ZZ 1022-10 alleinstehend rechtsseitig

  • Ort
    LK Rosenheim

    Mich würde Eure Meinung interessieren zu alleinstehenden ZZ 1022-10 'Radfahrer frei' rechtsseitig außerorts.

    Die Behörde hat es aufgestellt, um aus einem reinen Gehweg einen Geh- und Radweg ohne Benutzungspflicht zu machen. Das ganze ist außerorts, wobei der reine Gehweg als schmales Hochbord über eine Brücke verläuft. Jenseits der Brücke wird der Weg breiter und soll dann auch dem Radverkehr freigegeben werden. Es fehlt eine Zufahrt von der Straße (Bordstein), so dass baulich nicht erkennbar ist, dass hier ein "neuer" Weg mit einer anderen Widmung (oder wie wird das bezeichnet?) beginnt.

    Eigentlich gibt es für diese Fälle doch das auf den Boden aufgemalte Symbol und der Bordstein müßte abgesenkt werden, um hindernisfrei von der Straße auf den Weg zu gelangen. ZZ 1022-10 rechtsseitig alleinstehend sollte es nach Gesetz nicht geben, oder? Es bleibt ja auch die Bedeutung unklar (Gehweg Radfahrer frei oder nicht benutzungspflichtiger Geh- und Radweg).

    Mich ärgert extrem die Einstellung der Behörde, nach dem Motto, wir stellen Schilder auf, wie wir das wollen.

    Allein deswegen würde ich dagegen klagen wollen. Ich bin zwar viel mit dem Rad untereegs, aber diesen Weg benutze ich regelmäßig als Füßgänger. M.E. ist der Weg für einen Geh-/Radweg ungeeignet.

    Wie schätzt ihr das Klage-Risiko ein? Gibt es da schon Urteile oder Erfahrungen? Oder ist die Beschilderung rechtskonform.

    Ich freue mich auf Euer Feedback!

  • Oder ist die Beschilderung rechtskonform.

    Das Zusatzzeichen 1022-10 ist nach meinem Dafürhalten für eine einzelne Aufstellung auf der rechten Straßenseite nicht vorgesehen. Das geht nur in Kombination mit Zeichen 239, wo dann Schrittgeschwindigkeit vorgesehen ist.

    Die einzelne Aufstellung auf der linken Straßenseite ist ja auch nur für „Radwege“ definiert, insofern bin ich mir ohnehin nicht sicher, ob beim vorliegen eines einzelnen Sonderweges, der dann zunächst einmal ein Gehweg ist, ohnehin eine Freigabe erfolgen kann.

  • hoppala.

    Mapillary

    GoogleMaps-LuBi

    ich stimme zu, dass das da einfach eine Frechheit ist. Wenn eine Radverkehrsinfrastuktur beginnt, hat von allen relevanten bzw. legalen Zufahrtmöglichkeiten aus auch eine nutzbare Zufahrt vorhanden zu sein.

    Wäre es eine Möglichkeit, bei der zuständigen Behörde nachzufragen, wie diese sich das sichere Auffahren auf den Radweg vorstellt und nach welchen Vorgaben/Empfehlungen die Auffahrt angelegt wurde?

  • tun sie jedenfalls

    edit: In Braunschweig auch

    Aus dem Leitfaden Radverkehr der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr: [Zusatzzeichen 1022-10] oder [Zeichen 239] [Zusatzzeichen 1022-10]

    In der Skizze ist aber bei genauem Hinsehen auch beim "Radweg" ein anderer Belag erkennbar, wodurch keine gesonderte Kennzeichnung notwendig wäre, um einen Angebotsradweg ohne RWB zu schaffen.

  • Dass das passiert steht ja außer Frage; das hatte ich ja in Hamburg und Niedersachsen schon ein paar Mal kritisiert. Aber mir ist noch immer nicht klar, was die Behörde mit dieser Regelung nun eigentlich bezwecken möchte — das Zeichen 239 sparen oder die Schrittgeschwindigkeit vermeiden?

  • Ich gehe davon aus, dass man damit das Gebot der Schrittgeschwindigkeit vermeiden möchte. Rund um den Flughafen HH-Finkenwerder funktioniert das gut und es wäre aufgrund der Wegbreite und des geringen Fußgängeraufkommens absolut unnötig, dort dauerhaft mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren.

