Frage zu "protected Intersections" / "geschützten Kreuzungen"

  • Zum Thema "holländisches Design": den Stand der Forschung fasst die niederländische Verkehrsforschungsanstalt SWOV in einem Factsheet aus dem Jahr 2015 zusammen.

    Wundert es noch jemanden, dass darin nicht ein einziges Sterbenswörtchen über den Einfluss der baulichen Kreuzungsgestaltung verloren wird, und dass auch die gezeigten Führungsformen keinerlei Hinweise auf das angeblich in NL als Standard und Wundermittel empfohlene "Schutzdesign" enthalten?

    Das sogenannte "holländische Kreuzungsdesign" wird vor allem von jenen als "angebliches Wundermittel" bezeichnet, die es ablehnen. Es ist doch offensichtlich, dass für das "holländische Kreuzungsdesign" breite Radwege und viel Platz im Kreuzungsbereich unabdingbare Voraussetzungen sind.

    Es wäre deshalb technisch nicht möglich alle Kreuzungen so umzubauen, dass sie dem Ideal des "holländischen Kreuzungsdesign" entsprechen.

    Na und! Trotzdem kann es Sinn machen, Kreuzungen so zu gestalten. Und es gibt keinen Grund, denjenigen, die dieses Kreuzungsdesign gutheißen, polemisch zu unterstellen, sie sähen darin ein "Wundermittel".

    Faktisch wird jedoch oft eine weitere Fahrspur für den Autoverkehr als wichtiger erachtet als ein sicheres Kreuzungsdesign.

    Ebenso wird ein möglichst großzügiger Abbiegeradius oft als wichtiger erachtet, als die Sicherheit der Radfahrer.

    Wenn ein soggenanntes holländisches Kreuzungsdesign dazu beiträgt, die Kurvenradien zu reduzieren und ein langsames Abbiegen herbeiführt, dann spricht da meines Erachtens nichts gegen.

    Es ist schade, dass in der Studie anscheinend kein Vergleich gemacht wird, ob bestimmte Kreuzungsgestaltungen das Unfallgeschehen positiv oder negativ beeinflussen.

    Mein Eindruck: Es geht in der Studie sehr stark um die verschiedenen Außenspiegel an LKW's.

    Auf jeden Fall wird das Kreuzungsdesign in Bild B und C von Abbildung 3 auf Seite 3 nicht als Problem gesehen!

  • Titelseite der Süddeutschen Zeitung dieses Wochenende - Im "Wissen"-Teil gabs dazu eine ganze Doppelseite.

    Den Artikel gibts auch Online:
    https://www.sueddeutsche.de/wissen/verkehr…14?reduced=true

    hinter der Paywall. (Die SZ bewirbt das nicht, aber wenn man nach "Süddeutsche Tagespass" googelt, kommt man auf folgende Seite https://produkte.sueddeutsche.de/tagespass-und-komplett/ und kann für 1,99 24h lang auf das Online-Angebot zugreifen.)

    Die verschiedenen Planungsvarianten für städtische Kreuzungen werden grafisch vorgestellt;

    es kommt Stephanie Krone vom ADFC ausführlich zu Wort, die das sogenannte Holländische Design mit den versetzten Radwegen und den Schutzinseln so bewertet: "Bei kleineren Kreuzungen mit wenig Verkehr braucht es so eine Kreuzung vielleicht nicht. Aber bei hohem Tempo und viel Auto- und Radverkehr ist das der Goldstandard."

    Dann führt Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer die (hier im Forum bekannten) Kritikpunkte an: z.B. dass Abbiege-Assistenten bei versetzten Radwegen nicht richtig funktionieren.

    Lt. Brockmann gibt es nur eine Maßnahme, die geradeaus fahrende Radfahrer vor abbiegendem Motorverkehr wirksam schützt: Getrennte Grünphasen.

