Straßen mit auffällig vielen Unfällen - rechtliche Handhabe als Unbeteiligter?

  • Gibt es eigentlich für Straßen bestimmte Schwellwerte an Unfällen, ab denen man an Behörden herantreten kann und eine Anpassung negativer Art (Tempolimit, Verbesserung der Fahrbahnoberfläche, Radarkontrollen etc.) erfolgreich einfordern kann?

    Es gibt in der StVO und den VwV-StVO ja einige Bereiche, in denen Reaktionen der Behörden gefordert sind und die somit theoretisch auch einklagbar sind, z. B. Tempo 30 vor Schulen oder Krankenhäusern, aber wie ist das bei Unfällen? Wenn eine Straße im Vergleich zu anderen Straßen in der näheren Umgebung mit ähnlicher Verkehrsbelastung eine eindeutig negative Ausgangslage (Kurven, Steigungen, Sichthindernisse, Glätte, schlechter Fahrbahnzustand, etc.) aufweist und zudem im Verhältnis massiv viele Unfälle (z. B. Faktor 10) laut Unfallatlas passiert sind, hat man dann als Unbeteiligter (also nicht Unfallgegner oder -geschädigter) irgendeine Möglichkeit, da Verbesserung herbeizuführen? Den politischen Weg mit "Sprechen Sie das doch mal bei ihrem Abgeordneten oder Landrat an!" mal außen vor, da sehe ich wenig Erfolg.

    Bisher habe ich nur folgendes gefunden:

    Zitat von Zu Zeichen 274 Zulässige Höchstgeschwindigkeit, VwV-StVO

    Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Sicherheitsgründen sollen auf bestehenden Straßen angeordnet werden, wenn Unfalluntersuchungen ergeben haben, dass häufig geschwindigkeitsbedingte Unfälle aufgetreten sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn festgestellt worden ist, dass die geltende Höchstgeschwindigkeit von der Mehrheit der Kraftfahrer eingehalten wird. Im anderen Fall muss die geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit durchgesetzt werden. Geschwindigkeitsbeschränkungen können sich im Einzelfall schon dann empfehlen, wenn aufgrund unangemessener Geschwindigkeiten häufig gefährliche Verkehrssituationen festgestellt werden

    in Verbindung mit:

    Zitat von Zu § 44 Sachliche Zuständigkeit, VwV-StVO

    Zur Bekämpfung der Verkehrsunfälle haben Straßenverkehrsbehörde, Straßenbaubehörde und Polizei eng zusammenzuarbeiten, um zu ermitteln, wo sich die Unfälle häufen, worauf diese zurückzuführen sind, und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um unfallbegünstigende Besonderheiten zu beseitigen. [...]

    Für Straßenstellen mit besonders vielen Unfällen oder mit Häufungen gleichartiger Unfälle sind Unfalldiagramme zu fertigen. Diese Unterlagen sind sorgfältig auszuwerten; vor allem Vorfahrtunfälle, Abbiegeunfälle, Unfälle mit kreuzenden Fußgängern und Unfälle infolge Verlustes der Fahrzeugkontrolle weisen häufig darauf hin, dass die bauliche Beschaffenheit der Straße mangelhaft oder die Verkehrsregelung unzulänglich ist. [...]

    Wenn örtliche Unfalluntersuchungen ergeben haben, dass sich an einer bestimmten Stelle regelmäßig Unfälle ereignen, ist zu prüfen, ob es sich dabei um Unfälle ähnlicher Art handelt. Ist das der Fall, so kann durch verkehrsregelnde oder bauliche Maßnahmen häufig für eine Entschärfung der Gefahrenstelle gesorgt werden. Derartige Maßnahmen sind in jedem Fall ins Auge zu fassen, auch wenn in absehbarer Zeit eine völlige Umgestaltung geplant ist.

    Klingt erstmal gut, oder? Als Laie würde ich jetzt sagen, ich kann also die Unfallarten im Unfallatlas auflisten, ein paar Fotos der Gefahrenstellen schießen, das ganze an die zuständige Behörde schicken und nach drei Monaten ist der Bautrupp da, der das Problem beseitigt. Auf der anderen Seite frage ich mich dann - wenn es so leicht ist, wieso ist dann die Gefahrstelle schon seit Jahren oder gar Jahrzehnten vorhanden? Ist es evtl. doch nicht so leicht? Gibt es überhaupt einen Anspruch darauf?

    Hat da von euch jemand schon mal Erfahrungen gesammelt?

