Fahrradstadt und so

  • Also.

    Tatsächlich ist mit mir letzte Woche ein wenig der Aktionsmus durchgegangen.

    Ich hatte ja im letzten halben Jahr gleich zwei einigermaßen prächtige Unfälle mit jeweils ordentlicher Gehirnerschütterung und pflege seitdem einen extrem vorsichtigen Fahrstil. Der Witz ist nur: Weniger blöde Vorfälle erlebe ich dadurch nicht. Auf dem Weg zur Arbeit komme ich binnen fünf Minuten an meinen drei Lieblingskreuzungen zwischen der Kieler Straße und der Reichsbahnstraße, dem Kronsaalweg und der Autobahn vorbei und an jeder dieser Kreuzungen könnte ich mich an jedem Tag totfahren lassen, wenn ich nicht auf meine Vorfahrt verzichtete.

    Und dann passierten letzte Woche allzu komische Dinge: Am ersten Tag wollte mich ein Lastkraftwagen-Fahrer maßregeln und versuchte mich beim Rechtsabbiegen, obschon ich natürlich Blickontakt hergestellt hatte, abzudrängen, weil er der Meinung war, für mich gelte die rote Fußgängerampel an der anderen Seite der Kreuzung und nicht die grüne Fahrbahnampel. Einen Tag später versuchte es ein Mittelklassewagen an derselben Kreuzung noch einmal. Und wiederum einen Tag später wollte mich mal wieder ein Kraftfahrer verdreschen, der gedankenverloren rechts abbiegen wollte, dann eine Vollbremsung hinlegte, weil er mich, der ich schon längst mit beiden Füßen auf dem Boden auf dem parallel verlaufenden Radweg wartete, dann doch noch gesehen hatte und mich anschließend zu Fuß knapp hundert Meter mit Gebrüll und geballter Faust verfolgte, weil… ja, weil #ScheißRadfahrer und so.

    Und ich habe langsam einfach die Schnauze voll. Eigentlich will ich nur mit dem Rad zur Arbeit und nach Hause fahren. In Wirklichkeit stürze ich mich aber mit meinem Rad in einen bescheuerten Krieg, den ich gar nicht führen will.

    Und ich sage mal frei heraus wie ich das sehe: Alleine mit Ordnungswidrigkeitenanzeigen und Gemaule auf facebook oder lustigen Bildern in den Verhalten-im-Straßenverkehr-Threads wird die Sache ja nicht besser. Total gut, dass unsereins vom Siemersplatz bis zum Bahnhof Dammtor auf der Fahrbahn fahren darf — aber wie viele Radfahrer pro Tag nehmen diese Chance war? Zwei? Vier? Sechs? Ich habe außer mir auf der Hoheluftchaussee kaum einen anderen Radfahrer auf der Fahrbahn gesehen. Die meisten fahren freiwillig auf diesen absolut grunzigen Gammel-Radwegen durch drei Baustellen hindurch. Und ehrlich gesagt: Freude hat mir die Fahrbahn-Radelei dort auch nicht bereitet — es war lediglich das kleinste Übel. Dann hat ja mal jemand versucht, mich am Grindelhof nach rechts abzudrängen, weil er dort einen prima Radweg ausgemacht hatte, was wieder mit einer Prellung endete und seitdem ist mir echt klar geworden, dass ich zwar mein Recht wahrnehmen kann, einigermaßen komfortabel auf der Fahrbahn zu fahren, dann aber eben damit rechnen muss, dass mich ein erzürnter Kraftfahrer maßregeln wird, weil er die Sache anders sieht.

    Und das ist einfach kein Kampf, den ich hier unter Einsatz meiner Gesundheit führen will. Ich will entspannt zur Arbeit und wieder nach Hause fahren — und ich möchte einfach mal ganz entspannt mit meiner Freundin oder mit meinen Eltern oder mit irgendwelchen anderen Freunden durch Hamburg radeln. Aber ich kann mit meiner Freundin oder meinen Eltern noch nicht einmal die zwei Kilometer ins Niendorfer Gehege radeln, weil man dort auf der Fahrbahn regelmäßig bedrängelt oder angehupt wird. Wir würden es noch nicht einmal bis zum nächsten S-Bahnhof schaffen, weil wir mindestens einen Kraftfahrer treffen werden, der total kacke ist. Darum fahren meine Eltern und meine Freundin und ziemlich viele andere Bekannte, sofern sie nicht bei der Critical Mass oder so dabei sind, aus Sicherheitsgründen lieber überall auf dem Gehweg. Das mag erst einmal entspannter sein, aber auch nur bedingt sicherer.

    Soll ich denen dann erzählen, ja, Safety in Numbers, wenn wir nur erst alle die Kieler Straße auf der Fahrbahn herunterdüsen, dann wird alles besser? Ich traue mir ja selbst den Lokstedter Steindamm nicht mehr auf der Fahrbahn zu, weil ich weiß, dass ich spätestens in drei Wochen wieder von jemandem vorsätzlich ins Krankenhaus gefahren werde. Ich finde es immer total geil, wie da drüben in der facebook-alltagsradler-Gruppe argumentiert wird: Auch für Kinder und Senioren wäre die Fahrbahn total gut geeignet, weil… man da ja nicht übersehen wird. So. Aber mal ehrlich: Findet jeder diesen Ritt auf dem Wiesendamm sicher, entspannt und für Kinder geeignet? Entweder wird man eng überholt oder permanent angehupt. Lokstedter Steindamm? Super, ich wurde mit Fanfaren begrüßt wie ein König. Kieler Straße? Im Ernst? Würde jemand mit seinen Kindern guten Gewissens die Kieler Straße entlangfahren, weil es dort sicherer ist als auf dem Radweg? Na klar, man wird wahrscheinlich nicht von blinden Rechtsabbiegern übersehen, aber stattdessen hätte ich permanent Angst, dass jemand meine Kinder vorsätzlich maßregeln wird.

    Und ich glaube, dass dieses Prinzip der Fahrbahnradelei nicht mehr funktionieren wird. Die Leute haben schlichtweg Angst oder keine Lust oder sonst etwas, aber wir nehmen diese Sorgen nicht ernst, sondern schwärmen vom glatten Asphalt und den hohen Geschwindigkeiten, die man dort erreicht. Trotzdem werden weder meine Freundin noch meine Eltern noch einige meiner Bekannten in Hamburg mit dem Rad fahren.

    Und im Moment finde ich das alles total kacke. Also dachte ich, es wäre mal Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.

    Beispielsweise werden im Jahr 2018 angeblich die Radwege an der Kieler Straße saniert. Da werden ein paar Stellen ausgebessert, der Großteil bleibt aber kacke, weil die Planung nunmal von Planern vorgenommen wird, die eher nicht auf dem Fahrrad sitzen. Wenn man aber ein bisschen Zeit für einige Interventionen investiert, könnte man vielleicht mehr erreichen als rote Pflastersteine anstelle des schwarzen Belages bei einer gleichbleibenden Radwegbreite von anderthalb Metern.

    Beispielsweise kommen bei Unfällen, Radverkehrsförderung oder Verkehrsthemen immer wieder Ploß und Schinnenburg zu Wort. Auf facebook kochen die Alltagsradler, hier im Forum äußern wir uns auch nicht so ganz zufrieden, aber es wäre mal an der Zeit, mit etwas Suchmaschinenoptimierung diese Gegenmeinungen im Sichtbereich von Google und damit im Sichtbereich des normalen Verkehrsteilnehmers zu platzieren. Denn der bekommt in der Regel nur mit, dass Radfahrer alle doof sind.

    Und zum Beispiel wäre es auch mal an der Zeit für ein bisschen Marketing fürs Radfahren. In Kopenhagen herrscht bezüglich des Radfahrens eine komplett andere Stimmung — da steht an Baustellen sowas wie „Hej Radfahrer, tut uns leid, dass du warten musst und so weiter und so fort“ — hier steht noch immer „Radfahrer absteigen“. Ich finde, man sollte endlich mal aufhören, andauernd nur die negativen Aspekte des Radfahrens hervorzuheben und zu zeigen, dass so etwas auch Spaß machen kann.

