Ein ähnliches Denkmuster gibt's doch bei Elterntaxis, wo ich inzwischen mit einem zynischen "Straßen töten, Autos schützen" kommentiere. Und die Autoindustrie hat ebenfalls längst erkannt, dass Angst eine sehr gute Werbung ist – denn die (vermeintlich) gefährlichen Autos wird man ja nicht los, also kauft man sich selbst eines. Ebenso gilt es, Alternativen wie eben E-Scooter oder Pedelecs als "Todesfallen" darzustellen. Ebenso wie die ganze "Du musst viel mehr als das vorgeschriebene machen, sonst hast du gar keine Chance zu überleben!"-Panikmache. Leider sind auch die Verbände wie ADFC oder VCD sehr fleißig dabei, diese Angst noch zu befeuern – und ohne sich dem bewusst zu sein, sagen sie eigentlich "werft das Fahrrad weg, in Deutschland ist man nur im Auto sicher!". Auch der Grabenkrieg, ob nun Radwege gut oder schlecht für die Sicherheit sind, dürfte vor allem dazu führen, dass sich viele überall unsicher fühlen. Und wenn man dann Leute hat, die außerorts auf der Fahrbahn fahren, um am Ortsschild auf den Gehweg zu wechseln, haben diejenigen offenbar auch die Argumente dahinter rein gar nicht verstanden…
Interessant ist hier der internationale Vergleich: Das eine Extrem sind die USA, wo ich inzwischen den Eindruck habe, dass Straßen und Autos sogar bewusst für andere gefährlich gemacht werden – denn ein toter Radfahrer/Fußgänger/Kleinwagenfahrer bringt 10 andere dazu, sich einen noch größeren SUV zu kaufen. Anders kann ich mir zumindest nicht erklären, mit welchem Eifer Straßen verteidigt werden, deren Unfallbilanz deutsche Verhältnisse 1970 als sicher erscheinen lässt…
Das andere Extrem wiederum sind die Niederlande: Klar gilt die Infrastruktur vielen als die beste der Welt, aber so fehlerfrei, wie es gerne dargestellt und offenbar auch in der dortigen Öffentlichkeit wahrgenommen wird, ist es dann doch bei weitem nicht. Trotzdem gilt es als allgemeiner Konsens "Radfahren in NL ist überall sicher und wer einen Helm trägt ist doofer deutscher Tourist". Und Verbesserungen bewirbt man nicht mit "eine gefährliche Stelle wird entschärft", sondern "eine sichere Stelle wird jetzt noch sicherer". Irgendwie haben es die Niederländer geschafft, ihre Infrastruktur einerseits in der Öffentlichkeit als gut darzustellen, andererseits aber das Interesse an weiteren Verbesserungen aufrecht zu erhalten.
Ich glaube, diese Zweiteilung muss man auch in Deutschland irgendwie hinbekommen: Einerseits den Leuten klar machen, dass Radfahren sicher ist – und zwar egal ob auf dem Radweg oder der Fahrbahn. Und andererseits die Verkehrsbehörden mehr mit Argumenten wie "Sicherheitsgefühl", "Komfort des Radverkehrs" (beides um diesen eben auch ohne das Argument "Angst" zu fördern!) und ja, auch die gegenseitige Behinderung von Auto- und Radverkehrsflüssen beackert. Für die Verbände muss die Lesart heißen "solange dein Rad den Vorschriften und du dich an die Verkehrsregeln hältst entspricht, bist du sicher. PUNKT. Helme können in Einzelfällen (z.B. Rennrad, Geländefahrten mit dem MTB) das Risiko reduzieren, sind aber kein Wundermittel gegen rücksichtsloses oder leichtsinniges Fahrverhalten." Und Events wie eine "Kiddical Mass" dürfen nicht an die Verkehrsbehörden als "macht unsere Todesfallen endlich sicher" gehen (denn dann sind sie nichts als Werbung für Elterntaxis), sondern müssen an die Eltern gehen "guckt mal, wir alle fahren schon mit dem Rad, macht ihr es endlich auch!".