Nehmen wir folgendes (zugegebenermaßen äußerst hypothetisches) Szenario: An einer Hauptverkehrsstraße innerorts (zHG 50km/h, ein 4m breiter Fahrstreifen je Fahrtrichtung) mit einer maximalen Kfz-Belastung (1900 Kfz/Std) besteht eine Hochbord-Radverkehrsanlage, die sämtliche (!) Vorgaben der VwV-StVO erfüllt: Die Führung an Knotenpunkten ist durchgängig ERA-konform, es bestehen überall gute Sichtbeziehungen, es gibt ausreichend Platz für Fußgänger und der Weg ist breit genug, mit ausreichenden Sicherheitsabständen versehen und die Anzahl der darauf fahrenden Radfahrer ist gering genug, dass alle darauf gut voran kommen.
Das wäre ein Radweg, der wohl von der weitaus überwiegenden Zahl der Radfahrenden freiwillig benutzt werden würde und vermutlich gäbe es keine Chance, erfolgreich gegen eine solche Benutzungspflicht zu klagen. Aber warum müsste dieser Weg dann benutzungspflichtig sein? Die Frage meine ich jetzt ganz ernst: Könnte der zuständigen Behörde ein Strick daraus gedreht werden, wenn es zu einem Unfall mit einem Radfahrer auf der Fahrbahn käme, der diesen Radweg nicht benutzt hat, weil er ihn nicht nutzen musste? Falls ja: Kennt ihr einen einzigen Fall, wo es schon mal vorgekommen ist, dass eine Kommune Schadensersatz leisten musste, weil sie es versäumt hatte, Radfahrer auf den Radweg zu zwingen, obwohl dieser alle rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt hätte?
Gibt es Fälle, wo das Nichtbenutzen eines solchen Radweges ohne Benutzungspflicht einem Radfahrer (z.B. in einem Zivilprozess) zum Nachteil wurde? Oder kennt ihr einen Fall, wo eine Benutzungspflicht durch die Hintertür konstruiert wurde, indem die Nichtbenutzung eines solchen Radweges auf andere Weise sanktioniert wurde? (Behinderung "des Verkehrs")
Oder steht ganz im Gegenteil die Forderung, den Schilderwald auf das Nötigste zu reduzieren der Anordnung einer Benutzungspflicht sogar entgegen, wenn der Weg sowieso von (fast) allen benutzt wird? Wie viele Radfahrer würden wohl in einem solchen Fall die Entscheidung, ob sie auf der Fahrbahn oder auf dem Radweg fahren, ausschließlich aufgrund eines blauen Verkehrszeichens treffen? Würden diejenigen, die unter den Bedingungen trotzdem lieber die Fahrbahn nutzen, das nicht auch bei bestehender Benutzungspflicht tun?
In der VwV-StVO steht nur, unter welchen Voraussetzungen eine Benutzungspflicht angeordnet werden darf. Aber gibt es irgendeine Forderung, dass das unter Einhaltung dieser Voraussetzungen dann auch geschehen muss? Ein Gericht würde vermutlich entscheiden, dass bei Einhaltung aller Forderungen der VwV-StVO und bei ERA-konformer Gestaltung die Verkehrssicherheit auf dem Radweg gewährleistet ist. Muss eine Verkehrsbehörde dann die Benutzungspflicht anordnen, um die Flüssigkeit des Verkehrs aufrecht zu erhalten? Könnte ein Autofahrer gegen die Verkehrsbehörde vorgehen, weil sie die "Verkehrsbehinderung" nicht unterbunden hat?