#20JahreFahrradnovelle

  • Wir feiern dieses Jahr ja nicht nur #200JahreFahrrad (genaugenommen #200JahreLaufrad) sondern heute vor 20 Jahren (also am 1. September 1997) trat die "Radfahrnovelle" in Kraft.
    Seit dem dürfen:

    • Einbahnstraßen in Gegenrichtung für den Radverkehr freigegeben werden
    • Busspuren für den Radverkehr freigegeben werden
    • Fahrradstraßen angelegt werden
    • Schutzstreifen angelegt werden
    • Kinder auf dem Gehweg fahren: zumindest bis zum vollendeten 10. Lebensjahr (knapp 20 Jahre später dürfen sie dann sogar von Erwachsenen begleitet werden)
    • Radfahrer unbeschilderte Radwege rechts liegen lassen (Wegfall der impliziten Benutzungspflicht).

    Punkt 6 ist nach nun 20 Jahren leider bei vielen Verkehrsteilnehmern ("Sie müssen den Radweg [ohne Blauschild] benutzen, das habe ich so vor 40 Jahren gelernt. Mein Mann ist Anwalt und mein Nachbar Polizist, die sagen das auch.") immer noch nicht angekommen, daher plädiere ich für regelmäßige Überprüfung der StVO-Kenntnisse, z.b. alle 3-5 Jahre für Berufsverkehrsteilnehmer (LKW-Führer, Fahrradkuriere, Briefträger,...) und alle 5-10 Jahre für alle anderen Verkehrsteilnehmer.

    Schade finde ich auch, dass auch der ADFC den 20. Jahrestag vergessen zu haben scheint.

  • Ich ergänze diesen rundum gelungenen Beitrag von @Verkehr(t) um die Forderung, dass Mitarbeiter der Straßenverkehrsbehörden in den Bestimmungen der StVO zu unterweisen sind und ihre Fachkenntnis in mindestens 5-jährigen Abständen nachzuweisen haben.

    Persönlich würde ich es außerdem begrüßen, wenn die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift zur StVO (VwV-StVO) seitens der Kommunen einklagbar würde, insbesondere hinsichtlich der Anordnung von Radwegbenutzungspflichten und der Durchführung regelmäßiger Verkehrsschauen...


    Leider kann ich nicht (wie ursprünglich geplant) pünktlich zum Jubiläum der Radfahrernovelle meinen persönlichen Blog Nuernberg-steigt-ab.de launchen.

    Twitter: @Nbg_steigt_ab

  • Ich feier das heute! Einige Kraftfahrer feiern das auch und geben Schallzeichen, um mir zu gratulieren.
    [Radwegbenutzungspflicht aufgehoben]

    Mir hat keiner gratuliert, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe und hier

    selbstverständlich auf die Fahrbahn gewechselt bin, denn ich wollte ja geradeaus und nicht dem Verlauf des Blauschildes nach halbrechts folgen.

  • Punkt 6 ist nach nun 20 Jahren leider bei vielen Verkehrsteilnehmern [...] immer noch nicht angekommen, daher plädiere ich für regelmäßige Überprüfung der StVO-Kenntnisse

    Wer die StVO kennt und die Regeln schätzt, der muss sich auch der Tatsache bewusst sein, dass Maßregelungsnötigungen streng verboten sind. Wer maßregelt, der zeigt damit, dass ihm andererseits die Regeln eh am Allerwertesten vorbei gehen. Der will einfach nur pöbeln.

    Will sagen 1: die Ursache für das vermeintliche "Nicht Ankommen" der neuen Regelung ist nicht Unkenntnis, sondern bewusste Ignoranz (volkstümlich: Bockigkeit; vornehmer: Passiver Widerstand gegen eine ungeliebte Vorschrift). Will sagen 2: dagegen helfen auch keine Aufklärung oder Kenntnis-Nachweise.

