„Vorschläge zur Novellierung des Rechtsrahmens zur Erhöhung der Sicherheit und Attraktivität des Fußverkehrs“

  • Ich bin gerade über diesen Bericht der Ad-hoc-AG Fußverkehrspolitik der Verkehrsministerkonferenz gestolpert: Vorschläge zur Novellierung des Rechtsrahmens zur Erhöhung der Sicherheit und Attraktivität des Fußverkehrs

    Sehe ich es richtig, dass das in den letzten neun Monaten an uns vorbeigegangen ist?

    Da stehen ja ganz viele tolle Vorschläge drin, etwa die grundsätzliche Ausrichtung der Verkehrsregeln am schwächsten Verkehrsteilnehmer, Erleichterungen zur Anordnung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen und so weiter.

    Interessant finde ich unter anderem:

    Punkt 5: Flexibilisierung der R-FGÜ

    Künftig dürfen Fußgängerüberwege quasi überall angeordnet werden, auch in Tempo-30-Zonen und auch zur Verdeutlichung bereits bestehender Vorrangverhältnisse. Bei Fußgängerüberwegen über Radwegen und Radschnellwegen tut’s dann auch eine Sparversion ohne Schild und Beleuchtung.

    Punkt 6: Parken als Sichthindernis an Kreuzungen, Einmündungen und Querungshilfen

    Bei Tempo 50 soll das Parken bis zu 20 Meter entfernt von den Schnittpunkten der Kreuzungsfahrbahnen unzulässig sein. Donnerwetter, da bin ich ja mal gespannt, ob dieser Vorschlag Gehör finden wird.

    7. Vorrangregelungen für den Fußverkehr gegenüber ein- und abbiegenden Fahrzeugen

    Großer Kracher mit viel Konfliktpotenzial, weil die Regelungen zum Vorrang zwischen Fußgängern und Fahrverkehr ohnehin kaum jemand ordentlich darstellen kann. Fußgänger sollen künftig beim Queren einer untergeordneten Fahrbahn „Vorgang“ vor dem Fahrverkehr haben — diese Regelung wird ja heutzutage häufig schon praktiziert. Der Vorrang gilt auch rund um die Kreisfahrbahn eines Kreisverkehres, Fußgänger haben dort also sowohl gegenüber einfahrenden als auch gegenüber ausfahrenden Kraftfahrzeugen Vorrang. Das wird sich ja super mit den vielen Zeichen 205 vertragen, die es insbesondere außerorts für Radfahrer im Bereich von Kreisverkehren gibt:

    Die Formulierung ist allerdings auch wieder maximal kompliziert:

    Zitat

    Beim Abbiegen aus untergeordneten Straßen haben auch zu Fuß Gehende Vorrang, die die untergeordnete Straße queren. Dies gilt auch bei der Einfahrt in Kreisverkehre und bei der Regelung Rechts-vor-Links.

    Das heißt, wenn der Fahrverkehr geradeaus von einer untergeordneten Straße über eine übergeordnete Straße in die nächste untergeordnete Straße fährt, dann hat der Fußling keinen Vorrang, weil Geradeausfahren nunmal kein Abbiegen ist? Ich gucke mir dann also ausführlich die Fahrtrichtungsanzeiger von Kraftfahrzeugen oder Radfahrern an, um zu ermessen, ob ich als Fußgänger jetzt Vorrang habe oder nicht? Puh.

    10. Gehwegparken – Zulassung

    Für die ganz blöden Verkehrsteilnehmer wird noch mal darauf hingewiesen, dass das Parken auf Gehwegen grundsätzlich nicht erlaubt ist.

    16. Begegnungszone

    Finde ich schwierig. Das ist also eine Art Verkehrsberuhigter Bereich, nur ohne Schrittgeschwindigkeit, sondern mit 20 km/h als Tempolimit. Der Fahrverkehr muss auf Fußgänger Rücksicht nehmen, aber Fußgänger auch auf den Fahrverkehr. Ein Vortrittsrecht des Fußverkehrs, das ja grundsätzlicher Bestandteil des heutigen Verkehrsberuhigten Bereiches ist, soll es nicht mehr geben.