    Das Beispiel aus Braunschweig ist sicherlich grenzwertig, weil der Weg für eine Begegnung von Radfahrern und Fußgängern zu schmal ist. Da kommt dann aus diesem Grund aber eigentlich auch kein [Zeichen 239][Zusatzzeichen 1022-10] in Frage.

  • Die Seite StVO2GO meint dazu:

    Zitat

    Die Aufstellung des Zusatzzeichens 1022-10 (Radfahrer frei) ohne Hauptzeichen ist nach der VwV-StVO explizit für die Einräumung eines Benutzungsrechts auf linken Radwegen vorgesehen.

    Die oberste Landesbehörde kann gemäß § 46 Absatz 2 StVO auch die Kennzeichnung von rechten Radwegen ohne Benutzungspflicht mit Zusatzzeichen „Radfahrer frei“ ohne Hauptzeichen zulassen.

    Radfahrer dürfen Wege mit allein stehenden Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ befahren. Statt dem freigegebenen Weg, können Radfahrer aber auch weiterhin auf der Fahrbahn fahren.

    Als Radfahrer gegen dieses Konstrukt zu klagen halte ich nach Urteil des OVG Lüneburg zu Schutzstreifen für aussichtslos. Als Fußgänger könnte man es versuchen.

  • Ich gehe davon aus, dass man damit das Gebot der Schrittgeschwindigkeit vermeiden möchte.

    Richtig, denn die Schrittgeschwindigkeit hängt alleine an der Kombi 239+"Schleichradler frei".

    Auch richtig: Ist nur für linksseitig in der StVO vorgesehen.

    Ebenso richtig: Die StVO sieht in § 2 (4) S. 3 "Rechte Radwege ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 dürfen benutzt werden."

    auch "240er ohne 240", also gemeinsame Geh- und Radwege ohne B-Pflicht vor, nur definiert nicht, wie man die erkennt.

    Inzwischen gibt es wohl schon paar Jahre eine Vereinbarung der Verkehrsminister, dass ein Piktogramm in Anlehnung an 240 reicht, bspw. irgendwo auf Bernd Slukas Seite zu finden.

    Da das aber nicht Teil der StVO ist, darf man m.E. ohne Rechtsnachteil auch an anderen Indizien einen Radweg erkennen.

    Es waren schon im Netz Schilder in 240-Design zu sehen, nur in schwarz auf weiß und eckig. Das würde ich auch als klares Indiz werten, wie auch die "Radfahrer frei" aus den Bsp. hier. (Auch eine auf den Weg zuführende Radfurt würde ich als legitimes Indiz werten oder Radwegweisung, Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde nach einem Urteil des OLG Jena. Sie könnte ja eindeutiger beschildern, wenn sie was anderes meint.)

    Erkennt ein Radler hier einen nicht b-pfl. Radweg im Sinne von Satz 3 (nicht Gehweg, Schleichradler frei), darf es ihm m.E. nicht angekreidet werden. Wenn er's nicht erkennt, kann's ihm mangels Blauschild eh nicht angelastet werden.

    Kurzum: Halbseiden, aber Intention trotzdem klar, für den radelnden Benutzer ziemlich egal, ob es koscher nach VwV-StVO etc. beschildert, weil m.E. nicht ankreidbar, ob er es so oder anders erkennt.

    Klagebefugt wäre allenfalls ein Fußgänger, falls er meint, Freigabe mit > Schritt wäre nicht richtig ...

  • Und zur Ergänzung noch aus der VwV-StVO:

    Zitat

    Radwege ohne Benutzungspflicht sind für den Radverkehr vorgesehene Verkehrsflächen ohne Zeichen 237, 240 oder 241.

    Solange klar erkennbar ist, dass die Verkehrsfläche nicht nur für Fußgänger sondern auch für den Radverkehr vorgesehen ist, handelt es sich also um einen gemeinsamen Geh- und Radweg ohne Zeichen 240. Damit man nicht auf die Idee kommt, dass jeder Gehweg ohne [Zeichen 239] automatisch auch ein "Radweg" ist, wäre eine einheitliche Regelung natürlich sehr wünschenswert, damit das nicht jeder selbst entscheiden muss, was er für einen Radweg hält.

    Ebenso fehlen in der VwV-StVO klare Voraussetzungen, unter welchen Umständen so etwas in Frage kommt, bzw. Ausschlusskriterien, wann das auf gar keinen Fall in Frage kommt. Die RASt-06 ist in dieser Hinsicht recht konkret, was die dafür erforderlichen Breiten in Abhängigkeit der Seitenraumbelastung angeht. Die Relevanz der technischen Regelwerke sollte meiner Meinung nach deutlich erhöht werden und Abweichungen davon müssten bei verkehrsrechtlichen Anordnungen schlüssig begründet werden, also durch mehr als "da war halt nicht mehr Platz und wir wollten nicht, dass Autofahrer hinter den Radfahrern herfahren müssen".

