Tödlicher Unfall auf dem Kieler Rathausmarkt

  • Und dann gibt es Unfälle, die sind so tragisch, das mag man gar nicht glauben: Von Fahnenmast erschlagen: Auszubildende stirbt am 1. Arbeitstag

    Ein Lastkraftwagenfahrer fährt rückwärts, bricht dabei einen Fahnenmast auf dem Rathausmarkt ab, der Mast kippt auf eine Gruppe junger Menschen, die ein Gruppenfoto ihres ersten Ausbildungstages schießen wollen — eine junge Frau kann sich nicht mehr in Sicherheit bringen und stirbt.

    Und das macht mich so wütend. Dass beim Abbiegen und bei schlechten Sichtverhältnissen im Kreuzungsbereich „mal“ jemand „übersehen“ wird, das kann ich mir noch irgendwie ausmalen. Aber wenn der Rückwärtsgang eingelegt wird, dann kann man sich im Regelfall doch alle Zeit der Welt lassen und erstmal ganz genau die Umgebung überprüfen, bevor man rückwärts fährt. Einen Lastkraftwagen sollte man ohne Einweiser erst gar nicht rückwärts in Bewegung setzen. Und trotzdem geht allein in dieser Stadt andauernd etwas kaputt und wir nehmen es mit einem Schulterzucken hin.

    Und nun ist jemand tot und wir fragen uns alle ganz betroffen, wie das passieren konnte.

  • ...Und nun ist jemand tot und wir fragen uns alle ganz betroffen, wie das passieren konnte.

    Eigentlich nicht. Es handelt sich um das Versagen, wie es für menschliche Wesen so typisch ist.

    Vor einigen Monaten habe ich auch ein Fahrzeug rückwärts gegen einen Laternenmast gesetzt. Und das war kein Lkw.

  • Ein Lastkraftwagenfahrer fährt rückwärts, bricht dabei einen Fahnenmast auf dem Rathausmarkt ab, der Mast kippt auf eine Gruppe junger Menschen, die ein Gruppenfoto ihres ersten Ausbildungstages schießen wollen — eine junge Frau kann sich nicht mehr in Sicherheit bringen und stirbt.

    Mittlerweile stellt sich heraus, dass der Lkw hätte nicht auf Kieler Rathausplatz fahren dürfen. Es gab wohl auch einen Beifahrer, der allerdings nicht mehr so genau weiß, ob er als Einweiser tätig war oder wo er sich zum Zeitpunkt des Unfalles befunden hat.

    Damit sich ein solcher Unfall nicht noch einmal ereignet, sollen die übrigen Masten abmontiert oder verstärkt oder rot-weiß angestrichen werden. Da fasse ich mir ja echt fünf Mal an den Kopf: Blindes Rückwärtsfahren ist in dieser Stadt ein nicht unerhebliches Problem, von dem viele umgefahrene Poller und Blechschäden im Stadtgebiet zeugen. Dieser Unfall auf dem Rathausmarkt hingegen, so dramatisch er auch ist, wird sich in dieser Form statistisch wohl kaum noch einmal zutragen.

    Aber irgendwie wundert es mich nicht, dass auch mehrere Tage nach dem Vorfall noch nicht öffentlich darüber gesprochen wird, man möge doch bitte beim Rückwärtsfahren einen Einweiser konsultieren. Diese Ohnmacht, nun an den Fahnenmasten herumzudoktorn, passt prima in dieses Kraftfahrer-Candyland: Du fährst rückwärts, mutmaßlich ohne Einweiser, auf einen Platz, auf dem du nichts zu suchen hast, fährst einen Fahnenmast an, der umkippt und eine junge Frau tötet, und die Debatte dreht sich anschließend nicht um das eigene Fehlverhalten, sondern um die Fahnenmasten.

  • Aber irgendwie wundert es mich nicht, dass auch mehrere Tage nach dem Vorfall noch nicht öffentlich darüber gesprochen wird, man möge doch bitte beim Rückwärtsfahren einen Einweiser konsultieren.

    Vermutlich ist einfach nicht öffentlich bekannt, dass LKW-Fahrer zum Rückwärtsfahren einen Einweiser oder eine Kamera haben müssen.

