Verkehrshindernisse § 32 StVO

  • Hallo, ich hatte eine E-Mail an das Tief- und Hafenbauamt Rostock versendet mit dem Hinweis und der Bitte diverse Poller und Drängelgitter auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Beigefügt hatte ich den Absatz von Rechtsanwalt Herrn Dr. Dietmar Kettler aus dem Buch Recht für Radfahrer 3.Auflage und adfc-hessen.de/public_download…ler_Umlaufsperren_www.pdf. Als Antwort erhielt ich dies: 1drv.ms/1OcBdhPDa für gewöhnlich Radwege mit allerlei Arten von Gittern, Pollern, Masten, Blitzersäulen und sogar Steinen dekoriert sind, muss ich damit rechnen. Sind sie also keine Hindernisse nach § 32? Was ist verkehrsfremd und was verkehrsüblich/ gewohnt? Im Laufe meines Lebens habe ich mich an vieles gewöhnt, soll aber nicht heißen, dass das immer gut war/ ist. Die Behörde ist der Meinung, dass ich verkehrsgefährdende Objekte melden sollte. Steht es mir überhaupt zu, die Aufgaben der Behörden zu übernehmen? In Rostock stehen gefühlt 10000 Poller u.ä. Nicht wenige Drängelgitter zwingen einem zum zu Fuß gehen. Ist es also aussichtslos hindernisfreie Fahrbahnen zu erhalten?

  • §32 sehe ich hier auch nicht anwendbar, gerade weil Poller+Gitter auch in §43 explizit benannt werden.

    Warum §45 nicht einschlägig sein soll, weiß ich aber nicht.
    "Im Übrigen bestimmen die Straßenverkehrsbehörden, wo und welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen und zu entfernen sind" heißt doch, dass die Straßenverkehrsbehörde anordnet "Hier muss ein Poller hin!"
    Die Straßenbaubehörde darf höchstens noch sagen ob der in Neon oder Tarnfleck ausgeführt wird bzw. auch die Größe.

    §45 Abs.9 dürfte also auch relevant sein.

    Poller machen insbesondere dann Sinn, wenn man Autos daran hindern will, irgendwo hinzufahren, wo sie nicht fahren dürfen.

    Kennst du einen wirklich unmotivierten Poller? Dann verklag ihn, zeig ihm dass auch für ihn Gesetze gelten!

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Anders ausgedrückt: Poller werden dort aufgestellt, wo Autofahrer Verkehrszeichen oder Verkehrsregeln regelmäßig ignorieren.

    Nicht ganz: ich habe noch nirgends abgepollerte Busspuren oder mit Pollern bestückte durchgezogene weiße Linien gesehen. Oder dass Stoppschilder mit versenkbaren Pollern kombiniert werden: erst wenn das Auto steht, senken sich die Poller ab und gehen nach jedem Auto wieder hoch - wie bei der Schranke im Parkhaus.
    So etwas wäre selbstverständlich viiiiiel zu gefährlich ...

  • ich habe noch nirgends abgepollerte Busspuren oder mit Pollern bestückte durchgezogene weiße Linien gesehen.

    In Frankfurt gibt es - noch - das hier:
    Mit Hilfe dieser sogenannten Flexi-Poller wird vermieden, dass Taxis den Radstreifen als Parkplatz missbrauchen, um Gäste des nebenan gelegenen Hotels ein- und aussteigen zu lassen.
    Allerdings soll sich dieses aus Radfahrersicht komfortable Situation zu ihren Ungunsten und zu Gunsten des Hotels ändern. Deshalb oben auch das "noch". Interessierte können das hier nachlesen:

    Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. - Albert Einstein

  • Da macht sich das die Hansetadt Rostock aber einfach. Poller die im Verkehrsraum stehen, müssten jeweil angeordnet sein. Alles Andere ist illegal und gehört weg.

    Übrigens steht in §43 auch "(3) Verkehrseinrichtungen nach Absatz 1 Satz 1 ergeben sich aus Anlage 4."

