Aufsichtspflicht bei radelnden Kindern

  • In der Verkürzung der Ereignisse, der unklaren Beschreibung und unter Berücksichtigung der Änderung der StVO vor ca. 17 Monaten sowie der Arbeitsfähigkeit von AG in dieser Zeit..

    ich geb auf den Artikel nix.

    Zu unklar.

    Wenn jemand ans Urteil kommt: ja, interessiert mich.

    Und in der Tat halte ich eine Haftung wg. Aufsichtspflicht durchaus für möglich. hängt halt von den Umständen ab. :/

  • Unser Verkehrsrecht und die Rechtsprechung sind schon krass. Autos stehen unter besonderem Schutz:

    Die Klägerin fällt auch in den Schutzzweck dieser Regelung, da mit dem Verbot der Nutzung baulich nicht abgetrennter Radwege Gefährdungen durch unsichere Fahrweise von jüngeren Kindern vermieden werden sollen. Das gilt einerseits zur Abwendung der Gefahr von dem Kind selbst, andererseits fallen aber auch neben dem Radweg verkehrende Fahrzeuge in den Schutzbereich, weil typische Folge unsicherer Fahrweise die Berührung parallel verkehrender Fahrzeuge und die hieraus resultierenden Schäden sind.

    ..

    Dass die Tochter bei Fahrt auf dem Gehweg möglicherweise geparkte Autos hätte beschädigen können, stellt nicht denselben Schaden dar. Überdies resultiert die Gefahrensituation, die hier zum Unfall geführt hat, gerade aus der fehlenden Abtrennung vom Fahrzeugverkehr und der Notwendigkeit des Ausweichens auf die Fahrbahn im Fall einer Blockierung des Radwegs durch abgestellte Pkw. Diese Gefahrensituation hätte bei einer Fahrt auf dem Gehweg nicht bestanden.

    ..

    Mit einer langsamen Annäherung an die sich aus dem abgestellten Fahrzeug und dem auf dem Radweg verkehrenden Radfahrern ergebenden Gefahrensituation kam die Klägerin aber ihren Pflichten nach. Aus den Bekundungen des Zeugen M hat sich ferner ergeben, dass die Klägerin nicht mit den rechten Rädern auf dem Radweg stand, denn der Zeuge hat bekundet, nach seiner Erinnerung habe der rechte Außenspiegel des Pkw lediglich leicht auf die Markierungslinie des Radwegs geragt. Eine Benutzung ihrer Fahrbahn weiter auf der linken Seite war der Klägerin nicht möglich, da sie dann angesichts der geringen Breite ihres Fahrstreifens in den Gegenverkehr geraten wäre.

    - Schadensverursachung durch Ausweichbewegung eines 6-jährigen Kindes auf Radweg

    Gilt der Mindestabstand beim Überholen etwa nur dann, wenn gerade kein Gegenverkehr kommt?

  • 800 Euro fallen m.W. für die Komplettlackierung der Beifahrertür an, sicher nicht fürs Kratzerausbessern. Man nimmt halt mit, was geht. Krass.

    Vielleicht hatte die Kleine sogar diese Gummiknuppel am Kinderfahrradlenker und es waren tatsächlich nur Abriebspuren? Alles denkbar. Widerlich.

  • Ich finde daran interessant, denn die Diskussion haben wir hier ja auch manchmal. Zum einen scheint die Autofahrerin laut Zeugenaussage sehr knapp an der Trennlinie des Radfahrstreifen entlang gefahren zu sein. Derdiedas Richter:innen ist also der Ansicht, dass der Abstand zu Radfahrenden auf einem Radweg nicht eingehalten werden muss. Nicht mal zu Kindern. Bzw. die Schlussfolgerung ist eigentlich, weil kleine unter 8jährige Radlinge nicht sicher genug fahren um genug Abstand zur linken Linie zu halten, dürfen sie nicht auf dem RW fahren.

    Nun wäre nicht uninteressant wie breit der Radfahrstreifen an der Stelle war und wie nah der PKW auf dem Gehweg an oder auch auf dem Radfahrstreifen stand.

    Immerhin habe ich früher offensichtlich alles richtig gemacht. Wenn PKW auf de Gehweg standen habe ich normalerweise die Gelegenheit abgepasst bis ich mich auf die Straße stellen konnte und den Verkehr blockieren, um meinen Kindern dann sicheres Geleit um das Hindernis geben zu können. Fanden viele KFZ-Lenker auch nicht so toll. Vor allem an Ausfahrten.

