Wahlwerbung auf Plakaten im Straßenraum unterbinden — wer ist zuständig?

  • Passend zum Thema nebenan (Rad-Verkehrspolitische Plakate und Parteienwerbung im Wahlkampfjahr 2021) habe ich mal eine andere Frage: Hier in Lüneburg wie auch in vielen anderen Städten arten die Wochen vor einer Wahl, egal ob Landtags-, Bundestags- oder Kommunalwahl immer in eine Art Materialschlacht aus, in der zehntausende Wahlplakate für ein paar Wochen den Straßenraum zieren.

    Diese Wahlplakate sind in der Regel aus billigsten Kunststoff gefertigt, werden in der Regel mit Einweg-Kabelbindern befestigt und belasten allein durch ihre Existenz die Umwelt — abgesehen davon, dass beinahe zwangsläufig Wahlplakate und Kabelbinder in die Umwelt eintreten, wenn im Zuge von Vandalismus oder Sturmböen das eine oder andere Plakat den Abgang macht.

    Und: Diese Plakate hängen ständig im Verkehrsraum herum — und je nach Qualität der eingesetzten Kabelbinder (und der Lust und Laune der Leute, die dort zugange waren) folgen die Plakate binnen weniger Tage dem Ruf der Schwerkraft und rutschen in das Lichtraumprofil des Radweges. Ich bin mittlerweile über Gebühr genervt von den Plastikplakaten der örtlichen CDU, denn entweder machen sie’s sich auf dem Boden am Laternenpfahl gemütlich oder sie liegen halb zerrissen auf Geh- und Radweg herum. Beim Aufhängen und Erneuern der Plakate kommt dann trotz aller fröhlichen Versprechungen über Umwelt- und Klimaschutz ein Kraftfahrzeug zum Einsatz, das in der Regel dann auch hier und da und dort auf dem Radweg parkt — man will ja nicht den „echten Verkehr“ mitdessen Wählern vergraulen.

    Und wenn die Wahl vorbei ist, sammeln einige Parteien ihre Plakate schnell wieder ein, andere lieber nicht und überlassen es der UV-Strahlung, die Kunststoffverbindungen am Laternenpfahl aufzulösen.

    In der Umgebung von Rendsburg, wo ich aufgewachsen bin, gibt es solche Probleme nicht. Dort werden seitens der Gemeinde Stellwände aufgebaut, auf denen die einzelnen Parteien jeweils ein Plakat aufkleistern dürfen. Total praktisch, löst bis auf das Falschparken auf dem Radweg beinahe alle Probleme.

    Mal davon abgesehen, das der folgende fromme Wunsch so realistisch ist wie eine vernünftige Wahlrechtsreform, die Verkehrswende oder Klimaschutz, aber was wäre der richtige Weg, um diese Art der Wahlwerbung vorzuschreiben und diese bisherige Materialschlacht zu unterbinden? Offenbar wird das ja von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich gehandhabt — oder ist das doch irgendwo im Landes- oder Bundesrecht geregelt?

  • In Hannover ist es so geregelt, dass die Parteien eine Sondererlaubnis erhalten, die es gestattet unter Einhaltung der gesetzten Vorgaben, Wahlplakate aufzuhängen.

    Eine Vorschrift besagt zum Beispiel, dass mindestens 2,20 m Abstand zwischen Plakat-Unterkante und Fußboden frei sein müssen.

    Da Plakate meistens an Laternen befestigt werden, ist es auch wichtig zu wissen, dass mindestens 1,00 m zum Leuchtkörper frei gehalten werden müssen. In dem Beispiel auf dem Foto ist das nur deshalb gut gegangen, weil der Laternenmast hier ganz besonders hoch ist. Leider kommt es häufiger vor, dass an besonders beliebten Laternenmasten mehrere Parteien ihre Plakattafeln anbringen. Wer spät kommt, der schiebt die früher angebrachten dann nach oben, manchmal so hoch, dass der 1-Meter-Abstand zur Lampe nicht eingehalten wird. Und wenn nach oben Schluss ist, dann kommt es häufiger vor, dass der Abstand nach unten nicht stimmt.

    Obwohl der Nutzen dieser Wahlplakate immer wieder in Frage gestellt wird, halte ich es für richtig, dass es diese Ausnahmegenehmigung zum Plakatieren gibt, zumal sie auf wenige Wochen vor der Wahl begrenzt ist.

    Aber auch dabei gibt es wohl Unterschiede.

