Woche 45 vom 04. bis 10. November

  • Auch die nicht-bürgerlichen Fahrradbubble-nahen Redakteure bei Tagesspiegel, TAZ und neuerdings auch BZ wissen, dass gute Nachrichten nicht geklickt werden und schreiben entsprechend.

    Gestern aus Frankreich neues Beispiel fürs Bedienen des "Radfahren gefährlich"-Narrativs.

    Man beachte den düsteren Unterton in Schlagzeile und Text:

    "schon wieder" Fahrerflucht - was gar nicht stimmt, denn der SUV-Fahrer von Paris blieb am Ort des Geschehenes.

    "Erneut" Radfahrer getötet - was denn sonst; in einem Land mit 65 Mio Einwohnern und knapp 10% Radverkehrsanteil stirbt jeden 2. Tag jemand irgendwo beim Radfahren, da ist ein Abstand von paar Wochen zwischen zwei willkürlich ausgewählten Ereignissen ohne jede Aussagekraft. Zumal die beiden vermeintlich miteinander verknüpften Ereignisse vom Hergang offenbar auch nichts weiter miteinander zu tun hatten: im ersten Fall eskalierende Straßenwut in der zugestauten Pariser Innenstadt, im anderen Fall war es wohl eher Augenblicksversagen auf der Landstraße bei Dunkelheit mit anschließender Flucht.

  • Was ärgert dich eigentlich mehr?

    Ich kann das durchaus nachvollziehen, dass es dich ärgert, wenn über Fahrradfahren so oft im Zusammenhang mit Unfällen berichtet wird. Das schreckt Menschen ab, das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel zu nutzen.

    Ist es denn so, dass über Autofahren seltener im Zusammenhang mit Unfällen berichtet wird?

    Tatsächlich ist es ja so, dass das Autofahren höhere Todesopfer-Zahlen hervorbringt. Trotzdem meinen viele, in ihrem Panzer aus Blech sicher unterwegs zu sein. Warum gelingt es anscheinend nicht, das deutlich zu machen? Sollte mehr über Autounfälle berichtet werden, oder weniger über Fahrradunfälle? Und wie sollte deiner Meinung nach ein Interessensverband wie der ADFC diese Trendwende herbeiführen? Es gilt immerhin die Pressefreiheit.

  • Ich bin nicht direkt gefragt, werfe aber trotzdem mal ein, dass es zB im Vergleich zu NL, wo es viel weniger 'Radfahren ist lebensgefährlich' Propaganda gibt, hierzulande, und auch in anderen überdurchschnittlich stark von den Autoindistrieeigndern beeinflussten Ländern (USA, ...), diese Disbalance gibt. Besonders in Bezug auf Kinder sehr auffällig: es sterben extrem wenig Kinder beim Radfahren (stattdessen aber als Mitfahrende im Auto), aber gerade bei Kindern, bzw. deren Eltern, wird sehr gezielt ein Ansatzpunkt gesehen für MIV-ist-sicherer Propaganda.
    Dem Phänomen umfassend auf den Grund zu gehen ist in einem Forum m.E. nicht möglich, da viele Ebenen da mit rein spielen (bis hin zu 'Auto als rollender Uterus' von Sloterdijk aus der Zeit wo er noch nicht nur vollständig abgedreht schwurbelndes libertarian-Zeug schrieb).

    »Rollender Uterus«
    SPIEGEL: Warum ist der moderne Mensch so besessen vom Auto? Sloterdijk: Das ist ein obsessives Verhältnis: Mensch und Fahrzeug bilden eine Einheit, in der das…
    www.spiegel.de

    In historischer Perspektive spielt m.E. auch noch die Eingravierung der futuristischen Utopie aus der Prä-Mussolini Zeit in Italien (ausstrahlend auf Deutschland) eine Rolle, die zumindest in Teilen bis heute fortwirkt. Faschismus und Automobilismus gingen ja im frühen und mittleren 20Jhd. Hand in Hand, auch wenn hierzulande die NS Genese von Porsche/VW gern mal verleugnet wird und der Nazi H.Ford in USA nicht in seiner Eigenschaft als einflussreicher US-Nazi, sondern als innovativer Automobilbauer in unseren Geschichtsbüchern gelandet ist.

  • Ich bin nicht direkt gefragt, werfe aber trotzdem mal ein, dass es zB im Vergleich zu NL, wo es viel weniger 'Radfahren ist lebensgefährlich' Propaganda gibt, hierzulande, und auch in anderen überdurchschnittlich stark von den Autoindistrieeigndern beeinflussten Ländern (USA, ...), diese Disbalance gibt. Besonders in Bezug auf Kinder sehr auffällig: es sterben extrem wenig Kinder beim Radfahren (stattdessen aber als Mitfahrende im Auto), aber gerade bei Kindern, bzw. deren Eltern, wird sehr gezielt ein Ansatzpunkt gesehen für MIV-ist-sicherer Propaganda.

    Der Anteil der Kinder, die in NL mit dem Auto zur Schule gefahren werden, ist keineswegs geringer als in D. Je nach Institution, die solche Zahlen erhebt, ist der Wert sogar höher als in Deutschland. Einmal mehr resultiert der höhere Radverkehrsanteil offenbar aus weniger Fuß- und ÖPV-Nutzung.