    Ich habe im Ideen-Forum nebenan schon ein paar Threads eröffnet, in die ich ungefiltert meine Ideen hineingekritzelt habe. Mir ist klar, dass vieles nicht umsetzbar ist und vieles auch nicht sinnvoll ist, aber das kann man dann ja eben diskutieren. Ich habe nur nicht vor, mein Engagement fürs Radfahren weiterhin auf die Auflistung von blöden Sachen, die mir auf dem Weg zur Arbeit widerfahren sind, zu beschränken. Das nervt mich nämlich noch viel mehr.

    Ich denke aber, wenn man sich geschickt anstellt, einiges auch über die „alten Medien“ verbreiten könnte und sich beispielsweise über facebook, twitter und Instagram ins Gedächtnis der Leute schmuggelt, dann könnte man die Autostadt Hamburg vielleicht ganz langsam, aber vielleicht immerhin ein kleines bisschen in eine Fahrradstadt verwandeln.

    Das ist so ungefähr der Plan.

  • Und ich will auch gleich einmal deutlich machen, worauf ich keine Lust habe: Auf persönliche Angriffe.

    Ich habe diese Idee mit der Fahrradstadt am Donnerstag etwas überstürzt in Gang gesetzt, weil ich aufgrund meiner Unfähigkeit, vernünftig mit dem Rad am Straßenverkehr teilzunehmen, in der S-Bahn versauerte und das auch nicht so geil fand.

    Also schrieb ich auf facebook in diese berühmte Alltagsradler-Gruppe rein, warum wir denn eigentlich immer mit offenem Mund die Berliner Radlinge mit ihrem Radentscheid bestaunen, uns aber selbst mit Fotos von falsch parkenden Kraftfahrzeugen und der größten Critical Mass Nordeuropas zufrieden geben.

    Da müsse doch eigentlich noch mehr drin sein.

    Was denn meine konkreten Vorschläge wären, fragten dann — durchaus zu Recht — fünf andere Mitglieder der Gruppe. Daraufhin begann ich, insgesamt zwanzig mehr oder weniger sinnvolle Ideen ungefiltert in den dortigen Thread zu blubbern. Einige Ideen kamen wohl ganz gut an, andere eher nicht, aber das ist auch vollkommen okay, schließlich wollte ich die Sachen ja explizit zur Diskussion stellen.

    Dann sickerte hingegen wieder diese Problematik durch, dass viele diese Fahrradstadt-Sache zwar insgesamt echt geil finden, aber… eben auch gespannt sind, was Malte da alles leisten wird. Daraufhin machte ich gleich mal deutlich, dass ich hier nicht wieder so eine One-Man-Show wie bei der alten Seite der Critical Mass Hamburg oder bei Radverkehrspolitik aufzuführen gedenke. Wenn schon, dann ziehen wir das gemeinsam durch, schrieb ich, so ganz ohne wesentliche Verpflichtungen als locker verbundene Organisation. Wenn das aber nicht in Gang kommt, sei es, weil meine Vorstellung von diesem ganzen Projekt vollkommen an den Anforderungen oder Erwartungen der Radfahrer vorbeigeht (oder, und das schreibe ich jetzt ganz ohne beleidigten Unterton, es sich herausstellt, dass diese ganze Fahrradstadt-Nummer nur für mein eigenes Wohlbefinden notwendig ist, das nach zwei Gehirnerschütterungen deutlich beeinträchtigt ist) oder ich einfach nicht genügend Mitstreiter begeistern kann oder einfach sofort wieder die Luft raus ist, dann lassen wir es halt bleiben — zwei Wochen wollte ich der Sache erst einmal als Startvorbereitung geben, um mal abzuschätzen, ob man so etwas in Hamburg durchziehen könnte.

    Am Freitag, am Sonnabend und Sonntagabend hatte ich dann noch mal ein gutes Dutzend Gespräche über facebook oder Mail oder WhatsApp mit potenziellen Mitstreitern, die allesamt in die gleiche Richtung gingen: „Ja, total super, dass du das durchziehen willst, aber fick dich für deine Begeisterung für Radwege!“ Bitte?

    Ich war leider so unklug, mich auch über den Themenkomplex Separation-Radweg-Fahrbahnradeln auszulassen. Ich schrieb, genau wie oben, dass weder Freundin noch Eltern in Hamburg Radfahren wollten und ich mir auch angenehmeres vorstellen könnte, als den Lokstedter Steindamm oder die Kieler Straße auf der Fahrbahn zurückzulegen. Ja, schön, dass wir uns hier das Fahrbahnradeln zutrauen, aber auf gewissen Strecken nervt es mich einfach nur noch: Ich komme einfach nicht entspannt im Bureau an, wenn mir in der Schanzenstraße jemand bei Tempo 40 direkt am Hinterrad nagt, weil es ihm nicht schnell genug voran geht.

    Da kann ich tatsächlich nachvollziehen, dass manch einer lieber auf dem Radweg durch die dortige Außengastronomie und den Blumenladen und die drei Baustellen radelt. Selbst wenn ich meine Eltern oder meine Freundin dort zur Fahrbahnradelei überreden könnten sollte, was wird denn wohl passieren? In irgendeiner Straße werden sie angehupt oder bedrängelt werden und schon ist das Experiment Fahrbahnradeln beendet. Ist halt nicht jeder so kampfeslustig wie wir.

    Ich hatte in der Alltagsradler-Gruppe allerings nicht derartige Denkverbote vermutet, die dort offenbar vorherrschen. @Vorstadt Strizzi ist auch dort aktiv und seine Vorschläge werden dort nicht mehr kontrovers diskutiert, sondern einfach nur noch abgelehnt. Das führt dazu, dass es auch manchmal ganz erhellende Ideen gibt, dass es ja gar kein Problem wäre, mit einem Kind auf mehrstreifigen Hauptverkehrsstraßen das Fahrbahnradeln zu praktizieren, weil ja schließlich § 1 StVO gelte und alle Kraftfahrer aufpassen müssten.

    Ist ja ein super Vorschlag. Und weil die Straßenverkehrs-Ordnung gilt, kann mir ja an meinen drei erwähnten Lieblingskreuzungen nichts passieren, weil mich Autofahrer ja durchfahren lassen müssen. Naja.

    Jedenfalls habe ich mich heute Abend entschlossen, die insgesamt drei Diskussionsstränge auf facebook zur Wahrung meines Wohlbefindens wieder zu entfernen.

    Ich muss mich weder dafür rechtfertigen, dass ich solche lustigen Fahrradstadt-Ideen habe, noch muss ich mich dafür rechtfertigen, wenn mir irgendwann die Lust vergehen sollte. Nur auf solche Gespräche, teilweise auch von Menschen, die ich mal zu meinen Freunden gezählt habe, in denen mir vor allem vorgeworfen wird, dass ich ja wohl vollkommen bescheuert und von Sinnen wäre, plötzlich das Schild mit der Separation hochzuhalten, auf solche Gespräche habe ich keine Lust. Die muss ich mir echt nicht geben. Ich habe mich bei Radverkehrspolitik zwischen Anwälten zerreiben lassen, ich habe bei der Critical Mass Hamburg meinen Namen im Impressum der Webseite belassen, während auf facebook debattiert wurde, ob zur nächsten Tour nicht jeder einen Pflasterstein für die Polizei mitbringen sollte. Ich werde jetzt nicht versuchen, irgendwelche Fahrradstadt-Aktionen gegen den Willen der Radfahrer-Gemeinde durchzusetzen.

    Meinetwegen, und das darf man jetzt durchaus mit beleidigtem Unterton lesen, können die Leute in der Alltagsradler-Gruppe weitermachen wie bisher: Lustige Bilder übers Radfahren teilen, werkstags die üblichen Falschparker anprangern und sich beschweren, dass die Lage für Radfahrer in Hamburg nunmal so ist, wie die Lage für Radfahrer in Hamburg nunmal ist.

    Warum sollte man als Radfahrer etwas dagegen tun? Ja, okay, berechtigte Frage — dafür haben wir ja eigentlich unsere Volksvertreter gewählt. Nur wird die Planung für eine neue Infrastruktur in der Regel offenbar immer noch von Menschen ausgeführt, die eher selten mit dem Rad unterwegs sind. Wenn die Anwohner in der Walddörferstraße keine Fahrradstraße wollen, bilden sie eine Interessengemeinschaft. Aber wenn die Radfahrer an der Kieler Straße Sorge haben, dass ihre Radwege nach der Sanierung nur eine andere Farbe bekommen, ansonsten aber unbrauchbar bleiben, dann jammern sie auf facebook in ihrer Gated Community herum, wo es niemanden stört.

    Natürlich kann man sich auf den Standpunkt zurückziehen, dass man nur genügend Radfahrer auf die Fahrbahn bringen müsse, um das Fahrrad-Paradies zu proklamieren, aber ich glaube nicht, dass das ein wirklich toller Weg ist. Wie wäre es denn mit einer Zwischenlösung?

    Gute Radwege brauchen keine Benutzungspflicht, heißt es doch immer. Dann könnte man ja dafür sorgen, dass es beispielsweise entlang der Kieler Straße gute Radwege gibt. Zwei Meter breit, vernünftige Linienführung, sichere Knotenpunkte mit dem Fahrbahnverkehr. Wir könnten ja versuchen, dort unsere Ideen einzubringen. Und für diejenigen, die lieber schnell auf der Fahrbahn entlangbrausen wollen, sorgen wir dafür, dass erst gar keine blauen Schilder aufgestellt werden.

    Und für solche Gegenden wie die Schanzenstraße und das Schulterblatt könnte man sich auch ordentliche Lösungen überlegen. Anstatt einfach die ADFC-Lösung „Ab auf die Straße“ durchzusetzen, bei der auf in der Schanzenstraße nach meinem Gefühl 98 Prozent der Radfahrer auf dem Radweg bleiben, könnte man ja beispielsweise ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde anstrengen, so dass sich auch unsicherere Radfahrer auf die Fahrbahn trauen. Und warum dann in einer Holterdipolter-Kopfsteinpflaster-Straße wie dem Schulterblatt so viel Durchgangsverkehr herrschen muss, ist mir auch nicht so ganz klar. Dieser Bereich ist doch eigentlich prädestiniert dafür, den Menschen wieder etwas mehr in den Vordergrund zu rücken, anstatt möglichst viele Parkplätze zu schaffen.

    Nur: Dazu muss man eben auch mal für seine Interessen eintreten. Das kostet Zeit, das kostet auch manchmal Geld. Aber mit der ganzen Expertise, die sich allein schon dort auf facebook und hier im Forum versammelt, könnte man etwas bewegen. Man stelle sich vor, wir könnten die hundert aktivsten Mitstreiter dazu bewegen, jede Woche eine Stunde zu investieren: Abzüglich der Reibungsverluste wegen Koordination und so weiter blieben bestimmt 80 Stunden pro Woche übrig — das sind zwei Vollzeitstellen, die vermutlich mehr Biss hätten als unsere Radverkehrskoordinatorin, bei der man auch nicht so richtig mitbekommt, was sie eigentlich so treibt.

    Und parallel zur politischen Arbeit könnte man eben versuchen, etwas Marketing in Richtung Fahrradstadt zu betreiben. Indem man eben irgendwelche Aktionen durchführt, die alle nur einen partiellen Nutzen haben, aber über soziale Netze und Medien multipliziert eben an den richtigen Adressaten gelangen — und womöglich beim ein oder anderen im Gedächtnis bleiben.

    Ich glaube, man könnte mit etwas Koordination und vielen neuen Ideen wirklich etwas bewegen. Ob es nun etwas großes sein wird, das sei mal dahingestellt, aber vielleicht könnte man Hamburg an der einen oder anderen Stelle zu einem schöneren Ort zum Radfahren machen.

    Das geht aber nicht, wenn wir uns selbst zerlegen, weil man in Hamburg eben so sehr aufs Fahrbahnradeln abfährt, dass andere Möglichkeiten überhaupt nicht mehr in Betracht gezogen werden.

  • Word!

    Ich fahre fast überall auf der Straße aber kann das Unsicherheitsgefühl vollständig nachvollziehen.

    Mein Sohn fährt mit. Bus und Bahn zur Schule weil noch nicht die Übersicht hat die 4,5 km mit dem Haufen an Idioten zu überstehen.

    Nebenbei 90 % der Hamburger Radfahrer ist es auch schlichtweg egal was wir hier oder bei den Altersradlern diskutieren, die fahren einfach genauso Scheiße wie die meisten Autofahrer.

  • (Und falls es missverständlich sein sollte: Ich will gar nicht die Arbeit von denjenigen diskreditieren, die viel Zeit und Geld darin investieren, um blaue Schilder der Entsorgung zuzuführen. Das finde ich toll und wichtig — ansonsten hätte ich auf der Hoheluftchausee ständig auf diesen Rumpel-Radwegen fahren müssen. Allerdings bin ich für mich zu meiner persönlichen Erkenntnis gelangt, dass der normale Radfahrer daraus keinen positiven Nutzen zieht: Der reitet weiterhin auf seinem renitenten Radweg herum — sei es aus Unkenntnis der Rechtslage oder „Ich will den Verkehr nicht behindern“ oder weil er es auf dem Radweg sicherer empfindet oder weil er keine Lust auf Stress mit hupenden Kraftfahrern hat.)

  • Zitat

    (Und falls es missverständlich sein sollte: Ich will gar nicht die Arbeit von denjenigen diskreditieren, die viel Zeit und Geld darin investieren, um blaue Schilder der Entsorgung zuzuführen. Das finde ich toll und wichtig — ansonsten hätte ich auf der Hoheluftchausee ständig auf diesen Rumpel-Radwegen fahren müssen. Allerdings bin ich für mich zu meiner persönlichen Erkenntnis gelangt, dass der normale Radfahrer daraus keinen positiven Nutzen zieht: Der reitet weiterhin auf seinem renitenten Radweg herum — sei es aus Unkenntnis der Rechtslage oder „Ich will den Verkehr nicht behindern“ oder weil er es auf dem Radweg sicherer empfindet oder weil er keine Lust auf Stress mit hupenden Kraftfahrern hat.)

    Das kam auch so nicht bei mir an. Ich teile deine Einschätzung zur nötigen Lobbyarbeit, anstatt immer nur im Forum zu meckern. Die nächsten zwölf Monate sehe ich mich aber nicht oder nur sporadisch beteiligt. Teils weil ich wenig Freizeit habe, teils weil der Leidensdruck fehlt.

  • Malte, ich kann Deinen Frust verstehen, glaube jedoch, dass Du aus Deinen Problemen die falschen Schlüsse ziehst.

    Zum Einen gehst Du davon aus, dass Radwege irgendwie doch sicherer sind als die Fahrbahn. Diesem Trugschluss bin ich auch lange erlegen, weil es sich halt sicherer anfühlt. Das liegt daran, dass man Gefahren, auf die man einen Einfluss zu haben glaubt, eher unterschätzt, und Gefahren, denen man sich hilflos ausgesetzt führt, überschätzt. Das ist auf Radwegen und Fahrbahnen der Fall. Auf Radwegen muss ich nur gut genug aufpassen (und die Autos sind auch weit weg), um sicher zu sein, auf Fahrbahnen kann ich nur hoffen, dass die Kraftfahrer mich sehen (und die sind auch noch ganz dicht dran). Am Ende das Tages ist es jedoch genau umgekehrt. Es fühlt sich nur nicht so an.
    Ich beschäftige mich nun nicht erst seit Gestern mit dem Thema, und mir konnte noch niemand einen Ansatz präsentieren, der mir den Glauben an den sicheren Radweg wiedergben konnte. Man muss sich auch vor Augen führen, dass der überhaupt mögliche Sicherheitsgewinn durch Radweg minimal ist. Der Unfalltyp läuft eben und ferner liefen. Andere, häufigere Unfalltypen werden jedoch wahrscheinlicher.