  • Ich finde es wichtig, dem Fußverkehr deutlich mehr Beachtung zu schenken! Bisweilen wird er noch einmal sehr viel "stiefmütterlicher" behandelt als der Radverkehr. Hier ein Beispiel aus Hameln:

    Ort: Osterwall/Mühlenstraße

    Der Fahrradverkehr wird oberirdisch über Radverkehrswege und Ampelfurten geleitet.

    In orange die Querung Osterwall, in grün die Querung Mühlenstraße.

    Immerhin ich wurde nicht angehupt und auch nicht weggeklingelt, als ich zu Fuß die Fahrradampeln benutzte. Streng nach Ausschilderung hätte ich den Fußgängertunnel nehmen müssen. Das finde ich so "unterirdisch", dass ich davon keine Bilder zeige.

  • "VwV I. 2. zu den §§ 39 bis 43 StVO wird wie folgt geändert:

    Die Leichtigkeit aller Verkehrsarten ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu

    erhalten. Die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmenden geht der Flüssigkeit des

    Fahrverkehrs vor. Dabei ist die besondere Schutzbedürftigkeit der nichtmotorisierten

    Verkehrsteilnehmenden und der Menschen mit Behinderung besonders zu

    berücksichtigen. Der Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel sowie des

    nichtmotorisierten Verkehrs ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen."

    Wie aus dem Zitat aus dem von Malte verlinkten Papier hervorgeht, ist die vorgestellte Verkehrssituation nicht mehr länger tragbar, wenn die Vorschriften entsprechend den Vorschlägen der Verkehrsminister geändert werden.

    https://www.verkehrsministerkonferenz.de/VMK/DE/termine…icationFile&v=2 Seite 5

    Zumal die Tunnelrampen eine Steigung aufweisen, die viel zu steil ist, als dass sie den Anforderungen der Barrierefreiheit genügten. Vor allem aber: Es kann nicht sein, dass weiterhin an einer Fußgängerinfrastruktur festgehalten wird, die dazu geschaffen wurde, den Autoverkehr immer stärker zu beschleunigen, und gleichzeitig den Fußverkehr immer umwegiger machte.

  • Die HAZ vom

    10. Gehwegparken – Zulassung

    Für die ganz blöden Verkehrsteilnehmer wird noch mal darauf hingewiesen, dass das Parken auf Gehwegen grundsätzlich nicht erlaubt ist.

    Die Frage des "Gehwegparkens" hat ein erhebliches politisches Potenzial. wie dieser Vorgang beweist:

    Die Grünen im Stadtbezirk Nord hatten 2019 im Stadtbezirksrat eine Anfrage an die Verwaltung gestellt:

    "In der Straße Schneiderberg zwischen Cailinstraße und Appelstraße wird auf der westlichen

    Seite der Gehweg zum halbseitigen Parken durch PKW's genutzt. Der Querschnitt des Gehweges wird hierdurch sehr eingeengt. Ein halbhohes Gehwegparken ist hier nicht angeordnet.

    Hierzu fragen wir die Verwaltung:

    1. Ist das halbhohe Gehwegparken in diesem Abschnitt der Straße erlaubt?

    2. Ist der Querschnitt der Straße für ein Parken auf der Fahrbahn ausreichend?

    3. Falls der Querschnitt der Straße ausreichend ist, wie soll in Zukunft verhindert, dass ein halbhohes Gehwegparken durch PKW's erfolgt?"

    SIM - DS 15-0855/2019
    Gehwegparken Schneiderberg
    e-government.hannover-stadt.de

    Die Antwort der Verwaltung war erfreulich deutlich den Belangen des Fußverkehrs entsprechend ausgefallen:

    "In der Straße Schneiderberg ist das halbhohe Gehwegparken im Bereich zwischen der Callinstraße und der Appelstraße weder durch Beschilderung, noch baulich oder durch entsprechende Markierungen angeordnet. Folglich darf in diesem Bereich nicht auf dem Gehweg geparkt werden.

    Antwort zu Frage 2:

    Die Gesamtfahrbahnbreite beträgt in diesem Abschnitt der Tempo 30-Zone etwa 8,50 m. Nach Abzug eines erforderlichen Maßes von 4 m für beidseitiges Fahrbahnrandparken, verbleibt eine Restfahrbahnbreite von etwa 4,50 m.