    Woher sollen es die Leute auch wissen? Im Alltag fahren ja praktisch alle LKW-Fahrer ständig ohne Einweiser rückwärts. Ich habe ehrlich gesagt noch nie einen mit Einweiser gesehen. Und inzwischen kann man ja von außen auch gar nicht mehr feststellen, ob der Fahrer gerade illegal rückwärts fährt oder doch eine Kamera hat.

    Da müsste man sich schon dahinter stellen und schauen, ob er anhält.

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    Aber irgendwie wundert es mich nicht, dass auch mehrere Tage nach dem Vorfall noch nicht öffentlich darüber gesprochen wird, man möge doch bitte beim Rückwärtsfahren einen Einweiser konsultieren. ...

    Darüber braucht auch niemand zu sprechen, weil es jeder, wirklich jeder, Lkw-Fahrer weiß.

    Klar hat der Mast schuld. Er hätte doch beiseite springen können, wenn der das Gepiepse des rückwärtsfahrenden LKW gehört hätte :evil:

    Es geht hier nicht um Schuld, sondern es geht darum, in Zukunft ähnlich gelagerte Fälle zu verhindern, und zwar völlig unabhängig von der Schuld.

    Wenn die Masten dort nicht gebraucht werden bzw. irgendwo anders stehen könnten, dann gehören sie natürlich entfernt.

    Und das soll man natürlich nicht nur auf dem Rathausplatz so machen, sondern man soll die gesamte Stadt auf überflüssige Hindernisse (Bäume am Fahrbahnrand, überflüssige Verkehrsschilder, unnötige Poller) überprüfen und ggf. beseitigen. Dann verringert sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert.

  • Und das soll man natürlich nicht nur auf dem Rathausplatz so machen, sondern man soll die gesamte Stadt auf überflüssige Hindernisse (Bäume am Fahrbahnrand, überflüssige Verkehrsschilder, unnötige Poller) überprüfen und ggf. beseitigen. Dann verringert sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert.

    Das ist nichts anderes als eine Predigt für die autogerechte Stadt. Städte sind aber zuallererst Lebensräume für Menschen. Der Verkehr hat sich diesem Faktum anzupassen. Nicht umgekehrt, wie es derzeit noch immer von der Stadt- und Verkehrsplanung bevorzugt gehandhabt wird.

    Es gibt in der Stadt keine überflüssigen Bäume.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Darüber braucht auch niemand zu sprechen, weil es jeder, wirklich jeder, Lkw-Fahrer weiß.

    Ja, gut. Dann müsste man irgendwie verdeutlichen, dass diese Regelungen tatsächlich ernst gemeint sind. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob solche Ansprachen im Transportgewerbe unbedingt gerne gehört werden. Andererseits könnte man ja auch mal diskutieren, ob das Rückwärtsfahren mit Transportern, Geländewagen oder SUVs in Zeiten wie diesen so richtig gut funktioniert.

    Und das soll man natürlich nicht nur auf dem Rathausplatz so machen, sondern man soll die gesamte Stadt auf überflüssige Hindernisse (Bäume am Fahrbahnrand, überflüssige Verkehrsschilder, unnötige Poller) überprüfen und ggf. beseitigen. Dann verringert sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert.

    Bleibt halt die Frage nach der Definition eines unnötigen Baumes oder eines überflüssigen Pollers. Die Poller in Kiel stehen ohnehin schon ein gutes Stück auf dem Gehweg, so dass man sich beim Rückwärtsfahren häufig schon einen oder anderthalb Meter rückwärts auf den Gehweg bewegen muss, um das Ding umzufahren, andererseits sind die Teile leider notwendig, weil sonst die Gehwege bis auf einen schmalen Pfad direkt an der Hauswand zugeparkt würden.

  • Warum reden wir jetzt über Poller? Die erschlagen keine Menschen.

    Das Problem hier war ein Fahnenmast. Ich finde die Forderung nach dessen Entfernung falsch. Ursache war nicht der Fahnenmast, sondern der LKW-Fahrer, der in einem Bereich, in dem er ohnehin nichts zu suchen hatte, blind rückwärts gefahren ist.