  • Günstige Ausgangsvoraussetzungen hast du, wenn du als Elternvertreter von Kitas oder Schulen eine Verkehrs-AG deiner Kita oder Schule gründest und dann mit Forderungen nach Verbesserungen an die Verwaltung herantrittst. Dazu musst du dann natürlich Elternteil eines Kita- oder Schulkindes sein.

    Darüberhinaus ist die Arbeit in Vereinen eine wichtige Aufgabe. Der ADAC zum Beispiel hat einen Haufen Geld und einen Haufen Mitglieder und sitzt fest installiert in vielen Gremien als ständiges Mitglied. Da muss man sich nicht wundern, dass oft so wenig passiert, um die Situation von Radfahrern oder Fußgängern zu verbessern.

    Im Vergleich dazu sind Vereine und Verbände wie BiU, VCD, ADFC usw. weniger stark präsent. Können es oft auch nicht sein, weil sie über sehr viel weniger Ressourcen und Mitglieder verfügen.

    Und diese wichtige Vereinsarbeit ist sehr kleinteilig und erfordert viel Geduld.

    Außerdem gibt es verschiedene Bürgerbeteiligungsverfahren.

    In Hannover habe ich zum Beispiel an der Bürgerbeteiligung für den Nahverkehrsplan mitgewirkt. Das war in der Zeitung angekündigt, dass dafür Personen gesucht wurden. War sehr interessant. Kostete zwei Samstagnachmittage und brachte eine Eintrittskarte in den Herrenhäuser Garten.

  • Gibt es eigentlich für Straßen bestimmte Schwellwerte an Unfällen, ab denen man an Behörden herantreten kann und eine Anpassung negativer Art (Tempolimit, Verbesserung der Fahrbahnoberfläche, Radarkontrollen etc.) erfolgreich einfordern kann?

    Natürlich gibt es das, beim Kraftverkehr ist das die normale Praxis. Mir ist aber kein Fall bekannt, wo dieser rationale faktenbasierte Ansatz im Zusammenhang mit Radverkehr geübt worden wäre. Beim Radverkehr herrscht zunächst das "edle" Vorsorgeprinzip (Handeln, bevor was passiert!!!), und zwar genau so lange, wie man damit dem Radverkehr das Fahrbahnradeln verbieten kann. Anschließend herrscht dagegen das Hinhalteprinzip (erstmal nix tun. Wenn es zu schlimm kommt, einen Umbau der Radverkehrsnalagen anpeilen, das aber nur, wenn $Fördermittel dafür kommen; auf keinen Fall gibt man aber die Fahrradseparation nach erwiesener Gefährlichkeit einfach wieder auf und kehrt zum Mischverkehr zurück, weil s.o. ...).

  • Danke für eure Antworten. Ich habe leider ganz vergessen zu erwähnen, dass es sich um eine außerörtliche Straße ohne Radweg handelt. Eine ältere Landstraße, schmal, geflickter Asphalt und Spurrillen, Kurven, Hügel, wenig Verkehr (unter 1000 Fzg./Tag), aber eben im Vergleich zu ähnlich schwach befahrenen Straßen extrem viele Unfälle, oftmals alleinbeteiligtes Abkommen oder Zusammenstöße in Kurven. Ich fahre da mit Rad und Auto und bisher ist mir nichts passiert, aber die Angst fährt immer etwas im Nacken mit...

    Darüberhinaus ist die Arbeit in Vereinen eine wichtige Aufgabe. [...] Außerdem gibt es verschiedene Bürgerbeteiligungsverfahren.

    Vereine will ich eigentlich meiden, mir geht es jetzt auch nicht um eine dauerhafte Einflussnahme, sondern einfach um die Auflösung von Konfliktstellen, die mich mit etwas Pech auch selbst irgendwann mal "erwischen" könnten. Bürgerbeteiligungen sind hier eher so "wir laden mal alle Einwohner (aber nur die!) der Stadt ein und dann darf jeder seinen Senf dazugeben", aber am Ende wird das eh ignoriert, weil es sonst aussehen würde wie das von Homer Simpson designte Auto...

    Anspruch mitsamt Klageberechtigung allenfalls bei persönlicher Betroffenheit.

    Anregungen gehen immer, aber ohne Anspruch auf Bearbeitung halt ...

    Bei Verkehrzeichen negativer Art, z. B. Tempolimits, bin ich ja automatisch immer betroffen. Gilt das dann bei so abstrakteren Fällen auch? Könnte ich also argumentieren, dass ich als die Straße nutzender Radfahrer oder Autofahrer durch den schlechten Zustand und die engen Kurven durch Unfälle von anderen gefährdet werde, selbst wenn ich nach § 3 Abs 1 StVO stets nur maximal 30 fahre, obwohl kein Tempolimit existiert? Oder muss ich erst selbst verunfallen, bevor ich was ändern kann?