    Auf einen Aspekt geht Brockmann besonders ein: Die ganzen Maßnahmen, die auf bessere Sichtkontakte abstellen, funktionieren nur bei stehendem Verkehr: Wenn sich also die Verkehrsteilnehmer an einer roten Ampel aufstellen, die Ampel grün wird und alle losfahren. Das dynamische Geschehen wenn die Ampel schon länger grün ist und man sich ihr nähert, bleibt unberücksichtigt.

    Der Artikel schließt mit der Aussage "Es geht bei dem Streit um die beinahe philosophische Frage, was Sicherheit überhaupt ist.". Also um den Konflikt zwischen "gefühlter" und "messbarer" Sicherheit. Und mit einem Verweis auf das zuständige Bundesministerium, von dem in absehbarer Zeit nichts zu erwarten ist - "ein entsprechendes Forschungsprojekt sei bereits in Vorbereitung"

    Soweit der Bericht.

  • Ganz gut zusammengefasst. Ich war am Anfang skeptisch, als ich das Thema auf dem Titel gesehen habe, aber der Bericht ist relativ neutral und fasst nur die verschiedenen Verkehrsführungen zusammen mit Pro und Kontra.

    ADAC natürlich pro getrenntem Verkehr in jeder Form, Herr Brockmann zumindest gegen das Kreuzungsdesign und ich finde seine Argumente sehr schlüssig. Was tatsächlich auch in dem Artikel genannt wird, ist das zwar die LKW immer herausgestellt werden, aber in der Zahl das Problem KFZ-Radler das größere ist.

    Was bei den abgetrennten Radwegführungen immer gar nicht zum Thema gemacht wird, aber bei dem "Dutch-Design" ein Problem wird, weil nur indirektes Abbiegen funktioniert für Radler -> es stehen sich ständig Radler im Weg rum, bzw. vor den Ampeln auf den RW. Es müsste also auch noch entsprechende Aufstellflächen geben. Der Vorteil der rechtsabiegenden Radler mit dem KFZ-Verkehr nicht in Berührung zu kommen bedeutet aber auch, das alle geradeausfahrenden Radler auf der Verkehrsfläche im Weg stehen.

  • Lt. Brockmann gibt es nur eine Maßnahme, die geradeaus fahrende Radfahrer vor abbiegendem Motorverkehr wirksam schützt: Getrennte Grünphasen.

    Zumindest unter Beibehaltung separierter Radwege/Radstreifen und Ampeln. Problematische selbst geschaffene Einschränkungen werden als gegeben angesehen, und in deren engen Grenzen erscheint dann nur eine kleine Auswahl verschiedener Lösungsideen als überhaupt möglich, noch weniger davon als sinnvoll.

    Würde man stattdessen einen Schritt zurückgehen und die ampelgeregelte Kreuzung mit getrennten Fahrstreifen und maximaler Geschwindigkeit nicht als die grundsätzlich beste Idee ansehen, ergäben sich durchaus weitere Möglichkeiten:

