Poller am Bebelplatz in Kiel-Elmschenhagen

  • In Kiel-Elmschenhagen wurden am Bebelplatz Poller aufgestellt, um das Falschparken auf der dortigen Radweg und der daran anschließenden Nebenfläche zu unterbinden. Ich habe leider keine Fotos davon, bin dort aber mal zwei oder drei Mal vorbeigekommen und es wurde tatsächlich rege auf der Nebenfläche geparkt und mitunter auch direkt auf dem Radweg — natürlich „nur ganz kurz“.

    Die Stadt hat das Falschparken nun mit einer Ladung Poller unterbunden. Dann: Kaufleute kontra Poller: Aufstand auf dem Bebelplatz

    Ich kann durchaus nachvollziehen, dass das Parken, auch wenn ordnungswidrig, immerhin als Gewohnheitsrecht wahrgenommen wurde. Kunden fänden nun keine Parkplätze mehr (weil sie nicht mehr ordnungswidrig auf der Nebenfläche parken können), Lieferanten könnten nicht mehr anliefern (weil sie nicht mehr ordnungswidrig auf der Nebenfläche parken können), Anwohner könnten nach der Arbeit nicht mehr ordnungswidrig auf der Nebenfläche parken.

    Das Thema wird am 27. Oktober im Ortsbeirat aufgegriffen.

    Das Thema politisiert außerordentlich, beispielsweise hat sich Marcel Schmidt von der SSW-Ratsfraktion eingeschaltet: weder gut für die Verkehrswende noch für die Stadteilentwicklung

    Die Kommentare zeigen mal wieder auf, wie schwer das Fehlen der ordnungswidrigen Parkplätze die Menschen trifft. Einer klagt, er müsse jetzt 200 Meter weit zu einem freien Parkplatz laufen, ein anderer müsse in einer 300 Meter entfernten Straße parken. Das ist zum Ausladen von Einkäufen natürlich fatal, aber normalerweise freut man sich über einen Bahnhof oder eine Bushaltestelle in einer solch fußläufigen Nähe. Nun ja.

  • Na klar ist das blöd, Einkäufe weit schleppen zu müssen und ggf. auch mehrfach zu laufen. Hab ich in meiner ersten Zeit in Hamburg auch gemusst so gemacht und es gehasst!

    Rein menschlich kann ich das total nachvollziehen.

    Man müsste nen kleinen Anhänger haben den man als Einkaufswagen nehmen kann, hinten ans Auto hängt und dann bestenfalls bis in die Küche rollen kann...

    Oh moment, fürs Fahrrad gibt's das ja schon ;), macht das jemand so von Euch?

    Ich kann mit dem Pkw fast in die Küche fahren.

  • Das Thema politisiert außerordentlich, beispielsweise hat sich Marcel Schmidt von der SSW-Ratsfraktion eingeschaltet: weder gut für die Verkehrswende noch für die Stadteilentwicklung

    Ich habe auf seiner Website einen Kommentar angemeldet ... derzeit "waiting for approval":

    Zitat

    Ich finde es nicht unglaublich, dass endlich Poller aufgestellt wurden, um die permanenten Rechtsbrüche und Behinderungen zu unterbinden, die von rücksichtslosen Autofahrern ausgingen, sondern ich finde es unglaublich, dass ein Abgeordneter illegales Verhalten (Parken auf dem Radweg / Gehweg) als „Recht“ einfordert! Da ist das eindimensionale Pro-Auto-Denken schon so fest verinnerlicht, dass jeder Versuch, Übergriffigkeit von Autofahrern zu unterbinden, als ungerechtfertigte Privilegierung von Radfahrern diffamiert wird. Warum stellen die Autofahrer ihre Gefährte nicht einfach in voller Breite auf der Fahrbahn ab, anstatt anderen Verkehrsteilnehmern ihre Fläche zu stehlen?

  • Würde ich in Kiel wohnen, würde ich denen schreiben, dass ich bei denen nicht mehr einkaufe, da sie anscheinend nur Falschparker als Kunden akzeptieren.