    In der Anlage 4 sind Pfosten nicht aufgeführt. Es gab da schon einmal ein Urteil, welches sich darauf bezog und in dem die Richter die Anlage als verbindlich und abschließend angesehen haben. Der Zusammenhang war zwar ein Anderer aber der Pfosten wurde als nicht möglich ausgeurteilt:

    Zitat von VG Koblenz AZ 4 K 774/09.KO

    Die Zusicherung war von Anfang rechtswidrig, denn sie verstieß gegen §45 Abs. 9 Satz 1 StVO. Danach durften Verkehrseinrichtungen nur dortangeordnet werden, wo sie aufgrund der besonderen Umstände zwingend gebotenwaren.
    ....
    Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 StVO n.F. sind Verkehrseinrichtungen rot-weißgestreifte Schranken, Sperrpfosten, Absperrgeräte sowie Leiteinrichtungen. Nach § 43 Abs. 3 Satz 1 StVO n.F.ergeben sich die Verkehrseinrichtungen nach Absatz 1 Satz 1 aus der Anlage 4.Die Anlage 4 enthält in Abschnitt 1 die rot-weiß gestreiften Kennzeichnungenfür vorüber-gehende Hindernisse und in Abschnitt 2 die Einrichtungen zurKennzeichnung von dauerhaften Hindernissen oder sonstigen gefährlichen Stellen.Mit Ausnahme des Zeichens 620 (Leitpfosten) sind alle Verkehrseinrichtungenrot-weiß gestreift. Die Anlage 4 enthält keine „Sperrpfosten“, obwohl § 43 Abs.1 Satz 1 StVO n.F. nach wie vor Sperrpfosten erwähnt. Dieser scheinbareWiderspruch lässt sich dadurch auflösen, dass die in der Anlage 4 genanntenZeichen auch ortsfest mit Pfosten im Straßenraum verankert werden können, sodass sie zugleich die Funktion von Sperrpfosten übernehmen. Jedenfalls folgt ausder ausdrücklichen Verweisung des § 43 Abs. 3 Satz 1 StVO n.F. auf die Anlage4, dass die Darstellungen in der Anlage 4 abschließender Natur sein sollen.Dies ergibt sich auch aus der amtlichen Begründung zur 46. Verordnung zurÄnderung straßenverkehrs-rechtlicher Vorschriften (BR-Drucks. Nr. 153/09).Danach ermöglicht es die neue Struktur in der Anlage 4, „sämtlicheVerkehrseinrichtungen“ auf einen Blick zu erfassen (a.a.O. S. 101). Deshalbkönnen (bloße) Poller seit dem 1. September 2009 nicht mehr als Sperrpfostenbzw. als Verkehrseinrichtungen im Sinne des § 43 StVO n.F. betrachtetwerden. Sie sind allenfalls Straßenzubehör im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 4 LStrG(Verkehrsanlagen aller Art), wenn sie der Sicherheit und Leichtigkeit desStraßenverkehrs oder dem Schutz der Anlieger dienen. Andernfalls sind sie Gegenständeim Sinne des § 32 StVO.

    Gegen das Urteil konnte Berufung eingelegt werden. Ich habe darüber (dieses Urteil) mit Ra Dr. Kettler gesprochen und ihn gefragt, ob er aus seinen Quellen als Anwalt herausfindet ob Berufung eingelegt wurde. Einige Tage später bekam ich die Information, das es nach seinen Recherchemöglichkeiten keine Berufung gab.

    Insofern macht es Sinn gegen Poller allgemein vorzugehen. Aber die Richter am VG Schwerin haben keine Lust sich in das Thema einzuarbeiten. Das ist jedenfalls meine (negative) Erfahrung bisher.

  • Die sind ja aus Plastik und flexibel - das giltet nicht, würde Heinz Erhart sagen!

    Und besagt nicht die Schraffur, dass ich auch als Radfahrer links davon fahren muss?