  • Wer die StVO kennt und die Regeln schätzt, der muss sich auch der Tatsache bewusst sein, dass Maßregelungsnötigungen streng verboten sind. Wer maßregelt, der zeigt damit, dass ihm andererseits die Regeln eh am Allerwertesten vorbei gehen. Der will einfach nur pöbeln.
    Will sagen 1: die Ursache für das vermeintliche "Nicht Ankommen" der neuen Regelung ist nicht Unkenntnis, sondern bewusste Ignoranz (volkstümlich: Bockigkeit; vornehmer: Passiver Widerstand gegen eine ungeliebte Vorschrift). Will sagen 2: dagegen helfen auch keine Aufklärung oder Kenntnis-Nachweise.

    Ich halte bei vielen (vor allem älteren) Verkehrsteilnehmern ihre Unkenntnis (bezüglich der Radwegbenutzungspflichtänderungen von 1997) durchaus für glaubwürdig. Das Problem hier ist jedoch, dass man als Radfahrer - der aus der Sicht des Autofahrers mutmaßlich illegal auf der Fahrbahn fährt - die Glaubwürdigkeit fehlt.
    Bei anderen Dingen (Hupen innerorts, Geschwindigkeitsübertretungen, Falschparken) ist das natürlich etwas anderes, da sind die gesetzlichen Regeln bekannt, man beruft sich hier auch eher auf "macht doch jeder so".

  • Jein, ich sehe das anders, Verkehr(t). Kann schon sein, dass sie es anders als richtig einschätzen. Dennoch ist Hupe/Beschimpfen aus dem Seitenfenster o.Ä. eben eine Unart, die meiner Ansicht nach abgeschafft gehört.

    Nur weil sie sich im Recht fühlen, macht die Situation nicht besser.

    Nur: Ich beklage den selben Umstand, wenn ein Radfahrer einen anderen Radfahrer anmault weil er auf dem Gehweg fährt oder Geisterradelt. Weil meiner Ansicht nach die Folge "Ich sehe etwas, was falsch ist (oder ich für falsch halte)" - "Ich spreche den Verursacher an (egal wie freundlich)" die selbe Reihenfolge ist.

    Und ich muss dann jedesmal aushalten, dass mir (berechtigter Weise) vorgeworfen wird, das Risiko von "mit dem SUV abdrängen" und "vom Fahrrad aus schimpfen" wäre unterschiedlich. Bin einverstanden, halte aber das selbsttätige Erziehen trotzdem für falsch.

    Wenn sich andere falsch verhalten, muss das der Verkehrsteilnehmer aushalten.

  • Ich halte bei vielen (vor allem älteren) Verkehrsteilnehmern ihre Unkenntnis (bezüglich der Radwegbenutzungspflichtänderungen von 1997) durchaus für glaubwürdig. Das Problem hier ist jedoch, dass man als Radfahrer - der aus der Sicht des Autofahrers mutmaßlich illegal auf der Fahrbahn fährt - die Glaubwürdigkeit fehlt.

    § 2-StVO-(Un-)Kenntnis hin oder her: das Nötigen von anderen Verkehrsteilnehmern ist *immer* eine Straftat. Auch dann, wenn die anderen Verkehrsteilnehmer ggf. wirklich was falsch gemacht haben sollten. Wer sich bei Autofahrern, die Fahrbahnradler bewusst drangsalieren, nur daran reibt, dass die Radwegebenutzungspflicht an der betreffenden Stelle ausnahmsweise mal gar nicht angeordnet wurde, der besagt damit eigentlich nur, dass das Nötigen von Fahrbahnradlern zumindest dann vollkommen legitim wäre, wenn die Beschilderung vorhanden ist.

    Mit dieser Sichtweise stehst Du allerdings absolut nicht alleine da. Diese perfide Billigung von Taten, die als fahrlässiges Ver-/Übersehen beschönigt werden, aber zu einem überwältigend großen Anteil "bedingter Vorsatz" (vulgo: Absicht) sind, ist letztlich das Fundament der nach wie vor herrschenden Radverkehrspolitik. Das schließt auch den "Radentscheid" und ähnliche nur scheinbar radfreundliche Projekte ein, deren moralischer Tenor letztendlich auch nur das mainstreamige "es ist vollkommen in Ordnung, wenn Autofahrer gegenüber Fahrbahnradlern die Sau rauslassen" ist.

    Die Benutzungspflicht ist und bleibt gleichzeitig Ursache und Konsequenz ihrer selbst.

    Quintessenz: wenn die Aufhebung der Allgemeinen Benutzungspflicht was geändert hätte, wäre sie schon längst zurückgenommen worden.

  • Dennoch ist Hupe/Beschimpfen aus dem Seitenfenster o.Ä. eben eine Unart, die meiner Ansicht nach abgeschafft gehört.

    Der Ton macht die Musik. Mit Verkehrsteilnehmern, die diese Botschaft anständig rüberbringen und auch der Antwort wenigstens zuhören, kann ich sehr gut leben.
    Alle paar Jahre treffe ich auch tatsächlich mal so einen :)


  • Schade finde ich auch, dass auch der ADFC den 20. Jahrestag vergessen zu haben scheint.

    Stimmt, jetzt wo Du das sagst, ich habe nicht einen Müllmann mit Trauerflor gesehen.

    Der erste Priorität hat für den ADFC der Rad(vonderfahrbahn)wegbau. Deswegen habe sich sich für ihre Unterstützung bei der Änderung des §45(9) gefeiert, durch die Benutzungspflichten geringere Hürden zu nehmen haben. Warum wohl? Lieber benutzungspflichtig, ob schlecht oder schlächter, als keine Radwege.

    Genauso ist im ADFC der Kampf gegen Benutzungspflichten nicht gern gesehen. Um mit dem Bundesgeschäftsführer zu sprechen:

    Zitat von Burkhard Stork

    Das ist der Fehler Vieler! Ich will dass das aufhört!

    Das hat mit dem radverkehrspolitischem Programm angefangen. Man kann da praktisch beliebig viele Sachen anführen.


    Der ADFC war vielleicht einmal die Interessenvertreter der Radfahrer. Zur Zeit ist er für den Radverkehr eine große Gefahr.

  • Mir hat keiner gratuliert, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe und hier
    http://google.de/maps/@53.603563,9.98…sjLfRA!2e0!7i13312!8i6656
    selbstverständlich auf die Fahrbahn gewechselt bin, denn ich wollte ja geradeaus und nicht dem Verlauf des Blauschildes nach halbrechts folgen.

    Du bist hoffentlich bereits beim Orchideenstieg auf die Fahrbahn gewechselt!? Es gibt ab da kein [Zeichen 237] (zumindest auf Google Maps)

    "Terrorismus ist der Krieg der Armen und der Krieg ist der Terrorismus der Reichen"
    Peter Ustinov

  • Ich halte bei vielen (vor allem älteren) Verkehrsteilnehmern ihre Unkenntnis (bezüglich der Radwegbenutzungspflichtänderungen von 1997) durchaus für glaubwürdig. Das Problem hier ist jedoch, dass man als Radfahrer - der aus der Sicht des Autofahrers mutmaßlich illegal auf der Fahrbahn fährt - die Glaubwürdigkeit fehlt. Bei anderen Dingen (Hupen innerorts, Geschwindigkeitsübertretungen, Falschparken) ist das natürlich etwas anderes, da sind die gesetzlichen Regeln bekannt, man beruft sich hier auch eher auf "macht doch jeder so".

    Hm, das Hupen/Maßregeln an sich ist das Problem, völlig egal ob aus Prinzip, Unkenntnis oder Frustabbau. Dem Autofahrer kann - nein MUSS - komplett egal sein, ob ich dort auf der Fahrbahn fahren darf oder nicht. Wenn er eine Ordnungswidrigkeit erkannt haben will, steht es ihm frei, die Polizei hinzuzuziehen.

  • [...]


    Der ADFC war vielleicht einmal die Interessenvertreter der Radfahrer. Zur Zeit ist er für den Radverkehr eine große Gefahr.