    Das sind zwei Verstöße, gegen die man problemlos präventiv tätig werden könnte: kontrollieren und Strafen verhängen.

  • Ja, gut. Dann müsste man irgendwie verdeutlichen, dass diese Regelungen tatsächlich ernst gemeint sind. ...

    Das sollte man tunlichst unterlassen, denn das würde ja bedeuten, dass andere Regelungen, die nicht verdeutlicht werden, weniger ernst gemeint sind.

    Bleibt halt die Frage nach der Definition eines unnötigen Baumes oder eines überflüssigen Pollers...

    Ein Baum am Fahrbahnrand ist immer überflüssig. Er nimmt dort nur Platz weg, ist sehr hinderlich beim Bau von Radverkehrsanlagen, er verursacht die Wurzelaufbrüche in den Radwegen mit den entsprechenden Folgekosten, und er ist ein Hindernis. Wenn ein Radfahrer hinfällt, kommt es eben darauf an. ob er einfach nur zu Fall kommt oder ob er zusätzlich noch mit dem Kopf gegen einen Baum schlägt.

    Vorteil hat der Baum im Straßenverkehr dagegen nicht. Ein Baum gehört daher in den Wald.

    Überflüssige Poller (oder Fahnenmasten) muss man im Einzelfall identifizieren.

    Die Schranken an den Auf- und Abfahrten zur Veloroute 10 sind z.B. überflüssig.

    Warum reden wir jetzt über Poller? Die erschlagen keine Menschen.

    Leider doch! Genauer gesagt schlägt der Mensch (Radfahrer zähle ich dazu) gegen den Poller und nicht umgekehrt. Aber ist das nicht egal?

    ...Ursache war nicht der Fahnenmast, sondern der LKW-Fahrer...

    Der Lkw-Fahrer war ursächlich für den Unfall. Der Fahnenmast war hingegen ursächlich für den Tod eines Menschen.

    Hätte der Fahnenmast nicht dort gestanden, wäre dass Ganze auch nicht passiert. Das ist ein ganz klarer ursächlicher Zusammenhang.

    Menschliche Fehler kann man eben nicht vollständig ausrotten, überflüssige Hindernisse im Verkehrsraum schon. Nur leider scheint Herr Kämpfer bisher der einzige zu sein, der das erkannt hat.

  • Weil es auch hier passt:

    Nichts ist leichter als Selbstbetrug, denn was ein Mensch wahrhaben möchte, hält er auch für wahr.

    Die Menschen wollen Auto fahren und auch schnell Auto fahren. Das ist mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden. Die Vorstellung, dass man gerade das Leben anderer bedroht, bildlich mit einer Pistole und er Gegend rumballert, ist aber nicht gerade angenehm. Deswegen wurde die individuelle Schuld quasi sozialisiert. Kraftverkehr wird mit einer Naturgewalt gleichgesetzt. Man meckert ja auch nicht über den Blitz, die geschehen halt, sondern über den fehlenden Blitzableiter, wenn das Haus brennt.

  • Der Lkw-Fahrer war ursächlich für den Unfall. Der Fahnenmast war hingegen ursächlich für den Tod eines Menschen.

    Hätte der Fahnenmast nicht dort gestanden, wäre dass Ganze auch nicht passiert. Das ist ein ganz klarer ursächlicher Zusammenhang.

    Menschliche Fehler kann man eben nicht vollständig ausrotten, überflüssige Hindernisse im Verkehrsraum schon. Nur leider scheint Herr Kämpfer bisher der einzige zu sein, der das erkannt hat.

    Anfangs dachte ich noch du meinst das ironisch. Mittlerweile befürchte ich aber, dass du das ernst meinst. Vision Zero auf deine Art und Weise wäre sehr sehr traurig und ich würde in dieser Stadt dann nicht leben wollen.

  • Die Schranken an den Auf- und Abfahrten zur Veloroute 10 sind z.B. überflüssig.

