Parteiprogramme zur Bundestagswahl 2021

  • Wäre die freie Marktwirtschaft für die Lösung langfristiger Probleme geeignet

    Für doch bitte keine Scheindebatte.

    EIn freier Markt ohne Regeln löst natürlich nicht unsere Probleme. Behauptet hier auch niemand.

    Der Markt braucht klare Bedingungen, an die er sich anpassen muss. Z. B. dass CO₂ plötzlich viel Geld kostet.

    Das gleiche gilt für unser politisches System.

    Das Problem ist unser Souverän, der einfach nicht kapiert, was wirklich wichtig ist, sondern sich von den falschen Leuten für dumm verkaufen lässt.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Da gibt es kein quasi Naturgesetz, dass das so ist oder so sein müsste. Und es gibt Beispiele dafür, dass das nicht so sein muss.

    Wie zum Beispiel vor ein paar Wochen ein Hamburger Lokalpolitiker dafür "durch den Kakao gezogen wurde", dass er in einem innerstädtischen Neubaugebiet keine Einfamilienhäuser zulässt, zeigt doch deutlich, dass die Flächen-Zersiedler Nerven zeigen. Geradezu ein Shit-Storm brach über ihn und die Grünen im Allgemeinen herein, obwohl es doch auf der Hand liegt, dass es absolut kontraproduktiv im Sinne von Nachhaltigkeit ist, wenn jeder in seinem Einfamilienhäuschen lebte am schlimmsten noch mit einem großen Garten drum rum.

    Und die Ausweitung von Baugebieten erfolgt nicht nach privatwirtschaftlichen Mechanismen. Zumindest müsste das nicht so sein, wenn da eine Einigkeit der Kommunen hergestellt werden kann, diesen Quatsch mit der Flächenzersiedelung nicht weiter zuzulassen.

    Das würde vermutlich Preissteigerungen zu Folge haben für den Bestand. Aber ziemlich schnell wäre die Grenze erreicht, an der sich eine Familie sagt, für eine Bruchbude am Ende der Welt zahle ich nicht den vielfachen Preis von dem, was eine hinreichend geräumige Neubauwohnung in einem Mehrfamilienhaus kostet, die so verkehrsgünstig liegt, dass ich die Arbeitswege, alle notwendigen Besorgungen, Arztbesuche usw. zu Fuß, mit dem Rad und dem ÖPNV machen kann.

    Aber leider ist ja selbst unter manchen Städtern das Mitleid riesengroß mit der "Landbevölkerung". Obwohl einige von denen mit einem ziemlichen Hochmut aufs Land gezogen sind, und mit einem spöttischen Blick auf die Stadtbewohner, die es in deren Augen nicht geschafft haben, das grünes Landhaus-Idyll zu erlangen. Und als "Landbevölkerung" wähnen sie sich berechtigt, oft mehrere Autos im Haushalt zu unterhalten. Und damit dann auch noch auf breiten und schnellen Landstraßen bis in Stadtzentren der jeweils nächsten größeren Stadt zu fahren. X/

  • Also gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten:

    Der Staat erlässt detaillierte Vorschriften zu Emissionen.

    Oder CO2 bekommt einen Preis.

    Die eine Möglichkeit funktioniert aber in diesem Fall nur zusammen mit der anderen. Würde man den freien Markt einen Preis für CO2-Zertifikate finden lassen, ohne dass die Überschreitung Folgen hat, wäre dieser 0,- EUR.

    Erst durch die Deckelung bekommen CO2 Zertifikate einen Wert und dann müsste die Deckelung auch durchgesetzt werden. Ein Industrieunternehmen, das sein CO2-Budget Ende Oktober aufgebraucht hat, müsste dann ungenutzte Zertifikate kaufen oder bis zum Ende des Jahres schließen. Was machen wir, wenn die großen Energieversorger ihr Budget überschreiten? Geht dann Ende Oktober das Licht aus, auch bei denen, die ihr Budget eingehalten haben?

    Die Anzahl der verfügbaren Zertifikate müsste insgesamt gedeckelt sein. Damit nicht alle ihr Budget für die kommenden 20 Jahre innerhalb der nächsten 10 Jahre verbraten, müssten die Zertifikate über die Jahre verteilt werden und den Reduktionspfad abbilden. Damit würden dann Produkte und Dienstleistungen, die dem Reduktionspfad hinterher hinken, mit der Zeit immer teurer.

    Wenn die Überschreitung des CO2-Budgets ohne Konsequenzen bleibt, hilft das aber alles genauso wenig wie die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereichs gegen Raser.

  • Die eine Möglichkeit funktioniert aber in diesem Fall nur zusammen mit der anderen.

    Es sind grundsätzlich unterschiedliche Ansätze.

    Bei den detaillierten Vorschriften kommen dann diverse kleinteilige Ge- und Verbote: Verbot innerdeutscher Flüge, Verbot von Verbrennungsmotoren ab Zeitpunkt XY oder einzelne Reduktionsziele pro Ministerium.

