Mobilitäts- und Strukturwandel aus den Medienhinweisen

  • Hier ist dann auch die "professionelle" Gegenposition:

    http://m.spiegel.de/auto/aktuell/v…-a-1233510.html

    In dem von dir verlinkten Text heißt es: "Neben strengeren Grenzwerten und der Umweltbilanz von E-Autos sieht VW-Chef Diess aber noch das Problem, "dass die Wertschöpfungstiefe bei E-Fahrzeugen geringer ist und somit weniger Personen benötigt werden, um die E-Autos herzustellen." Allen sei klar, "dass der Strukturwandel dazu führt, dass es weniger Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Deutschland geben wird", sagte Diess."

    Es ist mir einfach unbegreiflich, dass es anscheinend immer noch gelingt mit solchen Argumenten zu punkten. Im Klartext heißt das doch: Es gibt das einfach herzustellende Elektro-Auto und das äußerst kompliziert herzustellende Auto mit Verbrennungsmotor. Beide ermöglichen im vergleichbaren Umfang motorisierten Individualverkehr. Weil aber die "Wertschöpfungstiefe" beim Auto mit Verbrennermotor tiefer ist, sollten wir besser die Finger lassen vom Elektroauto und die Schadstoffe der Verbrennungsmotoren willig einatmen. Das erinnert an die Erfindung des mechanischen Webstuhls. Da gab es auch Leute die verteidigten den Handwebstuhl, weil der mehr Arbeit macht. Ja es gab in der Folge Massenverelendung, weil viele Weber arbeitslos wurden. Aber seitdem hat sich doch auch einiges an gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftlichem Know-How angesammelt, wie man solche Transformationsvorgänge hinbekommt. Als der klassische Buch- und Zeitungsdruck abgelöst wurde, ging das ohne Massenverelendung.

    Und wie muss ich mir da erst vorkommen als Fahrrad-Benutzer? Bin ich jetzt ein "Volksschädling", weil ich diese Verkehrsart mit geringer "Wertschöpfungstiefe" nutze, anstatt mit einem 350-PS-Diesel-SUV die Luft zu verpesten und die Straßen zu verstopfen?

  • nein, du bist nur deshalb ein Volksschädling, weil du dein Geld für Produkte ausgibst, die zu wesentlichen Teilen im Ausland gefertigt werden. :)

    Oder für Dienstleistungen, die von Lohnsklaven erbracht werden, deren Geld ins Ausland überwiesen wird.

  • Ich habe mal überlegt, wofür ich überdurchschnittlich viel Geld ausgebe und das Ergebnis ist: Für's Wohnen und Essen. Lebensmittel kaufen wir überwiegend auf dem Wochenmarkt, sowie beim örtlichen Fleischer und wir besuchen gerne die örtliche Gastronomie. Würde ich das Geld stattdessen an der Tankstelle ausgeben, bliebe deutlich weniger davon vor Ort. Im Versandhandel bestelle ich nur äußerst selten Dinge, die ich vor Ort nicht kaufen kann.

  • Wenn ich mir umgekehrt überlege, was ich prozentual für (meine eigene) Mobilität ausgebe, ist das echt nicht der Rede wert. Trotzdem ich in den seltenen Fällen, wo ich Material transportieren muss, immer nur Autos mit leerem Tank erwische...

  • Ich habe mal überlegt, wofür ich überdurchschnittlich viel Geld ausgebe und das Ergebnis ist: Für's Wohnen und Essen. Lebensmittel kaufen wir überwiegend auf dem Wochenmarkt, sowie beim örtlichen Fleischer und wir besuchen gerne die örtliche Gastronomie. Würde ich das Geld stattdessen an der Tankstelle ausgeben, bliebe deutlich weniger davon vor Ort. Im Versandhandel bestelle ich nur äußerst selten Dinge, die ich vor Ort nicht kaufen kann.

