Radfahrer und Rotlichtverstöße


  • Damit ignoriert es jedoch völlig die querenden unmotorisierten Verkehrsteilnehmer als Verkehr. Das halte ich für falsch. Nach meiner unmaßgeblichen Meinung ist die vorhandene Radfahrerampel nur für Linksabbieger aus der Gärtnerstraße richtig aufgestellt, wobei es an einer Aufstellfläche fehlt.


    Genau so sehe ich das auch. Übertragen auf den Kraftfahrzeugverkehr gäbe es dann vier Haltelinien in der Kreuzungsmitte(!), praktisch wie ein großes Kreuz. Wie sich das auf den Verkehr auswirken würde, kann sich jeder plastisch vorstellen. Der sofortige Kollaps wäre die Folge. Würden die Linien dank einer Klage dann nur entfernt, hätte der Kraftverkehr keine Haltelinie mehr und die Autler würden bis zum Fahrbahnrand vorfahren, etwa so, wie es an Grundstücks- und Tankstellen- und Supermarktausfahrten gang und gäbe ist. Fußgängern und Radfahrern wäre dadurch der Weg versperrt. Der Unterschied: NIEMALS wärden die "Verkehrsplaner" eine solche Positionierung von Haltelinien für den Kraftverkehr vorsehen!

    Einmal mehr wird hier deutlich, dass Radfahrende - selbst von Gerichten - als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse angesehen werden. :cursing:

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov


  • Mir ist diese Ansicht bekannt, ich spreche mich aber ausdrücklich dagegen aus. Rechtsprechung zum Thema ist mir nicht bekannt. Ich bin der Meinung, dass nicht generell (nur) auf die Geschwindigkeit abgestellt werden darf, jedenfalls aber "normale" Geschwindigkeiten zulässig sein müssen. Wer bis zu einer Sekunde nach "rot" durchfährt, kann dies bei einer angenommenen Reaktionszeit von 1 sec unabhängig von der Geschwindigkeit nicht verhindern. Bei längerer Überschreitung muss man m.E. Überlegungen dazu anstellen, wo der Haltepunkt bei "verminderter Geschwindigkeit" gewesen wäre. Daher sind m.E. auch bis zu 2 sec immer vertretbar. Erst darüber würde IMHO die Ansicht des BMVI interessant. Deswegen sehe ich auch die Erfolgsaussichten über 2 sec rapide sinken, auch wenn ich ein Abstellen auf eine angenommene Gelbphase von 3 sec für wesentlich sinnvoller hielte.

    Die "normale" Geschwindigkeit ist hier aber schon zu hoch, denn nicht angepaßte Geschwindigkeit ist hier die Hauptunfallursache bei den Radfahrern¹. Eine "normale" Geschwindigkeit gibt es meines Erachtens bei Radfahrern nicht, das ist viel zu inhomogen. Ein Tempolimit, an dem man sich orientieren könnte, gibt es auch nicht. Es ist übrigens auch für Opa Hansen, der "normalerweise" nur mit 10-17 km/h unterwegs ist, völlig normal, daß er bergab auch mal mit ~30 km/h rollt. Also, mit der Geschwindigkeit allein kommt man nicht weiter.
    Meiner Meinung nach ist die Ansicht des BMVBS ohnehin eine Frechheit, denn es ist nicht Aufgabe der Verkehrsteilnehmer die Versäumnisse der örtlichen StVB auszubaden.
    Wenn es nach mir ginge, würde Radfahrern grundsätzlich die entsprechende Gelbphase der Fahrbahnampel gutgeschrieben. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, habe ich auf der Fahrbahn auch bei meinen völlig "abnormal" hohen Geschwindigkeiten kein Problem damit keinen voll qualifizierten Rotlichverstoß zu begehen.
    In der Praxis sieht es wohl so aus, daß Rotlichtverstöße zwar aufgrund fehlender oder unzureichender Gelbphasen existent sind, eine Verfolgung aber wohl fast nur bei eindeutigen Fällen erfolgt. Ampelblitzer für Radfahrer kenne ich nicht und ich habe auch noch nie gehört, das da etwas gemesen worden wäre, es wird regelmäßig geschätzt.
    Das Problem ist eher sozialer Natur, weil solche Rotlichtverstöße voll in die gefühlte Rotlichtfahrer-Quote bei Autofahrern mit einfließen.

