Der Tote Winkel lebt

  • Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe. Rechtsabbieger haben ja in der Regel keine separate Ampelschaltung. Eine separate Spur haben sie trotzdem, und zwar aus einem einzigen Grund: Der Geradeaus-Verkehr darf nicht aufgehalten werden. Rechts neben der Fahrbahn befindet sich, auch wenn kein Radweg vorhanden ist, ja meistens noch ein Gehweg. Der gewissenhafte Abbieger lässt die auf der Furt befindlichen Fußgänger vor dem Abbiegen durch und würde dabei den gleichzeitig freigegebenen Geradeaus-Verkehr "behindern", wenn er nicht mit einer separaten Spur zu Seite beordert würde.

    Wenn man eine so enge Straße hat, dass kein Platz für eine Rechtsabbiegespur ist, dann wird auch keine Rechtsabbiegespur angelegt. Bloß traut sich keiner die Straßen von vornherein so eng zu bauen. Dann müsste nämlich vorher geklärt sein, dass kein Autoverkehr von jedermann, oder fast jedermann (und -frau) gewünscht ist. Wenn Autofahren die absolute Ausnahmeerscheinung für ganz wenige Zwecke ist, dann ist es auch nicht weiter schlimm, dass geradeausfahrende Autos darauf warten müssen, dass Rechtsabbieger ohne zu gefährden rechts abbiegen können.

  • Das sieht dann im Extremfall so aus. Ist auch keine Lösung.

    Wobei man sagen muss, dass dieser "Extremfall" gestellt wurde, um die ansonsten nicht auffällig gefährlichen Weichen öffentlich als Todeszone diffarmieren zu können.

    Die beiden LKW standen bei der Aufnahme, und sie waren eigens für das Shooting von den Aktivisten angemietet und in diesem ungünstigen Winkel und Abstand zueinander positioniert worden. Die Kinder kamen aus dem persönlichen Umfeld der beteiligten Aktivisten. Abgesehen davon, dass zumindest einige zu jung scheinen, um schon auf der Fahrbahn radeln zu dürfen, erkennt man an den stark eingeschlagenen Vorderrädern, dass die Kids offensichtlich im Begriff sind, für den Fotografen aus dem Stand anzufahren.

    Wer nachträglich noch in so einen engen Korridor einfährt, gehört jedenfalls mit dem Klammerbeutel gepudert. Insbesondere wäre so jemand auch nicht in der Lage, die zahlreichen gut versteckt lauernden Fallen von konventionellen Hochbordwegen hinreichend früh zu erkennen. Das gezeigte Szenario ist also aus mehrerlei Hinsicht vollkommen unrealistisch.

  • Die Lösung wäre, vor der Kreuzung das überholen baulich zu unterbinden. In beide Richtungen. Ist das Fahrrad vorne, muss der LKW langsam hinterherfahren. Ist der LKW vorne, muss der Radler langsam hinterherfahren.

    Dann entfällt jeglicher Konfliktpunkt zwischen den beiden Verkehren. Das setzt aber voraus, dass man nicht in Radwege separiert und dass man es aushalten muss, dass man bei der Verkehrsteilnahme manchmal andere Leute (LKW) legal behindert bzw. legal behindert wird (Radler). Das wollen aber irgendwie ein Großteil beider Lager niemals. Lieber wird endlos die Diskriminierung der jeweils anderen Seite gefordert.

    Wenn man meint, Fahrbahnen wegen Radfahrern verbreitern zu müssen (Schutzstreifen), importiert man sich nur wieder das alte Radwegproblem des "Durchdrängelns".

  • Kannst Du das mal genauer beschreiben?

    In meinem Kopf entsteht ungefähr folgendes Bild:

    • 50km/h, einspurige Hauptstraße innerorts
    • Abseits der Kreuzung ausreichend Breite, damit trotz Gegenverkehr überholt werden kann
    • Dann kommt vielleicht 30 m vor der Ampel eine Mittelinsel o.ä., die Autos und Radfahrer in die selbe Spur zwingt.

    An solchen Stellen werde ich auch ohne Ampel nervös. Das wird nicht besser, wenn von hinten ein Autofahrer kommt, der die Ampel noch bei Grün bekommen möchte.

    Vielleicht fehlt mir aber auch einfach nur die Phantasie, wie man das angenehm lösen kann.

  • Im Prinzip wie bei einem Radwegende oder vor einem Kreisverkehr. Dort, wo größere Geschwindigkeitsunterschiede bestehen, fahren Kfz- und Radfahrer noch nebeneinander. Dann wird der Kfz-Verkehr runtergebremst und beide sortieren sich nach dem Reißverschlussverfahren ein.

