Woche 16 vom 15. bis zum 21. April 2019

  • Ich bestreite ja gerade eine Art Moratorium, was den Konsum von Medien angeht, die sich positiv zum Leistungsschutzrecht und der EU-Urheberrechtsreform positionieren, beziehungsweise innerhalb der Berichterstattung mit missverständlichen Beiträgen auffallen, aber DIE ZEIT gierte mal wieder so sehr nach geclickbaiteter Aufmerksamkeit, da konnte ich kaum widerstehen:

    "Man muss dem Auto endlich Flächen wegnehmen"

    Was aber erstmal ganz okay und nach einer interessanten Debatte klingt, wird immer wieder vom Moderator des Interviews unterbrochen, der beispielsweise mit solchen exklusiven Informationen haushalten muss:

    Zitat

    ZEIT ONLINE: Radwege kosten Geld, gerade wenn sie breit und geschützt sein sollen. Autofahrer zahlen Steuern und finanzieren damit die Straßen, Radfahrer nicht.

    Und weil das Interview so toll moderiert wird, findet anschließend auch keine Debatte über diesen Unfug statt, der ADAC lobt die Steuereinnahmen des Kfz-Verkehrs, aber niemand geht auf die eigenen Kosten jenes hochgelobten Kfz-Verkehrs ein.

    Naja.

  • Nicht nur; ich wusste bislang auch nicht, dass Fahrräder, Zubehör und Teile zu den von der Umsatzsteuer befreiten Gütern gehören würden. Mich würde es überhaupt wundern, wenn auch nur 10 % der Bevölkerung wissen würde, was Steuern eigentlich sind... :rolleyes:

    Zitat

    Autofahrer zahlen Steuern und finanzieren damit die Straßen

    Was waren noch einmal Steuern?

    Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

    Autofahrer finanzieren Straßen regelm. also nur mit zweckgebundenen Abgaben / Gebühren; also bspw. einer Maut (auch außerhalb von Autobahnen). Bei Letzterer sähe ich dbzgl. übrigens in der Tat ein Problem auf uns zukommen: weil dieses Argument (zumindest Bundesstraßen betreffend) in der Tat dann nicht völlig unberechtigt wäre. Auch daraus könnten sich dann weitere Straßen- und Fahrbahnverbote entwickeln.

  • War mir bisher neu, dass ich als Nicht-Autofahrer keine Steuern zahlen muss. Was mache ich falsch?

    Ganz gleich, ob es wirklich einzelne Personen gibt, die zeit lebens zu 100% "Nicht-Autofahrer" sind: entscheidend ist doch, dass quasi jeder "normale" Radfahrer zu anderen Zeiten auch in der Rolle des Autofahrers am Straßenverkehr teilnimmt bzw. teilnehmen wird oder schon teilgenommen hat. Der Vorwurf der Nichtbeteiligung an der Straßenfinanzierung ist also auch dann schon unhaltbar, wenn man die Betrachtung der Finanzierung tatsächlich auf die direkten KFZ-abhängigen Steuerleistungen reduzieren würde.

    Ich habe mit Sicherheit in meinem Leben weit mehr KFZ-abhängige Beträge in die öffentlichen Haushalte eingezahlt, als jeder 20-jährige Schnösel in seinem Hoppel-Golf "sponsored by Oma". Trotzdem wird mir die Benutzung der von mir mitbezahlten Fahrbahnen mit dem Fahrrad oft genug verboten, während (weil?) der junge Golf-Fahrer sich mir gegenüber aufführen darf, als hätte er höchstpersönlich die Straße allein finanziert.

    Einmal editiert, zuletzt von Th(oma)s (15. April 2019 um 13:44)

  • Die größere Frechheit ist eigentlich die Antwort eines Redakteurs auf Twitter: "Der Satz stammt aus einem Interview. Da ist es unsere Aufgabe, die Diskussion anzuregen. Es bedeutet nicht, dass wir diese Meinung auch persönlich teilen. Für eine angemessene Antwort sorgen unsere Interviewpartner."

  • Mal angenommen, das parkende Fahrzeug hätte den Radweg versperrt. Hätte der Radfahrer dann rechts vorbei schieben müssen?

    Leider ist das Urteil in diesem Land nachvollziehbar. Sollte man im Hinterkopf behalten...

  • Mal nebenbei: in einer Urteilsveröffentlichung lese ich die Autonummer und die Farbe des beschädigten Autos und den Namen der Werkstatt? Datenschutz???

    Und generell: Wenn der Urheber einer OWi für die Unfallfolgen haftet - dann schauen wir doch mal, wie es aussieht, wenn es wegen eines Falschparkers kracht. Muss dann der Falschparker zahlen?

  • Was für ein Urteil: <X

    https://www.versicherungsjournal.de/markt-und-poli…ften-135455.php

    Da wird jemandem die Haftung für die Folgen einer Straftat durch einen Dritten auferlegt, weil diese Straftat durch eine Ordnungswidrigkeit provoziert wurde.

    Ob der Richter diese Auslegung auch anwenden würde, wenn jemand an seinem ordnungswidrig geparkten Auto den Rückspiegel abtritt? :evil:

    Was das Gericht jedenfalls hätte erörtern müssen (wenn der Radfahrer denn überhaupt entsprechend plädiert hat?): wäre der Unfall nicht passiert, wenn anstelle des Radlers ein KFZ, z.B. ein S-Pedelec oder ein Mofa auf der Fahrbahn unterwegs gewesen und abgedrängt worden wäre? Dass Unfälle nur dann passieren können, wenn die Beteiligten zur falschen Zeit am falschen Ort sind, ist trivial und für sich allein keine rationale Begründung für die Abweisung des Anliegens des Radfahrers.

  • Moment mal: Es gibt hier drei Parteien, den LKW-Fahrer, den Radfahrer und den Halter vom Auto. Zwischen allen dreien gab es einen Unfall. Der Halter vom KFZ hat offenbar keine Teilschuld. Sobald der Radfahrer eine Mitschuld hat (auch wenn es nur 10% sind), kann sich der Autofahrer von jedem der anderen beteiligten 100% des Schadens ersetzen lassen. Er muss nicht den LKW-Fahrer auf 90% und den Radfahrer auf 10% verklagen.

    Ich habe den Link nur überflogen und gehe aktuell davon aus, dass der LKW-Fahrer unbekannt ist. Damit kann ich den Autofahrer verstehen, dass er den Radfahrer verklagt. (Sofern es den LKW überhaupt gab!)

    Zur Mithaftung stehen hier auch drei Urteile:

    http://pdeleuw.de/fahrrad/urteile.html#benutzung

    Und wenn es keinen anderen gibt, der ebenfalls haftet, haftet der Radfahrer eben alleine.

  • Und wenn es keinen anderen gibt, der ebenfalls haftet, haftet der Radfahrer eben alleine.

    Du meinst, der Richter hätte die günstige Gelegenheit genutzt, um die auch schon ganz ohne Radweg eindeutige Rechtslage dazu auszunutzen, nebenher seine private Agenda ("Scheißradfahrer gehören auf den Radweg!!!") in die herrschende Rechtsprechung zu drücken?

    Ganz so also, wie offenbar auch manche "schlauen" Richter Fälle mit sehr eindeutiger Schuldverteilung auf Seiten des beteiligten Radfahrers dazu missbrauchen, um nebenher eine informelle Helmpflicht über das Haftungsrecht für die gesamte Radfahrerschaft zu etablieren?

  • Mit dieser Argumentation des Gerichts könnte es der Beklagte schwer haben, die Kosten an seine eigene Haftpflichtversicherung abzugeben.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Schlimm finde ich die Argumentation des Gerichts.

    Zitat

    Seinen Einwand, dass die Radwege-Benutzungspflicht nicht dem Schutz am Straßenrand abgestellter Fahrzeuge diene, ließen die Richter nicht gelten. Denn die betreffende Vorschrift diene der Entmischung des Rad- und des Kraftfahrzeugverkehrs, um Unfälle zu vermeiden.

    „Dabei ergibt sich bei einer gemeinsamen Nutzung der Fahrbahn einer Straße durch Rad- und Kraftfahrer vor allem bei Überholmanövern ein besonderes Gefahrenpotential, das durch die räumliche Trennung beider Verkehrsarten beseitigt beziehungsweise zumindest deutlich reduziert werden soll“ – so das Gericht.

    Hätte der selbe Richter genauso argumentiert, wenn der Radfahrer regelwidrig auf einem Gehweg gefahren wäre und es zu einer Kollision mit einem einbiegenden oder abbiegenden Fahrzeug gekommen wäre? Schließlich dient die Aufhebung der allgemeinen Radwegebenutzungspflicht zur Senkung des besonderen Gefahrenpotenzials an Knotenpunkten, welches durch die räumliche Trennung beider Verkehrsarten befördert wird. :/

  • Ein ganz anderer Fall: https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/110977/4246610

    Zitat

    Der Radfahrer, der verbotswidrig auf dem Gehweg an der König-Karl-Straße in Richtung Wilhelmsplatz fuhr, stieß auf Höhe der Kleemannstraße mit einer 44 Jahre alten Fußgängerin zusammen, die in gleicher Richtung unterwegs war.

    Und jetzt mal die Stelle anschauen, an der der Radfahrer verbotswidrig auf dem Gehweg gefahren ist: https://goo.gl/maps/PCmGnLgx8ME2

    Ich sehe einen Schutzstreifen, der im Bereich der Unterführung geradewegs auf einen [Zeichen 239][Zusatzzeichen 1022-10] führt. Glaubt die Polizei Stuttgart wirklich, dass Radfahrer mit durchschnittlichen Kenntnissen über Verkehrsregeln an dieser Stelle auf die Fahrbahn wechseln? In Stuttgart?

    Was lernen wir aus den beiden Fällen: Als Radfahrer ist man eh immer der Dumme.

  • Der Richter scheint der Meinung zu sein man müsse überholen. Frage mich nur wo das steht ich finde in der STVO nur, dass man es darf, wenn man (unter anderem) niemanden dadurch gefährdet.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Der Richter scheint der Meinung zu sein man müsse überholen.

    Das nicht unbedingt. Aber er ist der Meinung, Unfälle, die durch Überholen resultieren, wären nur dann vom Überholer zu verantworten, wenn das überholte Fahrzeug ein KFZ ist. Überholunfälle mit Radfahrern sind dieser Lesart zufolge dagegen entweder Pech/Schicksal (kein Radweg), fahrlässiger Leichtsinn (Radweg ohne Benutzungspflicht ignoriert) oder Verschulden des Radfahrers durch grob verkehrswidriges Verhalten.

    Da liegt das Gericht allerdings voll auf der Linie der herrschenden Staatsdoktrin vom „sicheren Radweg“.