Lebenslänglich für Berliner Todesrennen
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Ich mache keinen Hehl daraus: Find' ich gut!
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Ich sehe das weniger emotionsgeladen und habe meine Schwierigkeiten, vom Eventualvorsatz zum Mord zu kommen. Für mein persönliches Gefühl wäre eine "fahrlässige Tötung" genau die Beschreibung dessen, was da geschah. Aber das soll mal die Justiz klären.
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Ich mache keinen Hehl daraus: Find' ich gut!
Ich nicht. Irgendwie gerät da das Strafgefüge aus dem Rahmen.
Der Typ muss jetzt genauso lange hinter Gitter wie der Mörder, der seine schwangere Freundin in den Wald lockt und bei lebendigem Leibe verbrennt. Ist das wirklich gerecht?Juristisch kann ich das Urteil nachvollziehen. Wenn das Gericht auf Vorsatz entscheidet, ergibt sich in dem Fall ziemlich zwingend Mord und damit lebenslange Haftstrafe.
Bereits seit einiger Zeit wird in Fachkreisen diskutiert, das Strafrecht "rund um Mord" zu reformieren. Das hätte dem Gericht dann die Möglichkeit gegeben, irgendeine Strafe zwischen lebenslang und den fünf Jahren für fahrlässige Tötung zu wählen. Diese Diskussion könnte nun wieder stärker in Schwung kommen.
Nach meinem Gefühl wäre irgendwas zwischen 5 und 10 Jahren angemessen gewesen. Etwas mehr als "normale" fahrlässige Tötung halt, aber noch kein "richtiger" Mord.
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Das geht sicher noch in den Instanzen weiter. Wird sich zeigen, wegen was die mal rechtskräftig verurteilt werden.
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Wenn das Gericht auf Vorsatz entscheidet, ergibt sich in dem Fall ziemlich zwingend Mord
Als Nichtjurist wäre ich da erstmal bei Totschlag. Für Mord werden derzeit noch die "Mordmerkmale" herangezogen, unter denen ich hier allenfalls die niedrigen Beweggründe als zutreffend ansehen könnte.
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Als Nichtjurist wäre ich da erstmal bei Totschlag. Für Mord werden derzeit noch die "Mordmerkmale" herangezogen, unter denen ich hier allenfalls die niedrigen Beweggründe als zutreffend ansehen könnte.
Dazu kommen noch die gemeingefährlichen Mittel. Mit 160 Sachen mit einem Auto über eine rote Ampel zu fahren, muss man wohl als "mit gemeingefährlichen Mitteln" einstufen.
Niedrige Beweggründe und gemeingefährliche Mittel machen aus einem Totschlag zwingend einen Mord. Eine Verurteilung wegen Totschlag wäre meiner Meinung nach deshalb gar nicht möglich gewesen.
Entweder war es (knapp) Vorsatz. Dann muss die Folge lebenslänglich sein.
Oder es war (knapp) kein Vorsatz. Dann wäre die Höchststrafe 5 Jahre gewesen.Das ist meiner Meinung nach eine Gesetzeslücke. An so einer knappen Entscheidung darf keine Vervielfachung der Strafe festgemacht werden. Selbst bei fünf Jahren nach fahrlässiger Tötung könnten die Täter schon nach drei Jahren und vier Monaten auf vorzeitige Haftentlassung hoffen. Die 15 Jahre müssen sie hingegen tatsächlich vollständig absitzen. Erst danach ist unter günstigen Umständen eine Entlassung auf Bewährung möglich.
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Das ist meiner Meinung nach eine Gesetzeslücke. An so einer knappen Entscheidung darf keine Vervielfachung der Strafe festgemacht werden. Selbst bei fünf Jahren nach fahrlässiger Tötung könnten die Täter schon nach drei Jahren und vier Monaten auf vorzeitige Haftentlassung hoffen. Die 15 Jahre müssen sie hingegen tatsächlich vollständig absitzen. Erst danach ist unter günstigen Umständen eine Entlassung auf Bewährung möglich.
Wieso sollte das eine Gesetzeslücke sein? Salopp formuliert ist das die moralische Komponente im Strafrecht, handelt der Täter bösartig, also z.B zum Lustgewinn, stellt diesen sogar über das Leben anderer? Und die Vervielfachung der Strafe ist die absolut naheliegende, eben logische Konsequenz, wenn man das bei einem Tötungsdelikt bejaht. Schließlich geht es um Menschenleben, eines der höchsten Rechtsgüter überhaupt. Ob die Tötung beiläufig (bedingter Vorsatz) oder gezielt (Vorsatz) erfolgt, kann dann hinten herunterfallen.
