Diskussionen rund um Sprachgebrauch

  • Vergiss nicht, dass Sprache einem kontinuierlichen Wandel unterliegt.

    Die feine semantische Unterscheidung zwischen "anscheinend" und "scheinbar" ist tot und wird auch nicht mehr wiederkommen. Wie so viele andere Dinge auch, die sich in der Sprache verändert haben.

    Das Zitieren von Korrekturseiten ist nur ein Rückzugsgefecht. Eins, das ich offen gesagt ziemlich nervig finde.

  • Vergiss nicht, dass Sprache einem kontinuierlichen Wandel unterliegt.

    Die feine semantische Unterscheidung zwischen "anscheinend" und "scheinbar" ist tot und wird auch nicht mehr wiederkommen. Wie so viele andere Dinge auch, die sich in der Sprache verändert haben.

    Das Zitieren von Korrekturseiten ist nur ein Rückzugsgefecht. Eins, das ich offen gesagt ziemlich nervig finde.

    Diese Unterscheidung ist scheinbar tot, nicht anscheinend tot.

    Und wenn Leute falsches Deutsch verwenden, werde ich das nicht nachmachen, nur um der Mehrheit hinterherzurennen.

    Es hat schon mal ein Bundesligaspieler eine rote Karte bekommen, als er auf die Ansage des Schiedsrichters "Ich verwarne Ihnen" die Antwort "Ich danke Sie" gegeben hat. ^^

    Ich sage also auch weiterhin "höher als" und nicht "höher wie", "halb so schnell" und nicht "doppelt so langsam", und eine Steigerung "um das Dreifache" bleibt etwas anderes als "auf das Dreifache", ergo ist "drei Mal größer als" dasselbe wie "vier Mal so groß wie".

    *Tüpfelesscheißerei aus*

  • Die feine semantische Unterscheidung zwischen "anscheinend" und "scheinbar" ist tot und wird auch nicht mehr wiederkommen.

    Ich bin absolut offen für Sprachwandel. Das sind die meisten Germanisten im Gegensatz zur allgemeinen Annahme ebenso. Nur ein paar Nostalgiker sperren sich gegen den "natürlichen" Wandel in der Sprache (s. auch Rechtscheibung). Diachrone Entwicklungen gab es schon immer.

    Eine Unterscheidung zwischen "scheinbar" und "anscheinend" ist aber nicht graduell, sondern wesentlich.

    Darum werde ich es in Klausuren auch weiterhin anstreichen und die korrekte Verwendung einfordern. :evil:

  • Tu in Klausuren, was Du magst. Laut Duden ist das mMn nicht mehr gerechtfertigt. Zu "scheinbar" steht dort als seltene, aber richtige Verwendung:

    "dem Anschein nach gegeben, vorhanden, bestehend"

    Die Unterscheidung zwischen "ist vermutlich wirklich so" und "der Eindruck täuscht" wird eigentlich nur noch durch den Zusatz "nur" transportiert: "Der Täter war nur scheinbar 20 Jahre alt".

  • Epaminaidos

    Wenn du schon den "Duden" hernimmst, arbeite bitte wissenschaftflich sauber und zitiere nicht nur das, was in deine Sicht passt: in diesem Fall ausgerechnet den seltenen Gebrauch von "scheinbar". :rolleyes: Und gib die genaue verwendete Quelle an, bitte!

    Online (duden.de) ergibt die Suche zu scheinbar Folgendes:

    Zu anscheinend:

    Die aktuelle 27. Auflage des gedruckten Exemplars führt aus:

    Fazit: Wenn man kurz und prägnant und nach Empfehlung des aktuellen "Duden" kommunizieren will, verwendet man "scheinbar" und "anscheinend" zur semantischen Differenzierung - und ja: Ein guter Deutschlehrer wird dies seinen Schülerinnen und Schülern dann auch so vermitteln. Und in Klausuren tut er nicht das, was er will, sondern was fachlich geboten ist. :P

    Wegen mir (!) kannste das aber halten wien Maurer, nä.

  • Wenn du schon den "Duden" hernimmst, arbeite bitte wissenschaftflich sauber und zitiere nicht nur das, was in deine Sicht passt

    Ich habe im Text deutlich darauf hingewiesen, dass es die seltene Verwendung ist. Aus dem Kontext hier sollte für den Leser eindeutig sein, dass es damit die Nebenvariante zur Hauptvariante ist.

    Das sollte den Ansprüchen in einem Forum genügen: Im Kontext eindeutig verständlich und ohne irreführend zu sein.

    Warum diese Variante in der gedruckten Variante nicht enthalten ist, weiß ich nicht. Auch nicht, warum auf der Seite von "anscheinend" eine widersprechende Erklärung steht.

    Eigentlich ist es auch egal: Durch die Definition auf duden.de ist die Verwendung "scheinbar" im Sinne von "wahrscheinlich" korrekt. Auch wenn es vom Duden als "selten" deklariert wird.

    Wiktionary ist schon einen Schritt weiter, aber natürlich keine belastbare Quelle.