    ¹ Das liegt natürlich an den unzureichenden Radwegelchen und nicht daran, daß hier Radfahrer verantwortungslose
    Raser wären

  • Mal nicht juristisch!

    Früher habe ich mir gesagt: Nicht vor Kindern bei Rot über die Ampel! Ansonsten war es mir egal.

    Irgendwann ist mir aufgefallen, dass ich von anderen Verkehrsteilnehmern erwarte, dass sie sich an bestimmte Regeln halten und habe daraus Konsequenzen für mich gezogen.

    Für die allgemeine Wirkung auf die "öffentliche Meinung" ist sicher jeder Rotfahrer schlecht.

    Was mich allerdings kollossal nervt sind die dauernden Sprüche und Zeitungsartikel in Richtung Radrambos und "Alle Fahhradfahrer fahren bei Rot über die Ampel!".

    Da würde mich mal eine saubere vergleichende Statistik interessieren. Bitte nicht diese dubiose ADAC-Ampelzählung in der die Radfahrer sogar überraschend gut abgeschnitten haben.

    Gibt es so etwas?

    Einmal editiert, zuletzt von Hannes (18. Januar 2014 um 22:11)

  • Also das Schild hatte ich garnicht gesehen, es hat aber evtl. einen Grund, warum es abgebaut ist.

    Es gab eine Baustelle, und die Ampelanlage wurde ausgetauscht. Am neuen Masten war das Schild nicht mehr dran. (Ich glaube es wurde vergessen.)

    Man muss ohne Fahrradampel immer noch zunächst die Fußgängerampel beachten, soweit die Furten aneinander grenzen, ansonsten ist die Fahrbahnampel zu beachten. Nach dem Wortlaut wäre dann ohne Fußgängerampel evtl. keine Ampel zu beachten (s.o.), nach meiner persönlichen Meinung ist bei betroffenem Schutzbereich der Fahrbahnampel aber über eine teleologische Auslegung zumindest in einem Haftungsprozess die Geltung der Fahrbahnampel herzuleiten. Das ist bestimmt keine logische Regelung, sondern die m.M.n. die am wenigsten unlogische Auflösung einer verkorksten Regelung.

    Moment mal. Die Regel ist vielleicht verkorkst, aber doch eindeutig. Wenn ich mal den Zusatz-Satz mit Fußgängerampel weglasse, da in der konkreten Situation keine Fußgängerampel vorhanden ist:

    §37/Abs. 2/Punkt 6
    Es gilt A. Abweichend davon gilt B wenn C erfüllt ist.
    A=Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten.
    B=[Es] sind [...] die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten
    C=auf Radverkehrsführungen

    Ich fahre mit dem Rad auf eine Ampel zu.
    Fahre ich auf der Fahrbahn? Es gelten die Lichtzeichen für den Fahrverkehr.
    Sonst: Fahre ich auf einer Radverkehrsführung und es gibt besondere Lichtzeichen für den Radverkehr? Dann gelten diese
    Sonst: Gibt es eine Fußgängerampel und grenzt die Fußwegfurt an die Radwegfurt? Dann gilt die Fußgängerampel.
    Sonst: viel Glück.

    Es geht nicht an zu behaupten, dass das nicht gilt - es steht so in der Straßenverkehrsordnung. Das hat nichts mit teleo-dingsbums zu tun (ich habe mir jetzt nicht die Mühe gemacht das zu googeln, aber es hört sich lustig an :))

    Was nun aber auch nicht geht (und was ich nicht tue) ist, die Rechtslage aggressiv durchzusetzen. Ich halte an, wenn es die Verkehrslage erfordert, auch wenn die Fahrbahnampel nicht gilt. Das ist wie beim Zebrastreifen, der über die Fahrbahn führt, und über den Radweg nicht fortgesetzt wird. Oder wie die Bushaltestelle, vor der man anhält, falls gerade Fahrgäste ein- oder aussteigen.

    Wenn aber grade kein Bus kommt, niemand über den Zebrastreifen geht, und an der roten Fahrbahnampel keine Fußgänger queren, dann darf der Radler fahren.

  • Früher habe ich mir gesagt: Nicht vor Kindern bei Rot über die Ampel! Ansonsten war es mir egal.

