*Radfahrer frei* auf Gehwegen - welche Tempovorgaben gelten?

  • Ich kürze mal die von @Malte zitierte amtliche Begründung (sinnerhaltend):

    Zitat

    Eine fehlende Geschwindigkeitsvorgabe wäre der Verkehrssicherheit dieser schwächsten Verkehrsteilnehmer abträglich. ... Daher wird für Fußgängerverkehrsflächen an der Schrittgeschwindigkeit festgehalten. ... Die Festlegung der Schrittgeschwindigkeit ist daher nach wie vor allgemein geboten.

    Zusammen mit der Begründung, dass es jederzeit zum Unerwarteten Auftreten von Fußgängern kommen kann ("Heraustreten aus Häusern, Geschäften,..."), kann das nur heißen, dass es sich um ein allgemeines Limit auch in Abwesenheit von Fußgängern handelt.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Und genau dieses ist doch auch der richtige Weg. Wenn ein Fußweg freigegeben wird (etwa auf einem Schulweg, in einer Fußgängerzone, neben einer wenig befahrenen Straße) dann soll der Radfahrer ja auf der Fahrbahn fahren. Deswegen gibt es keine Benutzungspflicht.

    Und die, die sich "nicht trauen" auf der Straße zu fahren bekommen ein zusätzliches, legales Angebot. Auf dem Fußweg, dann aber bitte langsam. Das klappt im wirklichen Leben (also da vor der Türe, wo nicht das Internet wohnt) auch hervorragend. Da fahren (hier, in meiner Stadt) gerne ältere Menschen, die langsam fahren. Oder Kinder die noch nicht groß genug sind. Oder Eltern, die ganz kleine Kinder begleiten. All diese sind mit ~10km/h unterwegs. Mal mehr, mal weniger. Auf jeden Fall deutlich langsamer als sportliche Fahrbahnradler.

    Auch Überland neben eines Kreisstraße wäre so ein Angebot doch in Ordnung. Auf Ausflug mit der Familie nehmen wir alle langsam den Fußweg. Wenn ich alleine fahre, bleibe ich auf der Fahrbahn. Eine Lücke im Radwegenetz hätte ich trotzdem gerne so geschlossen, dass auch der wackelige 10 Jährige und die Großmutter durch fahren können, ohne in den Berufsverkehr wechseln zu müssen - wenn sie nicht wollen.

  • Schon lustig, wie verschieden die Wahrnehmung in ein und derselben Kleinstadt ausfallen kann.

    Auf dem Fußweg, dann aber bitte langsam. Das klappt im wirklichen Leben ... auch hervorragend. Da fahren (hier, in meiner Stadt) gerne ältere Menschen, die langsam fahren. ...All diese sind mit ~10km/h unterwegs. Mal mehr, mal weniger.

    Vor meiner Haustür fahren Jung und Alt auf dem Gehweg gerne auch mal schneller als 10 km/h und ich habe meinem Sohn aus gutem Grund strikt verboten, alleine vor das Gartentörchen zu treten.
    Wir sprechen von einer 30er-ZONE mit elend breiter Fahrbahn und wenig Verkehr, wo es wirklich keinen vernünftigen Grund für einen erwachsenen Radfahrer geben kann, die Fahrbahn zu meiden.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Ich hätte noch den Bußgeldkatalog anzubieten. Der regelt zwar nicht, was erlaubt und verboten ist, ist aber trotzdem ein Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers.

    Zitat


    141196
    Sie fuhren auf einem Gehweg (Zeichen 239)/in einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1, 242.2) *)
    mit zugelassenem Fahrzeugverkehr nicht mit Schrittgeschwindigkeit.
    § 41 Abs. 1 iVm Anlage 2, § 49 StVO; § 24 StVG; 146 BKat
    15€


    Die ganze Diskussion ist sowieso eher theoretischer Natur. Ich denke wir sind uns alle einig, dass man nur Schritttempo fahren darf (oder gar halten muss!), wenn Fußgänger behindert/gefährdert werden könnten.
    Wenn man aus gutem Grund annehmen kann, dass vor einem nicht plötzlich ein Fußgänger spawnen kann, und man fährt dort etwas zügiger, dann wird das Vergehen eh niemand ahnden.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Das ist richtig. Die Ahndung des Geschwindigkeitsverstoßes ohne dass es eine Gefährdung gab, dürfte eher theoretisch sein.
    @Jochen wollte ja anscheinend nur sicher gehen, dass er keinen Unsinn schreibt, wenn er demnächst in einem Leserbrief bemängelt, der Radfahrer dürfe auf dem freigegebenen Gehweg aber nur mit Schrittgeschwindigkeit dahinzuckeln.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Und genau dieses ist doch auch der richtige Weg. Wenn ein Fußweg freigegeben wird (etwa auf einem Schulweg, in einer Fußgängerzone, neben einer wenig befahrenen Straße) dann soll der Radfahrer ja auf der Fahrbahn fahren. Deswegen gibt es keine Benutzungspflicht.

