Tödliche Radfahrer?

  • Hallo zusammen,

    ich habe mir mal die Unfallzahlen von Destatis für das Jahr 2015 genauer angeschaut.
    Und nach diesen Zahlen bringen Radfahrer innerorts pro gefahrenen Kilometer fast genauso viele Unschuldige um, wie Autofahrer.

    Hat jemand Lust und Zeit, diese Schlussfolgerung gegenzuprüfen? Ich kann mir das irgendwie nicht vorstellen.

    Die interessanten Zahlen finden ich in o.g. PDF ab Seite 100.

    Dort hatten nach meiner Zählung Radfahrer an 147 Toten die Hauptschuld, starben aber 136 mal selbst (darunter 66 Alleinunfälle). Bleiben 11 Unschuldige, die von Radfahrern getötet wurden.
    Bei PKW sind es 422 Tote, davon 162 mal selbst. Bleiben 260 Unschuldige, die von Autofahrern getötet wurden.

    Für den Vergleich der Zahlen ziehe ich nun die Menge der "Fahrzeugkilometer" heran.
    Laut einer anderen Statistik von Destatis (Seite 7) hatten PKW in 2013 einen Anteil von 76% an den Personenkilometern, Radfahrer 3%. Das sind aber Personenkilometer und nicht gefahrene Kilometer. Es muss also noch durch die Anzahl der transportierten Personen geteilt werden.
    Ich nehme mal 1,4 Personen pro Auto an. Das ergibt dann 54% Anteil der Personenkilometer für Autofahrer und 22% für Mitfahrer.
    "Pro Prozent" sind das 4,8 Tote bei Autos und 3,7 Tote bei Radfahrern.

    Das bedeutet also, dass ein Radfahrer pro gefahrenen Kilometer gerade mal 20% weniger unschuldige Menschen umbringt als ein Autofahrer.
    Rechnet man in Personenkilometern, kommt das Rad sogar schlechter weg.

    Das kann ich mir wie gesagt kaum vorstellen. Findet jemand einen Fehler?

  • Das bedeutet also, dass ein Radfahrer pro gefahrenen Kilometer gerade mal 20% weniger unschuldige Menschen umbringt als ein Autofahrer.
    Rechnet man in Personenkilometern, kommt das Rad sogar schlechter weg.

    Das kann ich mir wie gesagt kaum vorstellen. Findet jemand einen Fehler?

    Bisher keinen offensichtlichen Rechenfehler, aber die Stichprobengröße ist sehr klein. Es hätten genauso gut auch nur 7 oder 8 statt 11 von Radfahrern Getötete gewesen sein können. Dann stünde das Fahrrad plötzlich deutlich besser da. Auf einer so kleinen Grundlage lassen sich keine belastbaren Aussagen treffen. Ansonsten wären weitere Punkte noch:

    • die Daten stammen aus unterschiedlichen Jahren, von unterschiedlichen Erhebungen. Die Annahme der Vergleichbarkeit ist evtl. falsch.
    • Fahrräder sind auch nicht nur mit einer Person besetzt.
    • 3% ist auch ein sehr kleiner Wert. Es können 3,4% gewesen sein und 75,6% bei den PKW
  • Hi,

    • ich denke, 2013 und 2015 sollten vergleichbar sein. So stark ändert sich der Anteil der Fahrräder in nur zwei Jahren eher nicht.
    • Wenn ich mit mehr als einer Person pro Fahrrad rechne, wird es nur noch schlechter für Radfahrer, da die km-Leistung sinkt.

    Um die kleine Größe der Stichprobe zu beheben, habe ich die gleiche Auswertung mal für Schwerverletzte gemacht:

    Radfahrer verletzten 954 Unschuldige innerorts schwer, Autofahrer 13.117.
    Macht 318 unschuldig Schwerverletzte "pro Prozent" bei Radfahrern und gerade mal 243 bei Autofahrern.
    Das wird auch nicht mehr nennenswert besser, wenn ich Rundungen zu Gunsten von Radfahrern annehme. Mit 273 zu 245 liegen Radfahrer dann immer noch vorne.

    Eigentlich hätte ich zumindest bei unschuldigen Toten eine ganze Größenordnung weniger erwartet als bei Autos.

