Ich bin heute nach Feierabend mal im Optional-PvP-Modus von der Sternbrücke in Hamburg bis kurz vor Lurup gefahren. Entlang der Stresemannstraße, der Bahrenfelder Chaussee und der Luruper Chaussee befindet sich laut Medienberichten momentan „Hamburgs schlimmste Baustelle“ und „eine Zumutung für alle Autofahrer“. Details zu der Arbeitsstelle finden sich beim LSBG, prinzipiell handelt sich um eine knapp fünf Kilometer lange Baumaßnahme, die in zwei Abschnitte unterteilt ist: Im Osten führt eine Einbahnstraße nach Westen, anschließend beginnt eine Einbahnstraße in entgegengesetzter Richtung. Die jeweils andere Fahrtrichtung hat eine Umleitung bekommen (die man sich als nicht-motorisierter Verkehrsteilnehmer auch mal ansehen sollte, weil man da teilweise ziemliche Umwege beim Überqueren von Kreuzungen in Kauf nehmen muss).
Ich bin dort heute mal langgefahren und habe meine Fahrt auf einem 25-minütigen Video auf YouTube hochgeladen.
Und bevor es jemand bemängelt: Ja, ich habe mich nicht an die Verkehrsregeln gehalten. Ich bin tatsächlich so gefahren, wie es ein normaler Radling ohne Radverkehrspolitik-, Radverkehrsforum- oder Verkehrsportal-Ausbildung täte. Vielleicht gebe ich mir auch noch mal den Hardcore-PvP-Modus auf der einstreifigen Fahrbahn, aber das traue ich mich nicht so richtig.
Falls ihr nicht das komplette Video sehen wollt, folgt unterhalb eine Liste mit eventuell sehenswerten Stellen.
- 0:07: Hochsicherheitsradweg unter der Sternbrücke.
- 0:20: Spaß mit Falschparkern. Eigentlich kann man hier nicht mehr mit dem Rad fahren, weil man bei wie aus dem Nichts angeschossen kommenden Fußgängern nicht mehr rechtzeitig bremsen könnte.
- 0:27: Zeichen 237 kündigt von einem benutzungspflichtigen Radweg. Benutzungspflichtiger Radweg wurde nicht gefunden.
- 0:34: Scheiß drauf, es fahren eh alle ordnungswidrig auf dem Gehweg, dann mache ich das jetzt auch. Total geile Sache: Rechts die Treppe zum Keller, links eine Mülltonne, ein paar Fußgänger und das alles auf etwa 2,5 Metern.
- 0:41: Eine Art Baustellen-Tunnel, der immerhin die aus dem Bus hüpfenden Fußgänger zurückhält. Was machen eigentlich Rollstuhlfahrer, die hier aus dem Bus steigen wollen? Bis zur nächsten Station fahren?
- 0:45: Der Gegenverkehr muss warten. Schade Schokolade.
- 0:53: Das selbe Spiel noch mal, nur etwas enger und mit dreifacher Beschilderung. Ja, Hamburg will ganz sicher eine Fahrradstadt werden.
- 1:03: Spannend: Kraftling von rechts. Wird er mich sehen?
Dann passiert eine Weile erstmal nichts, man kann aber bestaunen, wie sich relativ viele Radfahrer mit relativ wenig Platz zufrieden geben. Man stelle sich vor, welcher Radverkehrsanteil in Hamburg möglich wäre, gäbe es eine vernünftige Infrastruktur.
- 3:15: @DMHHs Lieblingsarbeitsstelle mit Gerüststellung mitten auf dem Radfahrstreifen.
- 5:30: Hardcore-Kampfradler-Begegnung im engen Tunnel. Das war auch keine Glanzleistung von mir.
Jetzt wird es endlich spaßig, ab 8 kann man sich das eigentlich ganz ordentlich reinziehen:
- 8:00: Ampel mit Fußgängerverkehr, Mülltonnen und Kampfradlerin.
- 8:21: Gemeinsamer Fuß- und Radweg von insgesamt einem Meter Breite. Im Endeffekt können da nicht einmal zwei Fußgänger nebeneinander laufen.