    #

    So hats bei mir auch angefangen. Bis ich mich gefragt habe: Was ist eine Rote Ampel wenn ich mit dem Rad unterwegs bin. Dann bin ich auf Maltes Tabelle gestoßen, und dachte erstmal - was für ein Spinner, das kann doch nicht wahr sein (tschuldigung). Erst Monate später ist mir aufgefallen, dass er recht hat - es gab (zwischen 2010 und 2013) zwei sich widersprechende Straßenverkehrsordnungen, in jeder einzelnen war die Regelung Mist, und das ist sie auch heute noch.

    Kapfradler schreibt "Einmal mehr wird hier deutlich, dass Radfahrende - selbst von Gerichten - als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse angesehen werden." -
    genau so ist es - wenn ich aufs Rad steige werde ich Bürger zweiter Klasse. Die Exekutive drangsaliert mich, kennt weder meine Rechte noch meine Pflichten, Gefährdungen gegen mich werden nicht verfolgt, oberste Amtsträger (Verkehrsminister) schwurbeln von Kampfradlern, motorisierte Verkehrsteilnehmer bedrängen und gefährden.

    Es gibt Hoffnung, in München gibts einige echt gute Radstreifen wo es vorher echt gefährlich war - auf Kosten des Platzes für den motorisierten Individualverkehr. Mal sehen wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt.

  • Zitat

    Ich fahre mit dem Rad auf eine Ampel zu. Fahre ich auf der Fahrbahn? Es gelten die Lichtzeichen für den Fahrverkehr.Sonst: Fahre ich auf einer Radverkehrsführung und es gibt besondere Lichtzeichen für den Radverkehr? Dann gelten dieseSonst: Gibt es eine Fußgängerampel und grenzt die Fußwegfurt an die Radwegfurt? Dann gilt die Fußgängerampel.Sonst: viel Glück.

    Zitat

    Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende müssen Rad Fahrende bis zum 31. Dezember 2016 weiterhin die Lichtzeichen für zu Fuß Gehende beachten, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt.

    Du implizierst, dass die Einschränkung auf Radverkehrsführungen des zweiten Satzes auch im dritten gilt. Das muss man nicht so sehen.

  • Man könnte komplett ohne Ampeln auskommen: Alle Verkehrsteilnehmer brauchen nur so langsam sein, dass sie keine Unfälle verursachen, und sie müssten anderen Vorfahrt geben, fair sein. Quasi selbstverwalteter Verkehr.
    Aber in der Praxis funktioniert sowas nicht. Der Zweck von Ampeln ist meiner Meinung, den Verkehrsfluss zu optimieren und Fairness sicherzustellen, und das bei größtmöglicher Sicherheit für alle.
    Meistens funktioniert das recht gut, aber manchmal eben nicht.
    Wenn ich Rot habe und ich sehe, dass andere dafür fahren dürfen, warte ich natürlich und lasse die anderen fahren.
    Aber es gibt auch häufig Situationen, in denen es niemanden gibt, für den ich warten muss. Ich muss also nicht warten, weil dadurch jemand anderes einen Vorteil hat. Nein, ich muss warten, nur weil irgendeine schlecht konzipierte Maschine mir das vorschreibt.
    Ich kann jeden Radfahrer gut verstehen, der dann sagt "Ich habe rot, aber ich weiß, dass es hier niemanden gibt, für den ich gerade warten muss. Also fahre ich trotz rot."

    Hätte ich vor, bei rot zu fahren, wüsste ich genau, dass es eine Owi ist und andere nicht damit rechnen. Ich würde also erstmal die gesamte Situation betrachten, auch hinter mir (mir könnte ja die Ordnungsmacht folgen), bevor ich mich bewusst die Regeln breche.
    Vorsichtig bei Rot zu fahren halte ich für sicherer, als gedankenlos bei Grün zu fahren.
    Aber kann man deshalb nun fordern, Radfahrern Rotlichtfahrten generell zu gestatten? Nein, sicher nicht. Denn dann wäre die besondere Vorsicht häufig dahin, deutlich mehr schwere/tödliche Unfälle dürften die unmittelbare Folge sein.
    Ich bin auch mal bei rot gefahren, wo ich die Kreuzung nicht kannte und die Verkehrssituation unübersichtlich war. Der Autofahrer hat gebremst, danke.
    Rotlichtfahrten müssen weiter geahndet werden, denn andererseits käme das einer Erlaubnis gleich.
    Das System funktioniert, solange nur relativ wenige sich nicht an die Regeln halten. Würde sich jedoch niemand daran halten…

