Fahrradpiktogramme männlich, weiblich, divers

  • "Damenräder werden von beiden Geschlechtern genutzt Grund für das entfernte Symbol radbezogener Männlichkeit ist die Geschlechtergerechtigkeit, wie Stadtsprecher Dennis Dix der Zeitung mitteilte. Das ist schon lange so – Hintergrund ist eine Entscheidung aus dem Jahr 1992. Die damalige Frauenbeauftragte Ursula Müller hatte durchgesetzt, dass die Stange fällt. Zunächst waren die Piktogramme vor dem Neuen Rathaus am Maschpark dran, später alle anderen in der Stadt.

    Vor 27 Jahren erntete man mit der Genderentscheidung bundesweit Spott. Das hat sich gelegt. Denn das Damenrad ist inzwischen bei beiden Geschlechtern beliebt. Vor allem ältere Herren bevorzugen den querstangenlosen Drahtesel vor dem klassischen Männerrad – man kann leichter auf- und vor allem absteigen." https://www.paz-online.de/Nachrichten/Pa…eder-abgebildet

    Mir war dieser Zeitungsartikel vom 9.5.19 aufgefallen. Und ich konnte mich auch noch schwach an die Diskussion von damals (1992) erinnern.

    Kürzlich ist mir in Marburg aufgefallen, dass es dort tatsächlich keine Fahrradpiktogramme mit tiefem Durchstieg gibt. Und das ausgerechnet in Marburg, das ja schon sehr lange von eher fortschrittlich gesinnten Regierungskoalitionen regiert wird. Und auch in Berlin hate ich kürzlich keine Fahrradpiktogramme mit tiefem Durchstieg gesehen. Dort hatte ich allerdings nicht so sehr darauf geachtet. Hier ein Berliner Fahrradpiktogramm:

    (vom Bus aus fotografiert)

    Und mir war aufgefallen, dass der tiefe Durchstieg sich nicht auf Verkehrsschildern durchgesetzt hat. Warum eigentlich nicht?

    Dabei gäbe es heute neben der Tatsache, dass Frauen auch heute noch überwiegend Fahrräder mit tiefem Durchstieg benutzen, darüberhinaus das Argument, das ältere Menschen häufig ein Fahrrad mit tiefem Durchstieg benutzen. Und beide Gruppen in unserer Gesellschaft, sowohl Frauen als auch ältere Menschen verdienen mehr Respekt, zumal sie an vielen Stellen immer noch benachteiligt werden.

    In Hannover ist das bei den Fahrradpiktogrammen schon mal bewerkstelligt!

    Das von mir kreierte gendergerechte Radwegeschild soll eine bundesweite Ausdehnung anstoßen!

    Auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass die Darstellung funktioniert! Das Schild wird in seiner Eindeutigkeit und Erkennbarkeit nicht beeinträchtigt.

    Und sollte jemand einwenden, das ginge ein bisschen weit, dass man Frauen und ältere Menschen zu sehr in den Mittelpunkt stellt. Bitteschön, man kann natürlich auch das Fahrrad mit tiefem Durchstieg auf ein solches Schild "zaubern", das manchmal zum Nachteil der Radfahrenden aufgestellt wird:

    Mal schauen, vielleicht regt ja dieser Beitrag Menschen in anderen Städten und Kommunen dazu an, auch dort für mehr Gendergerechtigkeit bei den Fahrradpiktogrammen zu sorgen. Und wer mal nach Hannover kommt, der weiß jetzt eine Besonderheit mehr, die er hier zu sehen bekommt. Kennt wer noch andere Städte mit gendergerechten Fahrradpiktogrammen?

  • Es soll ja gerade neutral sein. Aber vermutlich wird es sich als »Faltrad« erweisen, und zwar genau einmal, wenn der Rahmen am Tretlager in die Binsen geht. ^^

    Dem könnte man so vorbeugen:

    Ich finde allerdings eine Stange reicht, zumindest in der zeichnerischen Darstellung. Zumal das Fahrrad ja auch ohne Pedale, Lampen und andere Attribute dargestellt ist.