    Nebenbei: Die beiden größten Unfallschwerpunkte im Polizeirevier 27 sind Holsteiner-Hörgensweg und Holsteiner-Baumarktausfahrt. Kieler-Reichsbahnstraße wurde in dem Zusammenhang aber auch genannt.

    Zum Anderen haben Deine Unfälle der letzten Zeit gar nichts mit der Sicherheitsproblematik zu tun. Die Autofahrer sind gegen Dich vorgegangen, weil sie Dich für einen minderwertigen Verkehrsteilnehmer halten. Du hat in Ihren Augen nicht das Recht, ihnen, den richtigen Verkehrsteilnehmer, im Weg zu sein. Mit diesem (eingebildete) Vergehen Deinerseits rechtfertigen sie ihr Fahrverhalten.
    Ich komme dann nicht auf die Idee, deren Sicht der Dinge anzunehmen, sonder eher zu dem Schluss, dass man da für ein Umdenken sorgen sollte.

    Das ist in meinen Augen die Kernaufgabe von Radverkehrspolitik. Radfahrer in den Augen aller zu gleichwertigen Verkehrsteilnehmern zu machen.

    Es stellt sich dabei aber auch die Frage, ob man das mit der Forderung nach Sonderlösungen hinbekommt, oder, ob man damit sogar die Diskriminierung zementiert. Wer Sonderlösungen fordert, kann eben eine Sonderstellung bekommen, und die muss nicht zwangsläufig gleichwertig sein.

    Hat man gedoch eine vollwertige Stellung als Verkehrsteilnehmer erreicht, lösen sich andere Probleme von allein. Autofahrer werden nicht mehr aggresiv gegen Radfahrer, also nicht mehr als geen andere Verkehrsteilnehmer. Und wenn Radwege gebaut werden, dann sind es keine Alibiradwege, Alibifahrradstraßen, etc mehr, sondern Verkehrswege.


    Zum Schluss noch das: Das Meckern sehe ich als eine Art seelesche Hygiene. Radfahrer haben oft das Gefühl, herabgewürdigt zu werden. Um damit klar zu kommen, ist die Unterstützung von Leidensgenossen hilfreich. Man bekommt bestätigt, dass es andere auch so sehen und man nicht vielleicht doch minderwertig ist.

  • Zum Einen gehst Du davon aus, dass Radwege irgendwie doch sicherer sind als die Fahrbahn. Diesem Trugschluss bin ich auch lange erlegen, weil es sich halt sicherer anfühlt. Das liegt daran, dass man Gefahren, auf die man einen Einfluss zu haben glaubt, eher unterschätzt, und Gefahren, denen man sich hilflos ausgesetzt führt, überschätzt. Das ist auf Radwegen und Fahrbahnen der Fall. Auf Radwegen muss ich nur gut genug aufpassen (und die Autos sind auch weit weg), um sicher zu sein, auf Fahrbahnen kann ich nur hoffen, dass die Kraftfahrer mich sehen (und die sind auch noch ganz dicht dran). Am Ende das Tages ist es jedoch genau umgekehrt. Es fühlt sich nur nicht so an.
    Ich beschäftige mich nun nicht erst seit Gestern mit dem Thema, und mir konnte noch niemand einen Ansatz präsentieren, der mir den Glauben an den sicheren Radweg wiedergben konnte. Man muss sich auch vor Augen führen, dass der überhaupt mögliche Sicherheitsgewinn durch Radweg minimal ist. Der Unfalltyp läuft eben und ferner liefen. Andere, häufigere Unfalltypen werden jedoch wahrscheinlicher.


    Ich kenne die Problematik mit den Radwegen — wir haben ja unter anderem drüben im Verkehrsportal schon mal darüber gesprochen.

    Nur denke ich mittlerweile, dass eben recht viele Radfahrer trotz aller wissenschaftlichen Untersuchungen und objektiver Vorteile eben doch auf dem Radweg bleiben wollen — aus welchen Gründen auch immer. 98 Prozent sollen das ja angeblich sein. Ich weiß nicht, wie man den Anteil an Fahrbahnradlern noch erhöhen soll, beziehungsweise welche Werte da überhaupt möglich sind.

    Ganz aus dem Bauch heraus geschätzt vermute ich, dass man in Hamburg mit viel Überzeugungsarbeit vielleicht fünf Prozent der Radlinge auf die Fahrbahn bekommen könnte. Aber ab wann ist der Anteil an Fahrbahnradlern so groß, dass es zum Selbstläufer wird und andere Radfahrer mit auf die Fahrbahn zieht? Bei 30 Prozent? Bei 50 Prozent? Ich wüsste jetzt nicht, wie man allein aus Überzeugungsarbeit eine solche Menge an Radfahrern auf die Fahrbahn konditionieren sollte.

    Und selbst dann funktionieren meine Überlegungen nur in solchen Gegenden wie dem Schanzenviertel oder irgendwelchen Wohngebieten. Ich behaupte mal, die Zahl der täglichen Fahrbahnradler auf der Kieler Straße lässt sich an zwei Fingern abzählen. Darum halte ich es für sinnvoll, für die übrigen 98 Prozent eine brauchbare Infrastruktur vorzuhalten.

    Ist ja total witzlos, die Radwege zu sanieren, wenn man beispielsweise an der Reichsbahnstraße die Radfahrer hinter dem Bus und dem Bushaltestellenhäuschen versteckt. Und es ist ja total super, dass man unten am Kronsaalweg mit dem Rad drei Sekunden vor dem Kraftverkehr losfahren darf: Die Radfahrer, die dort bei rotem Licht warten müssen, stehen eh im Sichtbereich der Kraftfahrer, alle anderen kommen aber während der Grünphase an und werden dann „übersehen“ und dank der tollen Ampelphase am Gewerbehof Wördemannsweg kommt man ja in der Regel bei einer Grünphase dort an, egal mit welcher Geschwindigkeit man radelt.

    Das sind ja alles Dinge, die man mal in Angriff nehmen kann. Genauso wie diverse Litfaßsäulen oder Parkplätze, die die Sicht versperren, oder total affige Verschwenkungen von Radwegen. Dann wäre Radfahren auf dem Radweg zwar noch nicht sicher, aber immerhin etwas sicherer. Und wer dann gerne aus welchen Gründen auch immer auf dem Radweg fahren möchte, kann das dann ja immerhin ein wenig entspannter tun.

    Nebenbei: Die beiden größten Unfallschwerpunkte im Polizeirevier 27 sind Holsteiner-Hörgensweg und Holsteiner-Baumarktausfahrt. Kieler-Reichsbahnstraße wurde in dem Zusammenhang aber auch genannt.


    Ist ja schon ziemlich peinlich, dass trotz neu gestalteter Straßenaufteilung gleich zwei Unfallschwerpunkte nebeneinander liegen. Auch das sind Sachen, die man mal überprüfen müsste.

    Zum Rest schreibe ich nachher noch was, mir fehlt gerade etwas die Zeit.

  • Ich lese das nicht so, dass @Malte Radwege für sicherer, als die Fahrbahn hält. Er ist vielmehr zum Schluss gelangt, dass eine echte Verkehrswende in Richtung Fahrradstadt nur mit eigener Fahrrad-Infrastruktur gelingen kann. Zu der gleichen Erkenntnis bin ich zwischenzeitlich auch gelangt. Vorher war ich ganz Deiner Meinung, @Hane . Bei der ganzen Pro-Fahrbahn-Argumentation darf man den Faktor der subjektiven Sicherheit nicht außer Acht lassen. Wenn Mensch sich auf der Fahrbahn subjektiv unsicher und gefährdet fühlt, wird er sie meiden. Auch wenn das heißt, dass er viel unsicherer und zudem verbotenerweise auf dem Gehweg fahren "muss". Eher wird er auf das Fahrrad verzichten, als sich auf die Fahrbahn zu wagen.

    Ich habe in meinem Umfeld auch fast ausschließlich Fahrbahnverweigerer. Entweder fahren sie gar kein Rad weil das viel zu gefährlich sei oder sie benutzen jeden auch noch so besch...eidenen Radweg.