    Jedenfalls hatte ich bei Besuchen in der Verwandtschaft und bei Bekannten festgestellt:

    In Hessen (Frankfurt und Main-Taunus-Kreis) gab es bis letzte Woche keine Plakate.

    In Rheinlandpfalz (Bingen und Mainz) gab es dagegen bereits zahlreiche Bundestagswahlplakate:

    Hier zwei Beispiele aus Bingen:

    Und hier ein Beispiel aus Mainz:

    Und noch ein Beispiel aus Mainz. Dieses FDP-Plakat finde ich spannend.

    Da kann man der FDP ja alles erdenklich Schlechte nachsagen und sie zu Recht wegen ihrer verantwortungslosen Klimapolitik kritisieren.

    ABER: Die Partei oder zumindest dieser Mainzer FDP-Kandidat Friedrich Sartorius hat Chuzpe!

    In Baden-Württemberg gab es ebenfalls erste Plakate, jedoch deutlich weniger als zum Beispiel im Mainz.

    Hier zwei Beispiele aus Stuttgart:

    Und noch ein Beispiel aus Stuttgart, aufgenommen am 6.8.2021, mit der Critical Mass Stuttgart im Hintergrund:

  • Kabelbinder in die Umwelt

    Seitenschneider mitnehmen und die Kabelbinder fachgerecht entsorgen!

    wenn die Wahl vorbei ist, sammeln einige Parteien ihre Plakate schnell wieder ein, andere lieber nicht und überlassen es der UV-Strahlung, die Kunststoffverbindungen am Laternenpfahl aufzulösen.

    Ich dachte bisher, Parteien seien unter Androhung von Bußgeldern verpflichtet ihre Plakate wieder einzusammeln.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Und: Diese Plakate hängen ständig im Verkehrsraum herum — und je nach Qualität der eingesetzten Kabelbinder (und der Lust und Laune der Leute, die dort zugange waren) folgen die Plakate binnen weniger Tage dem Ruf der Schwerkraft und rutschen in das Lichtraumprofil des Radweges.

    Ich habe vor zwei Jahren ein solches Wahlplakat fachgerecht abgesichert.

    Das Foto machte anschließend bei Facebook die Runde, wodurch sich die SPD genötigt sah, sich etwas mehr Mühe zu geben und ihre Kompetenz auch beim Befestigen der Wahlplakate unter Beweis zu stellen.

  • Ich dachte bisher, Parteien seien unter Androhung von Bußgeldern verpflichtet ihre Plakate wieder einzusammeln.

    Sind Sie auch — aber das wird wohl so häufig sanktioniert wie Falschparken. Insbesondere die örtliche CDU scheint sich nach meiner Beobachtung überhaupt gar nicht um ihre kaputten Plakate zu kümmern.

  • Sind Sie auch — aber das wird wohl so häufig sanktioniert wie Falschparken. Insbesondere die örtliche CDU scheint sich nach meiner Beobachtung überhaupt gar nicht um ihre kaputten Plakate zu kümmern.

    "Falsch angebracht: Stadt Hannover nimmt Wahlplakate ab"

    NDR vom 29.7.2021

    "Mitarbeitende der Stadt Hannover entfernen in diesen Tagen Wahlplakate, wenn sie nicht gemäß der Auflagen für das Anbringen solcher Plakate aufgehängt wurden. Das bestätigte ein Sprecher der Stadt dem NDR in Niedersachsen. So habe zum Beispiel der Fachbereich Umwelt und Stadtgrün Plakate entdeckt, die mit Kabelbindern oder Drähten an Bäumen befestigt waren. Das könne die Rinde und damit die Bäume schwer schädigen. Alle Parteien seien vor zwei Wochen in einem Schreiben gebeten worden, die Plakatorte diesbezüglich zu prüfen und die Plakate im Zweifel abzuhängen. Wo das nicht passiert ist, nehmen Stadtmitarbeitende die Schilder ab und lagern sie ein, wie es heißt."

    Falsch angebracht: Stadt Hannover nimmt Wahlplakate ab
    Manche Plakate seien mit Draht an Bäumen befestigt. Das schädige Rinde und Baum, teilte der Fachbereich Umwelt mit.
    www.ndr.de

    Hier ein Beispiel aus Hannover:

    Wenn man genau hinsieht, dann erkennt man, dass die Kabelbinder tatsächlich die Rinde gefährden:

    Vielleicht sollte man die Arbeit des Grünflächenamtes mit entsprechenden Aufklebern unterstützen?

