Komplizierte Fahrrad-Ampeln

  • Neue Woche, neue Frage:

    Darf ich hier bei Grünlicht - so wie auf dem Foto - "direkt" links auf den Radweg abbiegen, oder muss ich indirekt unter Beachtung des Signalgebers für den Querverkehr abbiegen?
    Die Straße geradeaus ist eine Einbahnstraße, in meine Fahrtrichtung können physisch keine Kraftfahrzeuge fahren, weder rechts noch links neben mir.

    Die Situation in der Aufsicht. Ich befinde mich links der Gleise und blicke in die Prielmayerstraße.

  • Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende müssen Rad Fahrende bis zum 31. Dezember 2016 weiterhin die Lichtzeichen für zu Fuß Gehende beachten, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt.

    Hervorhebung von mir.

    In dem Fall haben wir das Glück, gar nicht erst in die Fallstricke des Satzes 3 zu geraten. Mit Satz 2 ist es erschlagen, nämlich Beachtung der Lichtzeichen für den Radverkehr. Wie @Gerhart zu seiner abweichenden Einschätzung gelangt, hätte ich bei Gelegenheit gerne mal von ihm hergeleitet. ;)

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Wie @Gerhart zu seiner abweichenden Einschätzung gelangt, hätte ich bei Gelegenheit gerne mal von ihm hergeleitet. ;)

    Ich stimme Gerhart zu. Man kann dort indirekt links abbiegen. Das darf man grundsätzlich. Man muß aber grundsätzlich auch der Radinfrastruktur im Kreuzungsbereich folgen. Führt diese vor eine andere Ampel, hätte man diese wohl zu beachten. Das ist hier aber nicht der Fall. Folgt man der Furt, kommt man gar nicht vor die Querampel und verbleibt im Schutzbereich auf der Fahrbahn, diese kann also nicht gelten. Dann ist das nichts anderes als ordinäres indirektes Linksabbiegen.

    Vor die Ampel im Querrichtung kommt man nur durch Schieben oder Owi.

    Das alles ist aber vor Einfahrt in die Kreuzung gar nicht zu erkennen und mal so mal so - Radverkehrsinfrastruktur eben.

  • (2) Wer mit dem Fahrrad nach links abbiegen will, braucht sich nicht einzuordnen, wenn die Fahrbahn hinter der Kreuzung oder Einmündung vom rechten Fahrbahnrand aus überquert werden soll. Beim Überqueren ist der Fahrzeugverkehr aus beiden Richtungen zu beachten. Wer über eine Radverkehrsführung abbiegt, muss dieser im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich folgen.

    Der letzte Satz hier, "Wer über eine Radverkehrsführung abbiegt, muss dieser im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich folgen."

    Ich verstehe den so, dass man Radverkehrsführungen beim Abbiegen nicht einfach verlassen darf. Da @timovic bereits auf so einer Führung fährt, muss er sie auch bis zum Ende weiterfahren, d.h. bis er die zweite Furt erreicht. Dort dann ohne Beachtung der zweiten Ampel im 90°-Winkel links abbiegen.

    "Rot ordnet an: „Halt vor der Kreuzung“". Wenn man bereits auf der Kreuzung ist und indirekt links abbiegt, kann man nicht mehr vor der Kreuzung halten. Das Rotlicht ist also egal. Aber "Beim Überqueren ist der Fahrzeugverkehr aus beiden Richtungen zu beachten."

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Hach, öfter mal was neues. An einer erst vor ein oder zwei Jahren umgebauten Kreuzung in München, die ich schon häufiger gequert habe, ist mir nun erst am Wochenende "etwas" aufgefallen. Zur Einleitung wiederhole ich nochmals §37, Abs. 2, Satz 6: "Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende müssen Rad Fahrende bis zum 31. Dezember 2016 weiterhin die Lichtzeichen für zu Fuß Gehende beachten, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt."

    Hier ein Foto der Kreuzung.

    Was fällt auf?

  • Ja, wenn da ein Fahrrad drin versteckt wäre. Ist es aber nicht. Die Furten grenzen auch nicht aneinander. Also gilt dort eigentlich gar keine Ampel für Radfahrer.

    /Wenn ich die StVO richtig interpretiere.