    Ich verstehe ja durchaus, dass man Hoheitswissen genießt und sich nur schwer davon verabschieden mag. Verbleibt noch die Korrektur von Standart und Standard :)

  • Ich verstehe ja durchaus, dass man Hoheitswissen genießt und sich nur schwer davon verabschieden mag. Verbleibt noch die Korrektur von Standart und Standard :)

    Das Problem ist ein anderes: Was nutzt man, wenn die Bedeutung verloren gegangen ist?

    Sprachwandel hin oder her, wenn Funktionalität wegbricht, habe ich ein Problem damit.

  • Ich verstehe ja durchaus, dass man Hoheitswissen genießt und sich nur schwer davon verabschieden mag. Verbleibt noch die Korrektur von Standart und Standard :)

    Das ist nicht Hoheitswissen, sondern Grundschulwissen. Ähnlich wie "das" und "dass" oder dass "samstags" keinen Apostroph nach dem g hat.

    Jemand, der "scheinbar" für dasselbe hält wie "anscheinend", versteht nicht, was jemand meint, der "scheinbar" korrekt verwendet. So etwas übergehe ich nicht mit Schulterzucken "ist halt Umgangssprache". Stell Dir mal vor, so ein sprachlicher Lapsus würde in Polizeiprotokollen auftauchen!

    Oder nimm das vertrackte Wörtchen "ganze" mit zwei entgegengesetzten Bedeutungen:

    "Er hat eine ganze Menge Geld verdient" = Er hat eine große Menge Geld verdient", also "ganz" = "viel"

    "Die Firma hat ganze fünf Stunden gebraucht, um unser Fertighaus aufzustellen" = "toll, dass sie das so schnell geschafft haben"; "ganz" = "nur", also "wenig"

    Das steht so im Duden als umgangssprachlich.

    Und jetzt schlag mal die Zeitung auf und sei erschüttert, wie häufig Journalisten, Politiker oder Beamte "ganze" plus Wert- oder Mengenangabe im Plural (also "=nur") im entgegengesetzten Sinne verwenden, weil sie betonen wollen, dass sie die Menge für (erfreulich) groß halten. Sorry, dafür gibt es das Wort "volle" = "Olaf hat volle vier Wochen gebraucht, um seine Steuereinnahmen zu zählen".

  • dass man Hoheitswissen genießt

    Du wolltest damit offenbar etwas über meine Person aussagen und sagst meiner bescheidenen Einschätzung nach doch so viel mehr über dich aus.

    Ich werde mir nicht weiter Mühe geben und Quellen für dich heraussuchen und erläutern, da es dir anscheinend (sic!) weniger um eine sachliche Diskussion als darum geht, dein Gesicht um jeden Preis scheinbar (sic!) zu wahren.

    Auf Wiedersehen in einem anderen Thema!

  • Bei einer per Mail geführten Diskussion in einem kirchlichen Gremium, dem ich angehöre, und die auf einmal sehr scharf und persönlich wurde, meldete sich der Nestor des Ganzen, ein Alt-Dekan, schon fast 90 Jahre alt. Seine Rundmail an den Verteiler bestand aus nur zwei Worten:

    "Vertragt euch!"

  • als darum geht, dein Gesicht um jeden Preis scheinbar (sic!) zu wahren.

    Es geht darum, dass ich inzwischen dreimal hier im Forum über diesen vermeintlichen Unterschied belehrt wurde. Einmal von Dir, zweimal von anderen. Die ersten beiden Male habe ich innerlich die Augen verdreht und es ignoriert. Denn ich weiß ja eigentlich vorher, was bei Widerspruch folgt. Beim dritten mal habe ich das dann kommentiert. Denn es nervt, für eine vollkommen korrekte Verwendung eines Wortes mehrfach kritisiert zu werden.

    Denn die Verwendung von "scheinbar" für "dem Anschein nach wahrscheinlich" ist vollkommen korrekt:

    Nach Duden wie beschrieben, wenn auch nur die Nebenvariante. Die längliche Erklärung auf der Seite zu "anscheinend" macht höchstens den Duden inkonsistent, nicht aber die Verwendung falsch. Nach Wiktionary ist das uneingeschränkt korrekt.

    Und wenn ich die Forumssuche verwende, werden die Wörter praktisch vollständig synonym verwendet. Ich habe mal noch ein paar andere Foren durchsucht. Mit gleichem Ergebnis.

    Also wie ich bereits eingangs schrieb: Sprache wandelt sich. Und wenn von 100 gelesenen Forumsbeiträgen alle das Wort "scheinbar" im Sinne von "wahrscheinlich" benutzen, dann betrachte ich die alte Bedeutung als tot. Auch wenn Forumseinträge ganz bestimmt nicht repräsentativ sind, ist 100:0 doch zu viel.

    2 Mal editiert, zuletzt von Epaminaidos (27. April 2020 um 08:51)

  • Das Problem ist ein anderes: Was nutzt man, wenn die Bedeutung verloren gegangen ist?

    Wenn ich weiß und nicht nur vermute, dass der Anschein täuscht, verwende ich "vermeintlich" oder "nur scheinbar/anscheinend":

    - "Das Auto fuhr vermeintlich zu schnell."

    - "Das Auto fuhr nur scheinbar zu schnell."

    - "Das Auto fuhr nur anscheinend zu schnell."

  • Oh je, das heißt: Du überträgst nicht nur die Bedeutung von "anscheinend" ("es ist so, wie es scheint") auf "scheinbar" ("es ist anders, als es scheint"), sondern auch die Bedeutung von "scheinbar" auf "anscheinend"? Dann wird es ja völlig unverständlich: Dein Satz drei bedeutet nämlich "Das Auto fuhr nur offensichtlich zu schnell."

  • Also wie ich bereits eingangs schrieb: Sprache wandelt sich. Und wenn von 100 gelesenen Forumsbeiträgen alle das Wort "scheinbar" im Sinne von "wahrscheinlich" benutzen, dann betrachte ich die alte Bedeutung als tot. Auch wenn Forumseinträge ganz bestimmt nicht repräsentativ sind, ist 100:0 doch zu viel.

    Ich habe mal auf Duden.de nachgeschaut, wie dort "Straße" definiert wird:

    ¬(besonders in Städten, Ortschaften gewöhnlich aus Fahrbahn und zwei Gehsteigen bestehender) befestigter Verkehrsweg für Fahrzeuge und (besonders in Städten, Ortschaften) Fußgänger

    Sobald aber dort erwähnt würde, dass sehr viele Menschen mit 'Straße' nur das meinen, was oben als 'Fahrbahn' bezeichnet wird - ist dann die alte Bedeutung von 'Straße' auch tot?

  • Dann wird es ja völlig unverständlich

    Also besonders schlimm kann es nicht sein, wenn das ganze Netz voll mit Verwendungen ist, die "scheinbar" und "anscheinend" synonym verwenden.

    Sobald aber dort erwähnt würde, dass sehr viele Menschen mit 'Straße' nur das meinen, was oben als 'Fahrbahn' bezeichnet wird - ist dann die alte Bedeutung von 'Straße' auch tot?

    Außerhalb von Fachforen ist sie das, oder? Ich kann den Begriff jedenfalls nicht in der Bedeutung "von Hauswand zu Hauswand" benutzen, ohne eine Erläuterung hinterher zu schieben, was genau ich meine.

    Und ich würde nicht auf die Idee kommen, jemanden außerhalb von Verkehrsforen zu korrigieren, wenn er "Straße" sagt und "Fahrbahn" meint.

  • Ich muss euch allen ein bisschen zustimmen. Man kann Sprachgebrauch weder vorgeben noch sollte man sich am reinen Gebrauch orientieren. Diskussion über Sprache ist auch immer Teil von Sprachwandel.

    Ich verwende "scheinbar" und "anscheinend" nicht sauber getrennt im Alltagssprachgebrauch und wusste das schon vor dieser Diskussion. Außerhalb der Alltagssprache überlege ich mir aber sehr wohl, was von beiden ich tatsächlich meine.

  • Wir können uns sicherlich darauf einigen, dass Epaminaidos scheinbar richtig liegt. Naja, eigentlich nicht.

    Die Aufgabe von Sprache (und Schreibe) ist es nicht, korrekt zu sein, wandelbar oder was auch immer. Die Aufgaben ist es, verständlich zu sein, sich verständigen zu können. Wenn es aber durch den Sprachgebrauch zu Missverständnissen kommt (oder kommen kann), erfüllt die Sprache ihre Aufgabe nicht mehr (ausreichend).

    Bei scheinbar geht es eher um Stil als um Funktion. Das scheinbar unendlichen Meer klingt halt vie besser als das nur scheinbar unendliche Meer. Das eine weckt Sehnsüchte, das andere zerstört sie. Aber beispielsweise beim generischen Maskulin gehr es nur um Funktionalität die notwendig ist und gerade dabei ist, verloren zu gehen. Dass sich Sprache wandelt, bedeutet ja nicht, dass der Wandel an sich gut ist. Und gegen schlechten Wandel sollte man sich wehren.

  • Hier finden sich ja erstaunlich viel Sprachbewusste.

    Das Thema "Sprachwandel" füllt zu Recht Bände; alles, was grundsätzlich dazu zu sagen ist, fasst Peter v. Polenz meiner Auffassung nach sehr treffend zusammen (s. Anhang).

    Auch wenn hier jetzt ein separater Thread zum überaus spannenden Thema eröffnet wurde, möchte ich nicht übertreiben und mich nicht ausführlich äußern. Wir sind ja in einem Fahrradforum - und nebenbei: Der coronabedingte Online-Unterricht frisst momentan sehr viel Ressourcen. Tatsächlich ist die synchrone (ein Sprachsystem zu einem bestimmten Zeitpunkt) und diachrone (ein Sprachsystem im zeitlichen Wandel) Betrachtung von Sprache Lehrplanthema der Oberstufe und eines meiner Lieblingsfachbereiche.