    Die Schwierigkeit besteht halt darin, dass Radfahrer mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs sind. Das heißt, dass es keine einheitliche Geschwindigkeit gibt, bei der Kfz. und Radfahrer im Reißverschlussverfahren einfädeln können. Dafür muss dann deutlich werden, dass der jeweils Schnellere sich hinter dem Langsameren einzufädeln hat. Das kann der PKW sein, der von hinten kommt, aber auch der Radfahrer, der sich von hinten einer wartenden Kfz-Schlange nähert.

  • Das ist in meiner Vorstellung auch nicht angenehm, sondern Stadtverkehr.

    Das Tempoproblem hat nichts mit dem toten Winkel zu tun.

    Ich bin innerorts übrigens ein Fan vierspuriger Straßen ohne Radweg. Da behindert man niemanden als Radfahrer, egal wie langsam man fährt.

  • Das gezeigte Szenario ist also aus mehrerlei Hinsicht vollkommen unrealistisch.

    Ganz im Gegenteil: Es entspricht ziemlich genau meiner Alltagserfahrung an solchen Kreuzungen. Autos und LKWs stehen regelmäßig unübersichtlich kreuz und quer. Das Video zeigt eigentlich den Alltag sehr schön. So schaut der Alltag an diesen Stellen nunmal einfach aus.

    Die konkrete Szene mit Kindern und zwei LKWs ist natürlich ein Extremfall. Aber diese Infrastruktur ist nunmal auch für Kinder und LKWs da, so dass es auch zu solchen Treffen kommt

    Meine Tochter wird im Herbst acht. Nie im Leben würde ich sie über diesen Streifen scheuchen. Auch nicht mit 10 Jahren. Denn es gibt praktisch keine sichere "Notfallstrategie".

    Bei einer Ampelkreuzung mit getrenntem Radweg bzw. Radfahrstreifen ist das relativ einfach: Außerhalb der Schleppkurve anhalten, wenn ein LKW Anstalten macht, abzubiegen. Im schlimmsten Fall mit dem LKW abbiegen. Das kann man ganz gut erklären.

    Auf so einem Streifen ist das viel komplizierter. Denn "Anhalten" ist keine zuverlässige Strategie mehr. Denn wenn ein Kind dann mal kurz überfordert ist und zu lange anhält, steht es plötzlich mitten im Getümmel zwischen zwei mit 50 km/h befahrenen Fahrspuren. Noch dazu mitten in der "Wechselzone". Und andere Radfahrer gibt es ja auch noch, die vorbeifahren. Das ist dann eine verdammt gefährliche Situation.

    Man muss also als Radfahrer die Fahrlinie von jedem einzelnen der vielen quer fahrenden Autofahrer beurteilen und entscheiden, wie man damit umgeht. Damit sind viele schnell überfordert.

    Trotzdem würde ich meine Kinder auf absehbare Zeit anweisen, an solchen Stellen den Gehweg zu benutzen. Und das sage ich, obwohl ich Gehwegradler für die Pest halte.

  • Auf so einem Streifen ist das viel komplizierter. Denn "Anhalten" ist keine zuverlässige Strategie mehr. Denn wenn ein Kind dann mal kurz überfordert ist und zu lange anhält, steht es plötzlich mitten im Getümmel zwischen zwei mit 50 km/h befahrenen Fahrspuren. Noch dazu mitten in der "Wechselzone". Und andere Radfahrer gibt es ja auch noch, die vorbeifahren. Das ist dann eine verdammt gefährliche Situation.

    Mir zeigt das eigentlich nur, dass du dem Kopfkino, dass die PBL-Aktivisten mit den Aufnahmen bezweckt haben, auf den Leim gegangen bist.

    Ich würde mit meinen Kindern die Situation besprechen und ein paarmal mit ihnen gemeinsam die Stelle abfahren. Da gibt es für mich keinen einzigen Unterschied zu dem Fall, wo ich die Kinder anschließend alleine auf Hochbord- oder Gehwegen fahren lassen wollte.

  • Kopfkino

    Kopfkino? Ich fahre da regelmäßig durch. Ich brauche gar kein Kopfkino für Situationen, mit den Kindern schnell überfordert wären. Ich erlebe sie ständig.

    Ich wüsste nicht, welche Regeln ich meinen Kindern an die Hand geben könnte, um mit allen alltäglichen Situationen auf diesen Streifen sicher zurecht zu kommen. Mir fallen einfach keine ein.

  • Mir zeigt das eigentlich nur, dass du dem Kopfkino, dass die PBL-Aktivisten mit den Aufnahmen bezweckt haben, auf den Leim gegangen bist.

    Ich würde mit meinen Kindern die Situation besprechen und ein paarmal mit ihnen gemeinsam die Stelle abfahren. Da gibt es für mich keinen einzigen Unterschied zu dem Fall, wo ich die Kinder anschließend alleine auf Hochbord- oder Gehwegen fahren lassen wollte.