    Das kannst du ja mal dem Einzelhandel in der Holtenauer Straße schreiben, der ja offenkundig größere Ängste hat, dass Fahrräder auf der Holtenauer Straße oder den umliegenden Straßen zu sehen sind, weil Kraftfahrer mit der Situation überfordert wären und womöglich künftig zum Einkaufen auf die so genannte grüne Wiese führen.

  • Interessantes Detail: Marcel Schmidt, der Fraktionsvorsitzende der Kieler SSW-Ratsfraktion, ist offenbar Polizeihauptkommissar:

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    Natürlich ist es ihm auch in dieser Position unbenommen, die Poller und deren Auftreten zu kritisieren, aber da hätte ich doch eine gewisse Differenzierung hinsichtlich der Straßenverkehrs-Ordnung und der Gefährdung nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer erwartet.

  • Am Dienstag, den 27. Oktober 2020, werden die Poller vermutlich auf der 332. Sitzung des Ortsbeirates Elmschenhagen/Kroog thematisiert. Ich werde versuchen, dorthin zu fahren, vielleicht mag sich noch jemand aus Kiel anschließen?

  • Das hier sind übrigens die Poller, um die es geht. Der nichtbenutzungspflichtige Radweg ist baulich auch nicht so der Hit, alles spielt sich insgesamt in einer Tempo-30-Zone ab:

    Weiter zum Ortsbeirat. Erst einmal stehen wir eine ganze Weile in der kalten Dunkelheit, denn die Mensa wird noch hergerichtet für die kommende Sitzung: Die Hälfte der Stühle werden herausgeräumt und die verbliebenen Stühle mit Formularen zum Ausfüllen der Kontaktdaten ausgestattet. Die Idee dahinter ist: Nur wer einen Stuhl findet und seine Kontaktdaten abbiegt, darf als Zuschauer an der Sitzung teilnehmen.

    Weil die Zuschauer aber nicht doof sind, nehmen sie sich einfach einen der beiseite geräumten Stühle und pflanzen sich irgenwo in den Anderthalb-Meter-Abstand eines anderen Zuschauers. Das klappt ja prima. Unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen wäre der Raum bereits um 19:10 Uhr komplett gefüllt.

    Apropos kalte Dunkelheit: Wärmer wird’s nicht, denn wie im Schulbetrieb üblich, werden auch hier die Fenster soweit wie möglich geöffnet. Tee trinken ist übrigens verboten, die Maske bleibt auf der Nase.

    19:35 Uhr: Los geht’s.

    Antrag: Die „Poller-Situation“ am Bebelplatz soll auf Tagesordnungspunkt 5 rücken. Sieben Stimmen, das reicht.

    Nächster Antrag: Tagesordnungspunkt 5 solle weiter nach vorne rücken, weil alle anwesenden Zuschauer nur wegen der Poller hier wären.

    Man einigt sich darauf, die ersten Tagesordnungspunkte in der üblichen Geschwindigkeit abzuhandeln, das ginge ganz schnell.

    19:40 Uhr: Schon sind wir bei TOP 5.

    Die Poller am Bebelplatz wären zurückzuführen auf eine Fahrradtour im März mit drei Personen, bei der die Fahrradwege in Elmschenhagen erörtert wurden. Am Bebelplatz hätten mehrere Fahrzeuge auf dem Radweg geparkt, um die Fahrbahn freizuhalten, so dass Radfahrer aber nicht mehr auf dem Radweg vorbeifahren konnten. Darum wären ein halbes Jahr später Poller aufgestellt werden.

    Nun läge ein Kompromissantrag vor:

    • Aufnahme mit Gesprächen mit der Eigentümerversammlung am Bebelplatz
    • Der Radweg solle mit farbigen Markierungen über die Pflasterung des Bebelplatzes geführt werden
    • Das Parken würde mit Parkscheibe für eine Stunde halb auf dem ehemaligen Radweg erlaubt

    Das Parken auf der Fahrbahn käme nicht in Frage, da aufgrund des Verkehrsaufkommens ansonsten ein Rückstau bis zur nächsten Kreuzung entstünde. Das Parken auf dem Radweg müsse ermöglicht werden, da es ansonsten zu wenig Parkplätze im Viertel gäbe.