  • Du interpretierst die StVO nicht so, wie es viele Richter tun. Dort scheint sich der "geschützte Kreuzungsbereich" durchzusetzen. Fährt man durch so einen, gilt ersatzweise die Autoampel, obwohl es aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht direkt hervorgeht.

  • Ja, wenn da ein Fahrrad drin versteckt wäre. Ist es aber nicht. Die Furten grenzen auch nicht aneinander. Also gilt dort eigentlich gar keine Ampel für Radfahrer.

    Zumindest ein Teil der Furt (die Abbiegespur) grenzt an die Fussgängerfurt. Mal sehen ob der Schrägansicht-Link von Google Maps hier funktioniert (im normalen Streetview sind noch die alten Markierungen zu sehen):

    Übrigens war ich vor ein paar Monaten in dem Gebäude mit dem gläsernen Treppenhaus im rechten Bildteil, musste ein wenig warten und habe dem Straßenverkehr zugesehen. Die wenigsten Radfahrer haben kapiert, dass man sich zum Linksabbiegen rechts einordnen muss.


    Du interpretierst die StVO nicht so, wie es viele Richter tun. Dort scheint sich der "geschützte Kreuzungsbereich" durchzusetzen. Fährt man durch so einen, gilt ersatzweise die Autoampel, obwohl es aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht direkt hervorgeht.

    Ich legs ja wirklich drauf an, wegen einer solchen Ampel ein Ticket zu bekommen. Seit Jahren. Aber es gibt keine Kontrollen. Und dann würde ich mir sehr gerne diesen Teil der StVO von einem Richter erklären lassen. Es passiert nur leider nicht.

  • Und dann würde ich mir sehr gerne diesen Teil der StVO von einem Richter erklären lassen.

    Richter sollen den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers erforschen. In diesem Fall ist es wohl offensichtlich, dass der Gesetzgeber nicht wollte, dass Radfahrer bei Auto- und Fußgänger-Rot einfach weiterfahren dürfen.
    Aber was wollte der Gesetzgeber? Hier gibt es verschiedene "Forschungsmöglichkeiten" (z.B. Protokollnotizen, die vorgenommenen Änderungen am Wortlaut, etc.). Und wenn alles nichts hilft, wird halt irgendein halbwegs sinnvolles Konstrukt erfunden.
    Und wenn man ehrlich ist, ist das Ergebnis in dem Fall ja wohl sogar gut, oder? Auch wenn es nicht direkt im Wortlaut steht.

  • Schon klar dass es verständliche und klare Regeln im Straßenverkehr braucht und dass diese sinnvoll sind. Aber die Ampelregelung für Radfahrende erfüllt diese Mindestanforderung nicht, sie ist weder klar noch verständlich. Das Konzept mit dem "geschützten Bereich" mag gut sein. Aber in §37 Abs. 2 Punkt 6 StVO steht das nicht, weder im Wortlaut noch sonstwie.
    Richter meinen vielleicht das eine, die StVO meint etwas anderes, und die anordnende Behörde versteht wieder etwas ganz anderes.
    Wer meistens mit dem Auto unterwegs ist kann gar nicht nachvollziehen wie schlimm dieser Regelungswirrwarr für Radfahrer ist. Bei Ampeln ist das so, und beim Benutzungsrecht von Straßenteilen genauso. Bei @timovics Bild oben kann man streiten welche Ampel gilt - schließlich grenzt ja doch ein Teil der Radfurt an die Fußgängerfurt und es ist noch nicht Silvester 2016. Das hört sich an wie ein Faschingsscherz ist aber geltendes Recht.
    Ich hätte gern eine Verkehrspolitik die macht dass solcher Quatsch verschwindet.

  • Diese Diskussion hatten wir hier inzwischen einige male.

    Das Konzept mit dem "geschützten Bereich" mag gut sein. Aber in §37 Abs. 2 Punkt 6 StVO steht das nicht, weder im Wortlaut noch sonstwie.


    Aber gewiß steht es dort, gleich im ersten Satz:

    Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten.