    Im Endeffekt hat mich tatsächlich eine Frage an mich selbst zum umdenken gebracht: Würde ich meinem (hypothetischen) elfjährigen Kind erlauben, meinen Arbeitsweg so zu fahren, wie ich es (zu 99% im Rahmen der StVO) tue? Ich musste mir mit einem klaren nein antworten.

    Ohne jetzt irgendwelche Klischees bedienen zu wollen: Wen sieht man denn auf der Fahrbahn Rad fahren? Junge, sportliche Männer und ihre älteren Pendants. Frauen? Senioren? Kinder? Fehlanzeige! (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Ich denke, man muss nicht großartig mit Prozentpunkten jonglieren um zu dem Schluss zu kommen, dass sich nur ein recht geringer Anteil der Radfahrer auf die Fahrbahn traut. Die Angst sitzt tief und bei jedem Versuch, sie zu überwinden findet sich ganz sicher mindestens ein automobiles A...loch, das sie noch verstärkt.

    Ich komme klar auf der Fahrbahn. Ein Großteil der Radfahrer aber eben nicht. Und dem muss Radverkehrspolitik und eine Fahrradstadt Rechnung tragen. Nur so kann der Modal Split in Richtung Fahrrad verschoben werden. Es ist einfach nicht sinnvoll, alle Radfahrer auf die Fahrbahn zu schicken, wo (aus der Hüfte geschossene) 20% der potentiellen Radfahrer klar kommen. Wer soll den anderen 80% erklären, dass sie ihr Sicherheitsbedürfnis in die falsche Richtung treibt, dass sie sich mal diverse Studien reinziehen sollen, dass sie einfach nur zu unsicher sind und dass hupende Autos niemanden überfahren? Mal abgesehen davon, dass das ganz sicher niemand hören will.

    Man muss sich schon auch bewusst sein und bleiben, dass man sich hier und auch anderswo, wo Radverkehr diskutiert wird, in einem sehr ausgewählten Kreis bewegt. Radverkehrspolitik nur für diesen kleinen Kreis verfehlt ihr Ziel.

  • Problem erkannt - und Schlüsse draus gezogen, so weiterzumachen, wie die letzten 40 Jahre...

    zu viele Autos, zu viele Wege - also trau ich mich nicht auf die Fahrbahn. Lösung: die 80cm Radwege breiter machen zu Lasten der Gehwege, Querungsfurten rot markieren, An Kreuzungen den Radweg eng an die Fahrbahn heranführen und die Fahrbahnampel mitnutzen lassen, "Gehweg, Radfahrer frei" anbringen wenn Oma Müller nur lange genug jammert. An anderer Stelle Radwege sanieren, diese vor Bushaltestelle in einem Gehweg enden lassen, weil der Platz nicht ausreicht, man aber auch (richtigerweise!) die wartenden Passagiere nicht gefährden will mit einem Radweg durch die Haltestelle.

    Nehmt doch nicht nur die Extrema wie Hoheluft oder Kieler. Schaut euch T30-Zonen an. Wenn dort die Gehwege breit genug sind, wird sogar dort Fahrbahnradelei verweigert. Warum? Weil die Leute Angst haben. Angst vor Autos.
    Da liegt der Kern des Übels. Das wird sich mit Separierung nun aber nicht ändern.

  • Wer fordert hier, so weiter zu machen, wie die letzten 40 Jahre? Die Frage ist doch eher: Wie bekomme ich die letzten 50 Jahre aus den Köpfen der Verkehrsplaner und -teilnehmer raus?

    Wie würdest Du denn die Angst vor Autos (realistisch) bekämpfen wollen?

  • Mit Hochbordradwegen!
    Radfahrer fühlen sich nämlich sicher auf Hochbordradwegen.
    Wenn welche da sind...
    Wenn keine Hochbordradwege vorhanden sind, wird eben auf dem Gehweg geradelt. Weil Fahrbahn = gefährlich. Sonst gäbs ja keine Radwege, oder?
    Oh wait...


    Wer an der Kieler Straße oder der Wandsbeker Chaussee Radwege bauen will, der sollte das gerne machen.
    Aber abseits von Hauptverkehrsstraßen muss man sich überlegen, was man will.
    Aktuell will man alles. Autoverkehr, Parkplätze, Radwege, Gehwege. Bäume. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Aber alles. Und das wird nichts.
    Realistisch betrachtet wird Radfahren nur dann für ALLE Verkehrsteilnehmer sicherer, wenn die Geschwindigkeit rausgenommen wird. Danach auch die Menge an KFZ.
    Da muss man ansetzen. Das ist ein dickes Brett. Radwege zu bauen und ein paar Fahrradampeln hinzuklatschen, 2,5m schmale "Velorouten" durch Grünanlage zu asphaltieren - das ist Pipifax. Feigenblatt und greenwashing.

  • Keine zwei Meinungen. Aber das dicke Brett bekommt man auch nicht gebohrt indem man im ersten Schritt alle Radfahrer auf die Fahrbahn schickt. Auf die Art sinkt der Radverkehrsanteil eher. Leider muss man sich in dem Zusammenhang auch damit auseinander setzen, dass der Mensch in weiten Teilen nicht rational funktioniert.

    Es ist natürlich auch schwierig KFZ raus zu nehmen wenn sich die Leute nicht aufs Fahrrad trauen. Möglichst viele Autofahrer auf den ÖPNV zu verlagern um ihnen dann hinterher das Radfahren schmackhaft zu machen? Irgendwie nicht, oder? Wie willst Du die Übergangsphase gestalten bis Geschwindigkeit und KFZ in ausreichendem Maße rausgenommen sind?

    Wie es nicht funktioniert, wie in HH versucht wird, sich als fahrradfreundlich darzustellen ohne die eigentlichen Probleme anzufassen weil es Platz für den MIV kosten würde. Das weiß ich auch. Das dicke Brett zu bohren heißt den Übergang zu einem neuen Modal Split zu gestalten. Einen anderen Weg als den Kopenhagener sehe ich da ehrlich gesagt nicht. Inklusive separater Infrastruktur an Hauptstraßen. Und natürlich inklusive diverser Maßnahmen, die den MIV unattraktiver machen.

  • Radfahrer bekommt man mit Sicherheit nicht von Radwegen runter, indem man ihnen immer neue anbietet. Man sollte ihnen statt dessen die Möglichkeit bieten, Fahrbahn zu erfahren. Es muss nicht gleich die Hauptstraße sein. Dabei bekommen sie auch mit, dass das schneller und leichter geht. Eins führt zum Anderen ...
    Man muss ihnen Zeit geben. Es wurde sich ja auch Zeit genommen, den Radfahrer die Angst vor Fahrbahnen einzuimpfen.


    Auch sehe ich keinen Grund zu der Annahme, dass Separation ein notwendiges Mittel zur Radverkehrsförderung ist. Was wird Radfahrer dadurch geboten, was sie ohne nicht hätten? Ein dichteres Radverkehrsnetz? Nein. Ein schnelleres Fahren? Nein. Ein leichteres Fahren? Nein. tbc

    Was spricht sonst noch für die Annahme? Die Aussage, dass man wegen der fehlenden Radwege nicht Rad fahren würde? Der Radverkehrsanteil steigt. Es ist aber nicht so, als ob Hamburg in letzter Zeit richtig in diese Richtung geklotzt hätte. Auch habe ich noch keine Aussage, auch nicht durch Hörensagen, gehört, dass jemand wegen der tollen Radwege angefangen hätte. Anders herum schon! Mir fällt dabei nur ein Spruch ein: Wer will findet Wege ;-), wer nicht will findet Gründe.

    Oder kann man aus den tollen Beispielen aus dem benachbartem Ausland diesen Schluss ziehen? Auf den ersten Blick scheint es so. Nur schließt man da aus einer Korrelation eine Kausalität, die jedoch nicht belegt ist. (Genau genommen ist nicht einmal die Korrelation belegt.) Haben Kopenhagen oder Amsterdam so viele Radfahrer, weil es dort so viele Radwege gibt? Oder gibt es dort so viele Radwege, weil es so viele Radfahrer gibt? Oder ...
    Ein berüchtigtes Gegenbeispiel ist Milton Keynes. Reichlich Radwege, die sogar als Verkehrswege taugen sollen, aber ein Radverkehrsanteil von 2 % oder so.

