Hannover: 40 Minuten Blockade in der Fahrradstraße

  • 40 Minuten lang stehen sich eine Radfahrerin und ein Kleinlaster in Hannover gegenüber - und keiner möchte die Straße für den anderen räumen. Darüber berichtete gestern die HAZ (Printausgabe) Hier der Link zum Bericht auf der HAZ-Internetseite: http://www.haz.de/Hannover/Aus-d…-Fahrradstrasse

    Ich finde es mutig von der Radfahrerin, sich dem Kleinlaster alleine durch ihr physische Präsenz zu widersetzen!

  • Ich finde es peinlich und vor allem nicht hilfreich.

    Sie hätte sich fragen sollen, was sie mit der Aktion erreicht:

    - Zustimmung von anderen Radfahrern

    - Kopfschütteln von praktisch allen anderen

    Die Zustimmung von anderen Radfahrern hatte sie auch vorher schon. Und in der Gruppe der Nicht-Radfahrer hat sie sicherlich einige Vorurteile bestätigt und für (noch) mehr Unverständnis geführt.

    Bei solchen Aktionen sollte man sich fragen, wie die Sache auf Menschen wirkt, die bisher nicht auf der eigenen Seite stehen. In der dargestellten Situation ist da nicht viel zu holen. Also: Anzeige schreiben und gut ist.

    Es gab mal ein Youtube-Video, in dem ein Auto ewig einem großen LKW gegenüber stand und keiner nachgeben wollte. Der Autofahrer war vermutlich im Recht. Sympathien hat er trotzdem nicht gewonnen.

  • Ähm? Die Frau war im Recht! Und der Lkw-Fahrer hätte schließlich auch zurücksetzen können - oder es eben sogar müssen...!

    Hier wird ja sehr oft das asoziale Verhalten von Autofahrern gegenüber Radfahrern bemängelt - aber wenn dann mal jemand konsequent ein Zeichen setzt, isses den lieben Radfahrerkollegen dann auch wieder nicht recht... :rolleyes:

  • Es ist vermutlich letztlich nicht zu klären, ob das eine Aktion war, wie du vermutest. Für mich sieht es sieht mehr so aus, als sei es ein spontaner Entschluss der Radfahrerin gewesen. Möglicherweise ein Entschluss, den sie schon früher einmal ins Auge gefasst aber dessen Umsetzung sie verschoben hatte.

    Bei einem spontanen Entschluss fragt man sich nicht unbedingt, wie das auf andere Menschen wirkt. Da tut man das dann einfach, was man meint jetzt tun zu müssen! Bei wem die Radfahrerin alles Sympathien gewonnen hat, das weiß ich nicht, aber auch das Motiv, Sympathien zu gewinnen, ist vermutlich nicht der Auslöser dafür gewesen, dass sie in der Situation ganz einfach stehen geblieben ist. Meine Sympathien hat sie jedenfalls erst mal gewonnen.

  • So? Das behauptet die Dame, ja. Sobald der Laster zuerst in der Engstelle drin war, stimmt das schon nicht mehr. Wenn sich mir ein Kraftfahrer derart wegen einer Ordnungswidrigkeit in den Weg stellen würde, würde ich ihn ziemlich sicher wegen Nötigung anzeigen.

    Ob David, als er den Goliath mit der Steinschleuder des Ziegenhirten besiegte, möglicherweise eine unzulässige Waffe für den Zweikampf benutzte, da fragt doch heute auch keiner mehr danach!

  • Nochmal Ähm: Das Ganze geschah in einer Fahrradstraße...

    Für den Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit weiter verringern.

    Zudem gilt, dass wer auf seiner Fahrbahnseite ein Hindernis vor sich hat, warten muss. Genau das hat der Lkw-Lenker nicht getan.

  • Nochmal Ähm: Das Ganze geschah in einer Fahrradstraße...

    Zudem gilt, dass wer auf seiner Fahrbahnseite ein Hindernis vor sich hat, warten muss. Genau das hat der Lkw-Lenker nicht getan.