    Es folgen abweichende Regelungen für Sonderfälle. Da keine davon greift und greifen kann, gilt (wieder) der Normalfall, nämlich Satz 1.
    Schön wäre aber wirklich ein höchstrichterliches Urteil dazu, damit diese ganzen Fabulierungen, Mutmaßungen und richterlichen Selbstherrlichkeiten vom "geschützten Kreuzungsbereich", links oder rechts der Ampel etc. endlich eine Ende finden. Die Regelung zur direkt an eine Fußgängerfurt angrenzenden Radfahrerfurt wird uns ja glücklicherweise Ende des Jahres verlassen, was es doch deutlich vereinfacht.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Ich stimme euch da zu. Und natürlich ist das Konstrukt dort aktuell gut, zumindest wenn man die Fahrbahnampel als gültig für Radfahrer erklärt. Wollte mir an der Ecke aber ein Österreicher(!) schon einmal anders erklären. Der hätte mich nämlich beim Linksabbiegen fast vom Rad geholt, weil er das "blind" gemacht hat, schließlich zeigte die Fußgängerampel bereits rot.

  • Die wenigsten Radfahrer haben kapiert, dass man sich zum Linksabbiegen rechts einordnen muss.

    Das kann man ihnen kaum verübeln. Ich hätte mit solchen Verkehrsführungen "über Kreuz" auch Schwierigkeiten und bin sehr froh, dass ich so etwas nicht regelmäßig begegne.

    Richter sollen den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers erforschen.

    Sind dabei aber an den Wortlaut des Gesetzes gebunden.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Sind dabei aber an den Wortlaut des Gesetzes gebunden.

    Nein. Aber der Wortlaut ist eine sehr wesentliche Quelle bei der Auslegung der Gesetze. Wenn aber Blödsinn im Gesetz steht oder sich Gesetze sogar widersprechen, wird gegen den Wortlaut geurteilt. Die Regelung zu Fahrradampeln ist so ein Beispiel, in dem der Wortlaut Blödsinn ist:

    Zitat von STVO

    Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten.

    Den zweiten Satz kann man auf zwei Arten lesen:
    1.) Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen nur die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten.
    2.) Auf Radverkehrsführungen gehen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr vor.

    Für beide Auslegungen gibt es leider passende Alltagssituationen: Mal ist die erste sinnvoll, mal die zweite.

    Nach dem reinen Wortlaut ist die erste Variante korrekte Interpretation: Die Voraussetzung ist erfüllt (fahren auf Radverkehrsführung), also tritt die Folge ein (abweichend von Satz 1 gelten die Fahrradampeln).
    Durch die Worte "davon abweichend" wird das noch unterstützt. Denn es wird nochmal deutlich gemacht, dass Satz 1 auf Radverkehrsführungen eben nicht gelten soll.

    Um Variante 2 zu retten, müsste man geschickt definieren, was eigentlich eine Radverkehrsführung ist. Ein Richter könnte durchaus zu dem Schluss kommen, dass eine Radverkehrsführung nur dann vorliegt, wenn es tatsächlich Fahrradampeln gibt. Das würde im Ergebnis auf Lesart 2 hinauslaufen, würde aber den Begriff "Radverkehrsführung" aber doch arg strapazieren. Denn plötzlich wäre ein benutzungspflichtiger Radweg keine Radverkehrsführung iSv §37 StVO mehr. Und noch schlimmer: Ein Radweg wäre an der einen Kreuzung eine Radverkehrsführung und an der nächsten eventuell nicht mehr. Und im Extremfall ist der einzige Unterschied zwischen den Kreuzungen die Streuscheibe in der Fußgängerampel. So eine Definition des Begriffs "Radverkehrsführung" wäre wohl nicht haltbar.

    In so einer Situation müssen sich Richter halt Gedanken machen, nach welchen objektiven Kriterien sie entscheiden. Es bleibt ihnen schlicht und einfach nichts anderes übrig. Denn entscheiden müssen sie immer.

  • Zumindest ein Teil der Furt (die Abbiegespur) grenzt an die Fussgängerfurt. Mal sehen ob der Schrägansicht-Link von Google Maps hier funktioniert (im normalen Streetview sind noch die alten Markierungen zu sehen):

    Die Abbiege-Furt führt aber nicht zum anderen Ende der Fahrbahn ist somit keine Furt im Sinne einer Furt. *korinthenkack* :P:evil: