• EC 172 also.

    Auf die Plätze, fertig, los. Ich war auf alles gefasst. Es ist 19 Uhr und im Berliner Tiefbahnhof ist deutlich weniger los als ich angesichts der baustellenbedingten Sperrung des Hochbahnhofes vermutet hatte. Um 19.15 Uhr fährt der EC 172 auf Gleis 8 ein. Ich befürchte schon schlimmes, da keine anderen Fahrgäste mit Fahrrad zu erkennen sind und meine Reservierungsnummer deutet darauf hin, dass zumindest vor mir nicht besonders viele Fahrradstellplätze gebucht worden sind. Außerdem gibt es heute keine beschilderten Sitzplatzreservierungen.

    Ein flüchtiger Blick ins Fenster von Wagen 255 offenbahrt: Drei Fahrräder. Drei Fußlinge auf drei Klappsitzen, diverse Gepäckstücke und… eine Dame mit einem elektrischen Rollstuhl, die nunmal zwangsweise die übrigen Halterungen blockiert. Kein Platz für mein Fahrrad.

    Prima. Ich sehe mich schon wieder im ibis am Kurfürstendamm, eine Nacht auf Kosten der Bundesbahn schlummern. Wie arschig wäre es denn bitte, sich mit einer Rollstuhlfahrerin um einen Stellplatz für mein Fahrrad zu streiten? Keine Frage: Rollstuhl vor Fahrrad. Allerdings, liebe Deutsche Bahn, warum gibt es in diesem Zug keine vernünftigen Plätze für Fahrgäste mit Rollstuhl? Dass ich eventuell mein reserviertes Fahrrad nicht mitnehmen kann, weil eine Rollstuhlfahrerin im Fahrradabteil mitfährt, ist für mich ärgerlich. Da wurde bei der Buchung ja wieder großartig kalkuliert. Dass die Dame wiederum darauf angewiesen ist, dass noch irgendwie Platz im Fahrradabteil ist und sie dort zwischen Fahrrädern und Koffern reisen darf… naja. Und den Streit, wenn eine Rollstuhlfahrerin in einem vollbeladenen Fahrrad-Abteil mitfahren möchte und plötzlich drei bis vier Fahrräder ausgeladen werden müssen, deren Besitzer dann sehen können, wie sie zum Ziel kommen… das kann man alles bestimmt besser organisieren.

    Es stellte sich dann allerdings heraus, dass die Dame in Berlin aussteigen wollte. Und damit nahm das Drama seinen Lauf.

    Sie tuckerte langsam rückwärts.

    Noch ein bisschen rückwärts.

    Noch ein bisschen.

    Dann stößt sie hinten gegen die rückwärtige Rampe.

    Die Rampe klappt sich auf. In einer Höhe von knapp anderthalb Metern.

    Der Rollstuhl kippt leicht nach hinten.

    Und anschließend spüre ich einen stechenden Schmerz im rechten Knie, weil ich mir irgendwie das Bein an dieser Rampe angeschlagen habe. Es stellt sich heraus, dass ich die drei Meter von meinem Fahrrad bis zur Rampe in wenigen Millisekunden zurückgelegt und den Rollstuhl samt der Dame wieder nach oben geschoben habe. Ich kann mich absolut nicht daran erinnern, ich weiß nur noch, dass plötzlich alle Umstehenden der Meinung waren, ich hätte der Dame gerade das Leben gerettet. So hochtrabend würde ich das nun nicht bezeichnen, schließlich wäre sie vermutlich rückwärts hinuntergekippt, außerdem war ja ihr Kopf von ihrer Nackenstütze geschützt, aber irgendwie… manchmal bin ich ein cooler Typ.

    Und nun ärgere ich mich, dass es davon keine Beweisfotos oder -videos gibt. Das war vermutlich die beste Tat, die ich bislang vollbracht habe, und dann glaubt es mir kein Mensch.

    Immerhin: Der Zugbegleiter räumt mir als Held des Tages jetzt das Fahrradabteil frei.