  • Das scheint ja alles auf kommunaler Ebene angesiedelt zu sein. Man kann jedenfalls auch bei vorgegebenen Stellwänden die so genannte freie Plakatierung beantragen:

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    Interessant aber, dass niemand zu wissen scheint, warum welche Regelungen überhaupt gelten — außerhalb der eigenen Gemeinde kennt man sich nicht aus..

  • Dieser Vorgang mit den Plakaten des Südschleswigschen Wählerverbandes lässt vermuten, dass die Kommunen verpflichtet sind, den Parteien Plakatfläche zur Verfügung zu stellen. Und darüber hinaus auch verpflichtet sind, es zu erlauben, dass Wahlkampfplakate auf öffentlichen Flächen aufgehängt werden. Und das finde ich gut so!

    Dieser Twitter-Post von @danielasgedanke macht auf mich den Eindruck, als spräche da ein ungeheuer voreingenommener Snob, der sich darüber mokiert, dass es Parteien im Wahlkampf gestattet ist, Plakate aufzuhängen.

    So eine Art Haltung: Pfui bah. Wahlkampfplakate, so was Schmutziges Igittegitt.

    Habe solche bonierten Typen auch schon im persönlichen Gespräch erlebt. X/ Das sind die Totengräber der Demokratie.

  • Ja, früher waren die Plakate wenigstens aus Papier. Jetzt benötigte man ja schon einen Eding, um die Bilder zu verzieren.

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • Wahlplakate sind kein Müll. Und beim Aufhängen von Wahlplakaten muss eine hohe Zahl Plakate einkalkuliert werden, um eine Wirkung zu erzeugen. Der Vorteil der Wahlplakat-Aktion ist, dass die Plakate an Orten aufgehängt werden dürfen, wo sonst keine Plakate hängen. Das erhöht enorm den Aufmerksamkeitswert.

    Weil der Aufhängzeitraum begrenzt ist (ca. 8 Wochen vor der Wahl bis kurz nach der Wahl), ist es um so mehr gerechtfertigt, dass die Plakate in großer Anzahl aufgehängt werden.

    Übrigens benutzen nicht alle Parteien Wahlplakate aus Kunststoff.

    Es gibt immer noch die klassischen Aufsteller aus Dachlatten und Hartfaserplatte, die eingelagert werden und bei der nächsten Wahl wieder benutzt werden, um Wahlplakate aus Papier mit Kleister darauf zu kleben:

    Und die müssen nicht mit Kunststoff-Kabelbindern an Bäumen befestigt werden, sondern die lassen sich anlehnen, was dem Baum keinen Schaden zufügt. Damit die Ständer nicht umkippen, kann man sie gegenseitig mit Bändern oder Drähten sichern, wie auf dem Foto zu sehen. Nur direkt um die Baumrinde sollte der Draht nicht befestigt werden!

    Dann gibt es die klassischen Großflächenplakate, mit Metallgestänge und Klebeflächen aus Holzverbundwerkstoff-Platten:

    Die werden von Werbefirmen aufgestellt und ebenfalls eingelagert.

    Und bei den Plakaten, die aufgehängt werden gibt es neben denen aus Kunststoff auch solche aus Karton. Das kann man auf diesem Bild sehen an einem Grünen-Plakat, das leider zerstört wurde.

    Das Piratenplakat darunter ist aus Kunststoff. Ob es aus recycelten Kunststoff ist, habe ich noch nicht rausgefunden. Die Kunststoffplakate sind nicht unbedingt stabiler, allerdings können sie Regen und Nässe besser ab.

  • Was soll ich davon halten?


    #bessermachen #cdurwm

    Ich muss dazu sagen, ich habe das Plakat in Ricklingen (ein Stadtteil von Hannover) hängen sehen.

    die Nachbarstadtteile sind Wettbergen und Mühlenberg.

    Sie bilden zusammen anscheinend den CDU-Bezirk ricklingenwettbergenmühlenberg.

    Da bin ich aber erst drauf gekommen nachdem ich die Plakatbotschaft in die Suchmaschine eingegeben habe.

    Ist das jetzt gute und nötige Plakatwerbung, die erfolgreich neugierig macht, mal nachzuschauen, was im Internet zu der Partei zu finden ist. Hat bei mir ja anscheinend funktioniert.