    **** grrrrr **** Immer diese Radfahrer Autokorrektur! Erhardt habe ich eingetippt!!! Nicht Erhard und auch nicht Erhart!!! Da schaut man einmal nicht nach dem Tippen nochmals drüber, und dann sowas!

  • Anders ausgedrückt: Poller werden dort aufgestellt, wo Autofahrer Verkehrszeichen oder Verkehrsregeln regelmäßig ignorieren.

    Sagen wir besser sie sollten/können/dürfen dort aufgestellt werden, wo Autofahrer Verkehrszeichen oder Verkehrsregeln regelmäßig ignorieren. Ich habe etliche Stellen in meiner Wohnumgebung, an denen Poller dringend notwendig wären, die Polizei sie aber ablehnt, weil der "Parkdruck" so groß ist, dass die ignoranten Autofahrer auf diese illegalen "Parkplätze" "angewiesen" sind. :cursing:
    (Diese Begründung stammt natürlich nicht von der Polizei, ist aber die einzig plausible...)

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • Vielen Dank für die wertvollen Tipps. Leider stehen in Rostock recht viele Poller und Schranken auf Geh- oder Radwegen, aber auch auf angedeuteten Gehwegen im Verkehrsberuhigten Bereich. Im Landkreis Rostock liegen auch schon mal Feldsteine auf dem Radweg. Die Behörde schreibt, dass sie mit Hilfe von Pollern das Befahren von Geh- und Radwegen verhindern will. Bei Gehwegen sehe ich das ja noch irgendwie ein. Radwege soll ich doch aber befahren, oder doch nicht? Die Behörde meint, dass Verkehrshindernisse nur sind, wenn man nach Art der Straße und verkehrsüblicher Nutzung nicht mit solchen Gegenständen zu rechnen braucht. Da Radwege bekanntermaßen mit Gegenständen vollgestellt sind, heißt das etwa, dass das üblich ist und ich damit rechnen muss?

  • Was die Behörde "meint" muss ja nicht richtig sein. Meist ist für die Straßenverkehrsbehörde der Radfahrer ja auch kein Verkehr..... Das müssen wir ihnen beibringen.... leider auch den zuständigen Richtern.

    Da Radwege bekanntermaßen mit Gegenständen vollgestellt sind, heißt das etwa, dass das üblich ist und ich damit rechnen muss?

    Das meinen ja auch die Richter in Münster, ein aktuelles Problem hier im Forum zu lesen....

  • Die Behörde beruft sich auf einen in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz: Verkehrsteilnehmer müssen die Straße genrell so hinnehmen, wie sie sie vorfinden und ihr Fahrverhalten hierauf einrichten. Allerdings gibt es noch weitere Grundsätze, die in die Abwägung einbezogen werden müssen, die die Behörde hier elegant unterschlägt/ignoriert. Zwei Faktoren sind ausschlaggebend: 1. die Erkennbarkeit der Gefahr und 2. die möglichen Folgen bei einem Unfall aufgrund der Gefahr.

    Normalerweise gilt: je besser erkennbar die Gefahr, desto geringer die Notwednigkeit des Eingreifens. Aber! Dieser Grundsatz wird durch den 2. Faktor eingeschränkt: je größer die Gefahr für Leib und Leben, desto größer die Notwendigkeit des Eingreifens auch bei guter Erkennbarkeit der Gefahr.

    Du solltest also dahingehend argumentieren, dass die Poller trotz guter Erkennbarkeit dennoch eine nicht hinnehmbare Gefahrenquelle darstellen, da die Gefahr schwere Unfälle droht. Insbeondere beim Fahren im Pulk werden Poller leicht übersehen oder werden bei oft auf schmalen Radwegen nötigen Ausweichmanövern zum Hindernis, dass insbesondere für ungeschützte Zweiradfahrer gravierende Unfallfolgen auslösen kann.