    Beim CO2-Preis braucht man das alles nicht.

    Erst durch die Deckelung bekommen CO2 Zertifikate

    Diese Deckelung ist der Kernbestandteil des Konzepts "CO2-Zertifikate": es gibt eine jährlich festgelegte Menge, die entlang des gewünschten Reduktionspfads reduziert wird.

    Wenn die Überschreitung des CO2-Budgets ohne Konsequenzen bleibt

    Aktuell beträgt die Strafe für Überschreitungen 100 € pro Tonne.

  • So richtig funktionieren tut das mit den CO2-Zertifikaten aber nicht: Auch reine Ökostromanbieter müssen ihren Strom an der Leipziger Strombörse einkaufen und bei steigenden CO2-Zertifikats-Preisen steigen die Strompreise. Auch wenn der Anbieter selbst durch CO2-Zertifikate gar keine Kosten hat.

    Wenn also der Preis für CO2-Zertifikate explodieren würde, müssten das alle Stromkunden ausbaden, und nicht nur diejenigen, die immer noch den üblichen Braun/Steinkohle/Atom-Mix kaufen. Wo ist da der finanzielle Anreiz, einen Anbieter zu wählen, der ausschließlich Strom aus "erneuerbaren" Quellen ein- und verkauft?

    Antworten auf solche Fragen - oder überhaupt die Benennung des Problems - findet man m.W. in keinem Wahlprogramm.

  • Auch reine Ökostromanbieter müssen ihren Strom an der Leipziger Strombörse einkaufen und bei steigenden CO2-Zertifikats-Preisen steigen die Strompreise.

    Warum sollte Strom aus Wind- oder Solarenergie teurer werden, wenn die CO2-Zertifikate teurer werden?

  • Warum sollte Strom aus Wind- oder Solarenergie teurer werden, wenn die CO2-Zertifikate teurer werden?

    Sorry, hatte falsch gelesen, die kaufen dort nicht ein, aber

    Zitat

    Zwar kaufen wir keinen Strom an der Börse, doch auch die Preise für erneuerbaren Strom orientieren sich an diesem Leitmarkt, Ökostrom wird entsprechend teurer – ein für uns wichtiges Segment sogar um 16 Prozent.

  • Die Heizkosten würden steigen. Es wurde gerade beschlossen, dass die Hälfte davon der Vermieter zu tragen hat. Ich gehe davon aus, dass das über kurz oder lang wieder der Mieter zahlen werden muss.

    Im Idealfall eines funktionierenden Marktes sucht sich der Mieter dann eine günstigere Bleibe und der Vermieter wird seine Wohnung nicht mehr los, bis er die Heizkosten durch technische Umbauten senkt.

    Aktuelle Meldung zum Thema, die Hälfte der Heizkosten zahlt der Vermieter:

    "Berlin Die geplante Aufteilung der CO2-Preiskosten auf Mieter und Vermieter steht wieder auf der Kippe. Trotz der Einigung der zuständigen Unions- und SPD-geführten Ministerien auf Details des Vorhabens kam am Dienstag eine klare Absage aus der Unionsfraktion im Bundestag. „Diese Einigung auf eine 50:50-Aufteilung der Kosten wird so nicht mitgetragen“, sagte der rechtspolitische Sprecher Jan-Marco Luczak der Nachrichtenagentur Reuters."

    Handelsblatt vom 1.6.2021

    https://www.handelsblatt.com/politik/deutsc…1NEKdSLrLQ3-ap1

  • „Diese Einigung auf eine 50:50-Aufteilung der Kosten wird so nicht mitgetragen“, sagte der rechtspolitische Sprecher Jan-Marco Luczak der Nachrichtenagentur Reuters."

    Als Vermieter kann man sogar die Grundsteuer, also die "Eigentumssteuer", mit der der Mieter ja nun wirklich gar nichts zu tun hat, vollständig auf diesen abwälzen.

    Mir kam das Vermieten schon immer irgendwie "schmutzig" vor. Vor ca. zwanzig Jahren (als ich noch keine Familie und statt dessen Geld wie Heu hatte) sagte mir mal ein Bankmitarbeiter: "Sie spielen mit dem Gedanken, in eine Miet-Immobile zu investieren?. Kaufen Sie doch gleich zwei."

    Korrigiere: Vor gut zwanzig Jahren, irgendwann in den 1990ern... :)

  • Auch reine Ökostromanbieter müssen ihren Strom an der Leipziger Strombörse einkaufen

    Mal angenommen, die Erzeugungsart ist an dieser Börse tatsächlich nicht unterscheidbar: wie machen die Ökostromanbieter das heute?

    Denn es gibt sie ja. Aber es dürfte sie nicht geben, wenn sie gar keine Möglichkeit hätten, speziell Ökostrom einzukaufen.

