Woche 52 vom 24.12. - 31.12.2017

  • Am 1. Weihnachtsfeiertag ist in Zweibrücken mal wieder ein (älterer) Autofahrer durchgedreht und hat vorsätzlich zwei Teenager angefahren, die vor ihm auf einen Gehweg geflüchtet waren:

    Zitat

    (...) Zuvor befuhren die beiden Jungen die Fruchtmarktstraße und führten dabei einige “Wheelies” durch; d.h., sie fuhren einige Meter lediglich auf ihrem Hinterrad und das Vorderrad wurde dabei nach oben gerissen und dort gehalten. Dieses Stunts, die die Jungen durchführten, erregten anscheinend einen Autofahrer dermaßen, dass er hupend hinter den Kindern hinterher fuhr. Dabei fuhr der 61-jährige Zweibrücker so dicht auf, dass die Jungen Angst bekamen, umgefahren zu werden. Deshalb stiegen sie an der Ampelkreuzung zur Kaiserstraße von ihren Rädern ab, gingen auf den Gehweg in die Kaiserstraße in Richtung Nardini-Klinikum und schoben dort ihre Fahrräder auf dem Bürgersteig. Doch nach dem Abbiegen fuhr der Autofahrer absichtlich einen Schlenker in Richtung Bürgersteig, fuhr auf diesen auf und stieß mit seinem Fahrzeug gegen beide Räder der Kinder. Ein Junge wurde durch diese Tat an der Wade verletzt. Während die Kinder zu Fuß vor dem Angreifer flüchteten stieg dieser aus und rief den Jungen eine Schimpfkanonade hinterher.

    https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/117677/4151964

  • Was aber nicht heißt, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt sei. So spart sich der Staat lediglich die horrenden Kosten für die U-Haft und für Rechtsmittel gegen die U-Haft.

    Man muss gute Gründe haben, jemanden in U-Haft zu nehmen: https://de.wikipedia.org/wiki/Untersuchungshaft_(Deutschland)

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Die Angaben sind falsch.

    1994 hatte das Netz 44.600 km Betriebslänge.

    Ende 2017 waren es 33.488 km.

    Das ist ein Abbau von 11.112 km - 24,9 Prozent.

    Als die Grünen an die Regierung kamen - 1998 - hatte das Netz 38.100 km. Als sie wieder gingen - 2005 - waren es 34.200 km. Macht 3.900 km Minus in sieben Jahren.

    Und stillgelegt hat nicht die DB. Formell dafür zuständig waren andere. Nämlich Bundes- und Landespolitiker.

    (Und, liebe SZ, es gibt einen Unterschied zwischen »Personenverkehr einstellen« und »Strecke stilllegen« bzw. »entwidmen«.)

  • Was aber nicht heißt, dass das Verfahren gegen ihn eingestellt sei. So spart sich der Staat lediglich die horrenden Kosten für die U-Haft und für Rechtsmittel gegen die U-Haft.

    Man muss gute Gründe haben, jemanden in U-Haft zu nehmen: https://de.wikipedia.org/wiki/Untersuchungshaft_(Deutschland)

    Gute Gründe: Mitlatschen auf dem Weg zum Protest gegen neoliberale Weltpolitik in Hamburg

    Kein Grund: Verabreden zu und Teilnehmen an einer Einschüchterungs- und Gewaltaktion gegen Anwohner eines »linken« Stadtteils

    http://www.spiegel.de/panorama/justi…-a-1243857.html

  • Gute Gründe: Mitlatschen auf dem Weg zum Protest gegen neoliberale Weltpolitik in Hamburg

    Kein Grund: Verabreden zu und Teilnehmen an einer Einschüchterungs- und Gewaltaktion gegen Anwohner eines »linken« Stadtteils

    Hat mit dem Thema nichts zu tun. Oder unterstellst du der Justiz, hier systematisch und nicht nur in Einzelfällen zu versagen?

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Hat mit dem Thema nichts zu tun. Oder unterstellst du der Justiz, hier systematisch und nicht nur in Einzelfällen zu versagen?

    Über die Schlagseite der deutschen Justiz auch nach Kaisers Zeiten kann man meterweise Literatur finden. Um eine Quelle zu nennen, die seit 50 Jahren konsultiert werden kann:

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45302788.html

    »Beide Fälle sind Beispiele aus der Dokumentation "Politische Justiz 1918 -- 1933", die der Bremer Rechtsanwalt Heinrich Hannover, 41, und seine Ehefrau Elisabeth Hannover-Drück, 38, als "ersten Versuch eines Gesamtüberblicks" über die politische Gerichtsbarkeit der Weimarer Republik zusammengestellt haben**.

    Die Autoren -- er begehrter Verteidiger in Prozessen gegen westdeutsche Kommunisten, sie Historikerin -- haben alle greifbaren Quellen durchforstet, von Zeitungsberichten über Reichstagsprotokolle bis hin zum politisch engagierten Aufsatz eines Mathematikprofessors von 1921.

    Ergebnis: Allein in den ersten beiden Jahren der Republik, von 1918 bis 1920, verhängten deutsche Richter

    * gegen Angeklagte von der politischen Linken wegen 13 Morden acht Todesurteile, 176 Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe;

    * gegen Angeklagte von der politischen Rechten wegen 314 Morden kein Todesurteil, sondern lediglich einmal lebenslängliche Festungshaft sowie insgesamt nur 31 Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe. Mit dieser Gegenüberstellung lieferten Heinrich und Elisabeth Hannover den statistischen Beweis für eine Behauptung, die Professor Otto Kirchheimer von der "New School for Social Research" in New York bereits vor Jahren in seiner Grundsatzabhandlung "Politische Justiz" über die Weimarer Rechtspflege aufgestellt hatte: "Die meisten Richter betätigten sich mit ziemlicher Konsequenz als wohlwollende Schirmherren der sog. 'vaterländischen Kräfte'."

