Brauchen "gute Radwege" eine Benutzungspflicht?

  • Nehmen wir folgendes (zugegebenermaßen äußerst hypothetisches) Szenario: An einer Hauptverkehrsstraße innerorts (zHG 50km/h, ein 4m breiter Fahrstreifen je Fahrtrichtung) mit einer maximalen Kfz-Belastung (1900 Kfz/Std) besteht eine Hochbord-Radverkehrsanlage, die sämtliche (!) Vorgaben der VwV-StVO erfüllt: Die Führung an Knotenpunkten ist durchgängig ERA-konform, es bestehen überall gute Sichtbeziehungen, es gibt ausreichend Platz für Fußgänger und der Weg ist breit genug, mit ausreichenden Sicherheitsabständen versehen und die Anzahl der darauf fahrenden Radfahrer ist gering genug, dass alle darauf gut voran kommen.

    Das wäre ein Radweg, der wohl von der weitaus überwiegenden Zahl der Radfahrenden freiwillig benutzt werden würde und vermutlich gäbe es keine Chance, erfolgreich gegen eine solche Benutzungspflicht zu klagen. Aber warum müsste dieser Weg dann benutzungspflichtig sein? Die Frage meine ich jetzt ganz ernst: Könnte der zuständigen Behörde ein Strick daraus gedreht werden, wenn es zu einem Unfall mit einem Radfahrer auf der Fahrbahn käme, der diesen Radweg nicht benutzt hat, weil er ihn nicht nutzen musste? Falls ja: Kennt ihr einen einzigen Fall, wo es schon mal vorgekommen ist, dass eine Kommune Schadensersatz leisten musste, weil sie es versäumt hatte, Radfahrer auf den Radweg zu zwingen, obwohl dieser alle rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt hätte?

    Gibt es Fälle, wo das Nichtbenutzen eines solchen Radweges ohne Benutzungspflicht einem Radfahrer (z.B. in einem Zivilprozess) zum Nachteil wurde? Oder kennt ihr einen Fall, wo eine Benutzungspflicht durch die Hintertür konstruiert wurde, indem die Nichtbenutzung eines solchen Radweges auf andere Weise sanktioniert wurde? (Behinderung "des Verkehrs")

    Oder steht ganz im Gegenteil die Forderung, den Schilderwald auf das Nötigste zu reduzieren der Anordnung einer Benutzungspflicht sogar entgegen, wenn der Weg sowieso von (fast) allen benutzt wird? Wie viele Radfahrer würden wohl in einem solchen Fall die Entscheidung, ob sie auf der Fahrbahn oder auf dem Radweg fahren, ausschließlich aufgrund eines blauen Verkehrszeichens treffen? Würden diejenigen, die unter den Bedingungen trotzdem lieber die Fahrbahn nutzen, das nicht auch bei bestehender Benutzungspflicht tun?

    In der VwV-StVO steht nur, unter welchen Voraussetzungen eine Benutzungspflicht angeordnet werden darf. Aber gibt es irgendeine Forderung, dass das unter Einhaltung dieser Voraussetzungen dann auch geschehen muss? Ein Gericht würde vermutlich entscheiden, dass bei Einhaltung aller Forderungen der VwV-StVO und bei ERA-konformer Gestaltung die Verkehrssicherheit auf dem Radweg gewährleistet ist. Muss eine Verkehrsbehörde dann die Benutzungspflicht anordnen, um die Flüssigkeit des Verkehrs aufrecht zu erhalten? Könnte ein Autofahrer gegen die Verkehrsbehörde vorgehen, weil sie die "Verkehrsbehinderung" nicht unterbunden hat?

    :/

  • eine Hochbord-Radverkehrsanlage

    Zahlwort oder unbestimmter Artikel mit der Option auf zwei ...:/

    Evtl. findet man die Antwort dann, wenn man sich fragt

    - warum dürfen Mofas da nicht auch fahren bzw. warum müssen sie weiter auf der Fahrbahn fahren?

    - warum darf man laut VwV-StVO weiterhin Radler mit Anhänger etc. nicht kritisieren, wenn sie fahrbahnradeln oder nach StVO linksabbiegende Radler?

    240/241/237 erfassen ja nicht alle Drei- und Zweiradler, S-Pedelecs sowieso nie ...