    Und die, die sich "nicht trauen" auf der Straße zu fahren bekommen ein zusätzliches, legales Angebot. Auf dem Fußweg, dann aber bitte langsam. Das klappt im wirklichen Leben (also da vor der Türe, wo nicht das Internet wohnt) auch hervorragend.


    Wo bitte klappt das hervorragend? Ich dachte auch mal, dass es ja eigentlich eine gute Lösung ist. Leider klappt die schöne Theorie in der Praxis nicht.

    [Zeichen 239] + [Zusatzzeichen 1022-10] bedeutet für jemanden der sich an die Regeln halten möchte in der Praxis folgendes:
    Mit dem Rad:
    Fahrbahn nutzen und von PKW Fahrern vorsätzlich dicht überholt oder mit der Hupe erschreckt werden, weil man könnte ja auch woanders fahren.
    Den Gehweg nutzen und dann von anderen Radfahrern dicht überholt werden, weil die nicht verstehen das es kein Radweg ist und man dort Schrittempo zu fahren hat.
    Zu Fuß:
    Schnell vorbei fahrende Radfahrer, die glauben sich auf einem Radweg zu befinden.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • dass er keinen Unsinn schreibt, wenn er demnächst in einem Leserbrief bemängelt, der Radfahrer dürfe auf dem freigegebenen Gehweg aber nur mit Schrittgeschwindigkeit dahinzuckeln.

    Nicht ganz. Ich werde bemängeln, daß die sogenannt fahrradfreundliche Stadt nie kommunziert mit welchen Einschränkungen dieses Angebot behaftet ist. Es ist doch vom allgemeinen Verstehen her ein erheblicher Unterschied ob man lapidar sagt:
    "Radfahrer dürfen dort auf dem Fussweg fahren"
    oder
    "Radfahrer dürfen auf den hier auf den Fuss, müssen dort dann aber Schrittgeschwindigkeit fahren!"


    Es ist wichtig bei Meldungen solcher Art beständig auf zwei Dinge mit hinzuweisen:
    a) Gehwegradeln ist nur erlaubt, wenn dort auch in der jeweiligen Richtung(!) freigegeben und
    b) dann auch nur in sogenannter* Schrittgeschwindigkeit.

    * Wobei "Schritt gehen" 4-7km/h bedeutet, ein Tempo mit dem selbst langsame Radfahrer eher nicht unterwegs sind, es sei denn sie sind sehr geschickt oder es geht bergauf. Aber sehen wir das mal nicht so eng und sagen bis 10 oder 12km/h sind auch noch vertretbar. Die allermeisten Kfz fahren in sogenannten Verkehrsberuhigten Zonen ohnehin erheblich flotter (normaler Durchschnitt ab 25km/h aufwärts) und das juckt von Behördenseite für gewöhnlich nicht mal müde Socken.

    PS: Danke an Alle für das Ausarbeiten. Ich hatte Maltes Beitrag dazu tatsächlich nicht gesehen, da er den Text ohne für mich ins Auge fallenden näheren Hinweis eingebaut hatte. (Der kleine Link darüber ist mir nicht aufgefallen.)
    Ich achte kaum noch auf Zitate, wenn nicht vorher klar erkennbar ist, daß es was Wichtiges ist. In dem Zusammenhang möchte ich Allen danken die richtiger Zitieren nicht auf die Reihe bekommen, v.a. den Vollzitatzitierern. Deretwegen schaue ich gar nicht mehr auf deutlich längere Zitate und aus dieser Gewohnheit heraus habe ich es bei Malte an der Stelle genauso nicht getan.

  • Na, in einem Thread, in dem Du selbst nach Rechtsgrundlagen fragst, wäre das Lesen von Zitatblöcken vielleicht mal ausnahmsweise angesagt gewesen. 8)

    * Wobei "Schritt gehen" 4-7km/h bedeutet, ein Tempo mit dem selbst langsame Radfahrer eher nicht unterwegs sind, es sei denn sie sind sehr geschickt oder es geht bergauf.

    Dann bin ich wohl sehr geschickt. 7 km/h fahre ich in der Fußgängerzone immer, übrigens auch bergab (mit leicht angezogener Bremse gar kein Problem). Gut, manchmal geht der innere Schweinehund mit mir durch, dann sind es auch mal 8 km/h. ;)

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Es ist wichtig bei Meldungen solcher Art beständig auf zwei Dinge mit hinzuweisen:
    a) Gehwegradeln ist nur erlaubt, wenn dort auch in der jeweiligen Richtung(!) freigegeben und


    Woraus geht eigentlich hervor, dass man auf einem [Zeichen 239] + [Zusatzzeichen 1022-10] nur in einer Richtung fahren darf? Bei Radwegen steht es klar in der STVO in §2. Aber wo steht dies für Gehwege?
    Klar aus der Gegenrichtung steht in der Regel kein Schild, also könnte man nicht wissen, dass es ein freigegebener Gehweg ist. Nur wie sieht es aus wenn jemand wendet?