    Wenn das in einer anderen Straße passiert wäre, dann hätte das rechtlich vermutlich auch nicht anders ausgesehen, denn der Fahrzeugverkehr auf dessen Fahbahnseite sich das Hindernis befindet, der ist wartepflichtig. Ob im Fall einer Fahrradstraße gilt, dass Radfahrer auch dann eine Engstelle zuerst passieren dürfen, wenn das HIndernis auf ihrer Fahrbahnseite befindet, das weiß ich nicht, spielt aber im vorliegenden Fall auch keine Rolle.

    Dass es sich jedoch um eine Fahrradstraße handelt, das spielt sehr wohl eine Rolle, denn weniger genau informierte Leser, lesen etwas von "Fahrradstraße" und assoziieren dann möglicherweise so etwas wie eingebaute Vorfahrt für Radler und finden deshalb das Verhalten des Kleinlaster-Fahrers besonders verwerflich.

  • Wenn das in einer anderen Straße passiert wäre, dann hätte das rechtlich vermutlich auch nicht anders ausgesehen, denn der Fahrzeugverkehr auf dessen Fahbahnseite sich das Hindernis befindet, der ist wartepflichtig.

    Ja, in Bezug zum Thema Fahrradstraße kommt dann aber zum Verstoß gegen die allgemeine Regelung der Wartepflicht eben noch die Behinderung / Gefährdung der bevorrechtigten Radfahrerin erschwerend hinzu. Das lief so, wie ich es in der Regel auch in Tempo-30-Zonen (Fahrradstraßen gibts hier keine) oder auch auf Hauptstraßen oft erlebe: Autofahrer hat ein geparktes Auto vor sich, sieht das ich gefahren komme - und fährt trotzdem dran vorbei und zwingt mich damit dann zum abbremsen oder Ausweichen nach rechts.

    Bezeichnend ist allerdings auch, dass die Polizei dann die Radfahrerin angewiesen hat, dem Lkw-Lenker (der ja noch einen Einweiser als Beifahrer hatte) Platz zu machen. Völlig falsches Signal. Wie auch die m. E. abenteuerlichen Vorwürfe von anderen Radfahrern, die Frau habe sich hier nicht "devot" genug verhalten. Sie hat meinen vollsten Respekt; um sowas durchzuziehen fehlt mir in aller Regel die Zeit, als auch die Lust. Jedenfalls verwirken solche Leute in meinen Augen jedes Recht, sich in warmen, kuschligen Foren ständig über das Fehlverhalten von Autofahrern aufzuregen. :evil:

    Wenn die Klügeren immer nachgeben, regieren halt irgendwann eben nur noch die Dummen. :P

  • Wer das Hindernis auf seiner Seite hat, muss warten. Wer aber bereits in der Engstelle ist, darf nicht absichtlich behindert werden, wenn der andere vor der Engstelle warten könnte. Ob das hier so war, keine Ahnung.

    Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass Leute, die sich in sozialen Netzwerken brüsten, häufig auf solche Details nicht achten. Insofern hege ich keinerlei Gefühle für eine der beiden Parteien oder für den Vorgang als solchen.

    Einzig die Aussagen der Polizei machen mich traurig. Da sollte mal jemand Nachhilfe geben. Aber diese ahnungslosen social-media-Abteilungen sind ja leider total hip.

  • Zudem gilt, dass wer auf seiner Fahrbahnseite ein Hindernis vor sich hat, warten muss. Genau das hat der Lkw-Lenker nicht getan.

    Der Fahrer behauptet aber, er hat die Radfahrerin nicht sehen können, als er in die Engstelle eingefahren ist. Schutzbehauptung? War die Radfahrerin hinter einem Auto/Kurve/Einfahrt versteckt? Konnte sie den Kleinlaster sehen, als sie in die Engstelle eingefahren ist?