    Leider ging die Bauchpinselei dann nicht soweit, dass mir der Typ, der sich auf meinem reservierten Platz niedergelassen hätte, diesen freundlicherweise überlassen hätte. Keine Reservierungsanzeigen, keine Reservierung, tönte er. Whatever. Ich war nicht in der Stimmung, mit ihm zu streiten. Außerdem, wenn wir hier schon bei Karma und Hilfsbereitschaft sind: Geben mir nun 4,50 Euro das Recht, auf seinem Platz zu sitzen? Dafür muss er sich dann irgendwo in einer Nische verkriechen.

    Ich kann allerdings nicht leugnen, dass ich es schon ganz cool gefunden hätte, hätte mir der Zugbegleiter einen Platz vorne in der ersten Klasse verschafft. Immerhin habe ich ihm und seinen Kolleginnen ziemlich viel Ärger erspart und hocke jetzt gerade mit einem schmerzenden Knie auf dem Boden zwischen Koffern und Fahrrädern.

  • Noch knapp 18,5 Stunden bis zum EuroCity 172. Ich habe gerade mal die Online-Buchung überprüft und konnte kein Fahrrad-Ticket mehr kaufen — daraus schließe ich, dass das Fahrradabteil ausgebucht sein wird und hoffentlich nicht allzu viele Fußlinge dort sitzen werden.

    Ich glaub, Fahrradtickets im EC muss man mind. 24h vorher buchen.
    Sprich: nur, weil _jetzt_ kein Ticket mehr buchen konntest, kann es dennoch sein, dass 0 Fahrräder drin stehen werden. ;)

    Aber immerhin ging der Abend ja noch "glimpflich" aus für dich :)
    Vielleicht ein Wink des Schicksals, mehr mit der Bahn zu fahren? Statt Fahrrad? Umziehen in eine Gemeinde mit Straßenbahnverkehr? :D

  • Und sonst so im EC 172: Es gibt im Wagen 255 auf der anderen Seite eigentlich einen Platz für ein bis zwei Rollstühle. Dort standen allerdings Koffer — ob die schon dort standen, als die Dame in den Wagen gehoben werden sollte, weiß ich natürlich nicht…

    Außerdem hatten wir einen Betrunkenen an Bord, der im Türraum des letzten Wagens schlummerte. Das ging eine Weile gut, weil in Ludwigslust und Hamburg-Dammtor niemand ein- oder aussteigen wollte und der Zug ansonsten immer auf der anderen Seite hielt, aber in Altona purzelte er dann dem Zugbegleiter vor die Füße und wir stellten fest, dass der Typ in Berlin in den falschen Zug gestiegen ist und eigentlich nach Hannover wollte. Man verwies ihn dann auf einen weiteren InterCity Richtung Frankfurt, wo er dann irgendwo in eine andere Bummelbahn umsteigen sollte, aber da er einige Zeit später wieder von der DB Sicherheit auf dem Bahnsteig geweckt wurde, nehme ich an, er hat den Zug („Dann müssen Sie sich aber beeilen!“) nicht bekommen. Wir hatten ihn eigentlich mehrmals versucht zu wecken und zu fragen, bis wohin er denn fahren wollte, aber „bi… b… bis Hann…“ klang für uns halt wie „bis Hamburg“ und nicht „bis Hannover“, also ließen wir ihn weiter schlafen.

    Ah, und irgendein Typ hat dann noch versucht, irgendwo zwischen Berlin und Spandau die hintere Tür aufzureißen. Also die Tür hinter dem Fahrradabteil, hinter dem nichts mehr kommt außer dem Gleisbett. Der hat da zehn Sekunden lang herumgerissen, bis wir gemerkt haben, was er da tut und ihn mit zwei Mann davon abgehalten haben. Keine Ahnung, wie fest diese letzte Tür verschlossen ist, aber ich hatte an jenem Tag schon genug Aufregung. Wie verplant die Leute auch sind — dass man nicht gleich kapiert, dass dort kein weiterer Wagen kommt, wenn durch die beiden Fenster außer der schwarzen Nacht überhaupt nichts zu sehen ist, das kann ich ja noch verstehen, aber wenn dort die Lichter von Berlin und einige Straßenlaternen zu sehen sind, müsste man ja eigentlich stutzig werden.

