Schadensregulierung bei Schäden mit E-Rollern

  • Im Zuge des #GlobalClimateStrikes in Kopenhagen parkten Lischen-Radieschen und ich unsere Räder neben dem Rådhuspladsen an einem Verkehrsschild, weil alle Fahrradstellplätze in der Nähe bereits belegt waren. So ist das halt im Stadtzentrum, überall Parkplatznot und so.

    Nach dem Klimastreik fand ich mein Rad beschädigt vor. Vier E-Roller des Anbieters „Lime“ und ein Fahrzeug des Anbieters „Voi“ waren umgekippt, zwei davon suchten die direkte Feindberührung mit meinem Fahrrad. Neben ein paar neuen Kratzern, die bei dem alten Zossen eher nebensächlich sind, gab es ein beschädigten, weil aufgedröselten Bremsbowdenzug, einen zersplitterten Spiegel und ein leicht beschädigtes Lenkerband zu beklagen.

    Beschädigung am Bowdenzug noch einmal nachgestellt. Die Roller sind so schwer, dass umkippende Fahrzeuge mit ihrem Lenker locker-flockig diesen Zug herausziehen und beschädigen können:

    Soweit, so ärgerlich. Dann kam ein Juicer von Voi vorbei und schmiss (!!!) Roller in seinen Wagen:

    Ungefähr so sorgfältig ging er dann auch mit dem Voi-Fahrzeug um, das zwischen den Lime-Rollern herumlag. Mit einem lockeren Ruck riss der den Roller heraus, so dass zwei Lime-Fahrzeuge noch einmal kreischend über den Lack meines Fahrrades kratzten.

    Mir ist in diesem Moment ein biiiischen der Kragen geplatzt und ich habe dem Herrn deutlich gemacht, dass ich es nicht schätze, wenn er mein Fahrrad noch weiter beschädigt. Wir wurden uns nach einem im radebrechenden Englisch geführten Wortgefecht nicht so richtig einig, aber er machte mir deutlich, dass er und sein Arbeitgeber einen „fucking fuck“ daran interessiert wären, was mit meinem „fucking bike“ passiert. Etwas unsouverän trat ich seinem Roller auf die Bremse, als er ihn beiseite schieben wollte, woraufhin er ihn mir offenbar beinahe ins Gesicht geschmissen hätte, wenn, ja wenn das Ding nicht so schwer gewesen wäre, dass er es kaum vom Boden angehoben bekam. Tja.

    Einerseits: Der Mann, der da mutmaßlich einen Knochenjob zum Mindestlohn in der so sehr gefeierten New Economy leistet, ist mit Sicherheit der falsche Ansprechpartner für solche Belange. Dem kann ich eine Blase ans Ohr labern und ihm noch mehr Stress machen, als er mutmaßlich von seinem Arbeitgeber bekommt, oder ich lasse es bleiben. Andererseits: Diesen Roller dort rauszurupfen, dass mein Fahrrad noch weiter beschädigt wird, ist halt auch nicht geil.

    Nun denn. Ich schrieb dann eine freundliche Mail mit meinen bescheidenen Englischkenntnissen an Lime, dass hier nun bitte jemand den Schaden beheben möge. Mir ist vollkommen klar, dass das niemals passieren wird, weil sich solche Firmengeflechte effektiv vor zivil- oder gar strafrechtlichen Ansprüchen schützen. In Deutschland scheint es schon einige Anwaltskanzleien mit Spezialisierung auf von Rollern dieser Anbieter verursachten Sachschäden zu geben, aber wer macht sich schon den Aufwand, für nicht mal 50 Euro Materialkosten und vielleicht noch mal 50 Euro Montagekosten einen Anwalt aufzusuchen? Das ist ja jenseits jeglicher Bagatellgrenzen.

    Ich schrieb:

    Ich bekam tatsächlich eine Antwort — natürlich zusammengesetzt aus Textbausteinen:

    Zitat

    Dear Malte,

    We appreciate your patience, and we are sorry you had a bad experience with our Lime rider. Please be assured that Lime makes every effort to urge our customers to #RespectTheRide and follow all local laws for operating vehicles. We constantly make every effort to educate riders on the responsible use of our services, as we value being an asset to the communities we serve. You can find out more information about our Respect the Ride campaign here.

    In your case, the user was the sole, proximate cause of the accident for improper use and negligence. We are happy to provide you with the riders information if you can provide us with a court-ordered subpoena.

    While we regret we are unable to pay this loss, we value your trust in our company. If you have any additional information that you feel may alter our decision, feel free to contact us.