    Was sind denn PBL-Aktivisten?

    Deinem zweiten Satz stimme ich zu. Leider weiß ich aus Erfahrung, dass viele erwachsene Menschen, denen man das tausendmal erklären würde, sich stringent weigern, so einen Geradeaus-Fahrstreifenzu benutzen. Da sitzt irgendwo innerlich ein sehr ausgeprägtes Grundgefühl, immer schön in Deckung zu bleiben, wenn man mit dem Rad unterwegs ist. Selbst von Leuten, von denen ich das nicht erwartet hätte bin ich beim gemensamen Radfahren schon angeschnauzt worden, was mir denn einfiele, den nicht benutzungspflichtigen Radweg im grausamen Zustand einfach so zu verlassen. Für so Leute stellen solche Geradeaus-Radstreifen eine unverschämte Provokation des Autofahres da. Und dem wird umgehend hinterhergeschoben, dass die Radfahrer ja nur zum Ausbremsen des Autoverkehrs missbraucht werden würden, weil irgendwelche verbohrten Autohasser es geschafft hätten, an die Schaltstellen der Macht zu gelangen.

    Allerdings stelle ich auch fest, dass die Einsicht möglicherweise doch etwas zugenommen hat, wenn Radfahrer auf der Fahrbahn fahren. Zumindest dann, wenn deutlich ist, dass kein richtiger, benutzungspflichtiger Radweg vorhanden ist.

    Hat das eigentlich mal wer untersucht? Jeden Tag die gleiche Strecke zur selben Uhrzeit und dabei die Anzahl der Hupereien und Pöbeleien registrieren? Diesen Radweg (heute Fußweg) hatte ich schon seit mehreren Jahren immer wieder mal so und mal so befahren. Früher war er so beschildert: [Zeichen 240]Gefühlt hat die Huperei abgenommen wenn man mit dem Rad auf der Fahrbahn fährt.

  • Mir zeigt das eigentlich nur, dass du dem Kopfkino, dass die PBL-Aktivisten mit den Aufnahmen bezweckt haben, auf den Leim gegangen bist.

    Ich würde mit meinen Kindern die Situation besprechen und ein paarmal mit ihnen gemeinsam die Stelle abfahren. Da gibt es für mich keinen einzigen Unterschied zu dem Fall, wo ich die Kinder anschließend alleine auf Hochbord- oder Gehwegen fahren lassen wollte.

    Wo sind da eigentlich die 1,50 bzw. 2,00 m Seitenabstand zwischen LKW und Radfahrern?

  • Für so Leute stellen solche Geradeaus-Radstreifen eine unverschämte Provokation des Autofahres da.

    ...und aus genau diesem einzigen Grund sind auch Fahrradweichen beliebt wie Fußpilz. Man möchte ganz einfach nicht, dass die Leute, die wegen der eigentlich für Jedermann bestens sichtbaren Kinder am zügigen Abbiegen gehindert werden, Schlechtes über deren Eltern denken, die sich unterstehen, einfach so ihre Blagen den Verkehr aufhalten zu lassen.

    Die Unterstellung von besonderen Unfallrisiken, die das auch bei Radverkehrsanlagen bestehende Restrisiko übersteigen würden, ist dann bloß der moralische Überbau für das eigentlich aus Scham gewollte Einhegen der eigenen Kinder.

  • Ich fühle mich davon angesprochen und muss sagen: Auf mich bezogen sind diese Ausführungen totaler Quatsch. Ich empfinde sie sogar als bösartige Unterstellung.

    Es geht um nur um die Suche nach der sichersten Verkehrsführung.

  • Es geht um nur um die Suche nach der sichersten Verkehrsführung.

    Das ist recht einfach: Je mischiger der Verkehr desto sicherer.

    Ein Problempunkt ist es ja, das sich etwas sicherer anfühlt, wenn man glaubt, einen Einfluss darauf zu haben, einen Notfallplan zu haben. Das führt zu einer deutlich verfälschten Einschätzung der Gefahr.

  • Das ist recht einfach: Je mischiger der Verkehr desto sicherer.

    Vom Grundsatz her stimme ich Dir zu. Im Einzelfall nicht unbedingt.

    Ein Hochbordradweg mit eigener Grünphase neben einer mehrspurigen Hauptstraße dürfte wohl wesentlich sicherer sein als eine Führung auf der Fahrbahn.

  • Vom Grundsatz her stimme ich Dir zu. Im Einzelfall nicht unbedingt.

    Ein Hochbordradweg mit eigener Grünphase neben einer mehrspurigen Hauptstraße dürfte wohl wesentlich sicherer sein als eine Führung auf der Fahrbahn.