    Ich glaub, Fahrradtickets im EC muss man mind. 24h vorher buchen.Sprich: nur, weil _jetzt_ kein Ticket mehr buchen konntest, kann es dennoch sein, dass 0 Fahrräder drin stehen werden. ;)


    Ah, okay, das wusste ich nicht. Wieder was gelernt :D

  • Mal die andere Seite der Bahn:

    Finde ich auch ganz interessant — und hoffentlich gehöre ich mit meinem Rad jedenfalls nicht zu den ganz renitenten Fahrgästen.

    [OT]Haben wir uns gestern zufälligerweise auch angesehen ;).
    7 Tage ist auf jeden Fall ein Format, für das ich "gerne" GEZ abdrücke[/OT]

  • Erstmal staunte ich ja nicht schlecht, als der RE 7 mit hübschen Doppelstockwagen am Bahnsteig stand. Das waren zwar noch immer nicht die eigentlich versprochenen megamodernen Doppelstockwagen, die ursprünglich seit zwei Wochen zwischen Hamburg und Flensburg fahren sollten, jetzt mit etwas Glück von Bombardier bis Mitte 2016 geliefert werden, aber immerhin ein großer Fortschritt zu dem alten Rumpel-Rollmaterial, was dort seit Jahren eingesetzt wurde und auch jetzt noch eingesetzt wird, damit die Regionalbahn irgendwie den Stundentakt halten kann. Vor dem Fahrplanwechsel fuhr der Schleswig-Holstein-Express nur alle zwei Stunden mit alten n-Wagen, die am Fahrkomfort nur noch von den Regionalbahnen zwischen Flensburg und Neumünster unterboten wurden.

    So stand ich also zwanzig Minuten vor der geplanten Abfahrt mit meinem Bike und meiner Tasche dort und es ließ sich absehen, dass es nicht so geil würde. Ich wollte ja eigentlich tatsächlich standesgemäß sowas wie Riding home for christmas machen, aber nachdem mein Gepäckträger dann doch nicht ans Crossrad passte, schmiss ich den Plan um und fuhr doch mit der Bahn.

    Mir wurde eigentlich erst in der nächsten halben Stunde bewusst, was das eigentlich für ein ambitioniertes Vorhaben am Tag vor Heiligabend war.

    Diese Doppelstockwagen haben den Vorteil, dass es immerhin ein Mehrzweckabteil gibt. Das ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den ollen n-Wagen, bei denen, naja, sagen wir mal vier Fahrräder hineinpassten — natürlich nur, wenn keine Fußlinge zugegen waren:

    Nun hat das Mehrzweckabteil bei der Regionalbahn Schleswig-Holstein aber den Nachteil, dass dort meistens Fahrgäste sitzen, die nur den Komfort der unbequemen Klappsitze zu schätzen wissen, weil man dort quer zur Fahrtrichtung sitzt. So toll ist es dort unten nicht, es ist laut und wackelig und in der Regel stinkt es nach Fäkalien, wenn mal wieder jemand die Tür zur Toilette nicht geschlossen hat. Ds mit dem Mehrzweckabteil wird sogar auf an den Zugängen angebrachten Schildern noch erklärt: Kinderwagen, Rollstühle, Fahrräder, Sperrgepäck. Im Metronom ist das besser gelöst: Dort gibt es ein Mehrweckabteil und ein Fahrradabteil. Und letzteres kann man auch nicht falsch verstehen, weil es dort keine Sitze, dafür aber erstklassige Fahrradhalterungen gibt.

    Nun ist mir ja klar, dass um Weihnachten herum die Züge voller sind und längst nicht nur Fahrgäste mit Kinderwagen und Rollstühlen dort sitzen. Allerdings war das Mehrzweckabteil schon zwanzig Minuten vor Abfahrt prall gefüllt mit vielen Fahrgästen und verhältnismäßig wenigen Koffern. Scheiße, dachte ich, und fragte relativ hoffnungslos die Zugbegleiterin, ob ich denn wohl im Türraum mitfahren dürfe oder auf den nächsten Zug warten müsse.