    Das beste Mittel gegen Rotlichtfahrten und andere Verstöße sind faire Verkehrsanlagen. Wer Bettelampeln aufstellt, wer Kontaktschleifen installiert die Fahrräder ignorieren, wer ewig lange Ampelphasen ohne entsprechend viel Verkehr in der bevorzugten Richtung programmiert, der braucht sich nicht zu wundern, dass Regeln nicht akzeptiert werden.
    Wenn man das Gefühl hat, dass man als Radfahrer ständig nur verarscht wird, verliert man schnell den Respekt vor den Regeln.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Du implizierst, dass die Einschränkung auf Radverkehrsführungen des zweiten Satzes auch im dritten gilt. Das muss man nicht so sehen.

    Man kann die Autoren zurecht für diese Uneindeutigkeit kritisieren, aber es ist doch klar, dass Satz 3 nur unter der Bedingung von Satz 2 gilt ;)
    Ich würde mich doch sehr wundern, würde ein Richter hier anders entscheiden.

    Pro-Tipp für Rotlichtfahrer: Nicht die Radwegefuhrt benutzen wenn die Fußgänger/Radfahrer-Ampel rot zeigt. Auf der Fußgängerfuhrt oder der Fahrbahn begeht man dem Wortlaut nach keinen Rotlichtverstoß, wenn die Fahrbahnampel nicht rot zeigt. Hatte so einen Fall, ging vor Gericht, Verfahren wurde mangels öffentlichen Interesses eingestellt.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

    Einmal editiert, zuletzt von Gerhart (19. Januar 2014 um 11:50)

  • Zitat

    Man könnte komplett ohne Ampeln auskommen: Alle Verkehrsteilnehmer brauchen nur so langsam sein, dass sie keine Unfälle verursachen, und sie müssten anderen Vorfahrt geben, fair sein. Quasi selbstverwalteter Verkehr.Aber in der Praxis funktioniert sowas nicht. Der Zweck von Ampeln ist meiner Meinung, den Verkehrsfluss zu optimieren und Fairness sicherzustellen, und das bei größtmöglicher Sicherheit für alle.

    Das ist eine Einschränkung des Kraftverkehrs. Siehe:

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    Ich prophezeie aber für die nähere Zukunft genau das Gegenteil (auf Hamburger Straßen): Wenn der Rad- und Fußverkehr auf dem viel zu kleinem Seitenraum verbannt wird, werden wir ohne Haltelinien etc. vermehrt Konflikte an Kreuzungen erleben :(

    Zitat

    Aber kann man deshalb nun fordern, Radfahrern Rotlichtfahrten generell zu gestatten? Nein, sicher nicht. Denn dann wäre die besondere Vorsicht häufig dahin, deutlich mehr schwere/tödliche Unfälle dürften die unmittelbare Folge sein.

    Mir gefällt die Idee, dass eine rote Ampel für Radfahrer nur als Stopschild/Vorfahrt achten/Fußgängerüberweg gilt, falls sie entsprechend ausgeschildert ist. Zum Beispiel falls Ampeln nur die Querung für Fußgänger ermöglichen sollen.

  • Die "normale" Geschwindigkeit ist hier aber schon zu hoch, ...

    Ich gebe Dir völlig Recht, ich habe mich unpräzise ausgedrückt und auf die Verwendung der Anführungszeichen zurück gezogen. In erster Linie wollte ich nur die Geschwindigkeitsreduktion allein wegen der zweiphasigen Ampel kritisieren, zu angemessener Geschwindigkeit hatte ich weiter oben bereits ausgeführt, dabei allerdings auch vollkommen die Berücksichtigung der Verkehrslage vergessen. M.E. sind wir diesbezüglich gleicher Ansicht.

  • Moment mal. Die Regel ist vielleicht verkorkst, aber doch eindeutig.