    Das mit dem Vertrauen in deren Firma liegt wohl einem Missverständnis zugrunde. Ich könnte gut damit leben, wenn diese Roller, die meines Erachtens nur eine gehypte Gelddruckmaschine auf Kosten der Umwelt und unserer Innenstädte sind, gleich jetzt sofort von unseren Straßen verschwänden. Aber klar, natürlich zahlt das niemand. Ich nehme an, hätte ich ein Auto und dank der Roller einen Außenspiegel und eine Fensterscheibe weniger, lautete die Antwort genauso. Nur wird ja der für diese Roller zuletzt hinterlegte Fahrer nicht derjenige sein, der die Roller umgeschmissen hat, denn rund um den Rathausplatz hatte sich jemand flächendeckend an der neuen Art des Mobilitätswandels ausgelassen. Und selbst wenn ich jetzt einen Anwalt aufsuchte: Warum sollte sich ein Anbieter dieser E-Roller mit Sitz in den USA ohne Impressum oder Kontaktmöglichkeiten für das Schreiben eines deutschen Anwalts interessieren?

    Nur das alberne #RespectTheRide könnte man sich sparen. Bei diesen Geräten, die dem Nutzer nicht gehören, die einem prinzipiell relativ egal sein können, geht man nunmal nicht sorgfältig um. Ich gehe davon aus, dass die Anbieter solche Schäden durchaus in ihr Geschäftsmodell mit einpreisen.

    Nun denn — auf den Kosten für Spiegel, Bowdenzug und Lenkerband bleibe ich wohl sitzen. Und ich wundere mich noch einmal, warum wir diese Teile, bei denen Fußgänger, Radfahrer oder Kraftfahrer auf ihren zivilrechtlichen Ansprüchen sitzen bleiben werden, unbedingt in unseren Städten haben wollen.

  • Malte 23. September 2019 um 13:18

    Hat den Titel des Themas von „Schadensregulierung bei“ zu „Schadensregulierung bei Schäden mit E-Rollern“ geändert.
  • Kopenhagen? Ist das nicht die Stadt, in der man bei öffentlichem Abstellen sein Fahrrad ein einen »Pool« gibt, das heißt, man zieht sich aus dem Knäuel von 10.000 Rädern am Hauptbahnhof irgendeines wieder raus?

  • aber die Teile haben doch ein Versicherungskennzeichen.

    Das bedeutet, die sind versichert. Die Schäden an Dritten reguliert damit der Versicherungsgeber und kann sich die Kosten dafür ggfs. vom Halter oder Führer wiederholen.

  • Guter Punkt. Bin mir aber nicht sicher, ob sich die Haftplichtversicherung nicht doch noch rausreden kann.

    Es könnte ja sein, dass ein Dritter die Dinger umgeworfen hat. Oder gar erst an die konkrete Stelle geschoben und dann umgeworfen hat.

    Analogie;

    Ein Dritter zündet ein Auto an. Dabei wird das Nachbarauto beschädigt. Da zahlt die Haftpflicht auch nicht (z.B. BGH-Urteil mit indirektem Bezug)

  • Daß so eine "Kröte" mal umfällt, sei es durch einen Windstoß oder durch "Feindberührung", dürfte, im Unterschied zu einem abgefackelten Auto, im Rahmen der normalen Betriebshaftung eines solchen Gefährtes liegen und folglich ein gewöhnlicher Haftpflichtversicherungsfall sein.

    ebayForumKopfverkl.jpg
    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Also ich würde mein Fahrrad schon wegen der Diebstahlgefahr nie im öffentlichen Straßenraum parken. Das Vandalismusproblem ist ein weiterer Grund.

    Fahrradparkhäuser müssen her.

    Das ist halt so in Kopenhagen. Da gibt es eine Menge größerer Fahrradabstellanlagen, aber die reichen natürlich vorne und hinten nicht. Und eben drum waren wir ja auch nur mit den Zweiträdern Dritträdern dort, bei denen uns die Schäden jetzt nicht so ganz auf die Palme bringen. Selbst wenn man uns die Räder geklaut hätte, wäre es halt superärgerlich gewesen, aber lieber lasse ich mir ein „Bahnhofsrad“ im Wert von 600 Euro klauen als das mehr als vier Mal so teure Schneeweißchen.

    aber die Teile haben doch ein Versicherungskennzeichen.

    Das bedeutet, die sind versichert. Die Schäden an Dritten reguliert damit der Versicherungsgeber und kann sich die Kosten dafür ggfs. vom Halter oder Führer wiederholen.

    Aber leider nicht in Kopenhagen. Da geht’s auch ohne Kennzeichen. Und wie Epaminaidos schon erwähnt, ist die Sache so einfach womöglich gar nicht — die vielen in der Gegend herumliegenden Roller legen es ja nahe, dass da jemand seiner Zerstörungswut freien Lauf gelassen und nicht der letzte Nutzer des Rollers sein Fahrzeug gegen mein Rad geschmissen hat.

  • Hier ein Fall aus Deutschland, in dem der Radfahrer nicht zahlen musste:

    Zitat

    Anders als bei Autos gibt es bei Fahrrädern keine verschuldensunabhängigen Schadensersatzansprüche.

    ... und das ist eben der Unterschied zum Klein-Kraft-Fahrzeug mit Versicherungskennzeichen, jedenfalls in deutschen Landen ...