    „Moment“, sagte sie, „ich geh mal aufräumen.“

    Und dann passierte etwas, was ich in den letzten Jahren nun wirklich noch nicht erlebt hatte: Die Zugbegleiterin machte im Mehrzweckabteil eine sehr deutliche Ansprache, dass dieser Raum für Rollstühle, Kinderwagen, Fahrräder und Sperrgepäck vorgesehen wäre.

    Ihre Stimme klingelte mir zwar im Ohr, doch die Worte verhallten ungehört, weil die Fahrgäste kollektiv vorgaben, sie nicht gehört zu haben. Die Dame suchte daraufhin die direkte Konfrontation und zählte auf, wer alles gehen müsse: Der kleine Koffer da passt auch in jede Gepäckablage, die Reisetasche unter den Sitz, also raus hier — der Zug war zwar schon gut gefüllt, aber noch längst nicht voll, als dass man das Mehrzweckabteil hätte fluten müssen.

    Schließlich erhoben sich dann doch einige Fahrgäste und verließen unter Klosterstern-Protest das Abteil („Guck mal, wegen so einem Arschloch müssen wir jetzt aufstehen.“). Und ich weiß nicht, wie das jetzt tatsächlich abgelaufen ist, aber nach ein paar Minuten war das Abteil leer, von einem zweiten Radfahrer und einer vierköpfigen Reisegruppe mit riesigem Gepäck mal abgesehen.

    Ich bummelte also mein Fahrrad an die Seite, stellte die Tasche daneben, so dass ich drei der Klappsitze blockierte. Und ich war mir schon zu diesem Zeitpunkt nicht sicher, wie es nun weitergehen sollte, denn schließlich hatten die anderen Fahrgäste noch eine Viertelstunde Zeit, das Mehrzweckabteil erneut in Beschlag zu nehmen. Tatsächlich dauerte es nur fünf Minuten, bis wieder die üblichen Verdächtigen sämtliche Klappsitze okkupiert hatten.

    Der andere Radling machte es geschickt: Er schloss sein Fahrrad ab und machte sich aus dem Staub. Ich blieb leider bei meinem Bike, was den Nachteil hatte, das man mich anmaulen konnte. Und es dauerte nicht lange, bis mir ein Fahrgast in einem recht abenteuerlichen Ton offenbahrte, dass ich mich verziehen werde, damit seine Frau sitzen könnte. Das Problem an der Sache war, dass seine Frau schwanger war.

    Klare Sache: Schwangere Frauen bekommen einen Sitzplatz.

    Nun kann man natürlich darüber diskutieren, ob es unbedingt mein Sitzplatz sein müsste, der auf das Mehrzweckabteil eher ein Recht hat, oder ob vielleicht jemand mit kleinem Gepäck seinen Platz freigeben könnte, der auch woanders im Zug noch hätte Platz finden können. Aber der Typ stellte klar: Ich hatte ein Fahrrad dabei, also wäre ich derjenige, der seiner schwangeren Frau Platz macht.

    Ich kann die Logik ja schon ein bisschen nachvollziehen: Ein Fahrrad über Weihnachten mit nach Hause zu nehmen ist eher ein Privatvergnügen, während an Kinderwagen, Rollstühlen und Gepäck nunmal kein Weg vorbeiführt. Trotzdem hat diese Argumentation immer den faden Beigeschmack von Rosa Parks: Du hast die falsche Hautfarbe oder die falsche Nationalität, also machst du den Menschen mit der richtigen Hautfarbe und der richtigen Nationalität Platz.

    Ich rückte mein Rad etwas zur Seite, disponierte meine beiden Taschen um, die schwangere Frau keifte derweil blöd herum und der Typ machte nochmal deutlich, dass er während der nächsten anderthalb Stunden gerne den Blödmann im Abteil spielen wollte.