    Naja, so kann man das wohl nicht stehenlassen: Ich behaupte das

    1) Auch auf Radwegen die Wahrscheinlichkeit für den einzelnen Radfahrer wirklich *zusammengefahren* zu werden (also nicht fast ~, sondern ganz) relativ gering ist - der Radfahrer "nimmt ja Rücksicht" 1. Radwege scheinen also "sicher".
    2) Demgegenüber sind auf der Fahrbahn die gefühlten gefährlichen Situationen - sei es durch Unwissen, Schlamperei oder Absicht, aus der Sicht des Radfahrers spielt das keine Rolle - viel häufiger. Diese erscheint also gefährlicher, zumal er in dieser Erfahrung auch noch durch Autoritätspersonen wie Ärzte, Polizisten etc. bestätigt wird.
    3) Kriminelle Handlungen im Straßenverkehr werden nicht sanktioniert solange "nichts passiert" ist. Wenn dann doch etwas passiert, also nicht mehr weggesehen werden kann, ist der Radfahrer "übersehen" worden. Das das wegen des "Radweges" und nicht trotz "Radweges" passiert ist ... hat *das* schonmal jemand im ge-copy-und-pasteten Unfallbericht gelesen? Da ist doch viel lieber der Helm schuld am Unfall, oder das der Radfahrer (gottseidank) auf den 100 m den Unfall hatte an denen keine blauen Schilder standen 2.

    Wen wundert es also das der "gemeine Radfahrer" meint das dieses "Übersehen" stets und überall stattfindet und deshalb lieber dort fährt wo er mangels KfZ von denen nicht "übersehen" werden kann - auf dem Gehweg oder Radweg.

    Nun hat der ADFC zwei Möglichkeiten: er kann für eine kleine Minderheit (machen wir uns doch nichts vor) sprechen, oder für eine Mehrheit. Er hat sich für die Mehrheit entschieden, also die Stelle des ADAC für Radfahrer eingenommen. Das das jetzt für "den Radverkehr" schlecht sei würde ich jetzt nicht behaupten wollen, schließlich leben wir in einer Demokratie (ok, Republik) und wenn die Mehrheit Radwege haben will dann ist das halt so. Es könnte auf lange Sicht sogar besser sein wenn sich erstmal genug Leute die "Radwege" langquälen und das dann auch langsam in ihre Wahlentscheidung einfließt. Muss nicht, aber könnte. Nur das ich mich in der Übergangszeit nicht zusammenfahren lassen werde. Aber ich kann ja immer noch auswandern oder mir ein Auto zulegen.

    1) Was ist denn da der Autofahrer dann wenn der Radfahrer die Rücksicht nimmt? Rücksichts-los?

    2) Das finde ich immer wieder sehr spannend: wenn dort kein Lollie steht dann ist der Radfahrer schuld - ist ja klar, ist ja kein Radweg. Wenn da ein Lollie steht dann hat der Autofahrer den Radfahrer "übersehen". Offensichtlich ist die Möglichkeit das der Autofahrer schuld habe in der polizeilichen Berichterstattung nicht vorgesehen.

  • Zu 2): ich ärgere mich auch immer, wenn da »übersehen« steht statt »missachtete« oder Ähnlichem. Allerdings besagt »übersehen«, dass der Autofahrer den Radfahrer hätte sehen müssen, weil er da war und weil er sichtbar war.
    Das Problem des Begriffs »übersehen« liegt meines Erachtens in der impliziten Entschuldigung »kann ja mal passieren«, »Flüchtigkeitsfehler«, »leichte Fahrlässigkeit«, was diesen autofreundlichen Standardformulierungen in Polizeimeldungen »von der Sonne geblendet« oder dem Begriff »Verkehrssünder« (»Wir sind alle kleine Sünderlein / 's war immer so ...«) entspricht (der Absolution fähige Sünder sind nur Autofahrer, nie Radfahrer, denn die sind »Kampf-...«).

    Zweitens: Wenn Abbiegeunfälle als Radwegunfälle gezählt würden (weil sie passiert sind, weil der Autofahrer nicht auf den Radfahrer, der dem Verlauf Radweg-Radfurt-Radweg folgen wollte, geachtet hat [oder ihn bewusst missachtet hat nach dem Motto »ich hab den Dickeren und ich bin schneller«]), wäre man auch schon ein Stück weiter in der Statistik.