    Für niedrige Liegedreiradler gibt es ja noch weitere Beurteilungskriterien, ob der Radweg taucht (die einem niedrigen Liegezweiradler nicht zur Verfügung stehen nach VwV-StVO)

  • Gemeint ist selbstverständlich eine beidseitige Radverkehrsanlage, also kein Zweirichtungs-Murks auf nur einer Straßenseite. Mofas möchte man darauf nicht haben, weil die stinken.

    Wie gesagt: Hypothetisch! Es geht nicht um einen konkreten bestehenden Weg, sondern um die prinzipielle Frage, ob die Verkehrsbehörde eine Benutzungspflicht anordnen muss, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, oder ob sie dennoch darauf verzichten könnte.

  • vermutlich gäbe es keine Chance, erfolgreich gegen eine solche Benutzungspflicht zu klagen. Aber warum müsste dieser Weg dann benutzungspflichtig sein?

    Wenn eine Klage (durch alle Instanzen) keinen Erfolg hat, bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Anordnung "auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist" und "auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter [Leib und Leben] erheblich übersteigt.".

    Meine Ansicht: Im Allgemeinen braucht auch bei besten Radwegen und hoher KFZ-Verkehrsstärke keine RWBP angeordnet werden. RWBP sollten nur in seltenen Ausnahmen angeordnet werden. Hat jemand mal paar 10k€ übrig und klagt das durch?

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Mofas möchte man darauf nicht haben, weil die stinken.

    Na dann zwingt man ja weiterhin zweirädrigen Langsamverkehr auf die Fahrbahn, statt ihnen die hochsichere RVA zu ermöglichen, damit haben sich eigentlich alle Versuche erledigt, der Verwaltung einen Strick aus der Nicht-Bpfl. zu drehen ...

    ... wenn man einen guten Anwalt hat ...

    Theoretisch wäre das nicht völlig undenkbar, siehe Versuch mit der indirekten Helmpflicht, wo ja auch noch nicht völlig ausgeschlossen ist, dass das doch funktioniert, wenn eine ausreichende Zahl an Leuten freiwillig behelmt radelt ... Und bei der freiwilligen Radwegtragequ... äh... Radwegnutzungsquote sind wir ja viel weiter ...

    Einen Präzedenzfall wüsste ich so spontan nicht ...

    Kennst Du das Verkehrsportal? Mit Adblocker nutzbar fände man dort auch Autofahrer, die evtl. mehr Gründe finden, warum man doch auf dem Radweg radeln müsste (und ein Radler, münsterlandradler, inzwischen gesperrt, war auch der Meinung nach dem Rechtsfahrgebot, dass das auf den Radweg zwänge, auch wegen "Behinderung des Verkehrs", aber das war eine absolute Mindermeinung) und auch mehr Leute, die mit Juristerei beruflich beschäftigt sind und evtl. sowas finden könnten ...

    Schilderwaldansatz ist gut.

    Zur Nutzung von bpfl. und n-bpfl. Radwegen gibt's ja eine Nutzung, dass der Nutzungsgrad zwar unterschiedlich ist, aber nur minimal, glaub vom UDV. Und weil der %-Anteil nur geringfügig anders ist, dürfte auch das Argument des Verkehrsflusses scheitern.

    Eine andere Frage ist, ob es für den Bau Zuschüsse gibt und ob in Förderbescheid oder Förderrichtlinie evtl. was zu einer Bpfl. steht, soll es geben laut diversen Meinungen in div. Diskussionsplattformen, habe ich aber noch nicht selbst gesehen ...

  • Wenn eine Klage (durch alle Instanzen) keinen Erfolg hat, bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Anordnung "auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist" und "auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter [Leib und Leben] erheblich übersteigt.".

    Dafür hat sich wohl in der Rechtsprechung durchgesetzt, sich am Diagramm "Vorauswahl der Radverkehrsführungen" aus den ERA 2010 zu orientieren. Wobei da ganz deutlich steht, dass das keine harten Grenzen sind und neben der zHg und Kfz-Belastung weitere Faktoren eine Rolle spielen. Mit dieser Praxis hat man dann doch irgendwie die Flüssigkeit des (Kfz-) Verkehrs wieder ins Spiel gebracht. Ich wüsste jedenfalls nicht, warum mein Leben mehr in Gefahr sei sollte, wenn 50 Autos hinter mir herfahren als wenn das nur fünf sind (OK, irgendwie kann ich es mir dann doch denken, dass darunter auch ein Psychopath ist).