    Ich halte die konkrete (bauliche) Regelung an der Beispielkreuzung für völlig verkorkst. Die Regelung der StVO ist m.E. insoweit verkorkst, als sie generell wegen mehrfach geschachtelter Ausnahmetatbestände viel zu kompliziert ist und in diesem Spezialfall m.E. verschiedene Auslegungen zulässt. Ich hielte Deine Auslegung bei konkludenter Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht des in kreuzenden Rad-/Fußverkehr legal einfahrenden Radfahrers für wünschenswert, bezweifle aber ganz massiv dahingehende gerichtliche Deutung im Streitfall. Deine arg verkürzte/vereinfachte Zusammenfassung für diesen Spezialfall:

    Sonst: viel Glück.

    kann und sollte m.E. nicht die Lösung sein. Eine klare rechtliche Regelung in Deinem Sinne mit eigener intuitiver Beschilderung ist m.E. die bessere Alternative zu meiner Auslegung der derzeit unbefriedigenden Normen.


  • Man kann die Autoren zurecht für diese Uneindeutigkeit kritisieren, aber es ist doch klar, dass Satz 3 nur unter der Bedingung von Satz 2 gilt ;)
    Ich würde mich doch sehr wundern, würde ein Richter hier anders entscheiden.

    Pro-Tipp für Rotlichtfahrer: Nicht die Radwegefuhrt benutzen wenn die Fußgänger/Radfahrer-Ampel rot zeigt. Auf der Fußgängerfuhrt oder der Fahrbahn begeht man dem Wortlaut nach keinen Rotlichtverstoß, wenn die Fahrbahnampel nicht rot zeigt. Hatte so einen Fall, ging vor Gericht, Verfahren wurde mangels öffentlichen Interesses eingestellt.

    Mich würde es überhaupt nicht wundern, wenn Richter in einem Haftungsprozess wegen des Normzwecks nicht allein wegen des Wortlauts Satz 3 von Satz 2 abhängig machten. Solche teleologischen Auslegungen, selbst gegen eindeutigen Wortlaut, sind gängige Praxis. Deinen Pro-Tipp halte ich für schlicht falsch. Warum auch immer das Gericht das Verfahren einstellte, die vorsätzliche Umgehung von Regelungen, die bewusste Vermeidung des Erfassens durch den Wortlaut durch sinngemäß gleichwohl erfasste Verhaltensweisen werden rechtlich grundsätzlich nicht anders behandelt als die eigentlichen Verstöße, evtl. kommen noch zusätzliche Normverletzungen hinzu. Ich nehme in Deinem Fall eher Beweisschwierigkeiten an.


  • Mich würde es überhaupt nicht wundern, wenn Richter in einem Haftungsprozess wegen des Normzwecks nicht allein wegen des Wortlauts Satz 3 von Satz 2 abhängig machten. Solche teleologischen Auslegungen, selbst gegen eindeutigen Wortlaut, sind gängige Praxis. Deinen Pro-Tipp halte ich für schlicht falsch. Warum auch immer das Gericht das Verfahren einstellte, die vorsätzliche Umgehung von Regelungen, die bewusste Vermeidung des Erfassens durch den Wortlaut durch sinngemäß gleichwohl erfasste Verhaltensweisen werden rechtlich grundsätzlich nicht anders behandelt als die eigentlichen Verstöße, evtl. kommen noch zusätzliche Normverletzungen hinzu. Ich nehme in Deinem Fall eher Beweisschwierigkeiten an.

    Nehmen wir mal das Beispiel Hudtwalckerstraße Ecke Sierichstraße Richtung Winterhuder Markt, nachmittags. Dort gibt es eine RWBP. Die Fußgängerampel dort zeigt bestimmt 20sek eher Rot als die Fahrbahnampel.
    Willst du nun sagen, wenn ich dort deshalb gezielt die RWBP missachten würde und bei Fahrbahn-Grün die Kreuzung quere, dass ein Richter mir das als vorsätzlichen Rotlichtverstoß auslegen könnte?!

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Man könnte komplett ohne Ampeln auskommen: Alle Verkehrsteilnehmer brauchen nur so langsam sein, dass sie keine Unfälle verursachen, und sie müssten anderen Vorfahrt geben, fair sein. Quasi selbstverwalteter Verkehr. Aber in der Praxis funktioniert sowas nicht.