Das oben genannte Beispiel der in den Wald gelockten schwangeren Freundin macht das besonders deutlich: Es spielt eben keine entscheidende Rolle mehr, ob sie in den Wald gelockt und aus niederen Beweggründen gezielt grausam getötet wird oder sie im Fahrzeug sitzt und aus niederen Beweggründen beiläufig grausam getötet wird.Ich finde das absolut plausibel.
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Wieso sollte das eine Gesetzeslücke sein?
Weil das Leben nunmal nicht schwarz/weiß ist. Es gibt keinen harten Schnitt zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz. Der Übergang zwischen grober und bewusster Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz ist fließend. Es ist nur ein recht kleiner Unterschied im Kopf des Täters. Genau das sollte sich auch im Strafmaß wiederspiegeln. Und genau das tut es normalerweise auch: Die Strafe für Totschlag (also mit Vorsatz) schließt nahtlos an die für fahrlässige Tötung an. Genau so ist es gedacht: Mit steigender Schuld steigt die Strafe. Aber sie sollte nicht allzu sehr "springen".
Und dazu muss einfach der Tathergang berücksichtigt werden und nicht nur das Ergebnis.
Sonst könnte man sich die ganzen aufwändigen Prozesse sparen: Mensch tot? -> Lebenslang! Egal wie klein die Fahrlässigkeit des Täters war.Mathematisch formuliert: Die Strafe in Abhängigkeit von der Schuld sollte eine stetige und streng monoton steigende Funktion sein.
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Der Übergang zwischen grober und bewusster Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz ist fließend.
Ähm, bewußte Fahrlässigkeit ist bedingter Vorsatz.
Und dazu muss einfach der Tathergang berücksichtigt werden und nicht nur das Ergebnis.
Sonst könnte man sich die ganzen aufwändigen Prozesse sparen: Mensch tot? -> Lebenslang! Egal wie klein die Fahrlässigkeit des Täters war.Das ist ja erfolgt. Es ist eben keine einfache Fahrlässigkeit (60 statt 50km/h, rote Ampel übersehen), sondern bedingter Vorsatz (160 km/h, rote Ampel bewußt ignoriert). Diese einfache Formel, Mensch tot? -> Lebenslang!, habe ich nie postuliert. Sie wurde in dem Verfahren auch nicht praktiziert.
Mathematisch formuliert: Die Strafe in Abhängigkeit von der Schuld sollte eine stetige und streng monoton steigende Funktion sein.
Ist sie ja fast, nur eben mit einem Exponenten größer 1. Und das ist richtig so.
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Ähm, bewußte Fahrlässigkeit ist bedingter Vorsatz.
Nein. "Bewusste Fahrlässigkeit" heißt nur, dass sich der Fahrer seiner Fahrlässigkeit bewusst ist. Vorsatz im Taterfolg entsteht durch das, was ihm dabei durch den Kopf geht: "Wird schon gut gehen" vs. "Wenn es passiert, dann passiert es halt".
Diese einfache Formel, Mensch tot? -> Lebenslang!, habe ich nie postuliert.
Das stimmt. Ich habe es nur überspitzt formuliert. Denn darauf läuft es hinaus. Du schreibst selbst, dass es Dir egal ist, ob jemand einen anderen mit einem genauen Plan und festem Tötungsvorsatz in den Wald lockt oder an einer roten Ampel mit 160 versehentlich oder billigend überfährt.
Das ist mir nicht egal. Denn ersteres ist mMn eine wesentlich schlimmere Straftat.Vielleicht haben wir nur eine unterschiedliche Vorstellung der Strafe "lebenslänglich", also 15 Jahre:
Ist es eine Höchststrafe, die für die schlimmsten Taten verhängt wird?
Oder ist es eher eine Deckelung: die schlimmsten Taten müssten eigentlich mit 30 oder 50 Jahren bestraft werden, die Strafe ist aber auf 15 Jahre gedeckelt. -
Nein. "Bewusste Fahrlässigkeit" heißt nur, dass sich der Fahrer seiner Fahrlässigkeit bewusst ist. Vorsatz im Taterfolg entsteht durch das, was ihm dabei durch den Kopf geht: "Wird schon gut gehen" vs. "Wenn es passiert, dann passiert es halt".
"Wird schon gutgehen" und "Wenn es passiert, dann passiert es halt" ist für mich gleichwertig bedingt vorsätzlich, denn der Täter ist sich der möglichen Folgen seines Handelns bewußt. Die Erwartungshaltung spielt dann keine Rolle mehr.