    Aber das wäre auch genau die Frage. Wenn man bejaht, dass es diese besondere Gefahrenlage bei Überschreitung einer bestimmten Kfz-Belastung tatsächlich gibt: Müsste man dann sogar die RWBP anordnen, um den Radfahrer vor sich selbst zu schützen? Immerhin gibt es auch eine Gurtpflicht im Auto und man hat es den Leuten nicht überlassen, selbst zu entscheiden, ob sie den Sicherheitsgurt anlegen oder nicht.

    Nur, damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich sehe das selbst nicht so, sondern möchte diesen Gedanken nur einmal durchspielen, um die andere Seite zu verstehen.

    Die nächste Frage ist dann, was passiert, wenn die baulichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Dann kann man klagen und hat gewisse Erfolgsaussichten. Aber wenn das Gericht anerkennt, dass es eine besondere Gefahrenlage gibt, dann müsste es die beklagte Kommune verpflichten, bauliche Mängel zu beheben, oder die Gefahrenlage zu reduzieren, z.B. durch Senkung der zul. Geschwindigkeit.

    Hier gibt es ein Urteil gegen die Stadt Braunschweig aus dem Jahr 2013: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal…true#focuspoint

    Der Altewiekring ist eine der am stärksten befahrenen Straßen der gesamten Stadt. Dort fallen die B1, B4 und B248 zusammen. Die RWBP besteht zwar weiterhin, aber das Gericht hat auch entschieden, dass die Anordnung ermessensfehlerhaft war.

  • Zur Nutzung von bpfl. und n-bpfl. Radwegen gibt's ja eine Nutzung, dass der Nutzungsgrad zwar unterschiedlich ist, aber nur minimal, glaub vom UDV. Und weil der %-Anteil nur geringfügig anders ist, dürfte auch das Argument des Verkehrsflusses scheitern.

    Das war diese Studie: https://udv.de/de/strasse/sta…nutzungspflicht

    Dabei kam heraus, dass die Aufhebung der RWBP keinen signifikanten Sicherheitsgewinn bringt, weil die meisten Leute die "Radwege" freiwillig weiter benutzen. Sicherer wurde es erst, wenn man Maßnahmen ergriffen hat, die Leute tatsächlich auf die Fahrbahn zu bringen. Das bedeutet aber auch, dass eine besondere Gefahrenlage offensichtlich nicht hergeleitet werden konnte.

  • Aber das wäre auch genau die Frage. Wenn man bejaht, dass es diese besondere Gefahrenlage bei Überschreitung einer bestimmten Kfz-Belastung tatsächlich gibt: Müsste man dann sogar die RWBP anordnen, um den Radfahrer vor sich selbst zu schützen?

    ... und wie macht man das bei Straßen, die gar keinen Platz für Radwege hat, trotzdem aber für jeden Verkehr gewidmet ist?

  • Aber das wäre auch genau die Frage. Wenn man bejaht, dass es diese besondere Gefahrenlage bei Überschreitung einer bestimmten Kfz-Belastung tatsächlich gibt: Müsste man dann sogar die RWBP anordnen, um den Radfahrer vor sich selbst zu schützen? Immerhin gibt es auch eine Gurtpflicht im Auto und man hat es den Leuten nicht überlassen, selbst zu entscheiden, ob sie den Sicherheitsgurt anlegen oder nicht.

    Die Denkfehler dabei sind:

    1. Man setzt da voraus, das die Führung de Radverkehrs auf dem Radweg das Unfallrisiko im Vergleich zur Führung auf der Fahrbahn senkt. Der aktuelle Stand der Unfallforschung sagt aber, das eher das Gegenteil zu erwarten ist. Auch bei "guten" Radwegen, die allen Anforderungen der Regelwerke genügen.

    2. Eine Korrelation zwischen KFZ-Verkehrsdichte und Unfallrisiko für Radfahrer läßt vermuten, das die Unfallgefahren vom KFZ-Verkehr ausgehen. Was auch die Hauptverursacherquoten in den Unfallstatistiken bestätigen. Ein Rechtsstaat ist aber gehalten , das Verursacherprinzip anzuwenden. D.h in diesem Fall Maßnahmen zu ergreifen, die das Fehlverhalten der KFZ-Führer abstellen. Und nicht die Rechte der Unfallopfer einschränken.