    • Reduzierung der Anzahl der Kreuzungen: es ist nicht mehr an jeder Kreuzung eine Fahrt in jede Richtung erlaubt, sondern z. B. nur alle 3 Kreuzungen, oder links- und Rechtsabbiegen jeweils im Wechsel (für alle Richtungen). Geht natürlich nicht in allen Städten und erfordert ein größeres Konzept, aber würde die notwendigen Ampelphasen reduzieren, mit dem Nachteil der längeren Wege (bzw. auch die Nutzung des Autos unattraktiv machen, wenn Radfahrer weiterhin überall rechts abbiegen dürfen.
    • Langsames Abbiegen ist Pflicht: Abbiegen in Schrittgeschwindigkeit nicht nur für LKW, sondern für alle, kombiniert mit saftigen Strafen und Kontrolle vor und nach der Kreuzung. Wenn man sowieso nicht schneller durchkommt, kann man auch mehr schauen (kein Stress von hinten mehr) und Kollisionen verlaufen im Fall des Falles glimpflicher.
    • Bodensensoren in den Radwegen und/oder Lichtschranken darüber, die erkennen, wenn Radfahrer sich nähern und ihre Ankunftszeit optisch mit Lichtzeichen signalisieren - sozusagen ein Abbiegewarnassistent für alle ohne Nachrüstung der Fahrzeuge.
    • Doppelte Ampeln (ähnlich wie bei manchen Auffahrten in den USA), die nur eine begrenzte (feste) Anzahl Fahrzeuge in die Kreuzung einfahren lassen (statt über eine fixe Zeit), das aber beliebig lang (dadurch Verschiebung der Folgephasen). Dadurch entfällt das heute oft zu beobachtende zu enge Auffahren, um noch drüber zu kommen und/oder schnell abzubiegen.
    • Zusammenführung von Rad und PKW direkt beim Losfahren - es wird nebeneinander gewartet, aber per Reißverschluss (ebenfalls mit empfindlichen Strafen und natürlich mit Lernkampagne begleitet) fahren dann immer ein PKW/LKW und ein Schwung Radfahrer (fairerweise wohl so zwei bis vier nebeneinander je nach Fahrstreifenbreite zusammen, hinter der Kreuzung kann dann wieder aufgeteilt werden (fall nötig).

    Aus meiner Sicht werden solche Ansätze meistens gar nicht erwähnt, weil niemand zugeben will, dass es eigentlich primär gar nicht um die Sicherheit geht - denn sonst würden wir 3000 Tote pro Jahr und die unzähligen Verletzten und weitere dadurch betroffene Personen wie Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Pflegepersonal etc. nicht mit einem Achselzucken hinnehmen, sondern hätten längst Vision Zero ernsthaft verfolgt oder sogar erreicht. Stattdessen geht es hauptsächlich darum, möglichst viel PKW-Verkehr möglichst schnell und komfortabel durch die Städte zu schleusen - denn wer würde sich noch einen PKW leisten, wenn er für zehn Kilometer eine Stunde brauchen würde, mit dem Fahrrad aber selbst gemütlich nur 30 Minuten und mit der U-Bahn 10 Minuten? Es würden weniger Autos verkauft und damit die Autoindustrie leiden - heute im Prinzip nicht mehr, aber von 1950 bis 2000 war der eigene Absatzmarkt durchaus relevant, und daher kommen auch die autozentrierten Planungen bzw. eine ganze Generation von Beamten, die eine andere Einstellung gar nicht kennen. Ken Avidor hat das schon vor 20 Jahren perfekt auf den Punkt gebracht.

    • Langsames Abbiegen ist Pflicht: Abbiegen in Schrittgeschwindigkeit nicht nur für LKW, sondern für alle, kombiniert mit saftigen Strafen und Kontrolle vor und nach der Kreuzung. Wenn man sowieso nicht schneller durchkommt, kann man auch mehr schauen (kein Stress von hinten mehr) und Kollisionen verlaufen im Fall des Falles glimpflicher.

    Wurde denn in dem Artikel auch darüber berichtet, dass es bereits heute im Prinzip möglich ist, Abbiegeassistenten zu entwickeln, die nach dem Prinzip der Intelligent Speed Adaption arbeiten und die Geschwindigkeit eines KFZ im Kreuzungsbereich automatisch auf eine sehr niedrige Geschwindigkeit reduzieren können?

    Allerdings fürchte ich auch hier: Niedrige Geschwindigkeiten sind verpönt in der Autofahrerschaft. Deshalb gibt es so viel Widerstand gegen den Intelligenten Geschwindigkeitsassistenten. Brockmanns Behauptung, der Abbiegeassistenz sei überfordert mit dem niederländischen Kreuzungsdesign und deshalb dürften solche Kreuzungen nicht gebaut werden, ist jedenfalls viel zu kurz gegriffen. Letztlich auch in Hinsicht der mangelhaften Verbreitung der Abbiegeassistenten. Für schwere LKW werden sie in absehbarer Zeit Pflicht. Aber Kleintransporter und viele sonstige KFZ dürfen weiter ohne.