    Wie lang ist diese Grünphase für den Radverkehr, bzw. umgekehrt die Rotphase? Rotphasen, die sehr lange dauern, führen nämlich dazu, dass sie ignoriert werden. Da kann man natürlich sich hübsch aus der Verantwortung rausnehmen nach dem Motto: "Da hätte er halt noch etwas länger warten müssen."

    Die nächste Steigerung wäre eine Grünphase für den Hochbordradweg je nach Bedarf. Geradeaus-Radfahrer haben grundsätzlich immer Grün. Wenn außerdem Autofahrer auf der Rechtsabbieger-spur warten, dann ist die Grünphase für die Radler etwas kürzer. So werden die Radfahrer zuerst mit einer Grünphase bedient, während die Autofahrer solange vor einem roten Rechtspfeil warten.

  • Mir zeigt das eigentlich nur, dass du dem Kopfkino, dass die PBL-Aktivisten mit den Aufnahmen bezweckt haben, auf den Leim gegangen bist.

    Die gestellte Szene zeigt eine Situation, in der es schon schief gegangen ist: Warum steht der eine LKW schon halb auf dem Radfahrstreifen? Und warum stehen die Kinder irgendwie dazwischen? Das dürfte allerdings aber auch in der Realität häufiger vorkommen als einem lieb sein kann.

    In einer realen Situation müsste man fragen: Wer war zuerst da? Wartete der LKW dort und die Kinder sind von hinten in die Stelle reingefahren? Oder waren die Kinder schon dort und der LKW-Fahrer hat noch versucht, an ihnen vorbei zu kommen und ist dann vor ihnen nach rechts gezogen?

    Natürlich müsste es solche Situationen nicht geben, wenn einerseits Radfahrer bereit wären, zu warten und nicht von hinten an wartenden Fahrzeugen vorbeifahren. Dazu verleitet jedoch der markierte Streifen. Auf der anderen Seite dürfen Kfz-Führer an solchen Stellen nicht versuchen, noch schnell an den geradeaus fahrenden Radfahrern vorbei zu kommen und dann auf die rechte Spur zu wechseln. Mit einzelnen Radfahrern mag das alles auch noch gehen, aber was passiert, wenn dort ein Radfahrer nach dem anderen ankommt und man mit dem Kfz rechts abbiegen will?

    Da beides in der Realität aber so nicht immer funktionieren wird, kann ich die Bedenken von Epaminaidos gut nachvollziehen. Sicherer wäre es, wenn Radfahrer dort mittig auf der Fahrspur fahren würden und damit entweder eindeutig vor oder hinter dem LKW bleiben. Es müsste davor eine Strecke geben, auf der für alle Überholverbot besteht und wo sich Kfz-Führer in jedem Fall hinter vorausfahrenden Radfahrern einordnen müssten und umgekehrt auch Radfahrer nicht rechts an wartenden oder langsam fahrenden Kfz vorbei fahren dürften. Da höre ich aber bereits den Tiefbauer jammern, der die "Leistungsfähigkeit" seiner Kreuzung den Bach runter gehen sieht.

  • Da höre ich aber bereits den Tiefbauer jammern, der die "Leistungsfähigkeit" seiner Kreuzung den Bach runter gehen sieht.

    Nicht nur der wird jammern. Zumindest mit der heutigen "Verkehrskultur" gäbe es noch andere Probleme

    • Autofahrer werden sich reihenweise über die rollenden Verkehrshindernisse ärgern, wegen denen sie eine Ampelphase verpassen.
    • Unmittelbar vor dem "physikalischen Überholverbot" wird es noch viele riskante Überholmanöver geben. Die reine Anordnung von selbigem wird ja sowieso ignoriert.
    • Trotzdem werden sich noch viele durchzwängen. Denn viele Radfahrer wohl trotzdem am Rand fahren.
    • Viele Radfahrer werden bei Stau nicht hinter den Autos bleiben. Roller und Motorräder auch nicht.
    • Einige Radfahrer weichen auf den Gehweg aus, weil ihnen das zu viel Behinderung ist.
    • Und wenn mal kein Stau ist, hat man einen zusätzlichen Konfliktpunkt. Denn wenn der Verkehr fließt, funktionieren diese Weichen eigentlich ganz gut. Auch wenn ich ein mulmiges Gefühl nicht bestreiten mag. Gefahr von hinten ist halt immer unangenehm.
  • wir stellen also fest, was bereits bekannt ist:

    das Übel sitzt hinter dem Lenkrad und kann sich nicht beherrschen.

    Lösung: Radwege abschaffen, Tempo 30 überall. Ausnahmen an Einfallstraßen dann, wenn separate Fahrspuren für Radverkehr vorhanden (eben auch 3,20m breit) und gesonderte Signalisierung an Knoten.