30. August: Fahrradgroßkontrolle am Alsterglacis

  • Ich will nicht ausschließen, dass es dort bei bestimmten Verhandlungen womöglich Ausweiskontrollen gibt, aber ich wüsste tatsächlich nicht, dass ich irgendwann mal meinen Ausweis vorzeigen musste.

    Die Taschenkontrollen sind nach meiner Kenntnis aus nur eine Spezialität aus dem Strafjustizgebäude, weil dort direkte Verblndugen zum Gefängnis nebenan bestehen und man den Angeklagten aus der Untersuchungshaft nichts zustecken oder auf der Toilette verstecken soll.

  • Mein Perso war auch abgelaufen und ich war persönlich geladen. Also habe ich angerufen und mir wurde gesagt, das macht gar nichts. Ich musste ihn dann nichtmal vorzeigen.

    Ansonsten, nimm mit, was du hast: abgelaufenen Perso, Führerschein, Reisepass

  • Montag 11 Uhr ist aber nun ehrlich gesagt nicht gerade ein Traumtermin in meiner Wochenplanung ;)

    aber ok, wenn das Hindernis "Perso" ausgeräumt ist, wäre das zumindest ein punkt weniger auf der "geht nicht weil-"Liste

  • Ich hatte in meinem Einspruch noch die so genannte virtuelle Gelbphase von zwei Sekunden aus den RiLSA Abschnitt 2.4 genannt — darauf kann ich mich als Verkehrsteilnehmer zwar nicht berufen, aber es ist schon sehr sportlich, bei einer lediglich die Abfolge rot-grün beherrschenden Lichtzeichenanlage davon auszugehen, Radfahrer müssten so langsam fahren, dass sie immer sofort zum Stehen kommen könnten.

    Also ich habe jetzt mal aus purer Neugier an der für Radfahrer nötigen Gelbphase herumgerechnet. Wer immer sich dafür interessiert findet die Rechnung im Anhang. Wenn es tatsächlich um Zehntelsekunden geht, kann eine möglichst objektive Rechnung in der Tasche ja nicht schaden.

    Ich komme auf eine angemessene Gelbphase von 2,7-2,8 Sekunden:

    - Ein normaler Fahrer mit Pedelec-Geschwindigkeit: 25 km/h und maximale Vollbremsung mit 5,5 m/s^2

    - Ein routinierter Fahrer: 30 km/h und maximale Vollbremsung mit 7 m/s^2

    Der Rechenweg:

    - Berechnung der nötigen Verzögerung für ein Auto innerorts basierend auf 3 Sekunden Gelbphase.

    - Bestimmung wie viel Prozent der der maximal möglichen Verzögerung das sind.

    - Ansetzen dieses Prozentsatzes für eine vom Radfahrer zu verlangende Bremsung.

    - Dann die Rechnung rückwärts, welche Dauer die Gelbphase dafür haben müsste.

    Die virtuelle Gelbphase ist aber natürlich immer eine Einzelfallbetrachtung.

  • Laut VwV-StVO (RN 17 zu §37 StVO) soll die Gelbphase betragen:

    3 s bei zul. V = 50 km/h

    4 s bei zul. V = 60 km/h

    5 s bei zul. V = 70 km/h

    Die Behörden rechnen das offenbar so für niedrigere Geschwindigkeiten um:

    2 s bei zul. V = 40 km/h

    1 s bei zul. V = 30 km/h

    1/2 s bei zul. V = 25 km/h

    0 s bei zul. V = 20 km/h

    -1 s bei zul. V = 10 km/h

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Es gibt ja durchaus scharfe Diskussionen darüber, inwiefern sich das auf die zulässige Geschwindigkeit von Radfahrern auswirkt:

    Muss ein schnell fahrender Radfahrer vor jeder grünen Ampel abbremsen, weil die Gelbphase zu kurz zum Anhalten wäre?

    Ganz ohne Gelbphase ist die Situation mMn eigentlich eindeutig: Es muss eine straffreie Karenzzeit geben, über die im Einzelfall entschieden wird.

    Aber wie ist es, wenn ein Radfahrer mit beispielsweise 10m/s auf eine grüne Ampel zufährt? Da ist ein Rotlichtverstoß bei 2s Gelbphase nicht immer vermeidbar. Muss er deswegen die Geschwindigkeit reduzieren?

  • Es gibt ja durchaus scharfe Diskussionen darüber, inwiefern sich das auf die zulässige Geschwindigkeit von Radfahrern auswirkt:

    Muss ein schnell fahrender Radfahrer vor jeder grünen Ampel abbremsen, weil die Gelbphase zu kurz zum Anhalten wäre?

    Im Wirkungsbereich der Hamburger Polizei und insbesondere des PK 33 schon.

    Sogar im Österreich gilt diese berühmte „10-kmh-Regelung“ nur für „ungeregelte Radfahrerüberfahrten“, aber nicht ampelgeregelte Kreuzungen.

    Ganz ohne Gelbphase ist die Situation mMn eigentlich eindeutig: Es muss eine straffreie Karenzzeit geben, über die im Einzelfall entschieden wird.

    Das sehen wir dann am Montag. In der Regel werden solche Bußgeldverfahren ohne Stoppuhr oder vernünftige Beobachtungspositionen offenbar schnell eingestellt, sonst gäbe es ja hier und da mal etwas in der Rechtsprechung zu finden.

  • Quintessenz: Rot heißt rot.

    Wer mit 24.5 km/h (?) an eine Ampel ranfährt und die 4-5m vor Erreichen der Kreuzung auf Rot schaltet, handelt fahrlässig.

    Alle Verkehrsteilnehmer müssten sich so verhalten, dass sie die Verkehrsregeln immer befolgen können.

    Um dem nachzukommen, sollen Radfahrer halt mit Schritttempo an Ampeln ohne Gelbphase ranfahren, um bei Rot noch rechtzeitig anhalten zu können.

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    Das Urteil fügt sich gut in ähnliche Aussagen von Gerichten ein, z. B. dass man, wenn man auf einem Radweg einen anderen Radfahrer nicht überholen kann, halt langsam hinterherfahren muss. Das sei kein Grund für die Aufhebung einer RWBP.

    Das Urteil ist ein weiterer Grund mehr, nicht auf Radwegen zu fahren. Lieber nehme ich in Kauf, alle 100 Jahre mal 25€ für die Missachtung einer RWBP zu zahlen.

    Klar, sollte es während Missachtung einer RWBP zu einem Unfall kommen, stehe ich ggfs. schlechter da. Aber wenn es während eines Rotlichtverstoßes zu einem Unfall kommt, dürfte dasselbe gelten, bloß schlimmer.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Die Sache ist wohl schiefgegangen.

    Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass Radfahrer kraft § 1 StVO so langsam fahren müssen, dass sie vor einer auf rot umspringenden Ampel rechtzeitig anhalten können. Nach Meinung des Amtsgerichts hätte ich im unmittelbaren Kreuzungsbereich mit Schrittgeschwindigkeit fahren müssen.

    Die ganze Verhandlung drehte sich, nachdem ich meine Personalien angegeben hatte und den Vorfall aus meiner Sicht geschildert hatte, nur noch um diesen einen Aspekt: Rot ist rot.

    Dass die Beamten, die zu diesem Termin nicht als Zeugen geladen waren, von ihrer Position aus meine Anfahrt nicht sehen konnten und freimütig zugaben, weder mit einer Stoppuhr ausgerüstet gewesen zu sein noch meine Geschwindigkeit einschätzen konnten noch die Dauer der Rotphase angeben konnten, trat unter diesem Aspekt zurück: Rot ist rot.

    Schließlich war ja unstrittig, dass ich bei rotem Licht in die Querungsfurt eingefahren bin und das Gericht zielte leider allein auf meine Geschwindigkeit ab: 24,5 Kilometer pro Stunde wären bei Weitem zu schnell für diese Situation, wenn ich nicht wüsste, wie lange die Ampel noch grünes Licht zeigen würde. Man wollte dann noch darauf hinaus ob ich ortskundig wäre und die Ampel zuvor beobachtet hatte, aber ich ließ mich nicht darauf ein, als radfahrender Verkehrseilnehmer auch noch zu einer ausführlichen Beobachtung der Ampelphasen zuständig zu sein, zumal ich mich mit meiner Kehrtwende am Bahnhof Dammtor nicht in die üblichen Ampelphasen eingliederte und auf dem Weg runter zum Neuen Jungfernstieg noch für ein paar Fotos anhielt — ich hätte ehrlich überhaupt nicht einschätzen können, ob die Ampel noch 1,5 oder 20 Sekunden grünes Licht zeigte.