  • Zitat

    Und mir war aufgefallen, dass der tiefe Durchstieg sich nicht auf Verkehrsschildern durchgesetzt hat. Warum eigentlich nicht?

    Die Themen,die dir weltpolitisch wichtig sind erscheinen mir manchmal echt komisch. Seis drum, ich halte mich weiter an unnötige Radwegeschilder und Hindernisse auf dem Pegnitzradweg.

    Warum nicht? Klar: Weil das Fahrrad mit geschlossenem Rahmen (also das mit den zwei Dreiecken) eben die technisch beste Lösung ist. Ebenso wie das Auto mit 4 Rädern. Für das Bild wurde ein Symbol gewählt das jeder erkennt. Das ist keine "Benachteiligung", das ist eine Auswahl. Der Hintergrund ist auch blau, nicht grün, und gelb/blau-blind sind immerhin 0,02% der Bevölkerung (https://en.wikipedia.org/wiki/Color_blindness ). Das ist eine gemeine Benachteiligung!

  • Hm... Meine zwei Fahrräder sind aber, sehr zum Entsetzen meiner Omi, 'Jungsfahrräder'. Dabei fühle ich mich als weibliche Person...

    Und ich muss auch sagen: Gerade Frauen wird hohe Dehnbarkeit nachgesagt, was es ihnen erleichtern müsste, auf ein 'Herren'rad aufzusteigen. Wenn man sie aber nun zwingt, Röcke zu tragen und die Beine immer brav geschlossen zu lassen, dann, tjoa, bleibt nur noch das Damenrad...

    Man kann sowas halt wirklich von vielen Seiten betrachten. Ich habe Angst vor dem Tag, an dem ich mein Bein nicht mehr hoch genug bekomme und deswegen die stabilen Rahmen gegen wabbelige Rahmen mit tiefem Einstieg tauschen muss...

  • Weil das Fahrrad mit geschlossenem Rahmen (also das mit den zwei Dreiecken) eben die technisch beste Lösung ist.

    Der Diamantrahmen mit Oberrohr bietet die maximale Steifigkeit und Festigkeit bei geringstem Gewicht. Das nennt man "konstruktiven Leichtbau".

    Wenn man sie aber nun zwingt, Röcke zu tragen und die Beine immer brav geschlossen zu lassen, dann, tjoa, bleibt nur noch das Damenrad...

    Genau! "Damenräder" sollten das Radfahren mit Rock oder Kleid ermöglichen. Die Vorteile des tiefen Einstiegs, die insbesondere bei älteren Radfahrern geschätzt werden, wurden erst später als solche vermarktet. Aber auch da gilt natürlich, dass ein solches Rad mit tiefem Einstieg entweder eine geringere Rahmensteifigkeit hat oder deutlich schwerer ist.

  • Man kann übrigens auch von hinten aufsteigen... ;)

    Außer man hat einen Kasten Wasser auf dem Gepäckträger - oder einen Kindersitz.

    Ich habe als Student mal zentnerweise Stromrechnungen ausgefahren und bin nach dem ersten Tag vom »Renner« auf das Hollandrad umgestiegen. Und hat jemand bei der Post schon mal Fahrräder mit Diamantrahmen gesehen (außer bei Jacques Tati)?

  • Für mich ist die Frage, ob Oberrohr oder nicht, eine technische und ästhetische.

    Wer Fahrradpiktogramme mit tiefem Einstieg fordert, festigt mMn eher Geschlechterklischees, als diese zu überwinden.

    Ganz subjektiv und ja: ein bisschen machomäßig (tschuldigung), aber hoffentlich nicht sexistisch: Ich finde Frauen auf Rädern mit Oberrohr irgendwie attraktiv, um nicht zu sagen: sexy.

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

    Einmal editiert, zuletzt von cubernaut (5. Juni 2019 um 23:28)

  • Vor allem, wenn ich dann mein Bein auch noch über den Lenker statt über den Sattel schwinge... Sexy? Ja, kann ich.