    Man habe bei der Formulierung dieses Antrages Probleme mit der Straßenverkehrs-Ordnung bekommen, da § 45 Abs. 1 StVO und Abs. 9 strenge Kriterien für „solche Maßnahmen“ forderten. Das würde aber alles noch zeitnah mit den Fachleuten erläutert.

    Irgendwann, wenn der Bebelplatz komplett überplant würde, könne man sich eine langfristige Lösung ausdenken.

    Die Mitglieder des Ortsbeirates sind grundsätzlich zufrieden mit der Lösung.

    BUND: Die Stadt Kiel hätte beschlossen, die Verkehrswende voran zu treiben, insofern wäre es schwierig, jetzt erst neue Parkplätze zu schaffen, den Radverkehr zu benachteiligen und bei der Überplanung des Bebelplatzes diese Parkplätze dann wieder wegdiskutieren zu müssen. (Grummeln im Publikum)

    Eine Zuschauerin fragt, um welche Poller geht es eigentlich?

    Zuschauer: Warum wird überhaupt über diese Lösung diskutiert? Die parkenden Autos waren nervig („nein!“), nun sollen die Poller wieder weg, das kostet wieder Geld, die Lösung wäre gut. Wer wäre denn benachteiligt? Lieferanten könnten dort halten und alle anderen hätten auf dem Radweg nichts zu suchen.

    Gübel: Die Geschäftsleute sind aber auf Parkplätze vor ihren Geschäften angewiesen, man müsse hier an alle denken, nicht nur einseitig. Wo sollen die Kunden sonst parken? (lauter Applaus)

    Zuschauerin: Findet es gut, dass die Poller dort stehen und der Radweg frei bleibt. Man könne auch mal ein paar Meter laufen. (Widerspruch im Publikum, Applaus)

    Zuschauer: Autofahrer würden geradezu genötigt, falsch zu parken, weil hier und da ständig Parkplätze vernichtet würden. Man könne nicht immer Parkplätze

    Zuschauer wundert sich, ob die Verlegung des Radweges über Privatgelände rechtlich einfach so machbar wäre. Vielleicht könne man

    Geschäftsmann: Als Geschäftsleute haben wir nicht die Zeit, so lange zu warten. Die Poller wären defintiiv eine sehr schlecht kommunizierte, sehr negative Maßnahme. Die Kunden lernen, sie können dort nicht mehr parken und kämen nicht wieder. Die Leute würden dann eben alles online bestellen, aber das helfe nunmal dem Stadtteil nicht. Es ginge nicht gegen Radfahrer, aber auch nicht gegen Autofahrer. Die Poller müssten wieder weg, bis der Bebelplatz umgestaltet würde.

    Dr. Hack: Die Lösung wäre ganz einfach: Die Pfosten entfernen, mit einem Farbtopf den Radweg über den Platz führen. Der jetzige Zustand wäre aber unhaltsam. Außerdem verschandelten die Poller, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aufgestellt wurden, das Stadtbild.

    Ich frage nach: Das ist doch alles in einer Tempo-30-Zone, das könne ja so dramatisch nicht sein. Gäbe es Zahlen, wie viele Fahrräder und Kraftfahrzeuge dort unterwegs sind?

    Leider gibt es aber keine Zahlen — ich hätte ja gerne noch mal gefragt, warum man denn nicht weitere verkehrsberuhigende Maßnahmen einbaut, den Radverkehr über die Fahrbahn führt und die Leute auf dem ehemaligen Radweg parken lässt.

    Antrag angekommen.

    20:10 Uhr: Ich haue ab. Entgegen der Annahme des Ortsbeirates sind aber doch nicht so viele Zuschauer nur wegen der Poller hier, zumindest gehen nur eine Handvoll Leute raus.

    Im Endeffekt ist das ja mal wieder typisch gelaufen: Kraftfahrer parken ordnungswidrig auf dem Radweg, der Radweg wird abgepollert, weil Kraftfahrer sich beschweren, soll nun aber grundsätzlich der Radweg verlegt und das Parken auf dem Radweg ordnungsgemäß erlaubt werden. Und das alles in einer so genannten Landeshauptstadt im Klimanotstand.