- 8:31: Großartige Verkehrsführung für Radlinge. Immerhin sind die Kanten angeschrägt und man fällt anschließend weich im Sandbett.
- 8:45: Weiter geht’s auf dem superschmalen Gehweg — ab hier verhalte ich mich ordnungswidrig, denn in Ermangelung eines Zeichens 240 handelt es sich um einen reinen Gehweg. Ich müsste also eigentlich absteigen und schieben.
- 9:20: „Der Radverkehr wird sich seinen Weg suchen“ — irgendwie schlängele ich mich ordnungswidrig durch den Fußgängerbereich und stelle fest, dass ich anschließend auf der Fahrbahn in der falschen Fahrtrichtung durch den wartenden Querverkehr fahren soll… oder doch nicht? Wer weiß das schon.
- 8:35: Und nun? Keine Beschilderung, kein Radweg, aber ich fahre ordnungswidrig eine Weile auf dem Gehweg herum.
- 10:08: Warteschleife für Fußgänger. Dort ist kein Begegnungsverkehr möglich.
- 10:25: Ab jetzt wieder Radweg.
Nun passiert erstmal nicht so viel, das kann man schön überspringen:
- 11:24: Interessante Verkehrsführung für nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer.
- 12:58: Ich halte sicherheitshalber an — wer weiß, ob mich der Rechtsabbieger mit abgedunkelten Scheiben wahrgenommen hat. Selbst wenn er dann merkt, dass da ein Radfahrer am Fahrbahnrand steht, kann ich nicht weiterfahren, weil wir beide womöglich zum selben Zeitpunkt die Idee mit dem Weiterfahren haben. Im Endeffekt endet das für mich unter der Motorhaube, also lasse ich ihn sich aufregen und fahre anschließend weiter.
Ab Minute 13:22 beginnt der zweite Teil der Arbeitsstelle:
- 13:22: Normalerweise darf man etwa ab hier auf der Fahrbahn radeln. Wegen der Arbeitsstelle ist das aber offenbar so gefährlich, dass Radfahrer aus Sicherheitsgründen auf dem wegen der Arbeitsstelle total engen Rad- oder Gehweg fahren müssen.
- 13:28: In Ermangelung passender Beschilderung weiche ich ordnungswidrig nach rechts auf den Gehweg aus.
- 13:38: Gar nicht so leicht, nicht in das Lichtraumprofil des Gehweges zu stoßen.
- 13:53: Radlinge Richtung Von-Sauer-Straße sollen geradeaus fahren. Prima. Geht nur leider nicht geradeaus. Stattdessen muss man um diesen blauen Container herumgondeln, den Pfosten ausweichen und dann den abgesenkten Kantstein herunterpurzeln.
- 14:04: Gottseidank — das erste Mal seit gefühlt fünfhundert Metern begehe ich keine Ordnungswidrigkeit, denn dort am Mast prangt beinahe unsichtbar ein Zeichen 240, das mir eine Weiterfahrt ermöglicht.
- 14:16: Theoretisch könnte man hier auf die Fahrbahn wechseln, allerdings stehen die Wegweiser für Radfahrer noch immer auf dieser komischen Nebenfläche und in weiter Ferne winkt schon das nächste Zeichen 240.
- 14:24: Radlinge links abbiegen. Aha. Soll ich da tatsächlich durch die Grundstückszufahrt an die Fußgängerampel rollen, um mich dort auf die Fahrbahn einzuordnen? Oder ist eher gemeint, dass man als Radfahrer der Linkskurve des Radweges folgen soll, weil ja im Hintergrund immer noch das besagte Zeichen 240 wartet? Es folgen also weitere ordnungswidrige Meter halb auf dem Radweg, halb auf dem Gehweg.
- 14:49: Super Verkehrsführung über eine Sackgasse.
- 14:55: Endlich keine Ordnungswidrigkeiten mehr.
- 15:03: Tja: Hier auf die Fahrbahn wechseln oder mit Schrittgeschwindigkeit auf dem Gehweg weiterrollen? Ich entscheide mich für die Fahrbahn, schließlich will ich mir nicht noch die Gabel brechen. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass die Behörde eigentlich nicht möchte, dass man hier auf der Fahrbahn rollt.