  • Solche Straßen sind praktizierte Verkehrsberuhigung. Womöglich über Hunderte von Metern keine Möglichkeit, mit zwei Autos aneinander vorbeizukommen. Was wäre passiert, wenn sich zwei LKW gegenübergestanden wären?

    Ich habe neulich auch einen verärgern müssen, weil ich auf »seiner« Seite noch mit dem PKW an etwa 10 geparkten Autos vorbei bin, obwohl er schon Anstalten machte, durchzufahren. Ich hätte ihm gerne erklärt: »Da wo Du stehst, kann ich rechts in eine Lücke und an Dir vorbei, und die fünf hinter mir auch. Wenn Du losgefahren wärst, dann hättest Du an mir da hinten nicht vorbeigekonnt, weil die fünf hinter mir wieder in Deiner Spur stehen, dann hätten wir uns gegenseitig blockiert.« Aber dafür war keine Zeit. Er konnte im Halbdunkeln auch nicht wirklich sehen, was ich noch hinter mir hatte.

    (Kleine Seitenstraße im Wohngebiet, T30, aber Ausweichroute wegen halbseitig gesperrter Hauptstraße, also Kolonnenverkehr in einer Richtung.)

    Ich wäre an Stelle der Frau unter normalen Umständen pragmatisch gewesen. Arbeitendes Baustellenfahrzeug, sozusagen, dem weiche ich aus. Allerdings lese ich, dass der LKW-Fahrer anfangs pampig gewesen sein soll. Das könnte auch bei mir einiges ändern.

  • Nochmal Ähm: Das Ganze geschah in einer Fahrradstraße...

    Zudem gilt, dass wer auf seiner Fahrbahnseite ein Hindernis vor sich hat, warten muss. Genau das hat der Lkw-Lenker nicht getan.

    Streng genommen ist das gar keine Fahrradstraße.

    Warum?

    Schau dir das Bild mal an: http://www.haz.de/Hannover/Aus-d…-Fahrradstrasse

    Spoiler anzeigen

    Nach 10 m endet die Fahrradstraße und eine Tempo-30-Zone beginnt.

    Ich weiß, dass das so nicht gemeint ist. So ist es aber ausgeschildert.

  • Ich habe die Stelle des Tweets jetzt mal auf Maps rausgesucht.

    In meinem ganz persönlichen Urteil kommt der LKW-Fahrer jetzt noch wesentlich schlechter weg. Der hatte vor wenigen Metern erst eine ausreichend lange Lücke auf seiner Seite. Und falls die Einfahrt tatsächlich zugeparkt war, war nochmal 15 m weiter hinten eine Kreuzung auf seiner Seite.

    Ändert halt (leider) nichts: Die 40-Minuten-Blockade hat der Sache nicht geholfen.

  • Frag doch mal einen reinen Autofahrer, was er davon hält, dass eine Radfahrerin 40 Minuten vor einem LKW steht, weil sie nunmal Recht hat.

    Da wirst Du vermutlich nicht viel Zuspruch bekommen.


    Was ist denn wichtiger? Recht zu haben? Oder effektiv zu sein?

    Ich teile die Bedenken nicht. Gesellschaftlicher Fortschritt ist häufig mit zunächst kontraproduktiv erscheinenden Tabubrüchen einhergegangen und dadurch begünstigt und verstärkt worden. Eine deutschlandweite Diskussion hat sie schon mal angestoßen. Damit könnte sie langfristig durchaus effektiver als all unsere Konfliktvermeidungspragmatismen sein. Außerdem ist sie weiblich, das Risiko einer "dicken Lippe", wenn sie es einfach mal ausprobiert, also erheblich geringer.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Ich habe die Stelle des Tweets jetzt mal auf Maps rausgesucht.

    In meinem ganz persönlichen Urteil kommt der LKW-Fahrer jetzt noch wesentlich schlechter weg. Der hatte vor wenigen Metern erst eine ausreichend lange Lücke auf seiner Seite. Und falls die Einfahrt tatsächlich zugeparkt war, war nochmal 15 m weiter hinten eine Kreuzung auf seiner Seite.