    Richtig schlecht wird mir, wenn ich die Gesamtzahl der Toten hochrechne (und nicht nur die unschuldigen). Würde der ganze MIV innerorts durch Fahrräder ersetzt, hätten wir bei den heutigen Quoten nicht mehr 569 Tote innerorts, sondern um die 3.000.
    Das klingt sehr übel und ich finde den Fehler einfach nicht!

  • Ich weiß nicht wo du deine Zahlen genau hernimmst.

    Ich nehme die Tabelle 3.1.2.
    Betrachte nur die Unfälle mit 2 Beteiligten VT, innerhalb + außerhalb geschlossener Ortschaften.
    Das sind die Seiten 100, 101, 102, ausgenommen "Alleinunfälle".

    Wichtig sind die Spalten "Personenkraftwagen" und "Fahrrad". Zeilen sind jeweils wichtig die "Vom zweiten Beteiligten .. Getötete".

    Ich komme damit auf 641 Fremdtötungen durch PKW-Fahrer (Darunter 56 Radfahrer, 204 Fußgänger) und 12 Fremdtötungen durch Radfahrer (5 Radfahrer, 7 Fußgänger).

    84 Radfahrer sind bei Alleinunfällen gestorben (Seite 100 ganz oben), 127 durch andere VT getötet (Zeile "Radfahrer", 2. Beteiligter, ganz rechts). 152 hatten bei Unfällen mit anderen VT die Schuld an ihrem Tod (Spalte Radfahrer, alle Zeilen 1. Beteiligter addiert), die meisten bei PKW (100).
    Damit kommt man auch fast auf die 383 toten Radfahrer insgesamt (Seite 183 oben Mitte).

    Also PKWs haben 641 Unschuldige getötet, Radfahrer 12.
    In einem PKW sitzen meines Wissens 1.3 Menschen. PKW sind also 58 Einheiten gefahren, Radfahrer 3. Also knapp 20x so viel. Getötet haben sie aber 53x so viele.
    Das heißt nach Personenkilometern ist das Fahrrad um den Faktor 2.7 weniger tödlich als der PKW für Unschuldige.

    Wenn man nun Zeitungsmeldungen ließt wie "Fußgänger trat unvermittelt zwischen Parkzeugen hervor auf die Fahrbahn, PKW konnte nicht mehr bremsen, Fußgänger leider tot", dann ist der Fußgänger de jure häufig Schuld an dem Unfall. Der PKW hat ja schließlich Vorfahrt, Regelverstöße durch den PKW-Fahrer lassen sich oft nicht nachweisen.
    Würde das PKW-Tempo innerorts reduziert werden und Sichtbeziehungen verbessert, würden auch deutlich weniger hauptschuldige Radfahrer und Fußgänger beim Unfall mit PKW getötet werden.
    Das ganze Bild ist also durch die Rechtslage massiv verzerrt.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Richtig schlecht wird mir, wenn ich die Gesamtzahl der Toten hochrechne (und nicht nur die unschuldigen). Würde der ganze MIV innerorts durch Fahrräder ersetzt, hätten wir bei den heutigen Quoten nicht mehr 569 Tote innerorts, sondern um die 3.000.

    Ich habe die Zahlen nicht nachgerechnet. Ich denke nicht, dass du das so einfach hochrechnen solltest. Die Frage ist, wie die Menschen verunfallten. Ich kann mir gut vorstellen, dass unter den Schwererletzten viele Fußgänger sind, die auf dem Gehweg umgefahren worden sind. Wenn es keine MIV innerorts gäbe, wären hoffentlich keine Radfahrer mehr auf dem Gehweg unterwegs. Ich würde eher die Infrastruktur als Grund für den hohen Anteil auf Radfahrerseite sehen.

  • Ich nehme die Tabelle 3.1.2.
    Betrachte nur die Unfälle mit 2 Beteiligten VT, innerhalb + außerhalb geschlossener Ortschaften.
    Das sind die Seiten 100, 101, 102, ausgenommen "Alleinunfälle".

    Ich habe nur die Unfälle innerhalb geschlossener Ortschaften ausgewertet, also Seiten 103, 104 und 105.
    Da wir meistens über Fahrräder in Städten diskutieren, fand ich das relevanter.

    Genau da steckt aber auch ein Fehler: Die Anteile an der Kilometerleistung berücksichtigen auch Fahrten außerorts. Der Anteil des Radverkehrs innerorts ist vermutlich wesentlich höher.
    Mal schauen, ob ich gute Zahlen für innerorts finde.