- 15:40: Aus Sicherheitsgründen muss ich hier wieder auf den Gehweg wechseln. Weil ich unvorsichtig bin, lege ich mich auf der Schotterstrecke beinahe lang. Das war wohl die Strafe für das ordnungswidrige Abbiegen: Eigentlich müssen Fahrzeuge hier geradeaus fahren.
- 16:02: Die Umleitung für Radlinge führt geradeaus. Tatsächlich geradeaus? Oder eigentlich links herum? Weiß man, ob es wirklich eine Umleitung gibt? Oder nicht? Oder doch? Weil ich nicht noch mehr Ordnungswidrigkeiten begehen möchte, biege ich links ab, schließlich verwehrt mir das Zeichen 250 die Einfahrt.
- 16:20: Aha, der Geradeaus-Pfeil bedeutet also gar nicht geradeaus, sondern links herum. Hier erlöst mich wieder das Zeichen 240 von sämtlichen Ordnungswidrigkeiten.
- 16:30: Ein Spaß für Jung und Alt. Schäden am Material sind garantiert, sowohl beim Zweirad als auch beim Rollator.
- 16:34: Eine Maus!
- 17:18: Tja, und nun? Ordnungswidrig weiter auf dem Gehweg fahren? Oder auf die Fahrbahn wechseln, wo gerade ein Kampfradler trotz Zeichen 240 an mir vorbeizog?
- 17:38: Dumdidum, um die Arbeitsstelle rum.
- 17:58: Plötzlich ein reiner Gehweg. Hinter mir eine Umleitung für Kampfradler, die auf der falschen Straßenseite unterwegs sind — das ist bei den Gehwegbreiten echt eine Herausforderung. Große Frage: Für welche Fläche gilt nun das Zeichen 239? Soll ich nun versuchen, mich über die Fußgängerampel auf der Fahrbahn einzuordnen? Oder hat die Behörde diese komische Kanalisation auch für Radfahrer vorgesehen? Oder fehlt dem Zeichen 239 einfach noch ein „Radfahrer frei“?
- 19:38: Puh, endlich geschafft. Nun könnte ich in Ermangelung blauer Beschilderung weiter auf der Fahrbahn radeln, aber ich weiß ja, dass die Arbeitsstelle gleich noch weitergeht und ich will natürlich den Verkehr nicht behindern und so weiter und so fort, also bleibe ich artig auf dem bestens ausgebauten und breiten Radweg.
- 20:54: Radweg-Ende. Immerhin gibt es einen freigegebenen Gehweg, auf dem ich ordnungswidrig schneller als Schrittgeschwindigkeit rolle.
- 21:00: Zurück auf dem Radweg.
- 21:07: Ein großer Spaß: Verengter Radweg von links, Kampfradler von rechts, dann eine Bake mit losen Steinen gleich dahinter.
- 21:17: Noch mal Radweg-Ende. Weiter hinten lockt ein Zeichen 239, das ich als Kampfradler natürlich großzügig ignoriere.
- 21:26: Es nähert sich ein Kampfradler, der sich sogar noch für meine Warterei bedankt. Vielleicht sollte er lieber die Verkehrsregeln studieren.
- 21:58: Obwohl dieser Abschnitt keinen besseren Eindruck als der vorherige macht, darf man hier jetzt wieder aufsatteln und mit Schrittgeschwindigkeit radeln.
- 22:39: Noch mal ein Schild für die vergesslichen Radlinge.
- 23:07: Wie aus dem Nichts komme ich angeschossen.
- 23:13: Weiter geht’s auf dem freigegebenen Gehweg.
- 23:43: Auffahrt auf den alten Hochsicherheits-Hochbord-Radweg. Natürlich nur mit Schrittgeschwindigkeit.
- 24:52: Fast geschafft. Jetzt noch mit Höllenspeed durch die Bushaltestelle brettern, dann bin ich fertig.
Und tatsächlich wüsste ich allzu gerne, was man hier wohl wirklich angeordnet hat.