Berliner Popup-Bikelanes sind rechtswidrig

  • Zitat

    Zwar könne die Senatsverwaltung befristete Radwege einrichten, ohne dass es einer straßenrechtlichen Teileinziehung bedürfe. Unbedenklich sei ebenso, dass der Radfahrstreifen auf der zuvor durch den Autoverkehr genutzten Fahrbahn liege und die Radwege nur befristet eingerichtet seien. Allerdings dürften Radwege nur dort angeordnet werden, wo Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung und/oder der Verkehrsablauf ganz konkret auf eine Gefahrenlage hinwiesen und die Anordnung damit zwingend erforderlich sei. Eine solche Gefahrenlage habe der Antragsgegner nicht dargelegt, sondern sei fälschlich davon ausgegangen, er müsse eine Gefahrenlage nicht begründen.

    Hat da jemand den Bau von Radwegen mit der Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht verwechselt? Ist vielleicht nur die Benutzungspflcht (gibt es dort überhaupt eine?) unrechtmäßig?

    Original-PM

  • Komisches Urteil. Nach §45 Abs 9, Ziffern 1 und 3 StVO braucht doch für Schutzstreifen und Radfahrstreifen innerorts keine Gefahrenlage nachgewiesen zu werden.

    Kann es sein, dass das Gericht diese Streifen für etwas anderes hält, so dass sie nicht unter die genannten Ausnahmen fallen?

  • »Radwege dürften "nur dort angeordnet werden, wo Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung und/oder der Verkehrsablauf ganz konkret auf eine Gefahrenlage hinwiesen und die Anordnung damit zwingend erforderlich sei".«

    Also weg mit der Radwegbenutzungpflicht. Fast immer und überall.

  • Man könnte es nun auch verkaufen als "Verwaltungsgericht sieht Radfahren auf der Fahrbahn als nicht gefährlich".

    Könnte.

    dazu die LTO.

    Fazit: einfach mal nur scheiße begründet. Ich finde es - abseits der Frage, ob es solche Radwege braucht oder nicht - richtig und gut, dass der Verwaltung das um die Ohren fliegt.

    Einmal editiert, zuletzt von DMHH (7. September 2020 um 16:14)

  • Komisches Urteil. Nach §45 Abs 9, Ziffern 1 und 3 StVO braucht doch für Schutzstreifen und Radfahrstreifen innerorts keine Gefahrenlage nachgewiesen zu werden.

    Ja, aber mehrere Abers.

    Aber 1) Aber § 45 Absatz 9 Satz 1 findet immer noch Anwendung. Und die zwingende Notwendigkeit wurde genau 0,nix nachgewiesen.

    Aber 2) Aber eine mögliche Einschränkung des Kraftverkehrs, die ich hier durchaus sehe, gehört nicht zu den Ausnahmen.

    Aber 3) Aber es gefällt mir, dass die Behörden eins auf den Deckel kriegen.

  • Aber § 45 Absatz 9 Satz 1 findet immer noch Anwendung. Und die zwingende Notwendigkeit wurde genau 0,nix nachgewiesen.

    Darüber rätsele ich jetzt auch seit ein paar Stunden. Denn nach dem Wortlaut liegt es nahe, dass Satz 1 noch gilt. In der Gesamtbetrachtung ergibt das aber überhaupt keinen Sinn.

    Denn Satz 1 fordert, dass die Beschilderung "zwingend" erforderlich ist. Das ist eine sehr scharfe Beschränkung.

    Die Einschränkung von Satz 3 hingegen ist wesentlich milder und erfordert nur ein "erheblich erhöhtes Risiko".

    Mit Satz 4 möchte der Gesetzgeber nun die Einrichtung von Schutz- und Radfahrstreifen erleichtern. Wenn dadurch aber der milde Satz 3 durch den scharfen Satz 1 ersetzt wird, geht das vollkommen ins Leere. Es würde den Sinn von Satz 4 sogar ins Gegenteil verkehren: Die Einrichtung von Schutz- und Radfahrstreifen wäre plötzlich schwerer als sonstige Beschränkungen den fließenden Verkehrs. Insbesondere wäre eine B-Pflicht leichter einzurichten als ein Schutzstreifen. So kann das nicht gemeint sein. Die anderen Vereinfachungen aus Satz 4 hätten ein ähnliches Problem (30-Zonen wären dann plötzlich leichter wegklagbar als Benutzungspflichten).

    Für eine definitive Aussage müsste man in einen StVO-Kommentar schauen.

  • Darüber rätsele ich jetzt auch seit ein paar Stunden. Denn nach dem Wortlaut liegt es nahe, dass Satz 1 noch gilt. In der Gesamtbetrachtung ergibt das aber überhaupt keinen Sinn.

    Für mich liegt der Unterschied im erheblich. Im Satz 1 wird wohl nur ermittelt, ob die Gefahrenlage die Beeinträchtigung überstigt. Im Satz 3 muss sie es erheblich. Ich weiß, das ist gequirllte Sch... aber was besseres fällt mir nicht ein.

  • Ich weiß, das ist gequirllte Sch... aber was besseres fällt mir nicht ein.

    Du bringst mich noch dazu, in der Bib vorbei zu schauen. Meine Auslegung ist ja auch nicht besser :)

    Noch etwas komplizierter wird es vermutlich, wenn man Abs. 1 hinzuzieht.

    Warum können die ihre Gesetze eigentlich nicht einfach so schreiben, dass sie halbwegs Sinn ergeben?

  • Wenn ich den Text in der LTO lese, würde ich daraus folgern, dass die Benutzung eines Radfahrstreifens nicht hätte angeordnet werden dürfen. Also Blauschild weg und alles ist gut. :)

    Hm, ich vermute mal, die SV-Behörden dürfen den KfZ-Verkehr ohne "vernünftige Begründung" genausowenig einschränken wie den Radverkehr. Blauschild weg alleine wird vielleicht - rechtlich gesehen - nicht reichen?

  • Beitrag von krapotke (7. September 2020 um 19:00)

    Dieser Beitrag wurde vom Autor gelöscht (5. Januar 2023 um 10:31).
  • Warum geht die Behörde gegen den Entscheid vor?

    Weil der Entscheid sonst sofort Wirkung entfaltet und die Streifen zumindest teilweise, eventuell sogar komplett, wieder entfernt werden müssen. Nichtmal ein einfacher Widerspruch hat wohl aufschiebende Wirkung. Statt dessen müssen zusätzliche Ausführungen gemacht werden.

  • Denn Satz 1 fordert, dass die Beschilderung "zwingend" erforderlich ist. Das ist eine sehr scharfe Beschränkung.

    Die Einschränkung von Satz 3 hingegen ist wesentlich milder und erfordert nur ein "erheblich erhöhtes Risiko".

    Der "Trick" ist glaub ich, dass nur in Satz 3 die Gefahrenlage erforderlich ist. D.h. Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nach Satz 1 können immer errichtet werden, wenn das "zwingend erforderlich" ist. Es wird aber nicht gesagt erforderlich wofür. Das kann z.B. auch sein, dass es für die Flüssigkeit des Verkehrs erforderlich ist. Satz 3 hingegen gilt explizit nur, wenn es Sicherheitsgründe für die Beschränkung gibt.