  • Ich zitiere mal aus den RASt06:

    "Absperrelemente sollen nur angewendet werden, wenn damit für Fußgänger, Radfahrer und Bepflanzungen größere Nachteile vermieden werden können und die Mindestsichtfelder und die notwendigen Mindestlichtweiten
    der Seitenraumflächen (vgl. Breitenzuschläge nach dem Abschnitt 4.6) nicht eingeschränkt werden. Poller können daher wie Parkuhren in einem Abstand von 0,25 m vom Fahrbahnrand angeordnet werden, sofern sie mindestens 0,90 m hoch sind.
    Im Zuge straßenbegleitender Radwege können Poller bei ungenügendem Sicherheitsabstand zu großen Gefährdungen des Radverkehrs führen." Quelle: RASt06, Seite 129


    Ich leite daraus ab: Poller dürfen unter keinen Umständen mitten auf der Fahrbahn des Radweges stehen. 1. Muß die lichte Breite von mind. 1m (80cm bei beengten Verhältnissen laut RASt06 +25cm je Seite erfüllt sein. 2. gilt diese Mindestdurchfahrtbreite von 1,50 bzw 1,30 nur für einspurige Fahrräder. Heutzutage muß aber auch mit mehrspurigen Fahrrädern geplant werden, so dass diese Mindestdurchfahrtbreite eher höher anzusetzen wäre.


    Also dranbleiben und berichten bitte!

  • Heutzutage muß aber auch mit mehrspurigen Fahrrädern geplant werden,

    Unsere Behörde sagt dir da glatt Fahrräder mit Anhänger und Dreiräder sind eine "Sache" für sich, die müssen ja nicht auf den Radweg.
    Aber wir waren hier ja bei Pfosten, die Durchfahrtsbreite muss auch immer für Rollstuhlfahrer und Kinderanhänger machbar sein. Das ist ein Ansatz.

    @Sturkopp versuch mit Deinem Anliegen mal den adfc in Rostock zu kontaktieren. Ich mache dort gerade etwas Druck, eventuell lassen die sich dann auf mehr "Verkehrspolitik" ein wenn wir mehr werden.

  • Bei diesen ganzen Sachen muss ich die Betroffene sein. Ich habe keinen Fahrradanhänger. Wenn ich einen hätte, dürfte ich legal bei diesen schmalen Radwegen auf der Fahrbahn fahren. Aber ich fahre oft mit sperrigen Sachen auf dem Gepäckträger. Lt. StVZO dürfen solche Sachen bis zu 40 cm seitlich vom Rücklicht abstehen. Mein Rücklicht ist so breit wie der Gepäckträger, ca. 15 cm. Alles zusammen macht dann 95 cm. Da ich aber weiterhin ein einspuriges Fahrzeug bleibe, darf ich nicht die Fahrbahn benutzen. Lt. VwV gehen die Mindestmaße von einem 60 cm breiten Fahrradlenker aus, aber die ERA2010 von einem 60 cm Radfahrer. Und dann gibt es den Gutachter (OLG Hamm (Urteil vom 18.12.2003 - 6 U 105/03 ) der feststellt: "unter Einschluss der beim Radfahren nach außen gewinkelten Arme wurde eine Körperbreite von ca. 0,75 m gemessen. Hinzu kommen die seitlichen Abweichungen von der Fahrlinie eines Fahrrades, die nach beiden Seiten mit je bis zu 25 cm zu kalkulieren sind." Es gibt also mindestens 3 Varianten für die Grundlage von befahrbaren Mindestbreiten. Und es gibt an der L22 einen ca. 45 m langen Abschnitt eines Bordsteinradwegs, der ist incl. Bordsteinkante 1,30 m breit und ist rechts durch Bügel und Wartehallen begrenzt. Demzufolge fahren die mit Anhänger auf der falschen Seite und da engen Verteilerschränke, Grünes und Masten den komb. Geh- und Radweg noch ein.

    Mit dem ADFC hatte ich in Rostock leider bisher keine guten Erfahrungen in verkehrspolitischer Sicht gehabt.