    Außerdem bin ich ja mal gespannt, wie denn wohl der neue Radweg neben dem alten Radweg verlegt werden soll. Dort ist ja direkt diverses Geraffel in Form von Laternenmasten, Baumscheiben und ähnlichem Straßenmobiliar zugegen, insofern fährt man mit dem Rad dann quer über den Platz durch die Fußgänger hindurch. Das wird bestimmt super.

    Im Endeffekt werden hier wieder nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer gegeneinander ausgespielt, damit das ordnungswidrige Parken von Kraftfahrzeugen legalisiert werden kann. Mal sehen, ob dann bei einer der nächsten Sitzungen der Seniorenbeirat auftritt und sich — zurecht! — über gehwegradelnde Kampfradler am Bebelplatz beschwert.

  • Auf Google Maps gibt es da einen sehr interessanten Vorschlag.

    Aber sonst sieht die Straße da aber nicht so aus, als ob da unbedingt ein Radweg nötig wäre, oder?

    Genau das war der Hintergrund der Frage, die ich dort im Ortsbeirat gestellt hatte. Es scheint dort aber sehr viele Probleme mit falsch parkenden Kraftfahrzeugen zu geben, was dafür für ungemütliche Situationen zwischen Radfahrern und Kraftfahrern führe, so dass dort der Radweg unbedingt notwendig wäre. Andererseits scheint der Verkehrsfluss in manchen Momenten so gut zu flutschen, dass dort „mindestens 70“ gefahren würde, was ich ja angesichts der Straßenführung dann doch nicht so ganz glauben mag.

    Ich hielte es ja grundsätzlich für sinnvoller, die Verkehrsinfrastruktur dort noch einmal neu in Angriff zu nehmen, aber das wird wohl erst in ein paar Jahren bei einer grundsätzlichen Neuplanung des Bebelplatzes passieren.

  • Beitrag von krapotke (7. November 2020 um 07:26)

    Dieser Beitrag wurde vom Autor gelöscht (5. Januar 2023 um 10:28).
  • Es wieder mal nur an den Symptomen herumgedoktert, anstatt sich der Ursache zu widmen. Wären die Parkplätze in Längsrichtung gäbe es das Problem nicht. Zudem hätte man auf beiden Seiten der Autos ausreichend Platz zum Ein- und Aussteigen und für die Sitzbänke wäre auch noch Raum. Müsste man halt 3-4 Stellplätze opfern...
    Die Poller sollen Fahrzeuge bis 2t und 10 km/h aufhalten können. Das durchschnittliche Gewicht eines neu zugelassenen PKW beträgt im Jahr 2020 ca 1,5t (exkl. Passagiere, vollem Tank und Wochenendeinkauf im Kofferraum). SUV liegen nochmal drüber, z.B. fängt das bei BMW mit 1,8t Leergewicht an. Schrägparkplätze sind zudem auch besser geeignet mit höherer Geschwindigkeit einzuparken.

    Ich habe Physik damals in der Schule recht zeitig abgewählt und lasse vielleicht das ein oder andere Naturgesetz außer Betracht, wenn ich die Sache durchdenke. Aber wäre es nicht besser gewesen, die Abstände der Poller so zu wählen, dass ein PKW nicht dazwischen durchpasst? Und wenn der PKW (wahlweise SUV, Lieferwagen) den Poller wie vorgesehen trifft, würde es nicht die Folgen lindern und die Gefahr ein Durchbruchs reduzieren, wenn man die Poller miteinander verbindet und die Kraft so auf mehrere Fundamente verteilt, also ähnlich wie bei Leitplanken?

    Naja, möge der Gutachter für die Bemessung der Poller ein wenig besser gearbeitet haben als der Einkäufer der Stadtmöbel, die beim letzten Umbau vor gerade mal 2 Jahren dazu bestimmt wurden die einparkenden PKW aufzuhalten.

    Für die Benutzer des Fußwegs bleibt zu hoffen, dass die Devise des Umbaus "Autoarme Lösung: soweit muss es ja nicht kommen", wenigstens keine schwerwiegenden Folgen hat. ;(