  • Das kann ich mir wie gesagt kaum vorstellen. Findet jemand einen Fehler?

    Ja. In manchen Tabellen werden Unfälle gezählt, in anderen Tabellen Tote.
    Rein zufällig gab es bei Unfällen mit Radlern, bei denen Tote zu beklagen waren, offenbar immer genau einen Toten: 66 Alleinunfälle = 66 Tote und 81 Mehrbeteiligtenunfälle = 81 Tote.

    Die makabre Bilanz: Bei den Unfällen mit mehreren Beteiligten, bei denen die Hauptschuld dem - toten - Radfahrer zugeschrieben wurde (er konnte sich ja nicht mehr wehren, wenn der Gegner oder Zeugen behaupteten, der Radfahrer sei aus dem Nichts angeschossen gekommen und so weiter), handelte es sich bei den für den angeblichen Verursacher tödlichen Gegnern um 47 PKW, 7 LKW (leicht, schwer, Sattelzugmaschine), 4 Busse, 2 Motorräder, 3 Straßenbahnen, 1 Trecker und 3 Fahrräder. Die elf von als hauptschuldig angesehenen Radfahrern Getöteten waren: 5 Radfahrer, 6 Fußgänger.

    Außerdem starben innerorts 85 Radfahrer bei Unfällen, die nicht von Radfahrern verursacht wurden: 44 LKW, 35 PKW, 3 Busse, 1 Traktor, 2 andere.

  • Ja. In manchen Tabellen werden Unfälle gezählt, in anderen Tabellen Tote.

    In der Tabelle ab S. 103 sind die Unfälle mit Personenschaden und die dabei geschädigten Personen gezählt. Das ist schon stimmig. Beispielsweise gab 7.246 Alleinunfälle von PKW innerorts und dabei insgesamt 8.811 Verletzte oder Tote. Wirkt stimmig. Woher hast Du die Zahlen?

    Bei den Unfällen mit mehreren Beteiligten, bei denen die Hauptschuld dem - toten - Radfahrer zugeschrieben wurde (er konnte sich ja nicht mehr wehren, wenn der Gegner oder Zeugen behaupteten, der Radfahrer sei aus dem Nichts angeschossen gekommen und so weiter)

    In der Betrachtung sind nur Unfälle, bei denen der unschuldige Verkehrsteilnehmer gestorben ist. Normalerweise konnte sich der Hauptschuldige also noch verteidigen (und wenn er auch gestorben ist, gibt es keinen Unfallgegner mehr, der diskutiert).

  • Aus diesen Seiten 103 bis 105

    Dann verstehe ich Dich nicht :)

    Rein zufällig gab es bei Unfällen mit Radlern, bei denen Tote zu beklagen waren, offenbar immer genau einen Toten: 66 Alleinunfälle = 66 Tote

    Wie kommst Du zu dieser Schlussfolgerung?
    Ich sehe dort auf Seite 103 ganz oben 11.849 Alleinunfälle von Radfahrern mit Personenschaden und direkt darunter 11.904 dabei geschädigte Personen, davon sind 66 gestorben. Die Anzahl der Alleinunfälle mit Toten finde ich da nicht.

  • Genau da steckt aber auch ein Fehler: Die Anteile an der Kilometerleistung berücksichtigen auch Fahrten außerorts. Der Anteil des Radverkehrs innerorts ist vermutlich wesentlich höher.
    Mal schauen, ob ich gute Zahlen für innerorts finde.

    Ich habe leider rein gar nichts gefunden, was mir irgendwie weiterhelfen würde.

  • Die Tabelle 3.1.1 auf den Seiten 96 bis 99 zählt Unfälle. Auf Seite 97 oben sieht man 218 Alleinunfälle mit Getöteten (davon 85 PKW- und 66 Fahrradunfälle), dazu 693 Unfälle mit Getöteten mit mehr als einem Beteiligten, darunter 321 mit einem PKW als Hauptverursacher und 81 mit einem Fahrrad als Hauptverursacher. Das sind zusammen 911 Unfälle innerorts mit Getöteten.

    Auf Seite 92 haben wir gesehen, dass innerorts 1.048 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben kamen. Also manchmal mehr als einer pro Unfall.