    3. Autofahrer werden ebenfalls nicht gezwungen die sichere Autobahn zu benutzen, wenn die Wahl zwischen Dieser und einer gefährlicheren Landstraße haben.

    Einmal editiert, zuletzt von mkossmann (30. April 2020 um 08:23)

  • Das war diese Studie: https://udv.de/de/strasse/sta…nutzungspflicht

    Dabei kam heraus, dass die Aufhebung der RWBP keinen signifikanten Sicherheitsgewinn bringt, weil die meisten Leute die "Radwege" freiwillig weiter benutzen.

    Die BASt hat das auch untersucht, mit dem gleichen Ergebnis. Die Forscher haben sich dabei auch angeschaut, *warum* der Radweg ignoriert/verlassen wurde. Die wenigsten der ohnehin seltenen Radweg-Missachtungen (2-4% Fahrbahnbenutzung..., s.u.) scheinen aus "verkehrspolitischen" Motiven begangen worden zu sein. Die Mehrheit dagegen hatte wohl äußere, offensichtlich durch das lokale Verkehrsgeschehen bedingte Gründe (Radweg blockiert, verengt, kurzfristiger/temporärer Abbiege- oder Überholwunsch...).

    Ein Befund der BASt-Untersuchung war aber auch, dass Radwege durchaus häufig ignoriert werden, wenn man die Fälle hinzunimmt, bei denen die "Tat" unter Benutzung anderer Straßenteile als der Fahrbahn begangen wird. Das (Mit-)Benutzen des gleichsinnig laufenden Gehweges bzw. die Benutzung eines der Sonderwege auf der gegenüberliegenden Straßenseite waren mit bis über 20% nicht ungewöhnlich - und ebenso wie die Fahrbahnnutzungsquote gänzlich unabhängig von der Beschilderung, aber abhängig davon, ob der Radweg störungsfrei zu benutzen war. Somit bleibt unter dem Strich aus der BASt-Studie das Fazit, dass die Beschilderung letztlich keinen signifikanten Unterschied macht. Für die Nutzungstreue maßgeblich sind einzig die vier anderen "B": bauliche Erkennbarkeit, Belagqualität, Breite, Benutzbarkeit.

    Aus dem Umstand, dass die Quote der Fahrbahnnutzer im sehr kleinen einstelligen Prozentbereich liegt, und da der einzige Sinn der RWBPfl die Entfernung von stören^h^h^h durch KFZ-Schnellverkehr gefährdeten Radlern von der Fahrbahn ist, ergibt sich, dass die Beschilderung/Benutzungspflicht wg.des Überbeschilderungsverbotes aus §39.1 StVO eigentlich zwingend unterbleiben muss. Man stelle sich den Aufschrei vor, wenn die StVB ungehemmt überall pauschal Überholverbote und niedrigere als die allgemeinen §3-Tempolimits anordnen würden, wo nur 2% der KFZ-Führer geringfügig schneller fahren, als es die örtlichen Verhältnisse zulassen, und sich zudem durch die angeordneten Beschränkungen daran auch nichts ändern würde.:saint:

    Einmal editiert, zuletzt von Th(oma)s (30. April 2020 um 10:44)

  • Gegenfrage:

    Wenn eine Behörde die Befürchtung hat sie könnte mit schuldig an einem Unfall sein, weil sie Radfahrer nicht zur Nutzung eines Radweges verpflichtet hat, dann sollte sie folgendes bedenken:

    1. Es gibt es (hier wohl gut bekanntes) Urteil, dass dies nur erlaubt ist, wenn es besondere Gefahren auf der Fahrbahn gibt.

    2. Das Unfallrisiko auf der Fahrbahn ist in der Regel auch bei sehr guten Radwegen geringer (siehe 1.). Diese Angst wäre also ehr anders herum begründet, wenn Gefahrenstellen erst durch den Radweg entstanden sind.

    3. Mit der gleichen Logik müsste dann auch auch konsequent das parken in öffentlichen Straßen verboten werden, also quasi eine Parkhausbenutzungspflicht oder separate Parkplätze.

    4. Wieso sind Landstraßen, die parallel zu Autobahnen verlaufen nicht für allgemeinen PKW- / LKW- Verkehr gesperrt? Autobahnen sind deutlich sicherer als Landstraßen.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Die Denkfehler dabei sind:

    1. Man setzt da voraus, das die Führung de Radverkehrs auf dem Radweg das Unfallrisiko im Vergleich zur Führung auf der Fahrbahn senkt. Der aktuelle Stand der Unfallforschung sagt aber, das eher das Gegenteil zu erwarten ist. Auch bei "guten" Radwegen, die allen Anforderungen der Regelwerke genügen.