    Was im Gegensatz zu meinen anderen Bahnfahrten dieses Mal auch ganz witzig war: Normalerweise sammelt man ja immer Sympathien, wenn man gegen einen #ScheißRadfahrer stänkert, aber der Typ schaffte es, sich mit seinem Auftreten ziemlich unbeliebt zu machen. Ich weiß nicht mehr, welchen Weg seine Argumentation genommen hat, aber es endete damit, dass es doch eine Selbstverständlichkeit wäre, einer Frau einen Sitzplatz anzubieten, ganz unabhängig davon, ob sie schwanger ist oder nicht.

    Und weil die schwangere Frau, die mittlerweile neben mir saß, aus dem Keifen auch nicht mehr herauskam, wollte ich mein Fahrrad auf die andere Seite gegen das andere Bike lehnen, um diese blöde Radfahrer-Argumentationen endlich aus der Welt zu schaffen. Die fünfsekündige Gelegenheit nutzte aber der missmutige Typ, um sich meinen Sitzplatz zu schnappen.

    „Ganz schön unhöflich“, meinte ich daraufhin, „ich sehe hier mindestens sieben nicht-schwangere Frauen, die noch keinen Sitzplatz haben.“ Er hatte aber keine Lust, auf meine Provokation einzugehen und meinte ganz väterlich: „Komm, lass gut sein, ja?“

    Das ist bestimmt einer dieser Kraftfahrer, die auch immer alles besser wissen, obwohl sie keine Ahnung haben. Und auch wenn mein Vorhaben, in der Weihnachtszeit mein Rad mit in die Bahn zu schleppen, sicherlich recht ambitioniert war: Mit einer schwangeren Frau in einem überfüllten Zug zu steigen finde ich auch ganz mutig. Wären die beiden fünf Minuten später gekommen, wären sie schon im Türraum stecken geblieben, da hätte denen kein noch so lautes Gekeife einen Sitzplatz verschafft.

    Nun gut. Nachdem sich die beiden recht unbeliebt gemacht hatten, wurden noch ein paar Unfreundlichkeiten mit den übrigen Fahrgästen ausgetauscht. Ich fand mich derweil damit ab, diese Fahrt wohl im Stehen zu verbringen — hätte ich mir ja eigentlich denken können.

    Nun fuhr die Bahn allerdings nicht ab, weil immer noch Fahrgäste zwischen den Türen klemmten. Bei zwei oder drei Türen mag man das ja noch in den Griff bekommen, aber laut dem Bericht aus dem Türraum schauten aus mindestens fünf oder sechs Türen noch Koffer oder Körperteile hervor. Wir verließen den Bahnhof dann mit einer Verspätung von zwanzig Minuten.

    Ich unterhielt mich derweil bestens mit den anderen Fahrgästen. Es stellte sich heraus, dass insgesamt sechs der redseligen Fahrgäste regelmäßig mit dem Rad ins Bureau fahren, einer sogar mit einem Liegerad, und sogar eine gewisse Abneigung gegen Radwege zu spüren war. Die fanden sich sogar in den Verkehrsregeln gut zurecht. Wir naschten einige Fahrradkekse, die ich mit meiner Freundin gebacken hatte, und quatschten über dies und jenes, während das Abteil bei jedem Halt noch voller wurde. Das ist bei der Verpixelung natürlich kaum zu erkennen, aber da stehen bestimmt zwanzig Fahrgäste herum:

    Aber das bemerkenswerte war definitiv, dass ich trotz Fahrrad nicht das totale Arschloch war.

    Liegt aber bestimmt nur an der Weihnachtszeit.

  • Tja — EC 173 gestern und EC 172 heute liefen ohne Probleme. Als ich heute in Berlin zustieg, stand zwar noch viel Gepäck zwischen den Fahrradständern herum, das aber bis zur Abfahrt noch entfernt wurde. Das einzig lästige waren eigentlich noch zwei Kampffahrgäste im Aufzug im Bahnhof Altona, die sich noch zu mir und meinem Bike in den kleinen Aufzug quetschen mussten und dann ganz erstaunt zur Kenntnis nahmen, dass man sich an einer Fahrradkette die Hosenbeine besudeln kann.