    Das Kinder, die auf dem Gehweg fahren, einen auf der Straße abgestellten PKW beschädigen dürfen, hielt ich bis jetzt für ein Gerücht, der Meinung scheint derdiedas Richter:innen aber im groben auch zu sein. Mir hat mal jemand erzählt, das dieses zu den "normalen" Betriebsgefahren eines KFZ zählt. Fand ich nicht schlüssig.

  • Ich habe bei diesem Urteil mehrfach die Augen gerollt.

    Klar, der Vater hätte die Sechsjährige nicht auf dem Radstreifen fahren lassen dürfen, sondern hätte mit ihr auf dem Gehweg fahren müssen. So steht es in der StVO. Ein Farbstrich ist keine bauliche Trennung.

    Das Gericht hat es für zumutbar gehalten, dass seine Söhne (11 +15) parallel auf dem Radfahrstreifen fahren, das sei für diese Altersgruppe sozialüblich.

    Das Gericht hat an dieser Stelle nicht erörtert:

    wäre es von der Wegeführung her stets möglich gewesen, zwischen Gehweg und Radfahrstreifen Kontakt zu halten - oder lagen da vielleicht auch mal Hecken, Kunstbauten (Verteilerkästen usw.) oder gar geparkte Autos dazwischen?

    Dann vermisse ich völlig den notwendigen Seitenabstand. Egal ob die Autofahrerin mit 15 oder 25 oder 35 km/h fährt: wenn da rechts auf dem Radstreifen ein Auto steht, das noch in die Fahrbahn hineinragt und ihr Fahrstreifen so schmal ist, dass sie gerade eben zwischen dem Falschparker und dem Gegenverkehr durchpaust ... und dann hat sie rechts vor sich eine Entenprozession mit dem Erpel vorne dran ... also wenn dann der Erpel nach links auf die Fahrbahn zieht (und offenbar von der Frau im Pkw nicht mehr passiert werden kann), dann muss die Frau doch damit rechnen, dass die Küken auch alle nach links ziehen und nicht alle brav ihre Patschehändchen rausstrecken.

    Das Gericht hat ja nicht ermittelt, ob die Frau schon stand, die Sechsjährige also gegen ein stehendes Auto geprallt ist, oder ob sie noch fuhr. Es hat einfach gesagt: selbst wenn die noch fuhr, kann man ihr keinen Vorwurf machen.

    Ich würde sagen: Wenn Sie noch fuhr, dann war das ihr Fehler (außer es ging im Stop-and-Fo dezimeterweise vorwärts). Denn dann hat sie die Gefahrensituation nicht erkannt, sondern ist weitergefahren, obwohl ihr klar sein musste, dass es seitlich niemals langt.

    Aus der Erkenntnis des Gerichts, dass ein Ausweichen nach links für die Frau nicht möglich war, hat das Gericht leider nicht die Schlussfolgerung gezogen, dass sie dann hätte stehenbleiben müssen, und zwar durchaus mit einer Vollbremsung.

    (Ich gönne mir manchmal das Erlebnis, voll in die Eisen zu steigen, wenn das Auto vor der Ampel schon fast steht, also bei vielleicht 3 oder 5 km/h. Die Kraft, die man dann merkt, ist durchaus beeindruckend. Dieser Ruck samt Geräuschen müsste auch von der Umgebung wahrnehmbar sein - laut Erkenntnis des Gerichts war da von einer Vollbremsung aber nichts zu merken.)

    Aber: es war ein Amtsgericht. Und was da so an Personal herumläuft ...

    Mal schauen, was dabei herauskommt, wenn der Fall in die Berufung geht.

  • Das Kinder, die auf dem Gehweg fahren, einen auf der Straße abgestellten PKW beschädigen dürfen, hielt ich bis jetzt für ein Gerücht, der Meinung scheint derdiedas Richter:innen aber im groben auch zu sein. Mir hat mal jemand erzählt, das dieses zu den "normalen" Betriebsgefahren eines KFZ zählt. Fand ich nicht schlüssig.

    Aus der Urteilsformulierung, ein Beschädigen geparkter Autos stelle nicht "denselben Schaden" wie ein Beschädigen eines in Betrieb seienden Autos dar, ziehe ich nicht den Schluss, dass man geparkte Autos ungestraft beschädigen dürfe.

  • Warum kommt eigentlich der Falschparker ungeschoren davon? Ohne ihn wäre die Gefahrensituation doch gar nicht erst entstanden.