    Natürlich gibt es das, beim Kraftverkehr ist das die normale Praxis. Mir ist aber kein Fall bekannt, wo dieser rationale faktenbasierte Ansatz im Zusammenhang mit Radverkehr geübt worden wäre. Beim Radverkehr herrscht zunächst das "edle" Vorsorgeprinzip (Handeln, bevor was passiert!!!), und zwar genau so lange, wie man damit dem Radverkehr das Fahrbahnradeln verbieten kann. Anschließend herrscht dagegen das Hinhalteprinzip (erstmal nix tun. Wenn es zu schlimm kommt, einen Umbau der Radverkehrsnalagen anpeilen, das aber nur, wenn $Fördermittel dafür kommen; auf keinen Fall gibt man aber die Fahrradseparation nach erwiesener Gefährlichkeit einfach wieder auf und kehrt zum Mischverkehr zurück, weil s.o. ...).

    Das ist hier aus oben genannten Gründen nicht die Gefahr. Es wird sicher auch kein Radweg gebaut werden, schon allein weil nichtmal Geld für die Straße da zu sein scheint und auch kein Platz. Wenn das bei KFZ aber die normale Praxis ist (die Unfälle sind fast nur mit KFZ), wie würdest du da dann vorgehen? Ein Problem sehe ich darin, dass man ja nicht eindeutig sagen kann, ob ein Fahrzeug in den Graben gefahren ist, weil die Straße an dieser Stelle leicht seitlich geneigt ist und eine enge Kurve war, oder weil der Fahrer gerast ist und sich nicht richtig eingeschätzt hat... sprich, man müsste warten, bis allein diese Kurve mehrere Unfälle hat, aber das kann aufgrund der geringen Fahrzeugzahlen Jahre dauern...

  • Eine ältere Landstraße, schmal, geflickter Asphalt und Spurrillen, Kurven, Hügel, wenig Verkehr (unter 1000 Fzg./Tag), aber eben im Vergleich zu ähnlich schwach befahrenen Straßen extrem viele Unfälle, oftmals alleinbeteiligtes Abkommen oder Zusammenstöße in Kurven.

    Diese Aussage mit dem *extrem* viele hast du woher genau?

    An sich klingt das wie ein Musterbeispiel für eine Kombi aus Streckenlimit von 60, 70 oder 80 in Verbindung mit Überholverbot/durchgezogener Mittellinie). Gibts das denn schon?

  • Diese Aussage mit dem *extrem* viele hast du woher genau?

    An sich klingt das wie ein Musterbeispiel für eine Kombi aus Streckenlimit von 60, 70 oder 80 in Verbindung mit Überholverbot/durchgezogener Mittellinie). Gibts das denn schon?

    Unfallatlas 2016 bis 2019 und Polizeiberichte 2020. Extrem viel in dem Sinn, dass es in 5 Jahren auf der Strecke 10 Unfälle mit Personenschaden gab, auf zwei vergleichbaren Straßen ähnlicher Länge und mit sogar etwas mehr Verkehr in der Nähe aber 0 bis 1. Wildunfälle und Sachschaden kommen da noch dazu.

    Nein, es ist nichts ausgeschildert außer "Straßenschäden" und "scharfe Kurven". Seit einigen Jahren gibts auch noch Zeichen 625-10, aber das ist so oft gesetzt, dass es fast ein Schilderwald ist ^^

    Das sinnvollste wäre wahrscheinlich eine komplette Erneuerung des Fahrbahnbelags in Kombination mit T70. Ich muss die Tage mal die genauen Daten aus dem Atlas extrahieren, aber ich glaube mich zu erinnern, dass es großteils eher mit Gegenverkehr und Abkommen von der Fahrbahn zu tun hatte und weniger mit missglückten Überholversuchen.

  • Gibt es eigentlich für Straßen bestimmte Schwellwerte an Unfällen...

    Es gibt bestimmte Schwellenwerte, ab denen von einer Auffälligkeit gesprochen werden kann, die es näher zu untersuchen gilt. Maßgeblich sind dabei aber nicht nur die Anzahl der Unfälle, sondern auch die Unfalltypen (die Gleichartigkeit) und die Schwere der Unfallfolgen.

    Was genau die Kriterien sind, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und wird in internen Erlassen geregelt.