    Zumal in der STVO bei [Zeichen 242] explizit steht, dass die gleichen Reglungen bei" Fahrzeug frei" gelten, wie bei [Zeichen 239] . Da drin dürfte man ja wenden.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Dazu wirst Du nichts finden. Sowas bescheuertes wie ein linksseitig zum Beradeln freigegebener Gehweg ist den Autoren der StVO nichtmal in den Sinn gekommen.* Das hat sich nur bei (fehlerbehafteter) Anwendung der StVO durch die Straßenverkehrsbehörden immer wieder mal so ergeben.

    Ein linksseitiger Gehweg mit dem alleinstehenden (Zusatz)zeichen [Zusatzzeichen 1022-10] ist ja von einem nach der StVO freigegebenen linken Radweg nicht zu unterscheiden. Da muss man dann schon so weit gehen, [Zeichen 239] und [Zusatzzeichen 1022-10] links aufzustellen. Das geschieht massenhaft, hierzu gibt es aber keine einschlägige Regelung der StVO. Jedenfalls keine, die den Fall einer linksseitigen Aufstellung unterscheidet.

    *Hinweis zum Copyright: ich glaube, das hat zuerst @Explosiv mal so oder ähnlich formuliert.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Etwas so bescheuertes hat die Hammer Stadtverwaltung geschafft zu erschaffen. Hier ist die Stelle der nördliche linke Teil der Straße über die Bahn. Der Radweg ist allein rechtsseitig, also nicht in Gegenrichtung freigegeben. Damit aber die Leute aus westlicher Richtung zum Bahnhof zum radfahren können, hat die Stadtverwaltung den Gehweg linksseitig für Radfahrer freigegeben. Ja, in Hamm wird eine recht eigenständige selbst entwickelte StVO angewendet.

    Dieser ganze Straßenabschnitt ist, was Radwege angeht, aber sowieso eine große Kraut und Rüben Ansammlung und sinnigerweise liegt die hierfür unmittelbar zuständige Behörde nur irgendwie 200m entfernt. Die Leute dort können an den Folgen ihrer Arbeit gar nicht vorbei schauen.

  • Sorry wenn ich nach >3 Jahren nochmal den Thread ausgrabe, aber der Verweis auf die offizielle Begründung

    fehlt hier noch:

    https://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2012/0428-12.pdf

    Verordnung zur Neufassung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) (26.07.2012)

    Zeichen 239, 240, 241, 242.1 und 242.2

    Bis zur „Schilderwaldnovelle“ war bei Zeichen 239 und 242 die höchstzulässige Geschwindigkeit

    für durch Zusatzzeichen zugelassenen Fahrzeugverkehr „Schrittgeschwindigkeit“. Gegenstand der

    „Schilderwaldnovelle“ war die Aufgabe der Schrittgeschwindigkeit für den Fahrzeugverkehr, wenn

    er bei Gehwegen (Zeichen 239) oder Fußgängerzonen (Zeichen 242) durch Zusatzzeichen zugelassen

    wurde. Stattdessen hatte der Fahrzeugverkehr seine Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr

    anzupassen. Ziel war eine Vereinheitlichung der Maßgaben zu sämtlichen Sonderwegen. Zudem wurde

    der Forderung von Radfahrerverbänden Rechnung getragen, dass die Einhaltung der

    Schrittgeschwindigkeit durch Radfahrer schwer möglich (Schwanken) sei. Auf Gehwegen und in

    Fußgängerzonen muss stets (z. B. nachts im Bereich von Gaststätten) mit plötzlich auftretendem

    Fußverkehr gerechnet werden. Hinzu kommt, dass Bund und Länder z. B. eine Flanierzone nach

    Schweizer Vorbild mit der Begründung abgelehnt haben, dass eine damit einhergehende

    Geschwindigkeit von 20 km/h sich aus Verkehrssicherheitsgründen nicht mit einem Vortrittsrecht

    für Fußgänger vereinbaren lasse. Gleiches gilt für die Ausübung von Sport und Spiel, die dort

    nicht verboten sind. Auch für verkehrsberuhigte Bereiche wurde in der „Schilderwaldnovelle“ die

    Schrittgeschwindigkeit beibehalten. Zumindest für Fußgängerverkehrsflächen wird deshalb aus

    Gründen der Verkehrssicherheit zum Schutze der Fußgänger an der Schrittgeschwindigkeit

    festgehalten. Gehwege und Fußgängerbereiche sind in erster Linie für den Fußgängerverkehr

    bestimmt. Die ausnahmsweise Zulassung von Fahrzeugen rechtfertigt es, den Fahrzeugführerinnen

    und -führern besondere Verpflichtungen zum Schutz der Fußgänger aufzuerlegen, dies gilt auch für

    eine unter allen Umständen zu beachtende Höchstgeschwindigkeit. Radfahrer können

    entscheiden, ob sie diese Alternative dem Fahren auf der Fahrbahn vorziehen.

    (Hervorhebungen durch mich)

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.