    Ich gehe davon aus, dass es ein ernsthaftes Signal der Politik ist, dass den Radverkehr fördern würde. Mit ernsthaft meine ich aber ernsthaft. Das kann durch den Bau von Radwegen geschehen, also von ernsthaften Radwegen in ernsthafter Menge. Das muss es beileibe aber nicht. Schöne Mediankampagnen wirken auch. Das sogar nachweislich.
    Da ist das übliche Beispiel Langenlouis. Man wollte dort den Verkehr sparen, also den Kraftverkehr. Es wurden Kampagnen gestartet nach dem Motte, einfach mal mit dem Rad oder zu Fuß zum Einkaufen, einfach mal dieses oder jenes. Es hat gewirkt. Der Radverkehrsanteil hat sich von 2 % auf 8 % gesteigert. mit genau keinem Radwegebau. Ein paar Abstellanlagen waren dabei.

  • Man sollte ihnen statt dessen die Möglichkeit bieten, Fahrbahn zu erfahren. Es muss nicht gleich die Hauptstraße sein. Dabei bekommen sie auch mit, dass das schneller und leichter geht.

    Ich denke, hier kann man vom Ausland lernen. Man muss nicht alles selbst ausprobieren. Und in allen Ländern mit hohem Radverkehrsanteil gibt es eine anständige Infrastruktur für Fahrräder. Meines Wissens nach hat es kein einziges Land geschafft, gleichzeitig mit einem Rückbau der Radwege den Radverkehrsanteil zu fördern.
    Warum sollte es dann ausgerechnet in Deutschland über den Rückbau der Infrastruktur funktionieren? Politische Signale helfen vielleicht etwas. Einen echten Durchbruch erreicht man damit nicht.

    Auf einem anständigen Radweg fühle ich mich übrigens auch wohler, auch wenn Statistiken etwas anderes sagen. Dabei bin ich eigentlich ein ziemlicher "Kopfmensch". Trotzdem finde ich es unangenehm, ständig überholt zu werden, ohne nennenswerten Einfluss auf meine Sicherheit dabei nehmen zu können. Auf einem anständigen (!) Radweg bin ich da wesentlich entspannter unterwegs. Und am Ende kommt es auf das gute Gefühl beim Fahren an, wenn man mehr Radfahrer auf die Straße bekommen möchte.

    Und wenn ich erst daran denke, ob meine Kinder besser auf einem Radweg oder auf der Fahrbahn aufgehoben sind, ist die Sache für mich klar: in der 30-Zone würde ich sie mit 10 Jahren wohl schweren Herzens auf die Fahrbahn lassen. Bei 50 und mehr besser nicht.

    Eigentlich sehr schade, denn eine Fahrbahn ist eigentlich flexibler. Da können die Radler dann im Winter problemlos ins Auto umsteigen.

  • Da ist das übliche Beispiel Langenlouis. Man wollte dort den Verkehr sparen, also den Kraftverkehr. Es wurden Kampagnen gestartet nach dem Motte, einfach mal mit dem Rad oder zu Fuß zum Einkaufen, einfach mal dieses oder jenes. Es hat gewirkt. Der Radverkehrsanteil hat sich von 2 % auf 8 % gesteigert. mit genau keinem Radwegebau. Ein paar Abstellanlagen waren dabei.


    Meinst du Langenlois in Österreich?

    Falls ja: Der Ort hat gerade mal knapp über siebentausend Einwohner — ich behaupte mal, da ist Hamburg dann doch noch eine andere Hausnummer mit anderen Ansprüchen an das Verkehrsnetz.

    Ich denke, hier kann man vom Ausland lernen. Man muss nicht alles selbst ausprobieren. Und in allen Ländern mit hohem Radverkehrsanteil gibt es eine anständige Infrastruktur für Fahrräder. Meines Wissens nach hat es kein einziges Land geschafft, gleichzeitig mit einem Rückbau der Radwege den Radverkehrsanteil zu fördern.Warum sollte es dann ausgerechnet in Deutschland über den Rückbau der Infrastruktur funktionieren? Politische Signale helfen vielleicht etwas. Einen echten Durchbruch erreicht man damit nicht.


    Ich möchte eigentlich auch behaupten, dass Amsterdam oder Kopenhagen ohne die ganze separierte Infrastruktur einen sehr viel niedrigeren Radverkehrsanteil hätten.

    In mehreren Videos, die so im Netz herumfliegen (ich habe aufgrund meiner langsamen UMTS-Verbindung momentan leider keines zur Hand), wird ja beschrieben, wie sich der Radverkehrsanteil entwickelt hat: Indem man ganz radikal einfach breite, separierte und ebene Radwege durch die Stadt gebaut hat — und mit der Infrastruktur kamen auch die entsprechenden Nutzer. Das ist eben wie beim Auto: Baut man die Fahrbahn noch breiter, kommen noch mehr Autos.

    Hingegen tut sich London momentan ja ähnlich schwer: Auf den ganzen Videos aus London sind in der Regel auch eher sportliche, männliche Radfahrer jüngeren bis mittleren Alters zu sehen, viele davon mit reflektierender Kleidung und schnellen Rädern. Kinder, Frauen und Senioren sehe ich dort fast nie.

    Aber ich weiß einfach nicht, wie man jetzt hier in Hamburg oder allgemein in Deutschland eine kritische Masse erzeugen sollte, ab der plötzlich der Mut zum Fahrbahnradeln da ist. Ich nehme mal als Beispiel die Stadt Wedel, die ja direkt im Hamburger Westen an der Stadtgrenze liegt. 30.000 Einwohner, überschaubares Stadtgebiet.

    Wedel ist für einigermaßen geübte Radfahrer wie uns eigentlich ein Paradies: Man darf mit wenigen Ausnahmen überall auf der Fahrbahn fahren. Es gibt ein paar Radwege hier und dort, die aber nur in ebenjenen Ausnahmefällen benutzungspflichtig beschildert sind (und diese Ausnahmen sind dann auch wieder total bescheuert und sinnlos), und der Großteil dieser Radwege ist auch total vermurkst: Entweder seit Jahrzehnten nicht mehr saniert oder irgendwie so lala in beide Fahrtrichtungen freigegeben oder wie auch immer.

    Nur: Außer mir und ein paar ADFC-Mitgliedern fahren dort nur noch die Rennradler auf der Fahrbahn, die für die Cyclassics im August trainieren. In den fünf Jahren, die ich dort studiert habe, sah ich äußerst selten einen Radfahrer auf der Fahrbahn. Stattdessen passiert dort an warmen Wochenenden etwas wunderliches: Es fallen Aberhunderte Radfahrer aus Hamburg ein, die unten an der Elbe entlangfahren, dann am Kraftwerk den Berg hochjuckeln müssen und anschließend den kompletten Weg zum Schulauer Fährhaus auf der falschen Straßenseite zurücklegen. Aberhunderte! Und von denen fahren vielleicht zehn Prozent auf der richtigen Seite.

    Ich habe keine Idee, wie man solche Leute vom Fahrbahnradeln überzeugen sollte — denn gleichzeitig klingt’s an diesen warmen Wochenenden unten am Fährhaus wie am Jungfernstieg, wenn die dicken Motoren vor sich hin blubbern. Echt kein guter Zeitpunkt, um auf der Fahrbahn zu radeln, denn wer ein dickes Auto fährt, will in der Regel keinen Radling vor sich haben. Und bei solchen Radfahrern weiß ich auch nicht, wie man sie davon abhalten sollte, auf der falschen Straßenseite zu fahren, wenn das vorher in Blankenese stellenweise über mehrere Kilometer weit erlaubt war und auch in Wedel plötzlich Pfeile und Blauschilder das Radeln auf der linken Seite vorschreiben.