    Diese ist ausreichend, um eine Durchfahrt von Einsatzfahrzeugen zu gewährleisten.

    Bei auftretendem Begegnungsverkehr müssten dann ggf. die Ausweichmöglichkeiten im Bereich des absoluten Haltverbotes (Feuerwehrzufahrt) vor dem Grundstück Schneiderberg 39, in Parklücken sowie an der Einmündung Glünderstraße genutzt werden. Die vorgenannte Situation dient der Verkehrsberuhigung und ist in Tempo 30-Zonen durchaus üblich.

    Antwort zu Frage 3:

    Die Überwachung des ruhenden Verkehrs obliegt dem städtischen Verkehrsaußendienst. Um in Zukunft das ordnungswidrige halbhohe Gehwegparken in der Straße Schneiderberg zu verhindern, wird der Verkehrsaußendienst um entsprechende Überwachung der Einhaltung der Parkordnung gebeten."

    SIM - DS 15-0855/2019 F1
    Antwort der Verwaltung auf die Anfrage Gehwegparken Schneiderberg Sitzung des Stadtbezirksrates Nord am 01.04.2019 TOP 8.1.1.
    e-government.hannover-stadt.de

    In einem HAZ-Artikel kommt die SPD zu Wort: "SPD-Fraktionschef Robert Nicholls wusste zu berichten, dass der Verkehrsaußendienst der Stadt bereits Tickets verteilt. „Dabei ist der Fußweg nahezu drei Meter breit, es bleibt also genügend Platz. Das Parken teils auf dem Gehsteig hilft, Unfälle auf der Fahrbahn zu vermeiden“, argumentiert Nicholls. In den vergangenen Jahren sei es von der Stadt toleriert worden. Der SPD-Fraktionschef plädierte dafür, eher mit Geschwindigkeitskontrollen zu reagieren, falls tatsächlich zu schnell gefahren wird."

    Diese Aussage des SPD-Politikers wird als Zitat wiedergegeben: „Ich sehe es auch kritisch, wenn Radfahrer als bremsendes Element dienen sollen.“

    Quelle: https://www.haz.de/Hannover/Aus-d…erberg-verboten

    Es gibt in der SPD leider ein sehr weit verbreitetes Denken in den Kategorien des "Autowahns". Und auch wenn es hin und wieder gelingt in Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten erfreuliche Verbesserungen für den nicht-motorisierten Verkehr und den ÖPNV durchzusetzen, die von der SPD werden immer wieder rückfällig in ihrer Autosucht. Da müssen wir noch hart dran arbeiten.

    googlemaps-Link: https://www.google.com/maps/@52.38765…m/data=!3m1!1e3

    Einmal editiert, zuletzt von Ullie (27. Dezember 2021 um 06:19) aus folgendem Grund: Zitat vervollständigt

  • 7. Vorrangregelungen für den Fußverkehr gegenüber ein- und abbiegenden Fahrzeugen

    Finde ich sinnvoll, das endlich zu reformieren.

    Passiert mir zum Beispiel dauernd*:

    Ich möchte an einer Rechts-vor-Links-Kreuzung nach links in eine Seitenstraße abbiegen. Auf dem Gehweg kommt mir ein Fußgänger entgegen, der die Seitenstraße überqueren möchte. Gleichzeitig möchte ein Autofahrer aus der Seitenstraße ausfahren.

    Der Fußgänger muss dem Autofahrer Vorrang gewähren, der Autofahrer muss mir wegen RvL Vorrang gewähren, ich muss dem Fußgänger wegen § 9 Vorrang gewähren. Schachmatt.

    *) Natürlich nur, wenn ich Auto fahre, mit dem Rad ist das irgendwie immer lösbar.

  • *) Natürlich nur, wenn ich Auto fahre, mit dem Rad ist das irgendwie immer lösbar.

    Wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, dann ist es oft so, dass Fußgänger selbst am Zebrastreifen mich durchwinken. Ich halte in der Regel trotzdem an, und sage den Fußgängern: Wenn ich jetzt durchfahren würde, dann wäre das ein völlig falsches Signal an den Autoverkehr. Der fühlt sich dann nämlich auch ermuntert durchzufahren. Und das kann zu noch gefährlicheren Unfällen führen, als wenn jemand auf dem Fahrrad den Fußgängern den Vorrang nicht gewährt.

  • Entdeckt beim Stöbern auf Googlemaps-streetview:

    Eine Tempo 15 Zone im Bereich einer Schule innerhalb einer Tempo 30 Zone.

    Ort: 33 Galileïplantsoen in Amsterdam, Nordholland

    Google Maps
    Mit Google Maps lokale Anbieter suchen, Karten anzeigen und Routenpläne abrufen.
    www.google.com

    Könnte ja auch Vorbild für Deutschland sein!

  • ...der Fußgänger muss dem Autofahrer Vorrang gewähren

    Ist das wirklich so? Ich dachte mein ganzes Autofahrerleben lang, dass kreuzende Fußgänger bei meinem Abbiegen Vorrang haben? Das praktiziere ich auch mit dem Fahrrad immer noch so. Hätte ich da in Wirklichkeit Vorrang und Fußgänger müssten eigentlich warten?

    Da hatte ich wohl vor ca. 35 Jahren einen "sehr seltsamen" Fahrlehrer... :)

  • Ist das wirklich so? Ich dachte mein ganzes Autofahrerleben lang, dass kreuzende Fußgänger bei meinem Abbiegen Vorrang haben? Das praktiziere ich auch mit dem Fahrrad immer noch so. Hätte ich da in Wirklichkeit Vorrang und Fußgänger müssten eigentlich warten?

    Da hatte ich wohl vor ca. 35 Jahren einen "sehr seltsamen" Fahrlehrer... :)

    In KAcycs Fall ging es um einen Fußgänger der den Weg des Autofahrers kreuzt, genauer: der Fußgänger kommt relativ zur Quelle des Autoverkehrs von links oder rechts, dann sind die Vorfahrtsregeln dieser Kreuzung irrelevant, weil der Fußgänger nicht fährt, sondern die Straße nachrangig nach § 25 quert.

    Das ist was anderes wie beim Abbiegen, wo der Fußgänger relativ zur Quelle des Autoverkehrs von vorne oder hinten kommt und dabei Vorrang hat.

    In der Praxis sieht das ganze oft anders aus, wenn der Fußgänger entlang einer Vorfahrtstraße läuft, da geben die eh warten müssenden Autofahrer oft (unfreiwillig) "Vorfahrt" und viele Fußgänger scheinen das für selbstverständlich zu halten ...

    Das ganze ist auch der Grund, warum viele Kreisel Zebras haben, weil die Rechtslage sich bei Fußgängern und Radlern bei Einfahrenden unterscheidet. Bei Ausfahrenden gilt für beide § 9.

    Die Idee, das zu ändern und auch für RvL-Kreuzungen, gab es seitens glaub eines Ausschusses schon anlässlich einer zurückliegenden Novelle, sollte bei einer StVO-Novellen-Diskussion im Verkehrsportal zu finden sein.

    Die EU macht sich ja bei eingein EU-Gegnern deswegen unbeliebt, weil sie alles vereinheitlichen will.

    Leider spart sie dabei die Verkehrsregeln aus ...

    Als Minimum sollte es eigentlich mal eine verbindliche Übersetzung aller Verkehsregeln der EU-Länder (und EFTA wie Schweiz) in alle EU-Sprachen geben, damit man überhaupt erkennen kann, wo sich wie welche Regeln unterscheiden. Gerade bei Rad- und Fußverkehr scheint es schwerwiegende Differenzen zu geben, bspw. gab es Länder mit Zebras ohne Fußgängervorrang, was sich glaub im Laufe der Jahre geändert hat, aber wirklich in allen??? In so einer EU-Verkehrsregelübersicht täte ich dann gerne nachlesen, ob der Vorrang von Fuß/Rad vor Abbiegern überall gilt oder nicht und dito die besagte §-25-Regel. Man ist ja im Urlaub etc. doch mal in dem einen oder anderen Land zu Fuß unterwegs und sollte das zum Behufe des einfacheren Überlebens wissen ...