    Es entsteht der Eindruck, dass haltende Fahrzeuge als integraler Bestandteil von Radfahrstreifen aufzufassen sind, und ein wesentlicher Grund, warum kleine Kinder dort nicht fahren dürfen.

  • und ein wesentlicher Grund, warum kleine Kinder dort nicht fahren dürfen.

    Meines Wissens nach ist es möglich, ihn an den Kosten zu beteiligen. Warum das in diesem Fall nicht erfolgt, weiß ich nicht.

    und ein wesentlicher Grund, warum kleine Kinder dort nicht fahren dürfen.

    Für mich war immer der wesentliche Grund, dass Kinder die vom Überfahren der Linie ausgehende Gefahr nicht einschätzen können.

    Da zeigt der Straßenverkehr mal wieder eine Art von "Sicherheit", die im restlichen Leben kaum jemand akzeptieren würde:

    • Fährt man rechts von einer weißen Linie, rollert man gemütlich im Alltagsmodus vor sich hin.
    • Überfährt man die Linie aber überraschend nach links, ist man in akuter Lebensgefahr.

    Wenn es sowas abseits des Straßenverkehrs gibt, gibt es eine ausführliche Sicherheitsschulung bevor jemand diesen Bereich in der Nähe der Linie auch nur betreten darf. Im Straßenverkehr obliegt es bei 8-jährigen der Eigenverantwortung, 10-jährige müssten sowas sogar nutzen. Und von beiden wird verlangt, bei Falschparkern korrekt zu regieren. Dieses Manöver ist für so einen Zwerg ein durchaus komplexes Unterfangen.

  • Zurück on topic: das korrekte Sprichwort für die Verkehrsmittelwahl lautet natürlich "was Hänschen (als Student) nicht lernt, lernt Hans (als Berufspendler etc.) nimmermehr.

    Damit es bei den Medienhinweisen nicht gleich wieder Offtopic wird, antworte ich mal hier.

    Könnte man nicht bitte §2 (5) StVO derart ändern, dass es nur bis zum 10. Jahr erlaubt ist, mit dem Fahrrad auf Gehwegen zu fahren, aber die Pflicht, dies bis zum 8. Lebensjahr zu tun, ersatzlos streichen? Dann kann man im Einzelfall selbst entscheiden, wo man die Kids fahren lässt und man muss Hans später das Gehwegradeln nicht mehr abgewöhnen.

    Es gibt genügend Straßen, in denen auch Kinder auf der Fahrbahn fahren können und es soll ja auch Straßen geben, wo es gar keinen Gehweg gibt. Mein Opa hat mir mit 5 Jahren das Fahrradfahren beigebracht. Der Gehweg wäre dafür aber viel zu schmal gewesen. Auf meinem Weg zum Schulbus gab es nicht einmal einen Gehweg.

    Wir hatten vor zwei Jahren Besuch von Freunden mit ihren damals 5 und 7-jährigen Söhnen. Da die ihre Fahrräder dabei hatten, haben wir auch eine kleine Runde durch die Stadt gedreht. In den Nebenstraßen sind wir nicht auf dem Gehweg gefahren und Hauptstraßen haben wir gemieden. Die Jungs voraus und ihre Mutter und ich hinterher, manchmal haben wir die Kinder auch zwischen uns genommen, z.B. beim Abbiegen. Wie das auf dem Gehweg funktionieren sollte, kann ich mir gar nicht vorstellen.

    In den 1970ern war man insgesamt ja noch etwas weniger besorgt (trotz >20.000 Verkehrstote / Jahr alleine in der BRD). Für uns war es damals aber normal, dass wir als Kinder im Dorf auf der Fahrbahn gespielt haben und dort auch Fahrrad gefahren sind. Allerdings wurde mir damals noch beigebracht, dass man im Straßenverkehr aufpassen muss und dann hat man mich auch alleine zur Grundschule im Nachbardorf fahren lassen. Heute wäre das vermutlich undenkbar.

  • ein erster Schritt wurde doch - wenn ich das richtig entsinne - bereits mit der letzten Novelle der StVO getan, in dem immerhin auch das Befahren von (baulich getrennten) Radwegen erlaubt wurde.