    Ich glaube aber, dass man mit einer einheitlichen Infrastruktur solche Probleme wenigstens eindämmen könnte. Der momentane Stand, dass quasi nach jeder Kreuzung die Infrastruktur wechselt — Radweg erlaubt, Radweg vorgeschrieben, Gehweg erlaubt, Gehweg vorgeschrieben, alles noch mal auf der anderen Straßenseite, Fahrbahn erlaubt, Fahrbahn vorgeschrieben, Radfahrstreifen, Schutzstreifen — kapiert ja offenbar auch kein Mensch. Abschaffen den ganzen Mist und stattdessen eine einheitliche Streckenführung etablieren. Dann muss man noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, dass das Radfahren auf der falschen Seite eine schlechte Idee ist und dass Kraftfahrer beim Abbiegen nicht nur alle drei Tage, sondern jedes Mal mit Radfahrern rechnen müssen, die ganzen Sichthindernisse aus dem Weg räumen und schon wäre die Sache sehr viel einfacher. Kostet aber halt Geld und Mühe und Parkplätze — und insofern wird das wohl eher nicht passieren.

    Ich stelle mir aber so langsam die Frage, was denn wohl eigentlich das Ziel ist?

    • So viele Radfahrer wie möglich auf die Fahrbahn zu bringen? Ich gebe mal eine bewusst blöde Antwort: Einfach das Radfahren auf dem Radweg verbieten — wer sich dann noch auf den Sattel schwingt, muss zwangsläufig die Fahrbahn nutzen. Alle anderen Regelbrecher rigoros abkassieren.
    • Einen möglichst hohen Radverkehrsanteil zu erreichen? Ich vermute, das wäre mit einem separierten Radwege-Netz einfacher, weil das die meisten Menschen anspricht.
    • Das Radfahren möglichst sicher zu gestalten? Dann wäre eine Kombination aus separierten Radwegen an den Hauptverbindungsachsen und entschleunigten Wohngebieten sicherlich eine überlegenswerte Lösung.

    Allein die Sache mit dem Fahrbahnradeln sehe ich mittlerweile so: Die Menschen wollen’s einfach nicht. Ganz egal, was Studien und Untersuchungen über die objektive Sicherheit sagen. Ganz egal, wie oft der ADFC noch „Ab auf die Straße“ proklamiert. Ganz egal, wie toll und komfortabel das Fahrbahnradeln ist, ich kenne Dutzende Menschen, die außerhalb von Tempo-30-Zonen niemals auf der Fahrbahn fahren werden. Auf dem Wiesendamm genauso wenig wie auf der Hoheluftchaussee, der Elbgaustraße oder der Reichsbahnstraße. Die werden’s einfach nicht machen.

    Dann kann man sich entweder auf den Standpunkt zurückziehen, dass die alle keine Statistiken und Unfallberichte verstehen können oder ihnen die Infrastruktur anbieten, die sie so gerne möchten. Dann baut man eben an den Hauptverkehrsachsen einen Radweg hin — der möchte dann aber bitte deutlich breiter als der hanseatische Meter sein, dann kommt das ganze Geraffel an sichtverdeckenden Parkplätzen, Litfaßsäulen und nervigem Straßenbegleitgrün weg, dann wird der Kantstein zur Fahrbahn hin derart umgestaltet, dass ganz klar ist, wer hier Vorfahrt hat und wer in eine Einfahrt einfahren möchte und so weiter und so fort.

    Das ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss, gerade in einer Automobilnation wie Deutschland, aber ich bin der Meinung, dass so etwas besser funktionieren wird als noch ein paar Jahrzehnte lang „Ab auf die Straße“ zu rufen.

  • Ich denke auch, dass es ohne Radverkehrsanlagen nicht gehen wird. Es kommt aber auch darauf an, wie sie gemacht sind.

    So viele Radfahrer wie möglich auf die Fahrbahn zu bringen? [...]

    Einen möglichst hohen Radverkehrsanteil zu erreichen? [...]

    Das Radfahren möglichst sicher zu gestalten? [...]

    Alles unterstützenswerte Ziele, aber so pauschal kann man das nicht fordern, da muss man differenzieren:

    Ich halte es durchaus für möglich, außerhalb der Hauptverkehrsstraßen den Radverkehr auf die Fahrbahn zu bekommen. Das ist in den meisten Wohngebieten schon jetzt gut möglich. Unterstützen kann man dies leicht, wenn man Durchgangs- und Schleichverkehr verhindert. Damit sind Zustände wie im Grandweg nicht mehr möglich.
    Trotzdem werden viele weiter auf den Gehwegen rumfahren. Es wird wohl dauern bis das als normal angesehen wird, die Fußwege den Fußgängern zu überlassen, wenn jahrzehntelang die Geschichte von der bösen Fahrbahn Straße eingeimpft wurde. Mit meinem Sohn (8) fahre ich in Wohngebieten immer auf der Fahrbahn. Ich erzähle ihm dabei gebetsmühlenartig worauf er zu achten hat (Abstand zu Längsparkern, Schulterblick, Rücksicht auf Fußgänger, Fahrspur dichtmachen usw.). Selbst so ein Kind bemerkt schon, wo man besser vorankommt. Da wird wohl ein Generationswechsel nötig sein, bis sich das durchsetzt.

    Auf den Hauptverkehrsstraßen (die, wo sich die Verwaltung bald Begründungen für T50 aus den Fingern saugt smile.png) werden auch weiterhin nur die hartgesottenen auf der Fahrbahn fahren. Ich würde von mir ja schon behaupten, dass ich ein dickes Fell habe gegenüber den täglichen Drangsalierungen durch Kfz-Fahrer, aber bei erlaubten T60 mit 50cm Abstand überholt werden inklusive schneiden und abdrängen, darauf habe ich auch keine Lust. Da fahre ich dann lieber Alternativstrecken, sofern sich der Umweg in Grenzen hält oder lasse das Fahrrad halt ganz stehen.
    Wenn man nun den Radverkehrsanteil erhöhen will, und daran wird man für eine Lösung der Verkehrsprobleme in den Großstädten nicht vorbeikommen, muss man aber auch solche Strecken für den Durchschnittsradfahrer benutzbar machen. Denn es sind die Hauptverkehrsstraßen, die in der Regel die kürzeste Verbindung zwischen A und B darstellen. DIese Straßen benötigen in meinen Augen Radverkehrsanlagen, und zwar nicht diese 1m-Buckelpisten, deren einzige "positive" Eigenschaft es ist, dass man nicht auf der Fahrbahn fährt. Sondern Radverkehrsanlagen, die nicht nur subjektive, sondern auch objektive Sicherheit bieten. Dazu gehört für mich dann eine ausreichende Breite (>2m), Hindernisfreiheit, gute Sichtbeziehungen, ausreichen Sicherheitsabstände und vor allem eine konfliktfreie Signalisierung. Getrennte Ampelphasen zwischen Radverkehr und Abbiegern (rechts und links) werden nötig sein. Diese dürfen natürlich nicht so umgesetzt werden, dass man einfach die Grünphase für den Radverkehr kürzt.
    Von mir aus können die Radverkehrsanlagen auch gerne als Radfahrstreifen ausgeführt sein, wenn man das 2.-Reihe-Parker-Problem in den Griff bekommt. Hierfür sehe ich als Ansatz nur Strafzettel verteilen bis es auch der letzte verstanden hat. Bauliche Maßnahmen haben ja nur begrenzten Erfolg.

    Obige Ausführungen haben eher den Alltagsradverkehr im Fokus. Anders sieht es mit Wochenendverkehr/Tourismus aus. Hier steht wohl mehr der Komfort im Vordergrund. Es geht dabei um angenehm zu fahrende Strecken abseits der Hauptverkehrswege. Sicherheit ist abseits von Kfz-Verkehr viel leichter umzusetzen.