    Abschnitt 2.4 der RiLSA war dem Gericht leider nicht bekannt und wurde dementsprechend auch nicht gewürdigt, weil ich mich als Verkehrsteilnehmer ohnehin nicht darauf hätte berufen können. Schade, das wäre meines Erachtens ein netter Hinweis darauf gewesen, dass der Verordnungsgeber offenbar nicht vorgesehen hat, dass Radfahrer vor jeder roten Ampel direkt anhalten müssen.

    Nun denn: Woher kommt denn die Vorschrift, als Radfahrer mit Schrittgeschwindigkeit, auf die wir uns mittlerweile herunterdiskutiert hatten, an rote Ampeln heranfahren zu müssen? Zunächst zitierte das Gericht aus § 3 StVO, dass ich als Fahrzeugführer nur so schnell fahren dürfe, dass ich mein Fahrzeug ständig beherrsche. Dazu zählt wohl auch, rechtzeitig vor einer direkt von grün auf rotes Licht umschaltenden Ampel anhalten zu können.

    Dann legte das Gericht noch mal die Allzweckwaffe § 1 StVO nach, laut der ich mich im Straßenverkehr nur so verhalten dürfe, dass ich die Verkehrsregeln einhalten könne. Das steht in § 1 StVO allerdings gar nicht drin, es geht in Absatz 2 nur um andere Verkehrsteilnehmer, aber nicht um die Verkehrsregeln an sich:

    Zitat von § 1 StVO

    (1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

    (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

    Im Endeffekt lerne ich daraus: Ich darf mich als Radfahrer nur mit Schrittgeschwindigkeit einer grünen Ampel nähern.

    Das Argument mit der Ortskundigkeit lasse ich hingegen nicht gelten: Es ist nicht meine Aufgabe als Verkehrsteilnehmer Beobachtungen über den Straßenverkehr auszuführen und mir gedankliche Notizen über die Abfolge der Ampelphasen zu machen — zumal ich aus meinen Erfahrungen aus Hamburg weiß, dass schon geringfügige Verzögerungen wie beispielsweise auf dem Radweg parkende Kraftfahrzeuge oder blind abbiegende Kraftfahrer dafür sorgen, dass man aus seinem angestammten Takt rausfliegt und plötzlich in einen ganz anderen Umlauf an drei weiteren roten Ampeln steht, die man sonst nur bei grünem Licht passiert hat.

    Und es ist auch nicht meine Aufgabe als Verkehrsteilnehmer herauszufinden, welche Signalgeber für den Radverkehr gelbes Licht zeigen und welche nicht. Ich bin schon ausreichend damit ausgelastet, den jeweils gültigen Signalgeber an einer mir unbekannten Kreuzung zu ermitteln, nachdem die Straßenverkehrsbehörden noch immer nicht alle Signalgeber für den Fußverkehr auf kombinierte Streuscheiben umgerüstet haben.

    Diese Problematik treibt beispielsweise die Stadt Kiel auf die Spitze, in dem man zwar an den meisten Kreuzungen diese so genannten Baby-Ampeln für den Radverkehr angebracht, aber nach dem Zufallsprinzip welche mit gelben Licht und welche mit zwei roten Lichtern bestellt hat. Super.

    Ich habe mir dann für weitere 30 Euro eine schriftliche Ausfertigung des Urteils gegönnt. Dann habe ich es schwarz auf weiß: Radfahrer dürfen sich nur langsam oder gar nur mit Schrittgeschwindigkeit einer grünen Ampel nähern. Mal sehen, für welche Formulierung sich das Gericht entscheidet.

  • Man könnte es so konstruieren: In StVO/37/2/1 steht klar "Rot ordnet an: „Halt vor der Kreuzung“.".

    Bei Rot in eine Kreuzung einzufahren kann schnell eine Gefährdung oder Behinderung nach sich ziehen. Ergo muss man sich nach StVO/1/2 so verhalten, dass man nicht bei Rot in Kreuzungen einfährt. Man muss also mit Schritttempo an grüne Ampeln ranfahren.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Ich verstehe das Argument mit der Schrittgeschwindigkeit nicht. Inwiefern schützt die davor bei rot einzufahren? Ich stelle mir den geschützten Bereich einer Kreuzung als harte Grenze vor: Bin ich 1 mm dahinter, darf ich weiterfahren, wenn die Ampel auf rot schaltet. Bin ich 1 mm davor, muss ich stehenbleiben. Das gelingt mir auch bei 7 km/h (=1944 mm pro Sekunde) nicht.