    Ändert halt (leider) nichts: Die 40-Minuten-Blockade hat der Sache nicht geholfen.

    Ich hab die Stelle auch gleich gesucht, als ich den Tweet gesehen habe. Die Aussage des LKW-Fahrers scheint mir eine Schutzbehauptung zu sein. Die Straße ist ja doch eher übersichtlich.

  • Frag doch mal einen reinen Autofahrer, was er davon hält, dass eine Radfahrerin 40 Minuten vor einem LKW steht, weil sie nunmal Recht hat.

    Da wirst Du vermutlich nicht viel Zuspruch bekommen.

    Der Lkw hätte ja auch zurücksetzen können, dann hätte er keine 40 Minuten warten müssen...!? Das wollte er aber genausowenig, weil er sich nicht minder im Recht fühlte. Warum haben offenbar auch viele Radfahrern die Grunderwartung, dass letzten Endes immer der Radfahrer in die Büsche zu springen hat? Ansonsten sind mir die Meinungen von "Nur-Autofahrern" übrigens auch vollkommen egal.

    Was ist denn wichtiger? Recht zu haben? Oder effektiv zu sein?

    Ersteres! Und was heißt in dem Zusammenhang denn schon "effektiv"? Hin und wieder muss / kann man ein paar Minuten opfern, um auf die alltägliche Rücksichtslosigkeit im Verkehr hinzuweisen. Rosa Parks wird das ähnlich gesehen haben, als sie im damals Bus auf ihrem Platz sitzen blieb...

    "Effektiv" war es doch - ein alltäglicher Vorgang wurde öffentlich und wir (und viele andere) diskutieren nun drüber. Schade und bezeichnend, dass kein anderer Radfahrer dort solidarisch war. Aber Solidarität hat man im Rahmen eines bestimmten politischen Leitbildes den Leuten inzwischen ja eh völlig ausgetrieben... :evil:

    Die meisten Verkehrsteilnehmer (und ich schließe da auch Radfahrer mit ein) benehmen sich im Alltag doch auch wie die letzten Asozialen, weil sie wirklich NIE Gegenwind bekommen.

  • Ersteres! Und was heißt in dem Zusammenhang denn schon "effektiv"?

    In dem Fall: möglichst viel für den Radverkehr erreichen. Dazu gehören insbesondere die Mobilisierung auf der eigenen Seite und auch die Gewinnung von neuen Mitstreitern bzw. Beeinflussung möglichst vieler Menschen im eigenen Sinn. Und deshalb die Meinung von reinen Autofahrern eben nicht egal. Denn es sind einfach viele.

    Da hätte es schon helfen können, den Vorfahrtsverstoß mit besseren Fotos öffentlich zu machen. z.B. eins, aus dem deutlich wird, dass der LKW gerade eine Lücke ausgelassen hat. Dann hätte die Berichterstattung eventuell anders ausgesehen.

    So wird halt das übliche Vorurteil bestätigt: "DIE" Radfahrer bestehen auf ihr Recht. Das stützt die oft gelesene Meinung, dass ein toter Radfahrer seine Vorfahrt erzwingen wollte.

    Aber Solidarität hat man im Rahmen eines bestimmten politischen Leitbildes den Leuten inzwischen ja eh völlig ausgetrieben...

    Wohin bedingungslose Solidarität führt, wurde gerade in einem Paketshop deutlich. Mustafa hat sich vorschriftsgemäß geweigert, eine Krankenkarte als Identitätsnachweis zu akzeptieren und das Paket nicht rausgegeben. Zwei Stunden später kamen 10 polizeibekannte Extremisten vorbei und haben sowohl den Laden zerlegt als auch Mustafa verprügelt.

    Mir sind Leute lieber, die Handlungen hinterfragen, bevor sie sie unterstützen.