    Wir dürfen bei dem Thema nach Jahrzehnten des Stillstandes glaub ich wirklich nicht zu viel erwarten. Was 3 Generationen eingebläut wurde, braucht doch mindestens 2,5 Generationen, um zu verschwinden oder gar eine 180°-Kehre hinzulegen

  • Daher der Vorschlag, nur die Pflicht zum Gehwegradeln zu streichen und es lediglich zu erlauben. Dann können es die Eltern selbst entscheiden. Die meisten Wohngebiete sind doch mittlerweile [Zeichen 274.1] und darunter sicherlich viele, wo man auch Kinder auf der Fahrbahn fahren lassen kann. "Radwege" gibt es dort nicht.

  • Dann können es die Eltern selbst entscheiden

    Nach meiner persönlichen Erkenntnis ist "Selbst entscheiden" ein Reizbegriff, ziemlich egal, in welchem Kontext. "Führung" kommt immer viel besser, obwohl ich nie verstanden habe, warum das nicht unter das Verbot der Benutzung nationalsozialistischer Symbole fällt...

    Die "freiwillige Benutzung von Radwegen" z.B. ist ja inzwischen längst möglich, kostet praktisch nix, würde sofort jede Klage gegen Benutzungspflichten überflüssig machen, würde sogar die kläglichen gemeinsamen Geh/Radwege erhalten, keine rechtlichen Änderungen notwendig, usw. Aber allein die Erwähnung des Worts "freiwillig" läßt offenbar jede StVB in Schockstarre verstummen...

  • Als Eltern verhält man sich leider oft komisch, selbst jemand wie ich schickt(e) seine Kinder viel zu oft auf den Gehweg.

    Obwohl ich weiß, dass das fahren auf der Fahrbahn sicher ist und dieses auf Nebenstraßen auch meistens praktiziert habe, man ist trotzdem voll in der Schiene drin.

    Dabei ist man eh hinten dran und kann sein Kind gut gegen überholende Autos abdecken.

    Mal abgesehen davon, das viele Nebenstraßengehwege eh nur 1m breit sind und wenn Kinder es schaffen dort sicher zwischen parkenden Autos und dem Zaun hin und herzupendeln, warum sollen sie dann auf der Straße nicht Spur halten können.

    Dazu müssen die Kinder wegen Gehwegparkern oft auf die Straße, dann wieder hoch. Und die ganzen Einfahrten,.....

  • Ich habe es mit meinen Kindern genau so praktiziert wie Yeti mit seinem Besuch.

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • aber die Pflicht, dies bis zum 8. Lebensjahr zu tun, ersatzlos streichen?

    Ach ja, regelwidriges Fahren hat meine Tochter bei mir bereits vor dem 8. Lebensjahr gelernt. Meine Hemmschwelle ist da von Jugend auf recht niedrig. Blöd ist es dennoch, wenn die Vorschriften einfach so unzweckmäßig sind. In anderen Lebensbereichen haben wir dafür weniger Konflikte mit den Regeln. ;)

  • warum sollen sie dann auf der Straße nicht Spur halten können.

    Kinder schätzen die Gefahren leider noch nicht richtig ein. Es fehlt das Bewusstsein, dass auf der Fahrbahn jede Veränderung der Fahrlinie nach links ganz schnell lebensgefährlich wird. Und oft fehlt auch die Aufmerksamkeit für diese erstmal abstrakte Gefahr.

    Da ist das Radeln auf dem Gehweg zwischen parkenden Autos links und Hauswänden rechts doch viel einfacher. Das Aufpassen bei Ausfahrten und an Kreuzungen hatten meine beiden schnell raus.

    Meine 10-jährige hingegen hat gerade auf einer großen Hauptstraße die Radfahrerfurt ein Stück nach links verlassen, ohne sich nach hinten abzusichern. Grund: Die Fußgänger standen direkt am Bordstein und sie wollte etwas Abstand halten. Durchaus löblich. Die Lebensgefahr 50 cm links neben ihr hat sie nichtmal wahrgenommen. Als ich ihr in meinem Dashcam-Video gezeigt habe, wie knapp war, hat sie ganz schön große Augen gemacht.

    Und vor ein paar Wochen habe ich auch gemerkt, wie wenig die Kinder wahrnehmen. Sie fuhr auf einem 15 m breiten Gehweg. Ein anderer Radfahrer querte (illegal) im 90°-Winkel. Sie hat den bis zum Zusammenstoß nicht wahrgenommen. Vielleicht fehlte ihr die Aufmerksamkeit, vielleicht hat sie auch noch nicht das Gesichtsfeld eines Erwachsenen.

    Ich lerne halt gerade, wie komplex Straßenverkehr aus Kinderaugen ist. Trotz formal bestandener Fahrradprüfung.