    Ich benutze ja gerne auch den ÖPNV und fahre leidenschaftlich gerne Omnibus (als Fahrgast - nicht als Fahrer). Wenn ich mit einer durchschnittlichen Omnibusbelegung von 20 Fahrgästen rechne, dann beschäftige ich durch meine Busfahrerei mit 20 Stunden Omnibusfahren eine Stunde lang mindestens eine Arbeitskraft, nämlich den Busfahrer. Ich glaub nicht, dass bei 20 Stunden Autofahrt ebenfalls eine Stunde lang eine Arbeitskraft beschäftigt wird. Warum wird dann aber die Autoproduktion so hoch gepriesen als Beschäftigungsgarant? Und entsprechend forsch tritt die Autolobby auf, wenn es darum geht Sonderkondition für alles Mögliche zu fordern. Bis dahin ungestraft die Luft zu verschmutzen.

  • Wie lange hätte die DB gebraucht um das Stück von Hamburg nach Frankfurt zu bringen, Tür zu Tür?

    Mit dem PKW (wo 100 KG reinpassen sollten) dauert's so 4-5 Stunden. LKW halt 7-8h.

    Das kommt drauf an, wie lang man die Bahn weiterhin benachteiligt, und ausbluten lässt.

    Intelligente Logistik und eine gut angeschlossene "letzte Meile" könnten wieder möglich machen, was vor 67 Jahren Wirklichkeit war:

    "I've noticed that the majority of traffic 'safety' campaigns seem to focus on everything except the bull in the china shop - the automobile." copenhagenize.com

  • Vor 67 Jahren weiß ich nicht. Aber hier die Aussage eines Experten und Betroffenen:

    Zitat von Lunapark 21 extra - Sommer 2016 "Stoppt das Nachtzug-Aus!"

    Frage an Andreas Kleber:

    Als der Postverkehr auf Schienen Mitte der 1990er Jahre abgeschafft wurde – ich brachte damals als Abgeordneter einen Antrag in den Bundestag ein zum Erhalt der Postwagen und der Postzüge – da hieß es: Post per Schiene ist zu langsam – „E plus 1“, die Zustellung von Post einen Tag nach Einlieferung – ist nur auf der Straße und mit Luftverkehr zu schaffen.

    Antwort:

    Das ist Unsinn; da spekuliert man auf die Vergesslichkeit. Nach dem Krieg galt jahrzehntelang das Grundprinzip: Eine Post, wie auch das Expressgut der Bahn, mussten innerhalb der BRD binnen 24 Stunden zugestellt sein. Der Transport erfolgte dabei so gut wie komplett auf der Schiene. Das verschlechterte sich erst ab Ende der 1970er Jahre. Generell gab es ein perfektes Zusammenspiel von Post- und Expressgut. Nehmen wir als Beispiel die Frischfischbestellung bei der Fa. Goedeken in Hamburg, wie sie mein Vater für den familiären Hotelbetrieb, die Kleber Post in Bad Saulgau, noch im Jahr 1971 vornahm. Nach dem Sonntagmittagservice gegen 14.30/15.00 Uhr ließ er sich aus der Küche den Fischbestand durchgeben und sah sich die Buchungen von Gästen und Bestellungen von Essen der nächsten Tage an. Dann schrieb er eine mit 8 Pfennigen frankierte Postkarte und gab sie am Bahnhof um 16.18 Uhr ins Postfach des Silberling-Gepäckwagens (die meisten Fern-Eilzüge hatten, da sich ein Postwagen nicht lohnte, ein Postfach, in welches Bahnpost eingeworfen wurde). Am Dienstagabend kam dann mit dem Schienenbus um 20.45 der frische Fisch aus Hamburg in Oberschwaben an. Dass Vergleichbares heute im Zeitalter von EMail, online, Apps & UPS noch möglich ist, wage ich zu bezweifeln.

