter dem Motto „Gegen Hetze und Diskriminierung der russischsprachigen Mitbürger/Gegen Krieg – Für Frieden“ statt. Ein geplanter Autokorso mit 700 Fahrzeugen wurde von der Stadt verboten. Trotzdem kreisten einige Autos durch die Innenstadt. Laut Polizei riefen sie kriegstreiberische Parolen und zeigten Russlandflaggen."

    Quelle: taz vom 11.4.2022, Autokorsos für Putin, https://taz.de/Prorussische-Demonstrationen/!5845042/

    In Hannover fand, anders als in Frankfurt, eine Autodemo statt. Zum Glück ist dabei anscheinend kein Mensch verletzt worden. Aber ich finde es hochgefährlich, solche Auto-Demonstrationen zuzulassen. Nicht zuletzt die noch nicht lange zurückliegenden schlimmen Amokfahrten mit PKWs sollten doch in den Behörden alle Alarmglocken schrillen lassen.

    Hier drei Beispiele:

    Amokfahrt in Trier in die Fußgängerzone am 1.12.2021: 5 Todesopfer, 24 zum Teil schwer Verletzte https://de.wikipedia.org/wiki/Amokfahrt_in_Trier

    Amokfahrt in Volkmarsen in einen Rosenmontagszug am 24. Februar 2020: 122 Verletzte

    Amokfahrt in Volkmarsen – Wikipedia

    Pick up Fahrer fährt Demonstranten an, die gegen eine AfD-Veranstaltung demonstrieren am 17.10.2020

    "Die AfD in Schleswig-Holstein will mit dem Täter nichts zu tun haben. Am 17. Oktober fuhr Melvin Sch. am Rande einer AfD-Veranstaltung in Henstedt-Ulzburg Gegendemonstrant*innen an. Mit seinem 3,5 Tonnen schweren Pick-up war der 19-Jährige gezielt auf den Gehweg gefahren, um zu attackieren. Der Fahrer habe aber nicht an der AfD- Veranstaltung teilgenommen, betont der AfD-Kommunalpolitiker Julian Flak. Über mögliche Verbindungen zur Partei schweigt er. Die sozialen Netzwerke offenbaren aber, dass es sie gibt." taz Hamburg vom 27.11.20

    Verbindung der AfD zu Auto-Attentäter: Man kennt sich von Insta

    Mit dem Fahrer der Auto-Attacke gegen Antifaschist*innen in Henstedt-Ulzburg will die AfD nichts zu tun haben. Aber online gibt es Verbindungen.

    taz.de

    Verbindung der AfD zu Auto-Attentäter: Man kennt sich von Insta
    Mit dem Fahrer der Auto-Attacke gegen Antifaschist*innen in Henstedt-Ulzburg will die AfD nichts zu tun haben. Aber online gibt es Verbindungen.
    taz.de

    Besonders der letzte Fall zeigt, wie gefährlich Autos im Zusammenhang mit einer Demonstration sind und ganz schnell eine gefährlichen Waffe darstellen.

    Wenn man bedenkt, dass bei Demonstrationen sogar die Stangen zum Halten der Transparente streng limitiert sind hinsichtlich ihres Querschnitts, so dass sie nicht zu einer gefährlichen Waffe umfunktioniert werden können, ist es absolut unverständlich, dass Behörden Auto-Demonstrationen genehmigen.