    Oder kann das weg, weil es zu absurd ist, so platt auf den eigenen Internetauftritt hinzuweisen, ohne irgendeine politische Botschaft zu vermitteln?

  • Das soll vermutlich zeigen, dass die CDU ganz hipp das Thema Digitalisierung aufgreift. Allerdings nur mit kryptischen hashtags, weil für mehr Informationen die Bandbreite nicht ausreicht. Meine Mutter würde sich durch das Plakat wohl eher nicht angesprochen fühlen (und ich auch nicht).

  • Das scheint ja alles auf kommunaler Ebene angesiedelt zu sein. Man kann jedenfalls auch bei vorgegebenen Stellwänden die so genannte freie Plakatierung beantragen:

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    Interessant aber, dass niemand zu wissen scheint, warum welche Regelungen überhaupt gelten — außerhalb der eigenen Gemeinde kennt man sich nicht aus..

    Es kommt drauf an, wo das Plakat steht.

    • Auf privatem Grund ist es eine Sache der Einigung/Bezahlung/Überzeugung der Eigentümer (analog dazu, wie auch viele Firmen auf ihren Gebäuden z. B. für die Ausbildung bei sich werben). Da kannst du wenig bis gar nichts machen, außer die Plakate sind an sich schon verfassungsfeindlich (z. B. wegen Herabwürdigung ganzer Bevölkerungsteile oder Verbreitung nachweisbarer Lügen über andere Politiker).
    • Auf öffentlichem Grund ist es die Sache der Gemeinde, da hat jede relativ viel Ermessensspielraum. Meistens werden z. B. feste Plakatwände unter den Bewerbern aufgeteilt oder nach einem bestimmten Schema vergeben, z. B. in Reihenfolge wie sie auch auf den Wahlzetteln stehen oder nach dem letzten Wahlergebnis. Grundsätzlich müssen allen Parteien (auch kleinen) dabei 5% der Gesamtfläche bzw. Menge zugestanden werden, sie müssen aber nicht alle gleichbehandelt werden, das ist auch wieder Ermessensfrage der Gemeinden. An besonderen Orten, die Neutralität vermitteln sollen, z. B. Rathäusern, Schulen oder Wahllokalen, wird in der Regel nicht plakatiert, ich glaube aber es wäre nicht verboten. Am ehesten hast du da eine Chance, wenn deine Partei z. B. keine Plätze erhalten hat.
    • Auf öffentlichen Straßen gilt der vorherige Abschnitt, aber mit der Einschränkung, dass die Verkehrssicherheit absoluten Vorrang genießt: Plakate dürfen nicht die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer gefährden, indem sie z. B. die Sicht an Kreuzungen nehmen oder Hindernisse auf dem Radweg darstellen.

    Dabei hilfreich ist VG Augsburg, Urteil vom 29.01.2014 - Au 6 K 13.1376. Problem aus meiner Sicht: man muss erstmal wissen, ob eine Erlaubnis erteilt wurde oder nicht, und das müssen die Behörden je nach Land (Niedersachsen, Bayern, Sachsen) mangels IFG gar nicht, oder auch in den anderen Fällen erst nach einem Monat, wo die Wahl längst rum ist. Ein Eilantrag vor Gericht kostet dagegen, wenn er doch ungerechtfertigt war (wenn auch relativ wenig). Vielleicht sind deshalb Edding und rohe Gewalt als Notbehelf bei manchen Leuten so beliebt, sozusagen der kurze Dienstweg.,,

  • Ups - ein Fehlläufer!

    Die Vegan-Partei (V-Partei) stellt eindeutig das Verkehrsmittel Fahrrad in den Mittelpunkt eines ihrer Plakate:

    Der ganze Beitrag auf:

    Einmal editiert, zuletzt von Ullie (7. September 2021 um 13:40)

  • Mir stand mehrmals Herr Laschet im Weg. Nämlich: 2 Meter breiter Gehweg mit Lichtmast, am Lichtmast am Boden Laschet. Quer zur Fahrt- und damit auch Laufrichtung. Da der Lichtmast nahe dem rechtsseitigen Zaun stand, hieß das: auf 1 m links zwischen Plakat und Bordsteinkante durchquetschen.

    Also habe ich Herrn Laschet um 90 Grad gedreht. Das ging drei Mal so, jetzt haben die Fußgängerhasser anscheinend aufgegeben und Laschet rechts so stehengelassen, dass er den Weg in ein modernes Deutschland möglichst wenig behindert.