Hamburg - Unfälle mit Radfahrern

  • Und jetzt stellen wir uns mal vor, dieser Radweg wäre ein benutzungspflichtiger Zweirichtungsradweg, weil vielleicht auf der anderen Straßenseite nur 80 cm Hochbord sind. Solche Konstruktionen gibt es zuhauf. Ohne Zusatz-Warnschilder, ohne Rotmalerei auf der Fahrbahn, ohne Warnleuchte.
    Warum geht eigentlich ein Autofahrer davon aus, dass von rechts kein Radfahrer kommen KANN?

  • An genau dieser Stelle kann von rechts kein legal fahrender Radfahrer kommen. Woher der Autofahrer das wissen kann, ist für mich nebensächlich. Wenn man ortskundig ist, weiß man das halt eventuell einfach.
    Ich stelle mir das gleiche auf dem Rad vor: Ich möchte rechts auf den Radweg abbiegen und knalle noch in Schräglage frontal mit einem Geisterradler zusammen. Und dafür soll ich die Hälfte der Schuld bekommen? Fände ich nicht angemessen.

  • Wenn man ortskundig ist, weiß man das halt eventuell einfach.

    Ortskundigkeit hilft da ja nur bedingt weiter, wenn die blauen Schilder beispielsweise im Umfeld von Arbeitsstellen mit der Gießkanne aufgestellt werden.

    Ich erzähle an dieser Stelle immer gerne von meiner Lieblingsbaustelle in Wedel. Ich bin da vor ein paar Jahren mal mit dem Rad noch schnell in die Uni gesaust, weil ich dort etwas vergessen hatte, und auf dem Weg zur Uni war alles ganz normal, außer dass da halt schon zwei Wagen der örtlichen Baufirma verdächtig am Straßenrand standen. Zwanzig Minuten später war ich auf dem Rückweg und der nicht benutzungspflichtige Radweg in meiner Fahrtrichtung war plötzlich für beide Fahrtrichtungen benutzungspflichtig, während der Radweg auf der gegenüberliegenden Seite mittlerweile mit einem Absperrgitter versperrt war.

    So schnell kann’s halt gehen — und dann dürfen oder müssen plötzlich Radfahrer in der falschen Richtung fahren, wo sie’s eine halbe Stunde vorher noch nicht durften.

    Eigentlich ist das so abwegig, das kapiert natürlich auch wieder kein normaler Mensch.

  • An genau dieser Stelle kann von rechts kein legal fahrender Radfahrer kommen.

    Doch, es kann ein Kind kommen. Kinder können immer aus allen Richtungen kommen und das tollste daran ist: die dürfen das.
    Der Knackpunkt ist immer wieder: Es gibt sehr klare und eindeutige Verhaltensregeln was das Ab- und Einbiegen angeht und dagegen ist höchst offensichtlich massiv von der Dame verstoßen worden.

    Vor Gericht in Hamburg aber wohl ebensowenig ein Problem, wie in Berlin, dank Überarbeitung der Gerichte und der daraus folgenden Gepflogenheit solche Fälle mit lächerlichen Mindeststrafen sehr rasch komplett vom Tisch bekommen zu wollen.

  • Doch, es kann ein Kind kommen. Kinder können immer aus allen Richtungen kommen und das tollste daran ist: die dürfen das.

    … uuund seit Kurzem dürfen sogar Erwachsene mit ihrem Kind in der falschen Richtung fahren.

    Allerdings müssen sowohl Kind als auch erwachsene Begleitperson beim Überqueren von Fahrbahnen absteigen — da stellte sich dann nicht die Möglichkeit, einem Hochgeschwindigkeits-Abbieger vor die Stoßstange zu sausen.

  • Vorgeschrieben ja, aber nicht so wie dort in HH mit winzigen Fantasiezeichen unter dem Vorfahrt-achten, sondern mit [Zusazzeichen 1000-32] und [Zeichen 205] , wobei das Zusatzzeichen über dem Vz 205 hängt.

    Zitat

    VwV-StVO: An Kreuzungen und Einmündungen sowie an verkehrsreichen Grundstückszufahrten ist für den Fahrzeugverkehr auf der untergeordneten Straße das Zeichen 205 „Vorfahrt gewähren." oder Zeichen 206 „Halt. Vorfahrt gewähren." jeweils mit dem Zusatzzeichen mit dem Sinnbild eines Fahrrades und zwei gegengerichteten waagerechten Pfeilen (1000-32) anzuordnen.