    Tja, nun — wenn wir alle umsichtig und vernünftig unterwegs wären, dann wäre der Unfall auf dem Rathausmarkt nicht passiert und die Schranken wären auch nicht nötig. Aber ich vermute mal, ohne die Schranken würden einige Verkehrsteilnehmer mit unangemessener Geschwindigkeit auf die Kreuzung fahren und sich dann plötzlich im Krankenhaus wiederfinden.

  • Hätte der Fahnenmast nicht dort gestanden, wäre dass Ganze auch nicht passiert.

    Ich bin ja auch sehr für Fehler verzeihende Infrastruktur. Jeder Mensch macht mal Fehler und die Infrastruktur sollte so gebaut sein, dass nach Möglichkeit nichts passiert.

    Dieser Unfall war aber kein einfacher Fehler. Ihm ging eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit voraus. Eine gefährliche noch dazu. Denn immer wieder werden Menschen Opfer von blind rückwärts fahrenden LKW-Fahrern. Auch ohne Fahnenmast.

    Da muss angesetzt werden. Wenn ich es richtig sehe, gibt es aber für einfaches Rückwärtsfahren mit dem LKW ohne Einweiser aktuell nichtmal ein Bußgeld. Kein Wunder, dass sich kaum einer daran hält.

  • Tja, nun — wenn wir alle umsichtig und vernünftig unterwegs wären...

    Das sind Menschen aber nun einmal nicht. Du bist es ja auch nicht. Und Du filmst es noch, wie Du mit dem Fahrrad auf dem Gehweg fährst.

    Menschen machen nun einmal Fehler. Andere Menschen haben wir nicht.

    ...Aber ich vermute mal, ohne die Schranken würden einige Verkehrsteilnehmer mit unangemessener Geschwindigkeit auf die Kreuzung fahren und sich dann plötzlich im Krankenhaus wiederfinden.

    Und wo, vermutest Du, finden sich die Menschen wieder, wenn sie gegen die Schranke fahren?

    Ich verstehe gar, wie man akzeptieren kann, dass man Radfahrern mitten auf der Fahrbahn Hindernisse in den Weg setzt. Macht man das im Kfz-Verkehr auch so? Sagt man da auch: "Ihr seid sowieso zu blöd, um Vorfahrt zu achten. Also müssen wir Euch stoppen."


    ...

    Da muss angesetzt werden. Wenn ich es richtig sehe, gibt es aber für einfaches Rückwärtsfahren mit dem LKW ohne Einweiser aktuell nichtmal ein Bußgeld. Kein Wunder, dass sich kaum einer daran hält.

    Und für eine Trunkenheitsfahrt gibt es eine richtige Strafe. Trotzdem machen es viele.

    Und für Mord gibt es lebenslänglich. Trotzdem machen es manche.

  • Und Du filmst es noch, wie Du mit dem Fahrrad auf dem Gehweg fährst.

    Wo fahre ich denn mit dem Rad auf dem Gehweg? =O

    Ich verstehe gar, wie man akzeptieren kann, dass man Radfahrern mitten auf der Fahrbahn Hindernisse in den Weg setzt. Macht man das im Kfz-Verkehr auch so? Sagt man da auch: "Ihr seid sowieso zu blöd, um Vorfahrt zu achten. Also müssen wir Euch stoppen."

    Bei Vorfahrtsregelungen tatsächlich nicht, nein, aber an Fähranlegern und Bahnübergängen gibt es Schranken und entlang von Gehwegen die erwähnten Poller.

  • Und für eine Trunkenheitsfahrt gibt es eine richtige Strafe. Trotzdem machen es viele.

    Und für Mord gibt es lebenslänglich. Trotzdem machen es manche.

    Na dann vergleiche doch mal die Zahlen:

    Wie viel Prozent der LKW-Fahrer fahren regelmäßig ohne Einweiser rückwärts?

    Wie viel Prozent der Menschen fahren regelmäßig betrunken Auto?

    Wie viel Prozent der Menschen bringen mal einen anderen um?

    Die Ergebnisse dürften ungefähr lauten:

    • Praktisch alle
    • weniger als 5 %
    • 0,05 %

    Da sage nochmal einer, Strafen bringen nichts.