    Gerhart in StVO §37 steht aber auch: "Wechsellichtzeichen haben die Farbfolge Grün - Gelb - Rot - Rot und Gelb (gleichzeitig) - Grün. Rotist oben, Gelb in der Mitte und Grün unten." Gilt der Satz darunter denn überhaupt, wenn es kein gelb gibt? Apropo: Gelb ordnet an: "Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten".

    Geh mal zur Polizei und zeig einen Autofahrer an, der bei gelb gefahren ist. (Hier werden nicht mal Anzeigen wegen rot entgegengenommen, aber das ist ein anderes Thema.)

  • in StVO §37 steht aber auch: "Wechsellichtzeichen haben die Farbfolge

    Weiterlesen, Nr 5:

    Zitat

    Für zu Fuß Gehende ist die Farbfolge Grün-Rot-Grün; für Rad Fahrende kann sie so sein.

    Ich verstehe das Argument mit der Schrittgeschwindigkeit nicht. Inwiefern schützt die davor bei rot einzufahren? Ich stelle mir den geschützten Bereich einer Kreuzung als harte Grenze vor: Bin ich 1 mm dahinter, darf ich weiterfahren, wenn die Ampel auf rot schaltet. Bin ich 1 mm davor, muss ich stehenbleiben. Das gelingt mir auch bei 7 km/h (=1944 mm pro Sekunde) nicht.

    Wenn man bei geringem Tempo und guten Bremsen scharf bremst, steht das Rad sofort auf der Stelle. Die kinetische Energie überträgt sich auf den Fahrer und wird letztlich in Wärme umgewandelt. Außerdem federt das Rad ein wenig zurück, so dass man sich rückwärts bewegt. Oder man schiebt das Rad wieder'n cm nach hinten, raus aus dem Kreuzungsbereich.

    Physikalisch geht das alles. Und scheinbar ist es das, was das Gericht von uns Radfahrern erwartet.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Physikalisch geht das alles. Und scheinbar ist es das, was das Gericht von uns Radfahrern erwartet.

    Ich hatte ja mit dem Gericht debattiert, dass ich auch mit 12,5 Kilometern pro Stunde oder mit Schrittgeschwindigkeit in die Verlegenheit geraten könne, nicht mehr rechtzeitig beim Umschalten auf rotes Licht bremsen zu können. Selbst wenn ich mein Fahrrad schiebe, muss ich beim Umschalten erstmal an die Bremsen greifen und zupacken, das sind inklusive Reaktionszeit auch bestimmt 50 bis 80 Zentimeter, die ich auf diese Weise in den Kreuzungsbereich stolpern kann. Ich gehe zwar selbst in Hamburg nicht davon aus, dass die Polizei sowas noch ahndet, andererseits… ich hätte auch nicht gedacht, dass solche Verstöße wie mein Rotlichtverstoß als solcher geahndet werden.

  • Ich hatte ja mit dem Gericht debattiert, dass ich auch mit 12,5 Kilometern pro Stunde oder mit Schrittgeschwindigkeit in die Verlegenheit geraten könne, nicht mehr rechtzeitig beim Umschalten auf rotes Licht bremsen zu können. Selbst wenn ich mein Fahrrad schiebe, muss ich beim Umschalten erstmal an die Bremsen greifen und zupacken, das sind inklusive Reaktionszeit auch bestimmt 50 bis 80 Zentimeter, die ich auf diese Weise in den Kreuzungsbereich stolpern kann. Ich gehe zwar selbst in Hamburg nicht davon aus, dass die Polizei sowas noch ahndet, andererseits… ich hätte auch nicht gedacht, dass solche Verstöße wie mein Rotlichtverstoß als solcher geahndet werden.

    Wie war die Antwort des Gerichts darauf?
    Gibt es die Möglichkeit, in die nächste Instanz zu gehen?

    PS: ich hab es leider nicht geschafft, hätte ich mir sehr gerne angesehen.