Du schreibst selbst, dass es Dir egal ist, ob jemand einen anderen mit einem genauen Plan und festem Tötungsvorsatz in den Wald lockt oder an einer roten Ampel mit 160 versehentlich oder billigend überfährt.
Das ist mir nicht egal. Denn ersteres ist mMn eine wesentlich schlimmere Straftat.Für mich eben nicht. Ob jemand aus Gleichgültigkeit Menschen tötet, weil es sich halt nebenbei so ergibt, oder gezielt, hat für mich, wenn überhaupt, nur eine sehr untergeordenete Bedeutung.
Vielleicht haben wir nur eine unterschiedliche Vorstellung der Strafe "lebenslänglich", also 15 Jahre:
Ist es eine Höchststrafe, die für die schlimmsten Taten verhängt wird?Unter Umständen, ja. Ein haftentlassener Mörder, der erneut einen Mord begeht, bekäme "bei mir" keine Aussetzung des zweiten Lebenslang zur Bewährung mehr. Er käme nie und nimmer jemals zu Lebzeiten wieder frei.
Gelegentlich liest man von Tätern in Deutschland, bei denen überlegt wird, auch nach der vierten Verurteilung wegen eines Tötungsdeliktes, eine Strafaussetzung zur Bewährung zu bewilligen. Da stülpt sich mir in der Tat der Magen um.
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"Wird schon gutgehen" und "Wenn es passiert, dann passiert es halt" ist für mich gleichwertig bedingt vorsätzlich, denn der Täter ist sich der möglichen Folgen seines Handelns bewußt.
Nach der Definition wären plötzlich sehr viele Verkehrstote vorsätzlich. Denn ein sehr großer Teil der Geschwindigkeitsverstöße wird vorsätzlich begangen und ein großer Teil der Verkehrstoten stirbt durch zu hohe Geschwindigkeit.
Sollen die wirklich alle wegen Totschlag oder gar Mord verurteilt werden? -
Sollen die wirklich alle lebenslang einfahren?
Das ist schon eine Frage an den richtigen...
Die Antwort ist: Ja, wenn das Menschenleben gekostet hat und bedingter Vorsatz vorlag, also keine versehentliche (was sicher auch in besonderen Ausnahmefällen vorkommt) deutliche Geschwindigkeitsübertretung vorlag. Geschwindigkeitsverstöße, insbesondere innersorts, sind angesichts des Gefährdungspotentials generell viel zu gering sanktioniert, da ist ohnehin vom Gesetzgeber nachzulegen.
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Sollen die wirklich alle wegen Totschlag oder gar Mord verurteilt werden?
Sofern die Merkmale wie im Berliner-Urteil vorliegen? Klar, warum nicht. Ich schätze, Rasen wird dann auch in relativ kurzer Zeit nicht mehr so als Kavaliersdelikt angesehen.
Und man ist dann auch nicht sein Leben lang weg gesperrt.
Extrem wichtig ist allerdings der (wirklich!) lebenslange Entzug des Führerscheins!
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Extrem wichtig ist allerdings der (wirklich!) lebenslange Entzug des Führerscheins!
Warum? Im beschriebenen Fall des Rasers war ja nun keinerlei psychologische Reife vorhanden. Wurde hier (glaube ich) auch bereits verlinkt: "Was macht einen guten Fahrer aus?" - "Das man besonders schnell um die Kurven kommt". Oder so.
Nun ist mit der Haftstrafe ja im Idealfall ein Lern- und Reifeprozess verbunden. Dazu ist das Ding im europäischen Strafrecht da. Wir sind ja von "Einmauern, weil er es verdient hat, und vorher noch Auspeitschen" weg gekommen und versuchen nicht mehr zu sühnen, sondern einen Rehabilitationsprozess einzuleiten.
Danach sollte also eine erneute MPU erfolgen, und bei einer angemessenen Strafe dann doch auch eine Erfolgschance bestehen. Warum hier lebenslang kein Führerschein mehr möglich sein soll erschließt sich mir nicht.
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Das sehe ich ähnlich. Ist die Strafe (die hoch sein muß) abgesessen bzw. wird ihr Vollzug zur Bewährung ausgesetzt, hat die Resozialisation hohe Priorität. Deren Ziel muß die vollständige Wiedereingliederung in die Gesellschaft sein, was grundsätzlich auch die Möglichkeit zum Neuerwerb eines Führerscheins einschließt. Angesichts der Vorgeschichte eine MPU vorzuschalten, ist ebenso angemessen.