    Ach so, die VwV muss ein normaler Verkehrsteilnehmer natürlich nicht kennen.
    Aber es steht auch in der StVO (Erläuterungen zu Zz 1000-12 bei Vz 205):

    Zitat

    Ge- oder Verbot
    Ist das Zusatzzeichen zusammen mit dem Zeichen 205 angeordnet, bedeutet es:
    Wer ein Fahrzeug führt, muss Vorfahrt gewähren und dabei auf Radverkehr von links und rechts achten.
    Erläuterung
    Das Zusatzzeichen steht über dem Zeichen 205.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Der Satz sollte wohl heißen: "... kann von rechts kein bevorrechtigter legal fahrender Radfahrer kommen."

    Ächem, das würde den Irrtum um nichts besser machen, denn die Vorfahrtsberechtigung erlischt nicht nur weil auf der Vorfahrtstraße auf der falschen Straßenseite gefahren wird. Was Du da nennst könnte als inhaltlich häufigstes Zitat der einschlägig falschen und verdrehenden Berichterstattung dienen. Ändert aber nichts daran, daß stets zu BEIDEN Seiten mit Blick, bei zugleich angemessen niedriger Geschwindigkeit (richtig korrekt wäre erster Gang oder eine Entsprechung [LKW] oder gar anhalten), abgesichert werden muss.

  • Hier treffen zwei Fehler aufeinander.
    Auf der einen Seite hat sich ein Radfahrer bewusst entschieden, auf der falschen Seite zu fahren.
    Auf der anderen Seite steht ein Autofahrer, der nicht nach rechts geschaut hat. Wahrscheinlich kennt er die sehr spezielle Auslegung gar nicht, nach der auch ein Geisterradler sein Vorfahrtsrecht behält. Warum sollte man also überhaupt nach rechts schauen? Da bleiben nur zwei Gründe. Zum einen eine kurzfristige Änderung der Radführung. Und zum anderen die Annahme, dass sich Radfahrer eh nie an Regeln halten.

    Beide Verstöße muss man gewichten und zu einer Schuldverteilung kommen. Gerichte geben normalerweise die Hauptschuld dem Autofahrer. Und ich kapiere nicht, warum der vorsätzliche Verstoß nicht mit der Hauptschuld belegt wird.

  • was ist denn nach deiner Meinung "der vorsätzliche Verstoß"?
    1) auf der falschen Seite radeln?
    2) Abbiegen ohne nötige Vorsicht?

    Wieso unterstellst du dem Radfahrer in 1) einen "Vorsatz"? Personen mit Fahrerlaubnis, für PKW, LKW, Bus, können mir teilweise nicht den Unterschied zw.
    b-Pflicht rechts, b-pflicht links, sonstiger Radweg rechts, sonstiger Radweg rechts und links, Fußweg mit Radfahrer frei
    erläutern. Wieso soll der Radfahrer aus Vorsatz auf der falschen Seite gefahren sein? Wieso nicht in der falschen Annahme, dass jeder Radweg grundsätzlich in jede Richtung befahren werden darf, ja sogar irgendwie muss?

  • Das ist nicht anderes als meine persönliche Meinung darüber, was "man" hält weiß und was nicht. Und eine kleine subjektive Bewertung, wie "vorwerfbar" es ist, den jeweiligen Fakt nicht zu kennen.
    Man muss meiner Meinung nach schon ziemlich ignorant unterwegs sein, um "linksfahren" für legal zu halten.
    Die Vorfahrtsregelung mit Geisterradlern hingegen war sogar unter Verkehrsrichtern umstritten. Das gehört mMn nicht zum Pflichtwissen von Autofahrern.

  • Eben.
    Radweg rechts mit Schild: "Ich muss da radeln."
    Radweg rechts ohne Schild: "Ich darf da radeln." (Dass man Autofahrer erlebt, die dort "Raaaaadweeeg" brüllen, weil sie meinen, auch dort müsse man radeln, kommt noch hinzu.)

    Radweg links mit Schild: "Ich muss da radeln."
    Radweg links ohne Schild: ??? Da könnte man schon den Analogieschluss zu oben machen.

  • Mein persönlicher Eindruck ist, dass alles was "Nebenfläche" ist, von vielen beradelt wird und das unabhängig(!) davon, ob es freigegebener/nicht freigegebener Gehweg, b-pflichtiger/nicht b-pflichtiger Radweg, Seitenstreifen oder was auch immer ist. Und so herrscht auch bei vielen Verkehrsteilnehmern die Auffassung, die Fahrbahn sei dem Kraftverkehr vorbehalten und der übrige Verkehr gehöre auf die "Nebenflächen" und das völlig unabhängig(!) von rechtlichen Anordnungen.

    Macht mal den Test im Bekannten- und Verwandtenkreis! Ich war erstaunt was ich da zu hören bekam. "Radfahrer dürfen die Straße nur befahren, wenn kein Radweg da ist." "Benutzungspflichtiger Radweg, was ist das?" "Und selbst wenn man nicht immer auf den Radweg muss, es ist jedenfalls immer sicherer als auf der Straße." Das waren nur einige der Aussagen. ;)

  • Wahrscheinlich kennt er die sehr spezielle Auslegung gar nicht, nach der auch ein Geisterradler sein Vorfahrtsrecht behält.

    Spezielle Auslegung? Also einen Führerschein hast du offensichtlich nie gemacht, weil sonst wüsstest du was eine Vorfahrtsstraße ist und das alle Verkehrsteilnehmer die sich auf ihr Bewegen gegenüber von Seitenstraßen kommenden eine generelle* Vorfahrt genießen. (* Es gibt, wenn ich nicht irre, eine Ausnahme im Zusammenhang mit abknickender Vorfahrt, aber darum geht es hier nicht.)
    Das Befahren der falschen Straßenseite bricht nicht das generelle Vorfahrtrecht. Wäre das so, würde auf den Straßen recht schnell die totale Anarchie ausbrechen.

  • Spezielle Auslegung? Also einen Führerschein hast du offensichtlich nie gemacht, weil sonst wüsstest du was eine Vorfahrtsstraße ist


    Dass Radfahrer auch als Geisterradler Vorfahrt haben, ist auch meiner Meinung nach überhaupt nicht naheliegend. Ich hab die Artikel dazu auch gelesen und weiß inzwischen dass es so ist; aber ohne die Beschäftigung mit dem Thema hätte ich das stark angezweifelt.

  • Also einen Führerschein hast du offensichtlich nie gemacht

    Auf persönliche Beleidigungen antworte ich nicht. Vollkommen unabhängig vom Inhalt.

    Mein persönlicher Eindruck ist, dass alles was "Nebenfläche" ist, von vielen beradelt wird und das unabhängig(!) davon, ob es freigegebener/nicht freigegebener Gehweg, b-pflichtiger/nicht b-pflichtiger Radweg, Seitenstreifen oder was auch immer ist.

    Ich bin auch immer wieder überrascht, was ich da zu hören bekomme.
    Die spannende Frage ist und bleibt die Gewichtung der Verstöße. Soll es tatsächlich zur Entlastung beitragen, wenn nur genug Radfahrer zu doof sind, sich auch nur ansatzweise zu informieren, wo sie ihr Gefährt bewegen dürfen? Heutzutage ist das mit zwei Minuten Google erledigt.
    Es existieren meines Wissens nach auch keine Urteile, die Autofahrer entlasten, die aus verbreitetem Unwissen einen Radfahrer auf den Radweg abdrängen wollten.

  • Ich vermute dieses Verhalten wird vor allem von "Auch-Radfahrern" praktiziert ,angeblich weil die "Straße" so gefährlich sei, tatsächlich aber um die "Straße" für den Autoverkehr freizuhalten. Und bei KFZ-Benutzung wird aus den gleichen Gründen auf diesen Nebenflächen dann geparkt.

    Bezüglich der Vorfahrtsregelung sind übrigens Autofahrer nicht schlechter gestellt. Wenn sie z.B. eine Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung befahren, haben sie an den gleichen Stellen Vorfahrt, an denen sie ohne Einbahnstraßenregelung dies auch hätten.

    Die Vorfahrtsregelung gilt für alle Teile einer Straße. Und das ist gut so. Denn damit entfällt die Benutzungspflicht für beschilderte Radwege, die neben einer Fahrbahn verlaufen und aber zusätzlich mit Z.205 an Kreuzungen geschmückt werden.