    Die Gerichte, so urteilt Kirchheimer, "nahmen ... Straftaten von rechts, die sich gegen den neuen Staat richteten", einfach nicht "zur Kenntnis". Und: "Wurden die Täter in flagranti erwischt, so ließen die Gerichte sie laufen oder mit lächerlich geringen Strafen davonkommen; sie bewilligten ihnen Pensionen; sie verwischten die Spuren der Mörder von rechts; sie wuschen sie rein."

    Weshalb aber Deutschlands Richter die Linke terrorisierten und Recht mit rechts verwechselten, das ist bislang nur unzureichend untersucht worden. Der Gießener Rechtsprofessor Friedrich Karl Kübler ist überzeugt, daß die Gründe für diese Rechts-Lage vor allem in der Veränderung zu finden sind, die das soziale Bewußtsein der deutschen Richterschaft im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfahren hat; eine Wandlung, die man nach Kübler "überspitzt als die Metamorphose liberaler Honoratioren zu Reserveoffizieren bezeichnen könnte".«

    Dass NS-Richter auch nach 1945 weitermachen durften - und teilweise denjenigen Leuten, die sie vorher ins KZ geschickt hatten, nach 1945 die Entschädigung als NS-Opfer verweigerten, dürfte auch bekannt sein.

    Der wichtigste Kommentator zum Grundgesetz war jemand, der das NS-Regime juristisch rechtfertigte. Wiki schreibt dazu:

    »1935 erfolgte Maunz’ Berufung zum außerordentlichen Professor an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Als Professor in Freiburg (bis 1945) beschäftigte er sich hauptsächlich mit der rechtlichen Stellung der Polizei im NS-Staat. Man zählt ihn, wie etwa auch Carl Schmitt, Ernst Rudolf Huber, Karl Larenz, Otto Koellreutter, Herbert Krüger und Ernst Forsthoff, zu den akademischen Juristen, die durch ihre Arbeiten dem NS-Regime juristische Legitimität zu verschaffen bestrebt waren.«

    Das Thema »NSU« hat Peter Viehrig oben schon angesprochen.

    Aus den vielen anderen Bereichen, die man anführen könnte, greife ich mal heraus:

    a) Was passiert, wenn Hunderte oder Tausende von Faschisten sich auf einer Wiese versammeln, Hakenkreuze, Hitlergruß und SS-Runen zeigen und zur Gewalt gegen anders Aussehende aufrufen?

    b) Was passiert, wenn bei einer angemeldeten Demo rot-gelb-grüne Fähnchen hochgehalten werden?

    Üblicherweise:

    a) nix. Wenn hinterher Medien und Antifaschisten protestieren, erklären Polizei und Justiz, man habe leider, leider niemanden vor Ort festgestellt und müsse erst aufwendig ermitteln;

    b) Helm auf, Knüppel raus und rein in die Kurdendemo

  • Das ganze hat nichts damit zu tun, dass jemand mit dem Auto in eine Menschengruppe gefahren ist und derzeit auf freiem Fuß ist. Ich halte es für denkbar, dass es ein Unfall war. Ich halte es auch für denkbar, dass es versuchter Mord oder Totschlag war. Ich sehe aber die Voraussetzungen für U-haft nicht gegeben. Hoffentlich werden die Hintergründe des Ereignisses aufgeklärt und der Autofahrer dann entsprechend zur Verantwortung gezogen.

    Zur Wall of Text:

    Dass es grundsätzlich möglich ist, dass ein ganzes Rechtssystem nicht nach unseren Vorstellungen arbeitet, ist eine Binsenweisheit. Dass Nazi-Funktionäre nach '45 ihre Jobs behalten haben und ihr "Wirken" fortgesetzt haben, ist natürlich bekannt. Das allein sagt aber wenig über die aktuellen Zustände aus.

    Ich finde es absolut in Ordnung, wenn Mitläufer aus einem zündelnden Mob (Elbchaussee zu G20) verurteilt werden. Wäre ich dort dabei gewesen, hätte ich drei Möglichkeiten gesehen: a) Feierabend, sofort von der Versammlung entfernen. b) Die Täter festnehmen und der Polizei übergeben. c) Beweismaterial über die Täter sammeln und das der Polizei übergeben. Wer einfach weiter mitläuft, unterstützt die Täter und schädigt das eigentliche Anliegen (z. B. Kapitalismuskritik) enorm. Ich wünsche mir gewaltfreie Versammlungen und einen freundlichen Umgangston zwischen Versammlungsteilnehmern und Polizei. Dass es auch gut laufen kann, sieht man z. B. an der Critical Mass in Hamburg (und kommt mir jetzt nicht mit alten Kamellen von vor zig Jahren!).

    Wenn man sich den internationalen Vergleich anschaut, ist das was ihr treibt, Jammern auf hohem Niveau. Gibt es z. B. Statistiken, wieviel % der Demos (gruppiert nach Thema) durch die Polizei aufgelöst werden?

    Dass bei rechten verfassungsfeindlichen/verbotenen Symbolen nicht sofort eingegriffen wird, ist für mich inakzeptabel.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Da werfe ich den Fall Kachelmann ein.

    Was waren da die Haftgründe? Die Vorverurteilung von Richterin A. Schwarzer?

    Üblicherweise werden selbst Vergewaltiger bis zum Prozess auf freinen Fuß gesetzt, wenn weder Fluchtgefahr besteht noch Verdunkelungsgefahr.

    bye
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