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Das ist schon eine Frage an den richtigen...
Die Antwort ist: Ja, wenn das Menschenleben gekostet hat und bedingter Vorsatz vorlag, also keine versehentliche (was sicher auch in besonderen Ausnahmefällen vorkommt) deutliche Geschwindigkeitsübertretung vorlag. Geschwindigkeitsverstöße, insbesondere innersorts, sind angesichts des Gefährdungspotentials generell viel zu gering sanktioniert, da ist ohnehin vom Gesetzgeber nachzulegen.Wichtiger Hinweis an alle, die hier mitduskitieren:
Auf NDR-Info ist heute das Thema der Redezeit: "Gefährliche Raserei" Und es geht um das hier diskutierte sog. "Raser-Urteil"
Man kann bereits im Vorfeld Emails an den NDR senden und außerdem in der Sendung anrufen.
Man kann auch in die Emails reinschreiben, dass man gerne in der Sendung einen Redebeitrag per Telefon einbringen will, bzw. Fragen an die Studio-Gäste stellen will.
Nach meiner Erfahrung rufen da nicht so massig viel Leute an, und ein Beitrag wie den hier zitierten von Peter Viehrig fände ich gut!Ich denke der Knackepunkt in der Diskussion ist der von Peter Viehrig benannte "bedingte Vorsatz". Leider blendete die "Autogesellschaft" viel zu lange aus, dass ein Auto auch eine "Mordwaffe" sein kann. Genau so wie zum Beispiel ein Messer oder ein Schrotgewehr. Nach dem Motto, was nicht sein darf, das nicht sein kann, wurde einfach viel zu lange grundsätzlich nur Fahrlässigkeit angenommen, wenn ein Auto im Spiel war.
Würde jemand ein Schrotgewehr in eine Richtung abfeuern, in der zufällig Passanten stehen, dann würde doch jeder sofort von bedingtem Vorsatz ausgehen. Der Schütze hat so gehandelt, dass er sich sagte, ist halt Pech, wenn es jemanden trifft. Was ist da bei einem Auto mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit anders? Dass da einer ein Auto fährt macht ihn ja nicht persé zu jemanden, der nur gute Gedanken hegt. -
"Die Anklage hatte im Prozess argumentiert, die Männer hätten bei ihrem Rennen zwar niemanden vorsätzlich töten wollen, aber mögliche tödliche Folgen billigend in Kauf genommen. Juristen nennen das einen bedingten Vorsatz. Die Verteidiger hatten dagegen Schuldsprüche wegen fahrlässiger Tötung für den einen Fahrer und wegen Gefährdung des Straßenverkehrs für den anderen gefordert."
Quelle:
Tödliches Rennen in Berlin -Erstmals Raser wegen Mordes verurteilt
Stand: 27.02.2017 14:50 Uhr auf tagesschau.de:In diesem Satz aus der tagesschau-Berichterstattung scheint mir der "Knackepunkt" der Angelegenheit zu stecken.
Allerdings frage ich mich, ob die Überschrift dann nicht heißen müsste:
Tödliches Rennen in Berlin -Erstmals Raser wegen bedingt vorsätzlicher Tötung verurteilt -
Es gibt eine weitere Steigerung der Strafe "Lebenslänglich", nämlich dann, wenn eine "besondere schwere der Schuld" festgestellt wird.
Dann ist imho eine Bewährung ausgeschlossen bzw. eine anschließende Sicherheitsverwahrung möglich.
Das würde den Fall der Freundin abdecken, die in den Wald gelockt und dort lebendig verbrannt würde.
Es gibt also durchaus noch Differenzierung oberhalb von Mord.Umgekehrt müsste es in einem für Richterrecht offenen System auch die Möglichkeit geben, von Lebenslang auf z.B. 10 Jahre runter zu gehen, wenn mildernde Umstände vorliegen. Oder bei erkanntem Totschlag über die 5 Jahre hinaus auch auf z.B. 10 Jahre raufzgehen, wenn erschwerende Umstände vorliegen. Mann müsste die Abweichungen von der Regelstrafe halt entsprechend wasserdicht begründen.
Wobei ich als juristischer Laie nicht einschätzen kann, wie bindend die in den Gesetzen stehenden Höchst- bzw. Mindeststrafen sind und ob da überhaupt abgewichen werden darf.
Und egal, wie es in den nächsten Instanzen ausgeht: das ist ein deutliches Zeichen pro schwere Straftat und gegen Kavaliersdelikt.
Die Tötung im Straßenverkehr verliert vielleicht ihren Schnäppchencharakter. -