    Das Konstrukt [Zeichen 239][Zusatzzeichen 1022-10] gehört meiner Meinung nach komplett abgeschafft. Entweder ist ein Weg für eine gemeinsame Nutzung durch Fußgänger und Radfahrer, die mit normaler Geschwindigkeit fahren, geeignet, oder eben nicht. Wo es nicht sicher ist, sich schneller als mit Schrittgeschwindigkeit zu bewegen, müssen Radfahrer schieben. Dann sind sie ja auch nicht langsamer.

  • Das Konstrukt [Zeichen 239][Zusatzzeichen 1022-10] gehört meiner Meinung nach komplett abgeschafft. Entweder ist ein Weg für eine gemeinsame Nutzung durch Fußgänger und Radfahrer, die mit normaler Geschwindigkeit fahren, geeignet, oder eben nicht. Wo es nicht sicher ist, sich schneller als mit Schrittgeschwindigkeit zu bewegen, müssen Radfahrer schieben. Dann sind sie ja auch nicht langsamer.

    \o/

    DAS wäre mal eine Forderung, bei dem ich einen "Radentscheid" auch unterschreiben würde.

  • Die Seite StVO2GO meint dazu:

    Oh, auf § 46 Abs. 2 StVO bin ich ja noch gar nicht gekommen in diesem Zusammenhang. Das heißt, ich darf mir dann als Radfahrer überlegen, ob ein rechts aufgestelltes [Zusatzzeichen 1022-10] in Niedersachsen das gleiche bedeutet wie in Schleswig-Holstein — wohl mit dem Wissen im Hinterkopf, dass man in Hamburg nach inoffizieller Verlautbarung durchaus Schrittgeschwindigkeit haben möchte, aber das [Zeichen 239] sparen wollte?

  • Das Gebot der Schrittgeschwindigkeit ist doch aber an das [Zeichen 239] geknüpft, wenn der Gehweg für andere Verkehrsarten freigegeben ist. Also kann man in ein allein stehendes [Zusatzzeichen 1022-10] auch keine Pflicht hineindeuten, mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren.

  • Ups, da habe ich ja was losgetreten. Zunächst mal besten Dank für alle Antworten und Kommentare. Auffällig ist, dass es keine absolut sichere Meinung dazu gibt. Und genau das darf ja eigentlich nicht sein. Normalerweise sollte außerorts erkennbar sein, um was für einen Weg es sich handelt. Das ist hier nicht der Fall. Wenn denn noch ein in diesem Fall nicht definiertes Zusatzzeichen mit dem Zweck der Klarstellung hinzukommt, ist das Chaos perfekt.

    Ich denke, da riskiere ich eine Anfechtungsklage als Fußgänger (das habe ich auch immer so im Schriftverkehr mit der Behörde so geschrieben). Als Radfahrer fahre ich i.d.R. auf der Straße und lass mich anhupen und abdrängen.

    Aber vielleicht frage ich nochmal ganz konkret nach, ob für Radfahrer maximal Schrittgeschwindigkeit oder normal angepasste Geschwindigkeit gewollt ist.

  • 7

    Die Schrittgeschwindigkeit wird durch das [Zeichen 239] und nicht das [Zusatzzeichen 1022-10] vorgegeben.

    Was von Behörden gewollt ist, ist eine andere Frage...

    Das Gehweg-Zeichen steht am Anfang der Brücke. Da (für mich) nicht erkennbar ist, dass der Gehweg endet (keine Furt von der Straße, allerdings parallel zum Fluß mündet der sog. Innradweg (formal ein Feldweg) dort), gilt es m.E. bis zur nächsten Straßeneinmündung, oder???

  • Ich glaub, KSM zielte auf den Einwand ab:

    ...wohl mit dem Wissen im Hinterkopf, dass man in Hamburg nach inoffizieller Verlautbarung durchaus Schrittgeschwindigkeit haben möchte, aber das [Zeichen 239] sparen wollte?

    Und dass Hamburg seine eigene StVO lebt, ist allseits bekannt.

    Stichwort: Radfahrstreifen und fehlendes [Zeichen 237] , während man über Winkelzüge versucht, implizit eine RWBP zu begründen.