    Wenn der Abbiegassistent tatsächlich mit dem niederländischen Kreuzungsdesign überfordert ist, dann ist er auch an solchen Kreuzungen erst recht überfordert:

    https://m.westfalen-blatt.de/var/storage/im…_1024_width.jpg

    Aber klar, wenn man wie im gezeigten Fall dem Fahrrad-Geradeausverkehr ein Vorfahrt achten vor den Latz knallt, dann ist die Schuldfrage klar geklärt.

    Hier noch der Link zum Artikel mit dem o. g. Foto aus dem Westfalenblatt vom 20.11.20: https://m.westfalen-blatt.de/OWL/Kreis-Mind…r-hellwach-sein

    Der SZ-Artikel ist mir im Vorbeigehen auch ins Auge gesprungen. Hatte aber in dem Moment nicht mehr Zeit als für einen kleinen Schnappschuss:

    Und als ich dann mehr Zeit hatte, war die Süddeutsche Zeitung ausverkauft. Vielen Dank für die Berichte hier über den Artikel.

  • Brockmanns Behauptung, der Abbiegeassistenz sei überfordert mit dem niederländischen Kreuzungsdesign und deshalb dürften solche Kreuzungen nicht gebaut werden, ist jedenfalls viel zu kurz gegriffen.

    Das hat er nicht behauptet. Vielmehr zeigt Herr Brockmann verschiedene Probleme mit diesem Kreuzungsdesign auf, und eines davon ist:

    Zitat

    "Der Assistent kann aber nicht unterscheiden, welcher Radfahrer nach rechts abbiegt und welcher in die Kreuzung einfahren will", sagt Brockmann. Für das System sähen beide gleich aus: Sie fahren raus aus der unmittelbaren Gefahrenzone, darum würde der Assistent keinen Alarm schlagen. Theoretisch ließe sich der Bereich, den der Abbiegeassistent erfasst, vergrößern. Dann würde sich aber auch die Zahl der Fehlalarme erhöhen - was dazu führen könnte, dass Fahrer die Systeme entnervt ausschalten.

    Das ist unabhängig vom Abbiegeassistenten ein Argument gegen die "Dutch Junction". Auch ein aufmerksamer menschlicher Fahrer wird sich oft darin täuschen, ob der Radfahrer abbiegen oder gradeausfahren will.

    Entsprechend oft wird man als KFZ-Fahrer umsonst anhalten, nur um festzustellen dass der Radler doch nicht kommt.

  • "Er (Brockmann) kann auf keinen fall empfehlen, diese Kreuzungen (niederländisches Design) zu bauen." Aus diesem NDR-Info Radiobeitrag bei Minute 29:00

    https://www.ardaudiothek.de/synapsen-ein-w…eheuer/80703088

    Den SZ-Artikel habe ich leider bislang nicht lesen können. Gut möglich, dass diese Aussage von Brockmann aus der NDR-Info Radiosendung in dem SZ-Artikel nicht vorkommt. Für mich stellt sich die Frage, ob Brockmann das Kreuzungsdesign ablehnt, weil er es als nicht vermittelbare Zumutung an die Autofahrer empfindet, wenn diese den Abbiegevorgang gegebenenfalls unterbrechen müssen, um Radfahrer passieren zu lassen. Und ob er er das niederländische Kreuzungsdesign als eine nicht hinnehmbare Verlangsamung des KFZ-Verkehrs sieht. Oder ob Brockmann tatsächlich gute Gründe für seine ablehnende Haltung hat.

    Sein Vorschlag die Ampelschaltungen zu verändern beinhaltet jedenfalls entweder die Gefahr, dass sich die Grünphasen für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen verkürzen und die Rotphasen verlängern, oder dass für den Abbiege-KFZ-Verkehr die Abbiegespuren verlängert, also die Fahrbahn verbreitert wird.

