Auf die eindeutige Klarstellung habe ich ja schon hingewiesen.
Aber auch die StVO ist relativ eindeutig, wenn man es erkennen will:
Der zweite Satzteil "Er darf nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren" kann ein eigenständiger Satz sein. Wäre es anders gedacht und hätte das "Wenn nötig" auch für diesen gelten sollen, wäre er nicht mit Semikolon noch mal extra abgetrennt worden, sondern stattdessen mit dem ersten Teil verbunden worden:
"Wenn nötig, muss der Fahrverkehr warten und darf nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren."
So steht es aber nicht dort ...
Jetzt komme ich als Linguist und Nichtjurist und sage:
"Wenn nötig, muss der Fahrverkehr warten und darf nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren."
wäre nicht sinnhaltig, weil man nicht gleichzeitig warten und mit Schrittgeschwindigkeit fahren kann.
Vergleiche: "Wenn die Fußgängerampel Rot zeigt, müssen zu Fuß Gehende warten und die Straße mit hochgehaltener Hand überqueren".
Was der Verordnungsgeber vermutlich ausdrücken wollte, ist:
- Fußgänger sind die Kings and Queens of the Trottoir. Auf dem Fahrrad muss man ihren absoluten Vorrang beachten, also: Vorbeifahrt nur, wenn möglich und dann mit Schrittgeschwindigkeit. Wenn Vorbeifahrt nicht möglich, dann anhalten und hoffen, dass sie gnädig sind und irgendwann das Fahrrad mit Mensch drauf/daneben vorbeilassen.
Ich schreibe das mal so locker, weil ich immer wieder (auch als eiliger Fußgänger in ÖPNV-Stationen) andere Fußgänger erlebe, die es allein oder zu zweit schaffen, auf einem 4 bis 7 Meter breiten Streifen (Unterführung, Durchgang, Treppe) die "Räume so dichtzumachen", wie es sich der HSV von seinen Verteidigern erhofft hätte - anstatt an der Seite zu gehen und von vornherein Platz zu machen.
Der Trassenvergleich von Yeti ist doch sehr schön: Wenn niemand wollte, dass auf der öffentlichen Straße bei freier Piste der Kfz-Verkehr Schrittgeschwindigkeit einhält, sondern lediglich § 3 Absatz 1 StVO beachten muss, dann kann auch niemand, der bei Verstand ist, gewollt haben, dass auf der Nebentrasse in Finkenwerder oder den vielen Bundesstraßen-Nebentrassen, die zwischen Leitplanke und Acker mit beschildert sind, bei freier Trasse auf dem Rad nur in Schrittgeschwindigkeit getorkelt wird.
Anders ist es natürlich, wenn die mit beschilderte Trasse ein innerstädtisches Trottoir ist, alle 10 Meter ein Hauseingang, dazu Bäume, Hunde, Mülltonnen, Außengastronomie und sonstwas.
Wenn man aber anerkennen muss, dass eine Trasse in freier Natur sich zu einem innerstädtischen Trottoir ungefähr so verhält wie eine Autobahn zu einer Tempo-30-Zone, dann muss man auch anerkennen, dass dieses "Wenn nötig, ..." sich auch auf die gefahrene Geschwindigkeit bezieht.