  • Mit der Nord-Ostsee-Bahn von Altona nach Westerland und zurück bin ich über den Jahreswechsel ganz entspannt gereist: Einfach das Fahrrad an die Halterung bummeln, mit einem Stahlseil von unbefugter Nutzung sichern und dann zehn Meter davon entfernt hinsetzen.

    Total gut: Keiner mault mich an, keiner will die Bundespolizei rufen und dass obwohl auf der Hinfahrt die Wagen echt knallevoll waren, weil kaum jemand den Weg in die hinteren Wagen gefunden hat.

  • Ich bin gestern mit dem Regionalexpress von Kiel nach Hamburg gefahren und es war wieder ein Erlebnis sondergleichen.

    Das Problem an der Sache war, dass ich meinen Anhänger dabei hatte. Das bedeutete, dass ich schon am Bahnhof Dammtor aussteigen musste, weil man dort im Gegensatz zum Hauptbahnhof kurz den Anhänger unten an der Treppe stehenlassen kann, um das Fahrrad runterzuschleppen, bevor ein Langfinger oder das Bombemräumkommando anrückt. Das wäre mir beim vollkommen überfüllten Hauptbahnhof zu riskant.

    Wenn man also am Bahnhof Dammtor aussteigen möchte, dann muss man halt ein bisschen mit dem Gepäck jonglieren — und beispielsweise aufpassen, dass das eigene Rad nicht unter den anderen begraben wird.

    Egal: Los ging’s erstmal in Kiel. Dort rollt ein schöner Zug mit Doppelstock-Wagen ein, allerdings als Regionalbahn von Neumünster, die anschließend abgestellt wird. Die Fahrt des RE 70 übernimmt daher eine alte Rumpelbahn vom Schleswig-Holstein-Express. Der hatte früher, als man in Schleswig-Holstein noch nicht so doll für das Radfahren war, ein Fahrradabteil direkt im Steuerwagen, das etwa vier Fahrräder unbeschadet transportieren konnte. Oder zwei Fahrräder und einen Kinderwagen. Oder ein Fahrrad und elf Fahrgäste, während der elfte Fahrgast steht und das Fahrrad in der Mitte des Wagens festhält. Dann hat man offenbar noch ein paar Sitze rausgeworfen und ein zweites Fahrradabteil im Steuerwagen eingerichtet, das ungefähr doppelt so groß ist, aber immer noch winzig im Vergleich zum Metronom.

    Und vor allem hat der Metronom ein Fahrradabteil und ein Mehrzweckabteil. In der Regionalbahn Schleswig-Holstein handelt es sich eigentlich gar nicht um ein Fahrradabteil, sondern um ein Mehrzweckabteil. Und mit den Mehrzweckabteilen ist es wie mit der Fahrbahn: Radlinge werden nur geduldet. Wenn nachts um zwölf nach der Kieler Woche die Fahrgäste gerne auf den Klappsitzen hocken wollen oder noch ein Kinderwagen zusteigt oder noch jemand großes Gepäck dabei hat, dann wird man offenbar auch noch in Wrist oder Brokstedt mit dem Fahrrad aus dem Zug gebeten.

    Genug Frust abgelassen.

    Meine Freundin warnt mich schon, dass die Fahrt bestimmt wieder anstrengend würde und ich solle mich bitte nicht aufregen.

    Kunststück.

    Ich steige erstmal in Kiel in die Rumpelbahn in das kleine Mehrzweckabteil, noch schneller als ich waren aber zwei Fahrgäste ohne Gepäck oder Fahrrad. Der eine sitzt breitbeinig auf dem mittleren der fünf Klappsitze, der andere gegenüber in der Ecke. Bei dem breitbenigen Typen braucht man gar nicht erst fragen, ob er sich womöglich in die Ecke oder gar in einen anderen Wagen setzen könnte, denn der macht mit seiner Ausstrahlung gleich klar, dass er auf Stress aus ist. Also quetschen sich irgendwie sechs Fahrräder in das enge Abteil, während der Typ in der Ecke bemängelt, dass Fahrräder im Fahrradabteil stünden und der breitbeinige Macker breitbeinig sitzt.

