Ordnungswidrigkeitenanzeigen und die DSGVO

  • Hat sich schon mal jemand damit befasst, wie sich die DSGVO auf Ordnungswidrigkeitenanzeigen von Privatpersonen auswirkt?

    Nach der gängigen Interpretation der DSGVO werden Kfz-Kennzeichen spätestens ab dem 25. Mai als personenbezogenes Datum gelten, so dass hier in Kombination mit der Meldung von Uhrzeit, Ort und Tatvorwurf eine Verarbeitung personenbezogener Daten gegeben sein dürfte.

    Die Bußgeldstelle dürfte nach meinem Dafürhalten ab dem 25. Mai gar keine Anzeigen von Privatpersonen mehr annehmen, da die Einhaltung der Vorschriften aus der DSGVO nicht einmal im Ansatz gewährt sein. Da wird doch jedem Falschparker, der seine Drohnung von wegen „Mein Bruder ist Anwalt“ ein riesiges Schlupfloch geöffnet. Und am Ende ist man dann selbst der Dumme, wenn man offenkundig gegen die DSGVO verstoßen hat.

  • Zitat

    §6 Abs. 1:

    Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn [...]

    * die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt

    * die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen [...]

    Die DSGVO bedeutet letzlich extrem viel Schreib- und Dokumentationsarbeit. Sie ist definitiv kein Verbot, Daten zu verarbeiten.

    Der interessantere Frage: Darf die Bußgeldstelle dann noch ohne Weiteres den Namen vom Anzeigeerstatter rausgeben?

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Für die Behörden gilt eine andere Richtlinie, vgl. Art. 2 III DSGVO. Die Anzeige selbst sollte unter Art. 2 II 1 c) fallen, da ist auch nicht mit viel zu rechnen.

    Das gilt für Behörden — vorher kommen die Daten aber bei jemandem vorbei, der noch keine Behörde ist und sich auf diese Ausnahme nicht berufen kann :/

    Die DSGVO bedeutet letzlich extrem viel Schreib- und Dokumentationsarbeit. Sie ist definitiv kein Verbot, Daten zu verarbeiten.

    Ja und nein: Hinsichtlich der Verarbeitung von Fotos hat die DSGVO vorgesehen, dass der Gesetzgeber eine nationale Regelung im Sinne des KunstUrhG erlässt. Das hat die Bundesregierung leider versäumt, insofern sind Fotoaufnahmen im öffentlichen Raum ab dem 25. Mai faktisch verboten.

  • Das gilt für Behörden — vorher kommen die Daten aber bei jemandem vorbei, der noch keine Behörde ist und sich auf diese Ausnahme nicht berufen kann :/

    Aber laut Art. 2 (2) c DSGVO gilt dies doch garnicht für "persönliche Tätigkeiten". Ein professioneller Fotograf der im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeiten solche Aufnahmen anfertigt wird wohl eher die Ausnahme sein. Davon abgesehen würde ich personenenbezogene Daten im Bezug auf das Auto/Nummernschild auch eher verneinen.

  • Aber laut Art. 2 (2) c DSGVO gilt dies doch garnicht für "persönliche Tätigkeiten".

    Gemäß der im Netz verfügbaren Literatur zu dem Thema sind „persönliche Tätigkeiten“ etwas anderes, beispielsweise Fotos von der engeren Familie vor dem Weihnachtsbaum.

    Bei Ordnungswidrigkeitenanzeigen kommen persönliche Tätigkeiten meines Erachtens allein deshalb nicht in Frage, weil dort nicht nur der Falschparker, sondern auch die dazugehörige Behörde involviert sind.

  • Also ich lese das anders.

    Diese Verordnung gilt nicht für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten und somit ohne Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen wird. Als persönliche oder familiäre Tätigkeiten könnte auch das Führen eines Schriftverkehrs oder von Anschriftenverzeichnissen oder die Nutzung sozialer Netze und Online- Tätigkeiten im Rahmen solcher Tätigkeiten gelten. Diese Verordnung gilt jedoch für die Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter, die die Instrumente für die Verarbeitung personenbezogener Daten für solche persönlichen oder familiären Tätigkeiten bereitstellen.

  • Das KFZ-Kennzeichen in Zusammenhang mit Abfrage "Halter" ist ein personenbezogenes Merkmal. Das betrifft die Behörde und den Umgang mit diesen Daten.

    Für mich als Bürger, der keine Möglichkeit hat, anhand des Kennzeichens den Halter oder Fahrer zu ermitteln, kann dieses Datum nicht personenbezogen sein.

    Wenn ich mir 20 Steueridentifikationsnummern ausdenke und mit Prüfziffer "errechnen" lasse, diese dann in einer textdatei auf meinem PC speichere - verstoße ich dann gegen die DSGVO?

  • Für mich als Bürger, der keine Möglichkeit hat, anhand des Kennzeichens den Halter oder Fahrer zu ermitteln, kann dieses Datum nicht personenbezogen sein.

    Im Umfeld der DSGVO wäre ich mir da nicht so sicher.

    Vorsicht Halbwissen: Zwei Probleme könnte es geben.

    Eventuell erhältst Du später aus irgendeinem anderen Grund diese fehlende Information. Dann kannst Du rückwirkend Schlüsse ziehen, zu denen Du nicht berechtigt warst.

    Für einen eingeschränkten Personenkreis (die Bekannten) ist die Identifizierung möglich. Das könnte schon zu viel sein.

    Die Politik hat hier schlicht und einfach ein Monster geschaffen. Musste heute 17 Seiten Auftragsdatenverarbeitungsvereinbarung durchackern. Für ein einziges gekauftes System! Der arme Lieferant musste offensichtlich sogar aufzählen, wie er sein Rechenzentrum physikalisch schützt und wer da eine Zutrittsberechtigung hat. Die anderen Softwarelieferanten werden wohl in den nächsten Wochen mit ähnlichen Erklärungen folgen.

    Mit einem anderen Lieferanten habe ich heute diskutiert, ob er mir ein Freitextfeld in die Anwendung packt. Früher war das kein Problem. Heute hat er mit Verweis auf die DSGVO abgelehnt: Ich könnte da ja Daten eintragen, die ich gar nicht erheben dürfte. Und nach DSGVO ist das nicht nur mein Problem, sondern auch seins.

    Einige Behörden verpflichten Ärzte sogar zur Datenschutzaufklärung, bevor sie mit neuen Patienten am Telefon einen Termin vereinbaren. Damit das nicht so viel Zeit kostet, sollen sie die Ansage vom Band einspielen.

    Das ist doch alles nur noch bekloppt!

  • Das KFZ-Kennzeichen in Zusammenhang mit Abfrage "Halter" ist ein personenbezogenes Merkmal. Das betrifft die Behörde und den Umgang mit diesen Daten.

    Für mich als Bürger, der keine Möglichkeit hat, anhand des Kennzeichens den Halter oder Fahrer zu ermitteln, kann dieses Datum nicht personenbezogen sein.

    Wenn ich die Sachlage richtig verstehe, wurde diese Argumentation, dass ich als Normalsterblicher den Fahrer nicht ermitteln könne, in der Rechtsprechung zusammen mit dem BDSG entwickelt.

    Die DSGVO scheint das anders zu sehen, wobei ich gestehen muss, dass ich die Quelle gerade nicht zur Hand habe; ich bin da am Wochenende drüber gestolpert. Um beim Beispiel der Fotografie zu bleiben: Für mich als normalsterblicher Mensch ist es vollkommen unmöglich, aus dem Abbild eines Menschen weitere Informationen herzuleiten. Dennoch stellt offenbar die Verarbeitung dieses Abbildes im Zusammenhang mit Datum, Uhrzeit und eventuellen Positionsdaten eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar, bei der die DSGVO mitzureden hat. Insofern halte ich die Argumentation für schlüssig, dass auch das Abbilden und Weiterverarbeiten eines Kfz-Kennzeichens eine solche Datenverarbeitung darstellt, die gegen die DSGVO verstößt.

    Wenn ich mir 20 Steueridentifikationsnummern ausdenke und mit Prüfziffer "errechnen" lasse, diese dann in einer textdatei auf meinem PC speichere - verstoße ich dann gegen die DSGVO?

    Nein, dann hast du 20 Nummern, die einer Steueridentifikationsnummer ähneln.

    Die Diskussion hatten wir auch erst vor ein paar Tagen im Bureau in Bezug auf Adressen und es scheint ernsthaft einen Unterschied zu machen, ob ich ein Adressdatum wie „Mühlenaustieg 10“ einfach so bei Google Maps eintippe oder ob ich dieses Datum aus einer Kundendatei bekomme. Im zweiten Fall müsste ich zuerst mit Google einen Auftragsdatenverarbeitungsvertrag abschließen.

  • Ich kann aus einem Kennzeichen, welches ich an Ort X zu Zeit Y sehe, nicht schliessen, dass Hans-Peter (der Eigentümer des Fahrzeugs) zu Zeit Y an Ort X war. Nur das Auto läuft auf ihn, ich weiß nicht ob er dort ist. Er ist weder für mich noch für andere identifizierbar.

    Aber die ganze DSGVO gilt ja für den privaten Zweck sowieso nicht.

  • Ich kann aus einem Kennzeichen, welches ich an Ort X zu Zeit Y sehe, nicht schliessen, dass Hans-Peter (der Eigentümer des Fahrzeugs) zu Zeit Y an Ort X war. Nur das Auto läuft auf ihn, ich weiß nicht ob er dort ist. Er ist weder für mich noch für andere identifizierbar.

    Doch, er ist für andere identifizierbar, nämlich für die zuständigen Behörden. Und das reicht anscheinend schon, damit das ein personenbezogenes Datum wird.

    Aber die ganze DSGVO gilt ja für den privaten Zweck sowieso nicht.

    Das halte ich in dieser Verallgemeinerung für falsch. Einerseits „gilt“ sie natürlich für mich als Verbraucher oder Betroffener, wenn ich daraus Rechte gegenüber anderen geltend machen möchte, andererseits wird Art. 2 Abs. 2 Nr. c DSGVO meines Erachtens recht schnell verlassen, eben wenn es beispielsweise um Fotoaufnahmen geht, die wiederum andere Personen betreffen.

  • By the way, was ist eigentlich mit Art. 2 Abs. 2 Nr. d DSGVO?

    Zitat
    Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten (…) durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.

    Ordnungswidrigkeiten sind bekanntlich Ordnungswidrigkeiten und keine Straftaten, fällt das dennoch unter Strafverfolgung, weil da jemand bestraft wird? Oder ist hier irgendwas von „Gefahren für die öffentliche Sicherheit“ einschlägig, was ja recht witzig wäre, weil eine Gefahr bei Falschparkern von Polizei und Verwaltung regelmäßig verneint wird?

  • Artikel 2, Absatz 2, Punkt d)

    Ich tendiere zu: ja, ist einschlägig.

    Denn das SOG wird als Abschleppbegründung herangezogen.

    Man muss aber unterscheiden. Denn die DSGVO sagt damit aus: DSGVO gilt nicht für Maßnahmen der Sicherheit.

    Die Behörde(!) darf also gegen die in der DSGVO genannten Bestimmungen "verstoßen".

    Aber das SOG ist für den Privatanzeiger meiner Meinung nach nicht gültig. Denn des Anzeigers Intention ist erstmal rein privat.

    Und da ziehe ich den Joker

    Artikel 2, Absatz 2, Punkt c)

    "Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten

    [...]

    c) durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten"

  • Gibt es zu diesem Thema schon weitere Erkenntnisse? Ich zeige ebenfalls regelmäßig Falschparker bei uns (BaWü) in der Feuerwehrzufahrt mit Bild des Autos samt KFZ-Kennzeichen an. Personen sind darauf allerdings nie zu sehen.

    Möchte natürlich ungern selbst gegen das (unsinnige) DSGVO-Gesetz verstoßen. Hat vielleicht jemand im privaten Kreis Konakt zu einem Anwalt, der sich mit diesem Thema besser auskennt?

  • marcelwr wie ich oben schon schrieb ergibt sich die Rechtmäßigkeit aus §6 Abs. 1 Buchstaben e und f.

    Wenn's um sowas Feuerwehrzufahrten geht, kommt noch Buchstabe d dazu.

    Man könnte hier sogar in Frage stellen, ob die DSGVO überhaupt anwendbar ist.

    Zumindest für die Behörden ist sie es nicht (§2 Abs. 2 Buchstabe d).

    Mir ist gerade als Gedanke gekommen, dass die Betroffenen ja auch Betroffenenrechte haben könnten.

    Ich mache also ein Foto von einem Auto und erhebe damit Daten. Muss ich dann meine Datenschutzerklärung am Auto hinterlassen wo drin steht wer ich bin, warum ich das mache, wem ich die Daten übermittle, dass man sich bei der Datenschutzbehörde über mich beschweren kann, etc.?

    Wenn man das bejaht, könnte man das auch auf Straftaten übertragen:

    "Guten Tag der Herr. Sie haben gerade einen Mord begangen, zu Beweiszwecken habe ich hier ein Foto von Ihnen angefertigt. Hier ist meine Datenschutzerklärung. Falls Sie sich über mich beschweren wollen, meine Kontaktdaten stehen ganz oben."

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Die Münchner Polizei ist von den vielen Beschwerden über Falschparker genervt und vertritt die Auffassung, dass das Fotografieren von Kfz-Kennzeichen zum Zweck der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung darstellen kann und Fotografen dem Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht gemeldet würden:

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    Nun muss man mit Kritik an der Polizei natürlich immer vorsichtig sein, aber wenn die Rechtsauffassung der Münchner Beamten so solide ist wie die der Hamburger Beamten, dann sehe ich das ganz gelassen.

  • Nun muss man mit Kritik an der Polizei natürlich immer vorsichtig sein, aber wenn die Rechtsauffassung der Münchner Beamten so solide ist wie die der Hamburger Beamten, dann sehe ich das ganz gelassen.

    Ich bin gerade knapp neben Pforzheim (Heilbronn, ähnliche Kriegsschäden, sehr ähnlicher Bahnhofsneubau) und wäre fast versucht, dem Präsidenten des Fünftligisten zünftige Vorschläge für die Stadionmusik zu machen, mit Textheft, damit alle mitsingen können:

    Georg Kreisler »Schützen wir die Polizei«

    Extrabreit »Polizisten«

    Wolfgang Ambros »Polizist«

    Ach ja: auf dem Weg von der Stadtbahnhaltestelle zum Hotel bin ich fast über einen quer auf dem Trottoir (gesprochen "Trottwa", Betonung auf dem o - so nennt man hier den Bürgersteig) geparkten Streifenwagen gestolpert.

    Sondereinsatz: eines der beiden Streifenhörnchen musste »nur mal kurz« zum Geldautomaten.