    Und jetzt springe ich in die Tabelle 3.1.2 und sehe auf Seite 103 oben, dass es bei Alleinunfällen von Radfahrern 66 Tote gab. Also: 66 Unfälle, 66 Tote. Kein Tandem, kein Kindertransport mit zwei oder mehr Toten pro Unfall. Bei den 85 PKW-Unfällen mit Getöteten gab es übrigens 87 Tote, also entweder ein Unfall mit 3 Toten oder 2 Unfälle mit je 2 Toten*. Daher insgesamt: 218 Alleinunfälle mit Toten, 220 Tote.

    Zum Vergleich außerhalb von Ortschaften (mit Autobahn): Seite 97 - 711 Alleinunfälle, davon 489 mit PKW und 18 mit Fahrrad. Seite 112 - 738 Tote bei Alleinunfällen, davon 515 bei PKW-Unfällen und 18 bei Fahrradunfällen.

    * Dieser geringe »Überschuss« wundert mich. Gefühlt liest man häufiger, dass sich auf einer Hamburger Ausfallstraße nachts um drei ein Auto um den Laternenmast gewickelt hat und Fahrer und Beifahrerin dabei draufgegangen sind. Aber möglicherweise wurde so etwas wegen eines ausweichenden anderen PKWs nicht als "Alleinunfall" gezählt.

  • Ich kann mir eigentlich auch nur vorstellen, dass die schlechte Infrastruktur Radfahrer auf Fußwege ausweichen lässt und dadurch zu Fuß Gehende zu Schaden kommen. Im Übrigen ist es fraglich, ob es sinnvoll ist, auf Tote pro Kilometer umzurechnen.

  • Hallo zusammen,

    ich habe mir mal die Unfallzahlen von Destatis für das Jahr 2015 genauer angeschaut.
    Und nach diesen Zahlen bringen Radfahrer innerorts pro gefahrenen Kilometer fast genauso viele Unschuldige um, wie Autofahrer.

    Hat jemand Lust und Zeit, diese Schlussfolgerung gegenzuprüfen? Ich kann mir das irgendwie nicht vorstellen.

    Aus Hannover kann ich dir sagen, dass ich mich hier nur an einen einzigen von einem Fahrradfahrer verursachten tödlichen Unfall erinnern kann. Der ereignete sich vor einigen Jahren am Maschsee, als ein Radfahrer eine ältere Frau angefahren hatte, die so stürzte, dass sie an den Unfallfolgen starb.
    Wie man Unfälle bewerten soll, bei denen der Radfahrer selbst das Opfer ist, ist dagegen fast schon eine philosophische Frage. Grundsätzlich hat kein Verkehrsteilnehmer das Recht, einen anderen totzufahren, auch dann nicht, wenn sich ein Verkehrsteilnehmer falsch verhält.
    Und wie soll man die vielen gefährlichen Situationen bewerten, die aufgrund einer oft unzureichenden Fahrradinfrastruktur quasi Unfall-förderlich wirken? Hat dann die Verwaltung schuld, weil sie so was zulässt? Und ist es wünschenswert, wenn Verbote verhängt werden, damit die Verwaltung sich aus der "Schusslinie" bringt?
    Schau dir zum Beispiel dieses Bild aus Mainz an. Da gibt es eine Straßenbahnstrecke durch eine enge Straße. Aber anstatt die Straßenbahnschienen so auszustatten, dass Radfahrer drüber fahren können, ohne in die Schiene zu rutschen (so was gibt es andernorts), wird ganz einfach der Streckenabschnitt für Radler gesperrt.
    Was, wie man sieht, Radler nicht davon abhält hier langzufahren. Wenn der auf dem Foto jetzt stürzen sollte und den Sturz nicht überlebte, dann wird es heißen tödlicher Unfall, vom Radler selbst verursacht. Aber das wäre dann nur die halbe Wahrheit.
    mainzfrradverkehrgesphsr53.jpg

  • Wenn der auf dem Foto jetzt stürzen sollte und den Sturz nicht überlebte, dann wird es heißen tödlicher Unfall, vom Radler selbst verursacht. Aber das wäre dann nur die halbe Wahrheit.

    Vielleicht war es oberstes Ziel der Augsburger Straßenbahn freie Fahrt zu ermöglichen, damit der Fahrplan eingehalten werden kann. In die Öffentlichkeit wird dagegen die Unfallgefahr vorgeschoeben.

    Bei ähnlichen Sitauationen ist das Radfahren in anderen Städten nicht verboten, in Bochum (neue Linie 310) dagegen aber auch.