  • Wurde denn in dem Artikel auch darüber berichtet, dass es bereits heute im Prinzip möglich ist, Abbiegeassistenten zu entwickeln, die nach dem Prinzip der Intelligent Speed Adaption arbeiten und die Geschwindigkeit eines KFZ im Kreuzungsbereich automatisch auf eine sehr niedrige Geschwindigkeit reduzieren können?

    Ich finde es sehr interessant, dass Sie genau wissen, was man an automatisierten Fahrhilfen alles verwirklichen kann, obwohl Sie (generell ein Pluspunkt für Sie, aber ähnlich wie viele Verkehrsplaner den Radlerblickpunkt nicht kennen) die Autowelt wohl nur vom zusehen kennen.

    Von verwirklichbarer und funktionierender Technik habe Sie aber ganz offensichtlich wenig Ahnung.

    Herr Brockmann geht es weder in dem Artikel, noch in anderen Texten, die Ich von Ihm gelesen habe, in irgendeiner Weise darum, das Auto zu beschleunigen. Das ist auch nicht sein Job. Er würde auch dann keine getrennten Grünphasen vorschlagen, um das Problem KFZ/LKW - Fußgänger & Radler zu lösen, denn das bedeutet auf jeden Fall längere Wartezeiten für das KFZ, inkl. weniger Durchsatz der Ampelkreuzungen, also auch längere Staus.

    Ich finde es ganz erfrischend, das er nicht von theoretisch möglichen Fahrassistenzen der Zukunft spricht, sondern über das, was jetzt Realität ist und mehr oder weniger funktioniert -> Spiegel und Abbiegeassistenz .

    Diese Kreuzung ist schon deswegen abzulehnen, weil dann Dank VwV an jeder solchen Kreuzung der Radler ein 205er oder eine Bettelampel hingestellt bekommt. Weil der Radweg zu weit abgesetzt ist von der Fahrbahn.

  • Diese Kreuzung ist schon deswegen abzulehnen, weil dann Dank VwV an jeder solchen Kreuzung der Radler ein 205er oder eine Bettelampel hingestellt bekommt. Weil der Radweg zu weit abgesetzt ist von der Fahrbahn.

    Genau dieses Problem sehe ich auch. Es müsste ein komplettes Umdenken stattfinden, was die Radverkehrsführung an solchen Kreuzungen angeht, die ohnehin nur dort verwirklicht werden könnten, wo genug Fläche dafür vorhanden ist.

    Die Kreuzung ist nicht deshalb abzulehnen, weil dann "Dank" Verwaltungsvorschriften Bettelampel oder Vorfahrt achten Schilder oder Stoppschilder für Radler aufgestellt würden.

    Sondern die Verwaltungsvorschriften sind so zu ändern, dass die Kreuzung so funktioniert, wie sie gedacht ist, dass nämlich die Radfahrer*innen auf dem verschwenkten Radweg Vorrang haben für die Geradeausfahrt und der Abbiegeverkehr warten muss. Und zwar unmittelbar nachdem er die Ampel passiert hat, die ihm das Abbiegen ermöglicht hat.

    Wenn dann der Abbiegende den Radweg erreicht, muss er mit einem Vorfahrt achten oder einem Stoppschild dazu gebracht werden, den Radverkehr passieren zu lassen. In den Niederlanden scheinen dafür die sogenannten Haifischzähne-Bodenmarkierungen auszureichen. Hier in Deutschland ganz sicher nicht. Aber den Autofahrer dazu zu bringen, den Abbiegevorgang zu unterbrechen, ist das zentrale Element bei der niederländischen Kreuzungsgestaltung.