    2. Eine Korrelation zwischen KFZ-Verkehrsdichte und Unfallrisiko für Radfahrer läßt vermuten, das die Unfallgefahren vom KFZ-Verkehr ausgehen. Was auch die Hauptverursacherquoten in den Unfallstatistiken bestätigen. Ein Rechtsstaat ist aber gehalten , das Verursacherprinzip anzuwenden. D.h in diesem Fall Maßnahmen zu ergreifen, die das Fehlverhalten der KFZ-Führer abstellen. Und nicht die Rechte der Unfallopfer einschränken.

    3. Autofahrer werden ebenfalls nicht gezwungen die sichere Autobahn zu benutzen, wenn die Wahl zwischen Dieser und einer gefährlicheren Landstraße haben.

    4. und größter Denkfehler: der Muskel-/Pedalkurbelantrieb taugt zwar wie Hautfarbe/Religion/Kaste/Geschlecht vorzüglich als eindeutiges Diskriminierungs-Kriterium, hat aber bei objektiver Betrachtung keinerlei eindeutige rational-kausale Beziehung zu den Problemen, die man mit den Sonderregeln für die Diskriminierten zu lösen wollen vorgibt. Fahrlässig KFZ-Führer, die durch ihre Fahrlässigkeit abstrakt Fahrbahnradler gefährden, gefährden dann auch abstrakt sowohl radfahrende Radwegnutzer als auch andere nicht-radfahrende Verkehrsteilnehmer. *Vorsätzlich* verursachte selektive gegen Radfahrer verübte konkrete Gefährdungen aber sind wiederum nicht die Ursache für, sondern nur die Konsequenz aus der angesprochenen willkürlichen Diskriminierung und den durch diese möglich gewordenen Sonderregeln. So etwas nennt man "selbsterfüllende Prophezeihung", glaube ich.

  • Zitat

    2. Das Unfallrisiko auf der Fahrbahn ist in der Regel auch bei sehr guten Radwegen geringer (siehe 1.). Diese Angst wäre also ehr anders herum begründet, wenn Gefahrenstellen erst durch den Radweg entstanden sind.

    Ich kenne dieses Argument vor allem aus den Fahrradforen, häufig verlinkt auf einen Post von Herrn Sluka (hier: http://bernd.sluka.de/Radfahren/Radwege.html ) verlinkt auf einen Scan eines ADFC-Heftes (hier: http://bernd.sluka.de/Radfahren/fdf173.pdf ) mit dem üblichen "12 mal gefährlicher auf dem Radweg in falscher Richtung als auf der Fahrbahn". Das deckt sich nicht ganz mit meinen Erfahrungen, könnte aber schon einigermaßen passen. Gibt es irgendwo neuere Zahlen als 1992 aus Wien?

  • Wie wäre es hiermit: es gibt im langjährigen Mittel innerorts jährlich nur eine kleine einstellige Anzahl an tödlichen Auffahrunfällen KFZ->Fahrrad im Fahrbahnmischverkehr. Der letzte gesicherte solche Fall in einer deutschen Großstadt ist bald drei Jahre her (17.7.2017 in Aachen)!

    Bei einer derart geringen Anzahl erübrigt sich jegliches Bedürfnis für einen Beweis der Unsicherheit der konkurrierenden Radwegführungen (z.B. mit den allein ca. 35 Toten jährlich durch über Radwegfurten rechts abbiegende LKW) doch eigentlich von vorneherein.

  • es gibt im langjährigen Mittel innerorts jährlich nur eine kleine einstellige Anzahl an tödlichen Auffahrunfällen KFZ->Fahrrad im Fahrbahnmischverkehr

    Ich lese auch nur äußert selten davon.

