Ich hatte ja angesichts des hanseatischen Schneefalls gestern die Spikereifen-Zeit zelebriert, aber angesichts des Tauwetters am Abend dann vor einem Wechsel der Mäntel abgesehen. Nun mache ich mir Gedanken, wie es denn rechtlich mit Spike-Reifen aussieht — schließlich wollen ja alle, dass sich diese blöden Radfahrer an die Regeln halten.
Eine Suche im Internet nach Spike-Reifen ergibt lediglich lobpreisende Berichte und die nicht weiter belegte Aussage, das wäre alles total in Ordnung und für Fahrräder erlaubt, weil Fahrräder keine Autos sind. Das überzeugt mich ja noch nicht.
Es gibt im bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog die Tatbestandnummer 336500:
ZitatSie führten das Fahrzeug, obwohl dessen Reifen mit Spikes ausgestattetwaren.
§ 36 Abs. 1, § 69a StVZO; § 24 StVG; -- BKat
Ist ein B-Verstoß und kostet fünfzig Euro, darüber kann man sich ja schon mal Gedanken machen.
§ 69 StVZO und § 24 StVG interessieren nicht so richtig, die eigentlich verletzte Vorschrift ist § 36 Abs. 1 StVZO, die lautet:
[stvo]Maße und Bauart der Reifen von Fahrzeugen müssen den Betriebsbedingungen, besonders der Belastung und der durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs, entsprechen. Sind land- oder forstwirtschaftliche Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge des Straßenunterhaltungsdienstes mit Reifen ausgerüstet, die nur eine niedrigere Höchstgeschwindigkeit zulassen, müssen sie entsprechend § 58 für diese Geschwindigkeit gekennzeichnet sein. Bei Verwendung von M+S-Reifen – Winterreifen – gilt die Forderung hinsichtlich der Geschwindigkeit auch als erfüllt, wenn die für M+S-Reifen zulässige Höchstgeschwindigkeit unter der durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs liegt, jedoch[list=1][*] die für M+S-Reifen zulässige Höchstgeschwindigkeit im Blickfeld des Fahrzeugführers sinnfällig angegeben ist,[*] die für M+S-Reifen zulässige Höchstgeschwindigkeit im Betrieb nicht überschritten wird.Reifen oder andere Laufflächen dürfen keine Unebenheiten haben, die eine feste Fahrbahn beschädigen können; eiserne Reifen müssen abgerundete Kanten haben. Nägel müssen eingelassen sein.[/stvo]
Dort werden viele technische Begriffe genannt, die vermuten lassen, dass hier eher Kraftfahrzeuge angesprochen werden, obwohl von „Fahrzeugen“ die Rede ist. Spike-Reifen werden wohl verboten aufgrund des folgenden Satzes:
[stvo]Reifen oder andere Laufflächen dürfen keine Unebenheiten haben, die eine feste Fahrbahn beschädigen können[/stvo]
Praktischerweise trägt aber der gesamte Abschnitt 2 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, zu dem § 36 StVZO gehört, den Titel „Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger“. Die Vorschriften aus § 36 StVZO sind also für Fahrräder zunächst nicht einschlägig.
Fahrräder werden im Sinne der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung im Abschnitt 3 „Andere Straßenfahrzeuge“ definiert. Dort gibt es aber § 63 StVZO:
[stvo]Die Vorschriften über Abmessungen, Achslast, Gesamtgewicht und Bereifung von Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern (§§ 32, 34, 36 Absatz 1) gelten für andere Straßenfahrzeuge entsprechend. Für die Nachprüfung der Achslasten gilt § 31c mit der Abweichung, dass der Umweg zur Waage nicht mehr als 2 km betragen darf.[/stvo]
Also gilt § 36 Abs. 1 StVZO doch für Fahrräder. Allerdings sind ja lediglich Unebenheiten verboten, die eine feste Fahrbahn beschädigen können. Die Frage ist nun, wie eng man „können“ auslegt: Sicherlich gibt es Möglichkeiten, mit einem Spike-Reifen für Fahrräder eine feste Fahrbahn zu beschädigen, im Regelfall dürfte ein Fahrrad mit einer Gesamtmasse von ungefähr einhundert Kilogramm auch bei viel Druck auf den Pedalen wohl kaum Schäden an einer festen Fahrbahn verursachen. Bei Kraftfahrzeugen, bei denen auf jedem Reifen ungefähr mindestens 250 Kilogramm lasten und wo die Beschleunigungsmöglichkeiten ungleich höher als bei einem mäßig trainierten Radfahrer sind, sehe ich dagegen gefühlsmäßig durchaus die Möglichkeit, die Fahrbahn zu beschädigen.
Was sagt ihr zu diesem Gedankengang?
Die Frage ist nur, wie es sich mit der Haftung verhält, wenn ein Fahrrad mit einem Kraftfahrzeug kollidiert und aufgrund der Spike-Reifen Schäden im Lack entstanden sind, die ohne Spike-Reifen nicht zu beklagen wären. Im Netz lässt sich darüber kein Urteil finden.