Sodele, in Jena ist der Umbau der Tatzendpromenade / Berthold-Koch-Platz abgeschlossen, die letzten Markierungen wurden/werden gerade aufgebracht.
Tatzendpromenade klingt nach "ui", ist letztendlich aber nur eine normale Innerortsstraße.
Merkmale:
- Ernst-Abbe-Fachhochschule
- Buslinien (Innenstadt - FH - Beutenberg - Winzerla - Burgaupark)
- Grundschule "Südschule"
- Anfahrt zu Schott als Arbeitgeber
- Nord-Süd-Verlauf hangparallel
von oben sieht der Abschnitt so aus: GoogleMaps
Besonderheit: diese zentrale "Y-Kreuzung" des Berthold-Koch-Platzes hat man jetzt zu einem vollständigen Kreisverkehr umgebaut.
Heisst aber auch: während früher der Verkehr "gerade" auf der Tatzendpromende in Nord-Süd-Richtung durchfuhr, muss jetzt insbesondere in der Süd-Nord-Relation ein großer Schlenker durch den Kreisverkehr gefahren werden. Damit rückt der Verkehr näher an die Wohnbebauung heran. Der Kreisverkehr "hängt" nach Osten zur Talseite. Das bedeutet, in der Süd-Nord-Relation fährt man in den Kreisverkehr ein und gleichzeitig bergab, nach dem ersten Ast (Otto-Schott-Straße) geht es wieder bergauf. Die Nord-Süd-Relation wird ohne zusätzliche Höhenmeter durch den Kreisverkehr geführt.
Was macht die Stadt Jena für den Radverkehr in diesem Abschnitt? Es handelt sich immerhin um eine aktuelle Planung. Es gibt einen Radverkehrsbeirat, eine Radverkehrsbeauftragte, der ADFC hat eine Ortsgruppe.
Nunja...
Anfahrt von Süden (GoogleMaps)
Bis zu dieser Stelle wird der Radverkehr auf der Fahrbahn geführt. Keine Radwege, keine Freigaben. Eine stetige Radverkehrsführung wird man aus südlicher Richtung bis zu dieser Kreuzung auch niemals hinbekommen, weil dafür das Brückenbauwerk neu errichtet werden müsste. Aber auch wenn das irgendwann ansteht und durchgeführt wird, bleiben keine 100m weiter südlich Abschnitte, bei denen mir die Radwege-Apologeten gerne mal Vorschläge unterbreiten können, wie sie dort Radwege herstellen wollen.
Wir stellen also fest: die Stadt möchte wenigstens im neu gebauten Abschnitt dem Radverkehr eine Führung anbieten. Ein Schutzstreifen neben einer Busbucht. Die Busbucht selbst ist gesondert signalisiert. Die Kreuzungsgeometrie ist prinzipiell auch so gestaltet, dass beim Ausfahren des Busses wartende Rad Fahrende nicht umgenietet werden sollten. Sollten.
Jetzt kann man noch die Situationen durchspielen:
a) Verkehr wartet an Ampel und Rad Fahrender fährt nach vorn durch
b) Verkehr fließt, weil Ampel grün
wie die Überholabstände bei b) ausfallen, können wir uns denken. Gut, kann man als Radfahrender mit LaneControl beeinflussen. Wenn man will.
Situation a), bei der der Radverkehr mit dem MIV nebenan/hintendran losfährt, wird auf und nach der Kreuzung spannend:
los gehts:
-
na? man sieht's schon, oder?
herrlich!
Ein Schutzstreifen neben durchgezogener Markierung für den Richtungsfahrstreifen.
Ich hab mir den Spaß erlaubt, mal (Ostersonntag! sehr, seeeeeeeeehr wenig los) zu warten, bis KFZ-Verkehr kam und das so abzupassen, dass ich auf dem Schutzstreifen fuhr.
Obgleich mir zwar der Außenspiegel nicht an den Ellenbogen gerammt wurde: es waren keine 70cm Platz. Der KFZ-Führer nutzte halbherzig den Abbiegestreifen der Gegenrichtung. War ja alles frei. Im Realbetrieb an einem Nachmittag wird das anders aussehen.