    *räusper*

    Sorry, liegt an der späten Stunde. Tatsächlich ist mein Lenker einige Zentimeter tiefer als der Sattel, weswegen ich meist so auf- und absteige. Und außerdem ist es gut, das zu können – wenn nämlich der Gepäckträger voll beladen ist, wird es zur akrobatischen Meisterleistung, über den Sattel aufzusteigen ;)

    LG
    Anna

  • Meine Beobachtung bei einer ganz normalen etwa dreiviertelstündigen Tour auf Radwegen in der Eilenriede und am Maschsee, wo auch viele ihren Weg zum/vom Arbeitsplatz zurücklegen, also nicht nur "Freizeitradler":

    Etwa 80 bis 90 Prozent der Frauen benutzen ein sogenanntes "Damenrad". Ein Rad mit tiefem Einstieg. Die meisten davon tragen übrigens Hosen.

    Etwa 80 bis 90 Prozent der Männer benutzen ein sogenanntes "Herrenrad". Ein Rad mit Mittelstange.

    Es sind ziemlich genau gleich viele sogenannte "Herrenräder und Damenräder" unterwegs. Also auch ziemlich genau gleich viele Frauen und Männer.

    Was auch immer die Beweggründe im einzelnen sein mögen, dass Frauen vorwiegend ein Rad mit tiefem Durchstieg benutzen, ich halte es für absolut vertretbar und wünschenswert, dass Fahrradpiktogramme so wie in Hannover grundsätzlich als "Damenrad" ausgeführt werden. Zumal ich mir sehr sicher bin, dass diese vielen Frauen nicht deshalb ein Fahrrad mit niedrigem Durchstieg benutzen, weil sie sich aufgrund gesellschaftlicher Konventionen dazu verpflichtet fühlen. Vielmehr vermute ich, dass Frauen oft ganz einfach praktischer denken. Und da ist das oft nur geringe zusätzliche Gewicht mehr ein Thema für die "Männerwelt", die ja gerne mal "theoretisch abdrehen". Während im Alltag der niedrige Durchstieg ganz praktisch ist. (Aber das ist natürlich auch schon wieder so ein Frau-Mann-Klischee, das möglicherweise gar nicht zutrifft?)

    Und in punkto Herren auf "Damenrad" halte ich es für sehr sinnvoll, wenn Männer nicht davor zurückscheuen ein sogenanntes "Damenrad" zu benutzen, weil sie dann leichter aufsteigen und absteigen können und deshalb möglicherweise länger und lieber mit dem Fahrrad mobil sein werden, als wenn sie sich zu der unsinnigen "Konvention" verpflichtet fühlen, ein "richtiges Rad", das sei ein sogenanntes "Herrenrad".

    Im übrigen bin ich mir sicher, dass es ausreichend stabile Räder mit niedrigem Durchstieg gibt, wenngleich diese vermutlich geringfügig schwerer sein dürften als ein entsprechendes Rad mit Mittelstange. Siehe auch Bemerkung von Fahrbahnradler zum "Postrad"!

  • Mir erschließt sich nicht wirklich der Mehrwert, den eine Änderung des Piktogramms mit sich bringen würde. Ich wage mal zu behaupten, dass es 99 Prozent der Menschen ziemlich egal ist ob das Fahrrad auf dem Piktogramm ein Oberrohr hat oder nicht.

  • Sorry

    Kein Grund, sich zu entschuldigen. :saint:

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • Also, ich verstehe das ganze nicht so wirklich. Ein Rad mit Oberrohr kann von Frauen und Männern gefahren werden, ebenso eines ohne. Die einzige Stelle, wo eine geschlechtsspezifische Zuordnung passiert, ist in den von einer gewissen Erwartungshaltung geprägten Köpfen der Betrachter.
    Wenn man es nun sexistisch findet, dass nur oberrohrige Räder piktographiert werden - ist man dann nicht selbst der Sexist?