    Es gibt auch noch Schwer(st)verletzte, die sind dann längst nicht immer in den Medien. Aber soviel kann's auch nicht sein.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Dann bleibt am Ende noch die Frage, wie man auf allen Seiten die Akzeptanz für das Radfahren auf der Fahrbahn erhöhen kann. Nehmen wir an, man hätte 11,50m Breite für den Fahrverkehr. Man könnte daraus folgendes machen:

    - 6,50m Fahrbahn + 2 x 0,50 Trennstreifen + 2 x 2,00m Hochbordradweg

    - 7,80m Fahrbahn + 2 x 1,85m Radfahrstreifen (inkl. Breitstrich)

    - 6,50m Fahrbahn + 2 x 2,50m Radfahrstreifen

    - 6,50m Fahrbahn + 2 x 2,50m "Protected" Bike Lane (inkl. Poller)

    - 11,50m Fahrbahn (2 x 5,75m)

    6,50m Fahrbahnbreite würden auf einer in beiden Richtungen stark befahrenen Straße das Überholen eines Radfahrers auf der Fahrbahn nicht möglich machen und auch bei 7,80m würde der Platz für ausreichenden Seitenabstand nur ausreichen, wenn der Gegenverkehr (PKW) am rechten Rand fährt.

    Auf einer 11,50m breiten Fahrbahn mit jeweils einem Fahrstreifen je Richtung könnten Radfahrer problemlos mit ausreichendem Abstand überholt werden. Da würde es aber auch vermutlich Parken in 2. Reihe und oft überhöhte Geschwindigkeit geben.

    Was wäre denn eure bevorzugte Lösung?

  • Nehmen wir an, man hätte 11,50m Breite für den Fahrverkehr.

    Ich betrachte nur eine Hälfte. Das ganze ist symmetrisch:

    3.15m Fahrspur, inkl. halbem Strich der Fahrbahnmittel-Linie.

    1.85m breite schraffierte rüttelnde, aber überfahrbare, Fläche.

    0.6m Radfahrstreifen.

    0.15m Rüttelstreifen.

    Danach Bordstein und Fußweg.

    Macht in der Summe (und x2) deine 11.5m.

    Paar cm kann man sicher noch hin und herschieben.

    KFZ können sich auf ihrer Fläche ebenfalls frei bewegen. Abstand zum Radverkehr ist fest eingebaut. Begegnungsverkehr sollte auch passen.

    Radfahrer könnten sich auf ihren 60cm komplett frei bewegen. Überholvorgänge zwischen Radfahrern ist nur unter Ausnutzung der schraffierten Fläche (oder noch weiter links) möglich.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Interessante Idee! Eine schraffierte Fläche darf nicht befahren werden, also müsste man das anders kennzeichnen. Das wäre die Fläche, auf der Radfahrer langsamere Radfahrer überholen könnten. Aber was macht man, wenn auf der Fahrbahn ein Auto nach dem anderen fährt? Wenn ein Radfahrer einen anderen überholt, dann dürfte ein Autofahrer nicht mehr überholen, weil sonst der Mindestabstand unterschritten wäre.

    *edit: Oder reichen die 1,85m zum Überholen aus, ohne dass ein daneben fahrender PKW den Abstand unterschreitet?

    Mir persönlich ist das mit den 1,50m ja nicht so wichtig, so lange der Abstand während des Überholvorgangs nicht kleiner wird, aber das Thema wird ja bei den Verbänden und Radentscheiden gerade hochgekocht, als wäre die Haupt-Todesursache von Radfahrern, dass man sie mit weniger als 1,50m Abstand überholt hat.

  • Wenn ein Radfahrer einen anderen überholt, dann dürfte ein Autofahrer nicht mehr überholen, weil sonst der Mindestabstand unterschritten wäre.

    Das wäre dann so. Aber siehe auch:

    Zitat

    Wer zum Überholen ausscheren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

    Man dürfte als Radfahrer in der Situation keinen anden Radfahrer überholen. Tut man's doch, muss der KFZ-Verkehr warten wegen Abstandsregelung.

    *edit: Oder reichen die 1,85m zum Überholen aus, ohne dass ein daneben fahrender PKW den Abstand unterschreitet?

    Nein, reicht nicht. Wenn links tatsächlich schneller+lückenloser KFZ-Verkehr ist, kann nicht überholt werden.

    In der Praxis dürfte es fast immer möglich sein zu überholen, ggfs. mit kleinem Zeitverlust.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Man dürfte als Radfahrer in der Situation keinen anden Radfahrer überholen. Tut man's doch, muss der KFZ-Verkehr warten wegen Abstandsregelung.

    Wobei das auf einem normalen (aber ausreichend breiten) Radfahrstreifen streng genommen auch nicht anders wäre, wenn dort ein Radfahrer einen anderen überholt.