    In Deutschland neigt man ja immer dazu, nach der Eine-Lösung-für-alle-Probleme zu suchen. Wenn man glaubt, diese gefunden zu haben, werden zig Ausnahmeregelungen definiert, die die eigentlichen Ziele untergraben, so dass am Ende nur Murks herauskommt, wie man ihn in jeder deutschen Großstadt zur Genüge bewundern kann. Es fehlt halt die Struktur im Denken, "mehr Radwege/-streifen=mehr Radverkehrsanteil" so einfach ist das leider nicht. Auch wenn sich die Politik durch den trotzdem! steigenden Radverkehrsanteil immer wieder bestätigt sieht.

  • Hi,

    Bei Radverkehrsanlagen ist eben die Gestaltung von Kreuzungen und Zufahrten sehr wichtig. An diesen sollte der Radverkehr auf Radfahrstreifen geführt werden, weil diese auf Fahrbahnniveau ernster genommen und mehr beachtet werden und natürlich nicht über verschwenkte, abgesetzte Furten. An unsignalisierten Kreuzungen sollte der Radweg frühzeitig in einen Radfahrstreifen überführt werden, damit Rechtsabbieger Radfahrer vorher überholen. Auch für den einbiegenden Verkehr sind Radfahrstreifen viel besser, da so Fahrbahn und Radfahrer mit einem Blick erfasst werden können.

    An signalisierten ist das Problem, dass Radfahrer am Ampelstau vorfahren und dann plötzlich von hinten kommen. Hier sollte dann der Radfahrstreifen zwischen dem Rechtsabbiegestreifen und Geradeausfahrstreifen angelegt werden. (Veloweiche)
    Bsp
    Wenn der Platz dafür nicht vorhanden ist, könnte man evtl. einen gemeinsamen Fahrstreifen für Rechtsabbieger und Radfahrer anlegen, wie er in Kopenhagen verwendet wird; ist aber in Dt. im Gegensatz zur Veloweiche nicht Standard.
    Bsp
    Bei Beiden machen Rechtsabbieger einen Fahrstreifenwechsel auf oder über den Radfahrstreifen; dabei einen Radfahrer zu übersehen ist sehr unwahrscheinlich.

  • Bei Beiden machen Rechtsabbieger einen Fahrstreifenwechsel auf oder über den Radfahrstreifen; dabei einen Radfahrer zu übersehen ist sehr unwahrscheinlich.

    Ist natürlich total geil, dass man sich in Hamburg dann darauf beruft, dass Radfahrstreifen Teil der Fahrbahn wären und insofern für den Radfahrer erst einmal § 10 StVO gilt, bevor er dem Kraftfahrer in die Quere kommen könnte.

  • Vergiss einfach mal diese haarsträubende Hamburg-spezifische "Begründung".
    Wenn Rechtsabbieger so geführt werden, läuft es tatsächlich viel entspannter. Klar, auch da gibt es noch die max. 1 % Deppen, die einen beim Spurwechsel schneiden. Die wird man mit keiner noch so raffinierten Lösung ausschalten können.

    Weiteres Positiv-Beispiel aus Deutschland: Kressengartenstraße in Richtung Osten (auf Streetview nur aus der Seitenstraße verfügbar, veraltete Ansicht)

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Ich möchte eigentlich auch behaupten, dass Amsterdam oder Kopenhagen ohne die ganze separierte Infrastruktur einen sehr viel niedrigeren Radverkehrsanteil hätten.
    In mehreren Videos, die so im Netz herumfliegen (ich habe aufgrund meiner langsamen UMTS-Verbindung momentan leider keines zur Hand), wird ja beschrieben, wie sich der Radverkehrsanteil entwickelt hat: Indem man ganz radikal einfach breite, separierte und ebene Radwege durch die Stadt gebaut hat — und mit der Infrastruktur kamen auch die entsprechenden Nutzer. Das ist eben wie beim Auto: Baut man die Fahrbahn noch breiter, kommen noch mehr Autos.

    Inzwischen möchte Kopenhagen Radwege bauen, die so breit sind wie Fahrspuren. Moment ... Du weisst, worauf ich hinaus möchte.

    Was wissen wir denn? Zum Beispiel:

    • Die Menge an Radfahrern hat zugenommen.
    • Die Menge an Radwege hat zugenommen.
    • Es gibt Grüne Wellen für Radfahrer.
    • Es gibt große Medienkampagnen.
    • Kopenhagen hat Ernst gemacht.

    1 und 2 Zusammen ist eine Koinzidenz. Mehr nicht. Noch nicht einmal eine Korrelation. Daraus auf eine kausale Beziehung zu schließen, ist logisch nicht haltbar.

    Wegen 3 verlieren die Autos einen Zeitvorteil. Da gibt es enen objektiven Vorteil (oder besser Nichtnachteil) für Fahrrad. Da eine Kausalität zu vermuten ist viel naheliegender.

    Aus Langenllois, auch wenn es noch so klein ist, wissen wir, dass es bei 4 einen kausalen Zusammenhang gibt.

    In Kopenhagen ist es inzwischen so weit, dass sich auf Radwegen Staus bilden. Auch auf deren Breiten. Damit stellen sie sogar einen Nachteil gegenüber den freien Fahrbahnen dar. Vielleicht kann man ja sagen, dass Kopenhagen seinen hohen Radverkehrsanteil trotz der Radweg hat. Dieses Problem hast Du doch selber in einem anden Thread auf den Tisch gebracht.

    Zitat von Malte


    Ich stelle mir aber so langsam die Frage, was denn wohl eigentlich das Ziel ist?

    • Soviele Radfahrer wie möglich auf die Fahrbahn zu bringen? [...]
    • Einen möglichst hohen Radverkehrsanteil zu erreichen? [...]
    • Das Radfahren möglichst sicher zu gestalten? [...]

    Nein. Nein. Nein. Das Ziel muss sein, das Fahrrad zu einem gleichwertigem (höherwertigem) Verkehrsmittel zu machen. Dann kommt nämlich der Rest von ganz allein.

    In Deutschland stellt es leider einen sozialen Abstieg dar, aufs Rad zu steigen. Man ist auf einmal minderwertig. Man zahlt keine Steuern, ist Schmarotzer, dem Verkehr im Weg. Das muss ein Ende haben. Dann kommt nämlich der Rest von ganz allein.

    Zitat von Malte

    Allein die Sache mit dem Fahrbahnradeln sehe ich mittlerweile so: Die Menschen wollen’s einfach nicht. Ganz egal, was Studien und Untersuchungen über die objektive Sicherheit sagen. Ganz egal, wie oft der ADFC noch „Ab auf die Straße“ proklamiert. Ganz egal, wie toll und komfortabel das Fahrbahnradeln ist, ich kenne Dutzende Menschen, die außerhalb von Tempo-30-Zonen niemals auf der Fahrbahn fahren werden. Auf dem Wiesendamm genauso wenig wie auf der Hoheluftchaussee, der Elbgaustraße oder der Reichsbahnstraße. Die werden’s einfach nicht machen.

    Wundert Dich das? Die Automobillobby hat mehrer Generationen Zeit gehabt, die Straße Fahrbahn zu einem Risikogebiet für andere zu erklären. Das kann man nicht von heute auf morgen rückgängig machen. Den Versuch deswegen aber bleiben lassen? Zuerst fährt man in Wohnstraßen, dann auf kleinen Hauptstraßen, dann .. Kommt Zeit, kommt Erfahrung.

    Man kann dabei sogar Hauptverkehrsstraßen aus dem Stand fahrradfreundlicher machen. Kopenhagen gibt einen Hinweis: Wenn Autos nicht schneller als Fahrräder sind, ...
    Warum soll die Kieler von Tempo 30 ausgenommen sein? Das dient doch nur dazu, den KRaftfahrern menshenverachtende Geschwindigkeiten zu erlauben. Wir bauen Radwege, drängen Radfahrer an den Rand, um Autofahrern das Rasen zu ermöglichen, das die Begründung für die Radwege liefert. Das nennt sich Teufelskreislauf. Da habe ich keinen Bock mitzumachen.
    Zieht man es ernsthaft durch, schlägt man viele Fliegen mit einer klappen. Radfahren wird attraktiver, Städter lebenwerter, der Verkehr ruhiger, die Umwelt geschützt, die Gesundheit gesteigert, die Staats- und Sozialkassen geschont, ...