    Habe das gerade anrecherchiert: es wird wohl nur ein kleiner Teil des Stroms über die Börse gehandelt (https://www.kwh-preis.de/strom/ratgeber/stromboerse). Ob an der Börse eventuell auch nach Erzeugungsart getrennt wird, habe ich nicht herausgefunden.

    Aber selbst wenn man (vermutlich falsch) annimmt, dass der Strom beim Kauf überhaupt nicht unterscheidbar ist (also sämtlicher Strom als "Einheitsstrom" an der Börse gehandelt wird), funktioniert der Zertifikatehandel. Denn Strom, der unter Emission von CO2 erzeugt wurde, wird teurer. Das gibt mehr Anreize, Ökostrom zu produzieren.

    Genau da wird das Thema meiner Meinung nach ohnehin entschieden. Die Idealisten, die freiwillig etwas teureren Ökostrom kaufen ich gehöre auch dazu), werden die Emissionsziele nicht für alle erreichen. Dazu ist der Anteil der industriellen Abnehmer zu groß.

  • Mal angenommen, die Erzeugungsart ist an dieser Börse tatsächlich nicht unterscheidbar: wie machen die Ökostromanbieter das heute?

    Denn es gibt sie ja. Aber es dürfte sie nicht geben, wenn sie gar keine Möglichkeit hätten, speziell Ökostrom einzukaufen.

    Habe das gerade anrecherchiert: es wird wohl nur ein kleiner Teil des Stroms über die Börse gehandelt (https://www.kwh-preis.de/strom/ratgeber/stromboerse). Ob an der Börse eventuell auch nach Erzeugungsart getrennt wird, habe ich nicht herausgefunden.

    Aber selbst wenn man (vermutlich falsch) annimmt, dass der Strom beim Kauf überhaupt nicht unterscheidbar ist (also sämtlicher Strom als "Einheitsstrom" an der Börse gehandelt wird), funktioniert der Zertifikatehandel. Denn Strom, der unter Emission von CO2 erzeugt wurde, wird teurer. Das gibt mehr Anreize, Ökostrom zu produzieren.

    Genau da wird das Thema meiner Meinung nach ohnehin entschieden. Die Idealisten, die freiwillig etwas teureren Ökostrom kaufen ich gehöre auch dazu), werden die Emissionsziele nicht für alle erreichen. Dazu ist der Anteil der industriellen Abnehmer zu groß.

    Ja, nochmal sorry, ich hatte das irgendwie falsch gelesen. Aber Greenpeacy-Energy z.B. schreibt, dass sich die Strom-Erzeuger (also bei denen Wasserkraft aus Österreich, etc) bei jeder Neuverhandlung am Leipziger Strompreis orientieren. Und der steigt nun mal vermutlich, wenn die Zertifikate teurer werden.

    Ich kann mir schon vorstellen, dass "saubere" Stromerzeuger irgendwann sagen: Hey, die Typen in Leipzig würden mir mehr bezahlen als ihr.

    Abgesehen davon, dass Ramsauer und Nüsslein als Wasserkraftwerksbesitzer vermutlich nicht aus ideologischen Gründen auf den höchsten erzielbaren Gewinn verzichten... Wie die CO2-Zertifikatspreise also zielgerichtet und marktwirtschaftlich geregelt beim jeweiligen Endkunden ankommen sollen, ist mir nicht so ganz klar.

  • Wie die CO2-Zertifikatspreise also zielgerichtet und marktwirtschaftlich geregelt beim jeweiligen Endkunden ankommen sollen, ist mir nicht so ganz klar.

    Müssen sie es denn überhaupt?

    Der wesentliche Punkt ist doch, dass Ökostrom für die Erzeuger attraktiver wird. Da wirken die Zertifikate ganz direkt.

  • Eine Preissteigerung für Ökostrom ist im durch die Energiewende sowieso zu erwarten und normal. Denn wenn die Nachfrage steigt, steigt erstmal auch der Preis. Egal wie man den Ausbau vorantreibt.

    Aktuell zahlen wir ja noch die Zeche von dem dirigistischen Ansatz mit staatlich vorgegebenen festen Einspeisevergütungen, die oft viel zu hoch waren.

  • marktwirtschaftlich geregelt beim jeweiligen Endkunden ankommen sollen, ist mir nicht so ganz klar.

    Tun sie auch nicht. Müssen sie auch nicht. Die Stelle, wo entschieden wird, wie sich der Strommix zusammensetzt ist ja nicht der Endkunde, sondern der Erzeuger. Und bei dem kommt es zielgerichtet an.

  • Tun sie auch nicht. Müssen sie auch nicht. Die Stelle, wo entschieden wird, wie sich der Strommix zusammensetzt ist ja nicht der Endkunde, sondern der Erzeuger. Und bei dem kommt es zielgerichtet an.

    Und am Ende läufts wieder darauf hinaus, dass die letzten privaten Stromkunden, die noch nicht zu reinen Ökostromanbietern gewechselt sind, weil es keinen finanziellen Anreiz dafür gab, mit einer Prämie gelockt werden. Kommt mir irgendwie bekannt vor. :)