    Meine Freundin und ich scheuchen noch ein paar weitere Fahrräder in das zweite Abteil, das aber auch schon voll ist: Zwei Rentnerinnen mit Rollatoren, zwei weitere Fahrgäste mit großem Gepäpck und ein Radling auf der einen Seite, auf der anderen Seite ein Fußling nach dem anderen, natürlich immer mit einem freien Klappsitz Sicherheitsabstand. Die übrigen Fahrräder werden darum im Türraum transportiert.

    Gut, es könnte schlimmer sein. Der Zug setzt sich in Bewegung. Der eine Typ in meinem Abteil beginnt sich ein Bier nach dem anderen in den Hals zu stecken.

    Immerhin: Mein Fahrrad steht momentan so, dass es niemand kaputt macht und dass ich im Bahnhof Dammtor einigermaßen bequem aussteigen kann.

    Dann kommt Neumünster. Ich habe nicht genau nachgezählt, aber ich hatte den Eindruck, dass in Neumünster ungefähr ein Dutzend Radlinge auf dem Bahnsteig standen. Ein paar quetschen sich offenbar in den übrigen Wagen in die Türräume, denn beide Mehrzweckabteile sind nunmal voll.

    Theoretisch hätte es gepasst, wenn alle Fahrgäste, die problemlos auch woanders sitzen könnten, auch woanders gesessen hätten, aber… naja. Ich bitte um einen kurzen Moment Zeit, um Fahrrad und Anhänger ein bisschen weiter zur Seite zu räumen, der breitbeinige Typ regt sich auf, dass noch mehr Radfahrer reinkommen, meine Bitte um noch mehr Zeit verhallt aber ungehört, denn ohne Rücksicht auf jegliches Material wird ein Fahrrad nach dem nächsten ins Fahrradabteil geknallt.

    Eigentlich ist „geknallt“ der falsche Begriff, „geworfen“ trifft es eher.

    Schäden an meinem Fahrrad: Ein Lackschaden vom Bremsgriff eines Fahrrades, abgerissenes Lenkerband vom Pedal (!) eines anderen Fahrrades, zwei weitere Lackschäden vom Pedal jenes Fahrrades. Leicht angerissene Packtasche beim Monoporter und diverse Kratzer in der Beschichtung des Anhängers. Letzteres nehme ich noch einigermaßne locker, den habe ich schließlich gebraucht angeschafft, aber die Lackschäden am Fahrrad sind wieder so unnötig.

    Ich tue kund, dass mir das nicht so ganz gefällt, weil ich auch gerne im Bahnhof Dammtor aussteigen möchte, aber meine Kritik kommt (zum Glück?) nicht an, stattdessen bekomme ich einen Fahrradlenker ins Gesicht, weil jemand ein dickes Tourenrad über die anderen Räder hebt und dabei beinahe noch den breitbeinigen Typen aus der Reserve lockt, der immer noch ein Viertel des Platzes im Fahrradabteil einnimmt, weil sein Gemächt so viel Raum braucht.

    Boah.

    Nun war ich echt angepisst. Mittlerweile sind zwölf Fahrräder im Abteil, es scheppert und klappert und es nimmt echt niemand Rücksicht auf das Eigentum anderer Leute. Klar, Gebrauchsgegenstand und so, aber manchmal ist nicht nur der Lack ab, sondern auch noch das Schaltwerk oder die Bremse oder der Scheinwerfer. Und es ist so affig: Beim Auto wird jeder winzige Lackschaden reguliert, beim Fahrrad zählt das als Verschleiß. Total geil.

    Die restliche Fahrt verbringe ich stehend, damit nicht noch jemand auf die Idee kommt, noch mehr kaputtzumachen. Dann will in Elmshorn noch jemand einsteigen, ich versuche an der Tür zu helfen, während jemand anders meinen Anhänger aus dem Weg räumt und noch mal überall gegen haut. Scheiß drauf.