    Im Übrigen möchte ich Sie drauf hinweisen, dass es ihre Darstellung nicht bestärkt, wenn sie den Leuten, die mit Ihnen diskutieren, pauschal generelle Ahnungslosigkeit unterstellen. Heben Sie sich das für den "politischen Aschermittwoch" auf.

  • Er würde auch dann keine getrennten Grünphasen vorschlagen, um das Problem KFZ/LKW - Fußgänger & Radler zu lösen, denn das bedeutet auf jeden Fall längere Wartezeiten für das KFZ, inkl. weniger Durchsatz der Ampelkreuzungen, also auch längere Staus.

    Getrennte Grünphasen bedeuten, so befürchte ich, nicht längere Grünphasen für abbiegende KFZ sondern kürzere Grünphasen für den Fußgänger- und Radfahrer-Geradeausverkehr.

    Und wenn das nicht ausreicht, dann werden die Abbiegespuren verlängert, so dass die Fahrbahn schon früher breiter wird, als das jetzt der Fall ist.

  • -> die Kreuzung wird nicht funktionieren, weil die Sichtbeziehung nicht so sind wie der ADFC es sich wünscht, es wird kaum, keine bessere Sichtbeziehung geben

    -> die Kreuzung wird nicht funktionieren, weil ausschließlich rechtsabiegende Radler einen Vorteil haben, alle anderen, geradeaus und vor allem Linksbieger, haben bei dem Design deutliche Nachteile (die Radler wie ich damit kompensieren, dass sie gar nicht auf der Radverkehrsanlage fahren)

    -> da, wo die Kreuzung vor allem ein Segen sein soll, große Straßen, viel Verkehr, werden sich Radler ständig im Weg stehen. So wie jetzt auch shon in den Städten -> der st bei Raler auf der Fahrbahn nicht so (zumindest deutlich weniger ausgeprägt)

    -> die Kreuzung wird aktuell verfügbare Hilfssysteme für LKW und KFZ (schon mal einen Spiegel eines aktuellen KFZ angesehen, wenn man sich rechts neben dem Fahrzeug befindet, da ist in der Regel ein gelbes Warnsymbol, genauso im Kombiinstrument)

  • Wenn der Abbiegassistent tatsächlich mit dem niederländischen Kreuzungsdesign überfordert ist, dann ist er auch an solchen Kreuzungen erst recht überfordert:

    https://m.westfalen-blatt.de/var/storage/im…_1024_width.jpg

    Aber klar, wenn man wie im gezeigten Fall dem Fahrrad-Geradeausverkehr ein Vorfahrt achten vor den Latz knallt, dann ist die Schuldfrage klar geklärt.

    Hier noch der Link zum Artikel mit dem o. g. Foto aus dem Westfalenblatt vom 20.11.20: https://m.westfalen-blatt.de/OWL/Kreis-Mind…r-hellwach-sein

    Das Foto kam mir doch gleich so bekannt vor...

    Die Kreuzung ist nicht deshalb abzulehnen, weil dann "Dank" Verwaltungsvorschriften Bettelampel oder Vorfahrt achten Schilder oder Stoppschilder für Radler aufgestellt würden.

    Sondern die Verwaltungsvorschriften sind so zu ändern, dass die Kreuzung so funktioniert, wie sie gedacht ist, dass nämlich die Radfahrer*innen auf dem verschwenkten Radweg Vorrang haben für die Geradeausfahrt und der Abbiegeverkehr warten muss. Und zwar unmittelbar nachdem er die Ampel passiert hat, die ihm das Abbiegen ermöglicht hat.

    Ich habe es damals schon beim Artikel des Westfalenblattes geschrieben und ich wiederhole es nochmal: Die Verwaltungsvorschrift definiert den entsprechenden Abstand als Abstand zur Straße. Radwege, die Teil der Straße sind, werden davon also nicht erfaßt. Das sogenannte Fachbehörden die Begriffe Fahrbahn und Straße nicht verstehen (wollen), ist nicht das Problem der Verwaltungsvorschrift.

    Ja, ich bin Kampfradler! Nein, ich fahre nicht aggressiv!
    Denn ich kämpfe mit den Waffen des Wortes, des Papiers und des Toners, meine Verbündeten sind die Regeln und Normen der StVO und VwV-StVO.

    Radfahren ist nicht gefährlich, Radwege schon!

  • Im Übrigen möchte ich Sie drauf hinweisen, dass es ihre Darstellung nicht bestärkt, wenn sie den Leuten, die mit Ihnen diskutieren, pauschal generelle Ahnungslosigkeit unterstellen. Heben Sie sich das für den "politischen Aschermittwoch" auf.

    Das mag ich nicht verneinen, aber bei Ihnen fällt es in Punkto Fahrsicherheitssystemen halt auf, das es eine deutliche Diskrepanz zwischen Realität, "Ich wünsch mir was" und der demnächst realisierbaren Zukunft gibt.

    Das kann ich sagen, weil einer der Kernbereiche, in denen ich arbeite, im Test von Navigationssystemen und Sensor-Systemen liegt, z. B. für autonomes Fahren.

  • Genau dieses Problem sehe ich auch. Es müsste ein komplettes Umdenken stattfinden, was die Radverkehrsführung an solchen Kreuzungen angeht, die ohnehin nur dort verwirklicht werden könnten, wo genug Fläche dafür vorhanden ist.

    Die Kreuzung ist nicht deshalb abzulehnen, weil dann "Dank" Verwaltungsvorschriften Bettelampel oder Vorfahrt achten Schilder oder Stoppschilder für Radler aufgestellt würden.

    Sondern die Verwaltungsvorschriften sind so zu ändern, dass die Kreuzung so funktioniert, wie sie gedacht ist, dass nämlich die Radfahrer*innen auf dem verschwenkten Radweg Vorrang haben für die Geradeausfahrt und der Abbiegeverkehr warten muss. Und zwar unmittelbar nachdem er die Ampel passiert hat, die ihm das Abbiegen ermöglicht hat.

    Wenn dann der Abbiegende den Radweg erreicht, muss er mit einem Vorfahrt achten oder einem Stoppschild dazu gebracht werden, den Radverkehr passieren zu lassen. In den Niederlanden scheinen dafür die sogenannten Haifischzähne-Bodenmarkierungen auszureichen. Hier in Deutschland ganz sicher nicht. Aber den Autofahrer dazu zu bringen, den Abbiegevorgang zu unterbrechen, ist das zentrale Element bei der niederländischen Kreuzungsgestaltung.

    Im Übrigen möchte ich Sie drauf hinweisen, dass es ihre Darstellung nicht bestärkt, wenn sie den Leuten, die mit Ihnen diskutieren, pauschal generelle Ahnungslosigkeit unterstellen. Heben Sie sich das für den "politischen Aschermittwoch" auf.

    Und ich sage, dass die Kreuzung falsch gedacht ist!

    Das ist der Grund, warum sie nicht funktionieren kann, jedenfalls nicht im Sinne von Sicherheit.

    Die VwV zu ändern, ist wie die Farbe eines Pflasters zu ändern - während es darum geht, den Grund für das Kleben eines Pflasters zu vermeiden. Und das sind diese verdammten Verschwenkungen.

  • Da hast du sicher recht, Fahrbahnradler, es reicht nicht aus, die Verwaltungsvorschriften zu ändern. Diese Veränderung muss dann auch noch in den Köpfen der Menschen ankommen.

    Das sieht man ja zum Beispiel an den inzwischen schon seit mehreren Jahrzehnten bekannten verkehrsberuhigten Bereichen.

    Es darf darin nur auf markierten Parkflächen geparkt werden. Und am besten sollten gar keine Parkflächen darin markiert werden, weil ein verkehrsberuhigter Breich ja auch Raum geben soll, um zum Beispiel mit einem Ball zu spielen. [Zeichen 325.1] (Siehe im Vordergrund etwas links von der Mitte am unteren Rad des Verkehrszeichens!)

    Realität ist dagegen, dass besorgte Eltern ihren Kindern das Ballspielen im verkehrsberuhigten Bereich verbieten, weil die Eltern das als zu gefährlich einschätzen für ihre Kinder in Anbetracht dessen dort häufig viel zu schnell gefahren wird. Und weil die Eltern nicht wollen, dass der Spiel-Ball an einem parkenden Auto abprallt. ("Heiliges Blechle":saint:)

    Und die Verkehrsbehörden ermöglichen das Parken durch entsprechende Markierungen, obwohl das den Charakter des verkehrsberuhigten Bereiches entwertet. Denn die Verkehrsbehörden wollen vielerorts nicht als diejenigen dastehen, die den Parkraum reduzieren wo sich doch "alle" einig sind, dass es viel zu wenige Parkplätze gäbe.

    Ein noch viel größeres Unterfangen wäre es, Kreuzungen nach niederländischem Design zu bauen, bei denen der abbiegende Autofahrer direkt nach dem unmittelbaren Abbiegen erneut anhalten müsste, um den Geradeausverkehr passieren zu lassen, der auf dem verschwenkten Radweg vorfahrtsberechtigt vor seiner Motorhaube vorbeizieht unter der doch so viele PS schlummern.

    Und trotzdem halte ich das für richtig eine solche Kreuzung zu bauen. Bislang geht es ja auch nur um zwei entsprechende Kreuzungen, die in Berlin gebaut werden sollen. Und nur weil Brockmann als Sprecher der Versicherungswirtschaft behauptet, das ginge so nicht, ist das noch lange kein Grund, die Kreuzungen nicht zu bauen. Da bin ich ganz bei der Berliner Verkehrsverwaltung: "Die Verkehrsverwaltung will am Test mit zwei Kreuzungen festhalten. "Wir werden das niederländische Modell an die Berliner Gegebenheiten anpassen und dabei auch alle bisherigen Erfahrungen und Tests mit einbeziehen", sagte eine Sprecherin der Verkehrsverwaltung."

    Tagesspiegel vom 12.8.2020: Radaktivisten halten an holländischem Modell für Kreuzungen fest https://www.tagesspiegel.de/berlin/radfahr…t/26087784.html

    Die Kreuzung ist nicht falsch gedacht, sie ist anders gedacht. Aber anders ist nicht dasselbe wie "falsch". Übrigens könnte man auch zu den Verkehrsberuhigten Bereichen sagen, sie seien "falsch" gedacht. Würdest du die alle zurückbauen wollen zu "normalen" Straßen? Da hätte ich was gegen. Oder würdest du die alle ausbauen wollen zu Fußgängerzonen? Da wäre ich ganz bei dir.

  • Den Artikel gibts auch Online:
    https://www.sueddeutsche.de/wissen/verkehr…14?reduced=true

    hinter der Paywall. (Die SZ bewirbt das nicht, aber wenn man nach "Süddeutsche Tagespass" googelt, kommt man auf folgende Seite https://produkte.sueddeutsche.de/tagespass-und-komplett/ und kann für 1,99 24h lang auf das Online-Angebot zugreifen.)

    Kleiner Tipp, weil ich das neulich entdeckt habe und genial finde:

    Manche Stadtbibliotheken (z. B. unsere) bieten im Preis inbegriffen einen Zugriff auf "Genios.de" an. Dort können von verschiedenen Zeitungen Artikel gelesen werden. Dieser Artikel findet sich z. B. unter der Dokumentennummer "A110448009"

    Funktioniert bei meiner Bibliothek auch gut z. B. bei Spiegel (Online) und Handesblatt.

    Ich glaube für manche Bibliotheken wird so was ähnliches über Munzinger angeboten, das kenne ich aber nicht.