  • Also, ich verstehe das ganze nicht so wirklich. Ein Rad mit Oberrohr kann von Frauen und Männern gefahren werden, ebenso eines ohne. Die einzige Stelle, wo eine geschlechtsspezifische Zuordnung passiert, ist in den von einer gewissen Erwartungshaltung geprägten Köpfen der Betrachter.
    Wenn man es nun sexistisch findet, dass nur oberrohrige Räder piktographiert werden - ist man dann nicht selbst der Sexist?

    Zunächst mal ist es ein Fakt, dass Frauen überwiegend Räder mit niedrigem Einstieg benutzen. Das kannst du durch Beobachtung leicht feststellen.

    Das gilt auch für Herren im fortgeschrittenen Alter, besonders dann, wenn die Beweglichkeit leicht eingeschränkt ist.

    Und natürlich auch für Briefträgerinnen und Briefträger. (Fahrbahnradler hatte bereits darauf hingewiesen.)

    "Sexistisch" scheint mir zu sehr ein "Kampfbegriff" zu sein, der in diese Diskussion nicht reinpasst.

    Die Erkennbarkeit eines Fahrradpiktogramms leidet nicht darunter, wenn keine Mittelstange abgebildet wird.

    Ich bin mir jedoch sicher, dass Fahrradpiktogramme, die einem Fahrrad mit niedrigem Einstieg nachgebildet sind, Frauen und Männern das Gefühl vermitteln können, dass Fahrradfahren eine tolle Sache für Frauen und Männer ist.

    Während Fahrradpiktogramme die sogenannten "Herrenrädern" nachgebildet sind, das nicht im gleichen Maß bewirken können.

    Das ist vergleichbar damit, dass Berufe seit einigen Jahren grundsätzlich in der weiblichen und männlichen Form angegeben werden. Zum Beispiel Berufsinformationsbroschüren beim Arbeitsamt nennen immer beide Geschlechter:

    Gärtner/Gärtnerin, Fahrzeuglackierer/Fahrzeuglackiererin. Hier ein Link zum Bundesinstitut für Berufsbildung mit einem weiteren Beispiel:

    https://www.bibb.de/de/berufeinfo.…aining/65437was

    Dadurch sollen Bewerberinnen und Bewerber um Ausbildungsstellen oder für Stellenausschreibungen motiviert werden, über die traditionellen Geschlechterzuschreibungen bei bestimmten Berufen hinauszudenken. Außerdem ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass zum Beispiel eine Gärtnerin nicht als Gärtner bezeichnet wird, die sich selbst als "Gärtnerin" einfach "mitdenken" soll.

    Bei den Radfahrerinnen und Radfahrern sollen sich diejenigen nicht einfach nur "mitgedacht" fühlen, die ein Rad mit tiefem Durchstieg benutzen, was ja immerhin rund die Hälfte der Radfahrenden ausmacht. Für jemanden die/der ein Rad mit Mittelstange benutzt ist es einfach auf ein Rad mit tiefem Durchstieg umzusteigen. Umgekehrt gilt das nicht unbedingt. Deshalb liegt es nahe, bei Fahrradpiktogrammen ein Rad mit tiefem Durchstieg darzustellen. Und der Benachteiligung von Frauen, die auch in unserer "modernen" Gesellschaft immer noch an vielen Stellen benachteiligt werden, ist zumindest an dieser Stelle etwas entgegengesetzt worden.

    2 Mal editiert, zuletzt von Ullie (7. Juni 2019 um 06:00) aus folgendem Grund: Bewerberinnen und Bewerber, statt Bewerber

  • Zitat

    Zunächst mal ist es ein Fakt, dass Frauen überwiegend Räder mit niedrigem Einstieg benutzen.

    Gleich hier mal Stop. Quelle?

    Ich will keine Gefühle, weil dort ganz stark Cofnirmation Bias eine Rolle spielt. Entweder gefilmte Personengruppen (Critical Mass wäre eine Option, oder Sternfahrt oder so) oder Strichlisten oder wissenschaftliche Arbeiten.