Und ich kann NULL nachvollziehen, wieso man so eine Markierungsgrütze macht!
Ja, in den Regelwerken ist von Restfahrbahnbreite die Rede. Nur: die Restfahrbahnbreite ist ja legal überhaupt nicht nutzbar. Auch bei fehlendem Gegenverkehr. Das ist so widersinnig!
Aber wird ja noch besser. In obigem Bild erkennt man bereits, dass der Schutzstreifen in Fahrtrichtung endet.
ah, ja. klar.
Absenkung, Aufleitung: Gehweg, Radfahrer frei
Hurra! baulich wurde hier übrigens das absolute Mindestmaß gewählt: 100cm
Man hat sich da richtig viel Mühe gegeben: keine spitzwinklige Aufleitung, kein Führen über die 5m entfernte Zufahrt. Nee, baulich hergestellt.
Wie super das funktionieren wird, wenn der Rad Fahrende aber einfach auf der Fahrbahn bleibt, weil er nicht mit Schrittgeschwindigkeit aufm Gehweg fahren will: ich kanns mir vorstellen. Und werde das mal testen.
Hier - leider nur aus Fahrbahnperspektive - der denkbar bekloppteste Aufstellort für Recyclingcontainer:
Genau an der Stelle, wo der Telko-Verteilerkasten den Gehweg noch weiter einengt, stellt man die Teile auf. Aber der Radverkehr wird sich schon arrangieren, nicht wahr?
So, Kreisverkehr:
ja, unspektakulär. nebenan, zur Erinnerung: Gehweg, Radfahrer frei.
Einstieg in die Gefällestrecke:
Ja, genau: Gehweg, Radfahrer frei in Gefällestrecke. Vor eine Apotheke. Kann man machen, wenn man will. Jena will
Jetzt wird es aber interessanter:
Das ist der östliche Arm des Kreisverkehrs, Otto-Schott-Straße.
Wohlgemerkt: ich fahre hier auf dem Gehweg mir Freigabe Radverkehr. auf der anderen Seite winkt: Gehweg mit Freigabe Radverkehr.
Hui! Radverkehr und Kreisverkehr? War da nicht was? Ach, VwV-StVO zu Z.215
Der Fahrradverkehr ist entweder wie der Kraftfahrzeugverkehr auf der Kreisfahrbahn zu führen oder auf einem baulich angelegten Radweg (Zeichen 237, 240, 241). Ist dieser baulich angelegte Radweg eng an der Kreisfahrbahn geführt (Absatzmaß max. 4-5 m), so sind in den Zufahrten die Zeichen 215 (Kreisverkehr) und 205 (Vorfahrt gewähren) vor der Radfahrerfurt anzuordnen. Ist der baulich angelegte Radweg von der Kreisfahrbahn abgesetzt oder liegt der Kreisverkehr außerhalb bebauter Gebiete, ist für den Radverkehr Zeichen 205 anzuordnen.
Quizfrage: ist "Gehweg, Radfahrer frei" eine Führung?
Ich erinnere an das Foto weiter oben mit dem Schutzstreifen nach der Kreuzung: Dort wird der Radverkehr auf den Gehweg ge-führt
Auch sonst sind bei Gehweg, Radfahrer frei nach VwV-StVO Furtmarkierungen anzulegen, wie z.B. hier gefordert.
ZitatIm Fall von Radverkehrsanlagen im Zuge von Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) sind Radwegefurten stets zu markieren. Sie dürfen nicht markiert werden an Kreuzungen und Einmündungen mit Vorfahrtregelung „Rechts vor Links", an erheblich (mehr als ca. 5 m) abgesetzten Radwegen im Zuge von Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) sowie dort nicht, wo dem Radverkehr durch ein verkleinertes Zeichen 205 eine Wartepflicht auferlegt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn im Zuge einer Vorfahrtstraße ein Gehweg zur Benutzung durch den Radverkehr freigegeben ist.
Problem ist allerdings die Sonderstellung des Kreisverkehrs, der - wenn ich mich recht entsinne - keine Vorfahrtstraße im juristischen Sinne ist.
Das führt dann aber zu der irren Situation, dass ich in dieser Situation Vorrang genieße:
Weil: Verkehr auf Kreisfahrbahn biegt ab, Radverkehr "geradeaus" hat Vorrang.
Aber da kann man dann direkt drauf warten, bis man an "den Richtigen" gerät, der qua Selbstjustizerlaubnis mal "Radfahrer müssen am Zebrastreifen absteigen!!!" durchsetzt.
An der Mittelinsel hab ich aber dann bei einfahrendem Verkehr Wartepflicht.
Da wirds dann auch schnuckelig mit der Aufstellfläche auf der Mittelinsel...
Fährt man dann weiter den Kreisverkehr entlang (also links aus dem Bild heraus), dann wird man hinter einem weiteren FGÜ auf die Fahrbahn geschickt:
(Foto noch während Ausführungsarbeiten)
Da steht jetzt auch ein dickes blaues:
Schön: die Wartepflicht nach §10 StVO.
hätte man besser lösen können. Wollte man offensichtlich nicht.
Der im Bildhintergrund verlaufende Gehweg der Gegenrichtung ist übrigens auch: Gehweg, Radfahrer frei.
Zu dem gelangt man von Norden, also von hier:
Standort, Blickrichtung Süden. Im Hintergrund ist dann der Kreisverkehr
Freigabe...
Freigabe...
übrigens hier rechts im Bild ist die Schule. Darum hat man auch auf weiter Strecke hier die Absperrgitter installiert. sogar die Zufahrt: Gittertor.
Wo ich mich dann auch frage, wie das bei der Nutzung abläuft. wo hält man da an, wenn man das Tor öffnen (Zufahrt) oder hinter sich schließen (Ausfahrt) möchte?
Nunja.. weiter:
Ja, schön breiter Gehweg. Aber klar, muss man sich mit Radfahrern "teilen". Kann man nur hoffen, dass an der Zufahrt zum Discounter stets der Vorrang gewährt wird.
letzte noch fehlende Markierung:
Dreistrich... da kommt am Ende unter Garantie noch ein "Gehweg, Radfahrer frei" hin.
Warum ich mir so sicher bin?
deswegen:
Auch hier die bauliche Ausführung der Ableitung des Radverkehrs auf die Fahrbahn.
Ausschnitt:
Da geht mir das Herz auf.
Diese Ausführung der Anschlusssteine wird in Jena offensichtlich seit einigen Jahren verbaut und man ist da garantiert auch super stolz drauf. Für Infrastruktur, auf der Radverkehr ablaufen soll, find ich die aber maximal beschissen.
Und auch hier: §10, hurra!
Gleich in Verbindung mit dem Schutzstreifen neben nutzbarer Fahrstreifenbreite von 4m. Womit dann klar ist, was passiert.
Hier mal ohne Rad Fahrenden.
Aber das ist so krass!
In meinen Augen muss man zwingend als Rad Fahrender anhalten und darf nur dann auf die Fahrbahn einfahren, wenn die Lücke im Fahrbahnverkehr so groß ist, dass dieser sozusagen "nicht bremsen" muss. Denn wenn ich z.B. bei grüner Ampel 10m vor einem Auto auf den Schutzstreifen auffahre, darf ich ja nicht überholt werden. KFZ-Führende Person müsste also hinter mir bleiben, stark abbremsen...
Zur Erinnerung: es fahren Buslinien dort.
Das lässt mich alles relativ fassungslos zurück.
Man hat sich hier entschieden, die für den Radverkehr dämlichste Lösung zur Ausführung zu bringen. Und vermutlich in der Absicht, etwas "gutes" zu machen.
Pustekuchen.
Auf den Gehwegen wird deutlich schneller als Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Auf der Fahrbahn wird die soziale Benutzungspflicht durchgesetzt werden. Zumindest dann, wenn etwas mehr Verkehr dort unterwegs ist.
Und ich befürchte schon Schlimmes, wenn der Umbau der Kreuzung Wiesenstraße/Brückenstraße zu einem Kreisverkehr ansteht. wohlgemerkt mit zulaufender/ablaufender linksseitigen Gehwegfreigabe, die eigentlich eine B-Pflicht sein und werden sollte.