    Es kann funktionieren, mit Einschränkungen zwar, aber durchaus auch in der Praxis: Shared Space
    Die Niederländer sind (natürlich) viel weiter als DE, aber auch hierzulande gibt es schon ein paar Projekte. Für flächendeckenden Einsatz müssen wir aber vermutlich noch etliche Jahre warten. Dabei sprechen die guten Erfahrungen und selbst die verfügbaren Statistiken Bände... Aber es gibt ja auch genug gute Gründe für generell Tempo 30 innterorts...

  • Es kann funktionieren, mit Einschränkungen zwar, aber durchaus auch in der Praxis: Shared Space[...]

    In Frankfurt ist dieser Versuch kläglich gescheitert, siehe den Bericht der FAZ. Eine Art Zwischenbericht gab es ein Jahr zuvor von der FR. Dieser enthält am Ende u. a. einen Link zu einer Fotostrecke, mit deren Hilfe sich Nicht-Frankfurter ein Bild vom Stadtteil Nieder-Erlenbach machen können.

    Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. - Albert Einstein

  • Ich hielte Deine Auslegung bei konkludenter Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht des in kreuzenden Rad-/Fußverkehr legal einfahrenden Radfahrers für wünschenswert, bezweifle aber ganz massiv dahingehende gerichtliche Deutung im Streitfall. Deine arg verkürzte/vereinfachte Zusammenfassung für diesen Spezialfall:

    Christian F schrieb:
    Sonst: viel Glück.

    kann und sollte m.E. nicht die Lösung sein. Eine klare rechtliche Regelung in Deinem Sinne mit eigener intuitiver Beschilderung ist m.E. die bessere Alternative zu meiner Auslegung der derzeit unbefriedigenden Normen.

    Ganz genau - eine klare rechtliche Regelung ist unbedingt erforderlich. Für mich ist an dieser Stelle schluss mit der Ampeldiskussion - ich habe meine Sorgfaltspflicht im Verkehr mit diesen Überlegungen mehr als erfüllt (und bemühe mich auch, mich danach zu verhalten). Ich hoffe dass es keinen Streitfall gibt, und wenn doch, dann wäre ich argumentativ, glaub ich, gut aufgestellt.

    Danke Euch für diese Diskussion.

    Vielleicht macht es der Dobrindt ja besser als sein Vorgänger (dabei muss ich breit grinsen, während ich das schreibe - ich glaube es nicht).

  • Willst du nun sagen, wenn ich dort deshalb gezielt die RWBP missachten würde und bei Fahrbahn-Grün die Kreuzung quere, dass ein Richter mir das als vorsätzlichen Rotlichtverstoß auslegen könnte?!

    Ich kann zumindest aus eigener Erfahrung bestätigen, dass man wenigstens die Polizei auf sich aufmerksam macht. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mit der eigentlichen Frage auch leicht überfordert bin — da muss ich mal morgen mein schlaues Buch befragen.


  • Willst du nun sagen, wenn ich dort deshalb gezielt die RWBP missachten würde und bei Fahrbahn-Grün die Kreuzung quere, dass ein Richter mir das als vorsätzlichen Rotlichtverstoß auslegen könnte?!

    Blöde Juristen-Antwort: Das kommt darauf an.

    Wenn ein Gericht zu der Überzeugung gelangt, man hätte den Radweg verlassen, um gezielt die für sich ungünstigere Ampelschaltung für Radwegbenutzer zu umgehen, kann man das Fahren bei grüner Fahrbahnampel und roter Fußgängerampel durchaus als Rotlichtverstoß auslegen. Nimmt es dagegen keine gezielte Umgehung der Ampelregelung, sondern eine von der Ampelschaltung unabhängige Fahrbahnnutzung an, wäre dieselbe Ampelquerung völlig legal. Die Unterscheidung würde wohl im wesentlichen danach getroffen, wie kreuzungsnah der Wechsel von Radweg auf Fahrbahn und ggf. zurück erfolgte. Dies wurde jedenfalls in einigen Fällen kreativer motorisierter Ampelumgehungen so gesehen und entspricht einer allgemeinen Tendenz der Juristerei, gezielte Gesetzesumgehungen dennoch als entsprechende Regelverletzungen anzusehen.

    (Meine Aussage bezieht sich auf Kreuzungen mit einer an eine Fußgängerfurt angrenzenden Radfahrerfurt ohne Radfahrerampel, aber mit Fußgängerampel und Fahrbahnampel.)