    Richtig ist aber, dass auf Kreisebene Unfallkommissionen (bestehend aus Straßenverkehrsbehörde, Straßenbaulastträger und Polizei) einzurichten sind, deren ständige Aufgabe es ist, Unfallhäufungen zu erkennen, zu analysieren und nach Möglichkeit Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

    Das muss der Verkehrsteilnehmer nichts neu entdecken und mitteilen. Das ist deren täglich Brot.

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    Klingt erstmal gut, oder? Als Laie würde ich jetzt sagen, ich kann also die Unfallarten im Unfallatlas auflisten, ein paar Fotos der Gefahrenstellen schießen, das ganze an die zuständige Behörde schicken und nach drei Monaten ist der Bautrupp da, der das Problem beseitigt. Auf der anderen Seite frage ich mich dann - wenn es so leicht ist, wieso ist dann die Gefahrstelle schon seit Jahren oder gar Jahrzehnten vorhanden? Ist es evtl. doch nicht so leicht?...

    Richtig! Es ist nicht leicht.

    Es muss schlüssig dargelegt werden, dass die Lösung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer deutlichen Verbesserung führen wird. Und die finanziellen Aufwendungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Sache stehen.

    Wenn man eine Milliarde für die Beseitigung von drei Unfällen mit Leichtverletzten ausgeben kann, wäre es leicht. Das macht aber keinen Sinn.

  • Das ist so gut wie nichts!

    Wie gesagt, in Relation zu vergleichbaren Straßen der näheren Umgebung und den Verkehrsmengen. Dass hier nur absolute Werte gelten sollten, kann ich kaum glauben, bzw. würde es erklären, wieso bisher nichts unternommen wurde... ist auf jeden Fall nicht sinnvoll, weil dann ja per Definition nur Autobahnen, stark befahrene Bundesstraßen und dergleichen verbesserungswürdig wären und alle ländlichen Kreise das ganze gleich mal einstellen könnten. Zum Vergleich, das wären hier etwa 3% der gesamten Unfälle landkreisweit, und das für eine unbedeutende Straße mit unter 1000 Fahrzeugen pro Tag.

    Was genau die Kriterien sind, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und wird in internen Erlassen geregelt.

    Was es in Bundesländern ohne IFG wie Bayern dann im Prinzip zum Staatsgeheimnis erklärt...

    Richtig ist aber, dass auf Kreisebene Unfallkommissionen (bestehend aus Straßenverkehrsbehörde, Straßenbaulastträger und Polizei) einzurichten sind, deren ständige Aufgabe es ist, Unfallhäufungen zu erkennen, zu analysieren und nach Möglichkeit Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

    Das muss der Verkehrsteilnehmer nichts neu entdecken und mitteilen. Das ist deren täglich Brot.

    Und wenn sie das nicht tun, dann kann man das weder korrigieren noch überhaupt erfahren (siehe oben). Dieses Vertrauen in die Verwaltungsbeamten habe ich nicht mehr, seit ich sehe, wie hier Schilder mehr oder weniger nach Gutsherrenart aufgestellt werden und dem Bürger gegenüber darüber auch keine Rechenschaft gegeben wird. Und da wird mein Kreis auch nicht der einzige sein, sonst wäre in diesem Forum ziemlich wenig los. ^^

    Richtig! Es ist nicht leicht.

    Es muss schlüssig dargelegt werden, dass die Lösung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer deutlichen Verbesserung führen wird. Und die finanziellen Aufwendungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Sache stehen.

    Wenn man eine Milliarde für die Beseitigung von drei Unfällen mit Leichtverletzten ausgeben kann, wäre es leicht. Das macht aber keinen Sinn.

    Mit "leicht" meine ich, wie ich als Bürger die Verwaltung drängen oder zwingen kann, notfalls per Klage, den Verhältnissen abzuhelfen, bevor mich auf dieser Strecke jemand vom Rad semmelt und dann die Polizei das als "bedauerlichen Einzelfall" abtut und an das "Tragen eines Fahrradhelms" appelliert. Und wenn mir regelmäßig an Kuppen Kraftfahrzeuge mit sicher mehr als den dort höchstens vertretbaren 30 km/h einen knappen Meter links vorbei schießen, dann tröstet mich auch nicht, dass sich vielleicht irgendwo in einem Amtszimmer ein Pro-Forma-Ausschuss trifft und sich diese Straße mal für 10 Minuten anschaut, alle 10 Jahre. Hier hängen noch Schilder aus den 70ern, die gar nicht mehr gültig sind, und das auf deutlich stärker befahrenen Straßen...