  • Dass Logistik früher (vor ungefähr 50 Jahren) anders gehandhabt wurde als heute, kenne ich aus den Erzählungen meines Schwiegervaters, der in einem kleinen (damals noch selbstständigen, heute nach Neuwied am Rhein eingemeindeten) Dorf wohnte. Dieses Dorf hatte - selbstverständlich - einen Güterbahnhof. Als die Familie im Versand einen Sessel bestellt hatte, wurde der per Bahn am Güterbahnhof angeliefert, per Post kam die Benachrichtigung, und dann nahm er den Bollerwagen, lud den Sessel auf und brachte ihn damit nach Hause. (Heute würde man vielleicht ein Lastenfahrrad nehmen.) Damals, Mitte der 60er Jahre, völlig normal.

  • Erinnert mich an die Autofirmen in USA, die in den Großstädten die funktionierenden Stadtbahnen aufkauften und schlossen, um ihre Autos an die Leute verkaufen zu können, die sie ansonsten nicht gebraucht hätten.

    bye
    Explosiv smilie_be_131.gif

  • Ich meinte da mal einen Beitrag gesehen zu haben (im Netz?) über die Lieferketten von Waren inkl. Fisch direkt zu einem Großmarkt in der Nähe von Stuttgart. Da wurde auch erwähnt wie vollständig, abgestimmt und beeindruckend die Lieferketten waren und fast alles bis in jedes Kaff mit dem Zug gebracht wurde.

  • Und wie lange haben die vor 67 Jahren gebraucht?

    Ich bin zwar noch keine 67+x, aber deine Frage erinnert mich dran, dass ich als kleines Kind mit der Oma (wohnte im ländlichen Bereich) zum nächst gelegenen Bahnhof gefahren bin (wenn ich mich recht erinnere mit dem Omnibus), um dort eine riesige Konservendose Heidelbeeren abzuholen. An ganz viele Details erinnere ich mich nicht. Ich bin übrigens keinesfalls ein "Früher war alles viel besser"-Romantiker oder Landleben-Verherrlicher oder Büllerbü-Verzückter. Trotzdem erinnert mich deine Frage an dieses Erlebnis.

  • Ich meinte da mal einen Beitrag gesehen zu haben (im Netz?) über die Lieferketten von Waren inkl. Fisch direkt zu einem Großmarkt in der Nähe von Stuttgart. Da wurde auch erwähnt wie vollständig, abgestimmt und beeindruckend die Lieferketten waren und fast alles bis in jedes Kaff mit dem Zug gebracht wurde.

    Hannover hatte bis in die 50er-Jahre ein sehr ausgedehntes Güter-Straßenbahnnetz. Hier ein Link zu einem Bild vom Gemüsezug nach Limmer:

    https://i.pinimg.com/originals/b7/1…5c36e88ffe5.jpg

  • Ich habe Andreas Kleber einen Hinweis auf die hier laufende Diskussion zukommen lassen; er antwortet:

  • wow, danke. Das lief dann wohl viel besser und schneller als ich's dachte.

    Zitat

    Hamburg-Altona ab 21.44

    Saulgau an 11.22

    Da frage ich mich, ob man heutzutage mit dem LKW eine Kiste Fisch in der Zeit mit dem LKW transportiert bekäme, bzw. was das kosten würde.

    Rein zeitlich sollte es gehen: 768km, größtenteils auf der A7, nachts ist die meistens frei. Muss man natürlich zwei Fahrer mitnehmen.

    Oder man nimmt einen Fahrer mit Kleintransporter. Dann ist der Fisch schon zum Frühstück fertig.

    Worum es mir ging: Wenn es eilig ist, ist die Bahn zu langsam, und war es auch immer. Wenn abends um 20:00 meine Maschine in Saulgau ausfällt und zur Frühschicht um 07:00 das sperrige Ersatzteil aus Altona eingebaut sein muss, hilft mir die Bahn nicht weiter.

    Aber hey, Kopf hoch. Es wird ganz ganz ganz viel Geld in die Bahn investiert: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soz…-a-1233920.html

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.