    Dann nähern wir uns dem Bahnhof Dammtor. Unruhe macht sich breit, Räder werden herumgeräumt (und überall gegengehauen), denn einige Radlinge haben gemerkt, dass sie total eingeparkt worden sind. Wieder klirrt und scheppert es gewaltig, bis sich alle so aufgestellt haben, dass das Ausladen der Räder möglichst lange dauert. Es wird gemault, warum wir denn nicht alle am Hauptbahnhof ausstiegen, aber ich mache mir erst gar nicht mehr die Mühe, das irgendjemandem zu erklären.

    Immerhin: Fahrrad und Anhänger sind noch fahrtüchtig. Und nächstes Mal fahre ich entweder die 80 Kilometer nach Hamburg mit dem Rad zurück oder nehme eine der früheren Bahnen am nächsten Morgen. Da gibt’s zwar viele Pendler, aber kaum Fahrräder.

    Ein Glück, dass ich das Angebot, mit einigen anderen Fahrgästen auf so einem Schleswig-Holstein-Ticket mitzufahren, ausgeschlagen habe. Die hätten dann entweder zusätzlich das Fahrradabteil blockiert oder ich hätte mein Fahrrad ständig allein lassen müssen.

    Schade, dass man für das so genannte Urlaubs- und Fahrradland Schleswig-Holstein nicht mal ordentliche Fahrradabteile bestellt hat, sowas wie im Metronom zum Beispiel. Die schicken grünen Doppelstockwagen haben zwar Steckdosen und Klapptische, aber nur dieses übliche Mehrzweckabteil unten drin.

    Edit: Noch mal die schlimmsten Rechtschreibfehler korrigiert.

  • Malte, bastel doch mal eine Fahrrad-hier-nicht-mitnehmen-Karte :)

    So eine Art ... Openstreetmap mit den wichtigen Regionalbahnverbindungen von/nach Hamburg.

    Da kann man dann Eintragen:
    Metronom nach Uelzen, Sonntag früh: super, Sonntag Vormittag: ok
    RE nach Lübeck: Sonntag früh: nicht mitfahren, Sonntag Vormittag: nicht mitfahren, Sonntag Mittag: nicht mitfahren, usw.

    :)
    Ich muss mir jetzt nämlich merken: Regionalbahn nach/von Kiel = dumme Idee. Dann lieber EC ab Niebüll nehmen mit dem Rad.

  • Flensburg-HH, Samstag 19:15 - alles super. Platz ohne Ende. Gleiches in der AKN. Unsere 4 Räder gingen problemlos rein und wurden bewundert, nicht beworfen:D
    Aber da ich demnächst noch mal nach Flensburg mit dem Zug muss: Je später, desto besser nehme ich an?


  • Aber da ich demnächst noch mal nach Flensburg mit dem Zug muss: Je später, desto besser nehme ich an?

    Kommt drauf an — sonnige Wochenenden sind immer problematisch. Von Montag bis Freitag hat man hingegen nach meiner Erfahrung eher weniger Probleme, außer es sind halt Großveranstaltungen wie Hafengeburtstag oder Kieler Woche angesagt.

    An den Wochenenden ist es frühmorgens, mittags und spätabends ebenfalls unproblematisch.

  • Was ich beim obigen Bericht vergessen hatte, waren die drei Radfahrer, die mehrmals zum Rauchen ins Fahrradabteil gelaufen kamen und der breitbeinige Typ, der ewig telefonierte und sich dabei auch über diese vielen Fahrräder im Fahrradabteil erregte.

    Nur so der Vollständigkeit halber.

    Ich habe gerade mal überlegt: Mit der Bahn brauche ich von Tür zu Tür etwa zwei Stunden und mit BahnCard 25 kostet es mich knapp 21 Euro. Mit dem Rad bin ich doppelt so lange unterwegs, zahle den Verschleiß für 80 Kilometer und etwa zwei Liter Wasser und Verpflegung für drei Euro. Mit dem Fahrrad wird es günstiger, dauert aber doppelt so lange, frustriert hingegen vermutlich nicht so sehr wie die Bahn-Fahrt, die für mich ja im Endeffekt auch verlorene Zeit ist, in der ich weder arbeiten noch ein Buch lesen kann.

    Ich glaube, ich fahre beim nächsten Mal ernsthaft mit dem Rad wieder zurück.