Radverkehrspolitisch-relevante Wahlplakate zur Bundestagswahl 2017

  • Man könnte über Steuerrecht sprechen. Insbesondere Pendlerpauschale. Energiesteuer. usw.

    Und man könnte über Änderungen im Verkehrsrecht (z.B. Zulassungserleichterungen für Elektromobilität, Zulassungsbeschränkungen für KFZ nach japanischem Vorbild, Neuverteilung von Kompetenzen zwischen Umweltministerium und Wirtschaftsministerium usw.) reden, für die die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt.


    Aus diesen Bereichen habe ich in diesem Wahlkampf bisher wenig gehört leider.

  • Viele wohlmeinende Absichtserklärungen voller Worthülsen.

    Wir wollen ... wir wollen ... wir wollen...

    • Solange wir keine*n Diktator*in haben, gibt es Kompromisse in der Politik. Selbst innerhalb von Parteien werden Kompromisse ausgehandelt. Die Menschen und ihre Meinungen sind halt verschieden.
    • Gibt es bei der Umsetzung der "Wahlversprechen" Prioritäten, die sich auch noch spontan ändern können:

    Lammert: Ich mache jedenfalls gerade auch in diesem Wahlkampf darauf aufmerksam, dass wir nicht sicher wissen können, ob die Themen, mit denen wir uns jetzt im Wahlkampf aus guten Gründen vorrangig beschäftigen, überhaupt die dominierenden Themen der nächsten vier Jahre sein werden.
    Detjen: Beispiel?
    Lammert: Wenn ich jedenfalls die Legislaturperiode betrachte, die jetzt zu Ende geht, dann war sie vor allen Dingen durch Herausforderungen geprägt, die in keinem Wahlprogramm der damals miteinander rivalisierenden Parteien vorgesehen waren. Dieser Bundestag hatte sich, nachdem er sich konstituiert hatte, als Erstes mit den Entwicklungen in der Ukraine auseinanderzusetzen. Das hätte niemand für möglich gehalten. Was zunächst mit der sogenannten Maidan-Revolution an inneren Auseinandersetzungen, dann an zunehmenden militärischen Auseinandersetzungen an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland, schließlich der Besetzung und Annexion der Krim stattgefunden hat, mit einer nicht nur vorübergehenden, sondern offenkundig fundamentalen Herausforderung einer Friedensordnung in Europa, von der wir alle geglaubt und nicht nur gehofft hatten, dass sie spätestens durch die Pariser Charta von allen europäischen Staaten, einschließlich Russlands, unterzeichnet, die Prinzipien des Zusammenlebens in Europa ein für alle Mal geklärt haben würde. So, wir haben dann die denkwürdige Entscheidung in Großbritannien gehabt, wo zum ersten Mal nicht irgendein Land, sondern eines der ganz großen und wichtigen Länder nicht der EU beitreten, sondern zum ersten Mal ein Land von diesem Kaliber aus der Europäischen Gemeinschaft ausscheiden will. Wir haben die Entwicklung in der Türkei, wo bei genauem Hinsehen eigentlich zwei Putschversuche stattgefunden haben, von denen der erste gescheitert ist und der zweite erfolgreich zu werden droht.
    Detjen: Wenn man diese Reihe jetzt fortsetzt, dann nimmt man die Flüchtlings- und Migrationskrise dazu. Was heißt das dann für Politik? Heißt das, dass Politik eben nicht um Konzepte mehr ringt, sondern tatsächlich einfach um die Frage: Wer ist der beste Krisenmanager? Es geht um Management-Fähigkeiten?
    Lammert: Jedenfalls macht das deutlich, dass es bei Wahlen nicht nur um die notwendige Abwägung der Frage geht: Wer hat das intelligentere, attraktivere Steuerkonzept? Wer macht die überzeugenderen Vorschläge für Weiterentwicklungen im Bereich der Förderung von Familie, der Modernisierung der Infrastruktur, der Weiterentwicklung unseres Bildungssystems? Alles wichtige Fragen. Sondern, dass man sich immer auch bewusst sein muss, dass die tatsächlichen Prioritäten, nicht nur in der Politik, sondern wie im richtigen Leben auch, kurzfristig ganz andere sein können. Und, dass es bei der Entscheidung, die jeder für sich als Wählerin und Wähler zu treffen hat, nicht zuletzt auch um die Einschätzung der Kompetenz, wie der Charakterstärke von Leuten geht, denen man die Verantwortung für die nächsten Jahre übertragen will.

    Sicherlich zieht Lammert andere Schlüsse daraus als ich, aber ich gebe ihm recht, dass es ungeplante Ereignisse gibt, mit denen umgegangen werden muss. Ich betrachte Wahlprogramme jedenfalls hauptsächlich als Richtungsanzeiger.

  • Da das Thema jetzt doch ein wenig über die reine Betrachtung der radverkehrspolitisch-relevanten Wahlplakate hinausgeht bringe ich mal dieses Zitat in den Diskussionsstrang ein:
    "Das deutsche Straßenverkehrsgesetz stammt in seiner ersten Fassung aus dem Jahr 1909. Die daraus abgeleitete Straßenverkehrsordnung wurde 1934 als Reichsstraßenverkehrsordnung verfasst und sollte den Autoverkehr aus seinem Nischendasein befreien. Seine „Leichtigkeit und Flüssigkeit“, so steht es heute noch im Gesetz, sollte durch andere Verkehrsarten nicht behindert werden. Störende Fußgänger und trödelige Radfahrer mussten aus dem Weg geräumt werden. Dieses verbriefte Recht auf Automobilität hält sich bis heute hartnäckig – auch in den Köpfen – und wird weiter umgesetzt."
    Quelle: fairkehr 4/2017
    Mit Absichtserklärungen, Gutes für den Radverkehr zu tun, das zeigen auch die Zitate, sind die Parteien schnell. Aber eine grundsätzliche Verkehrswende vermag ich nirgends so recht zu entdecken. Leider auch bei den Grünen nicht, obwohl Bündnis90/Die Grünen vermutlich noch am ehesten die Partei ist, bei denen nicht alle die Augen verdrehen, wenn man ihre Vertreter mit dem o. g. Zitat konfrontiert.
    In dem genannten Artikel wird vom vcd vorgeschlagen, zumindest den Paragraf 45 (9) StVO so zu verändern, dass weitere Einschränkungen des Autoverkehrs von den Kommunen angeordnet werden können. Denn der Knackepunkt besteht darin, dass eine Kommune nur sehr begrenzte Möglichkeiten hat, den Autoverkehr einzuschränken, so dass selbst ein williger Stadtrat, der was Gutes tun will für ÖPNV und Radverkehr und dafür den Autoverkehr einschränken will, schnell ausgebremst werden kann durch gerichtliche Klagen betroffener Autofahrer. Und beim Mitgliederstärksten Lobbyverband Deutschlands sitzen genug Juristen, die da ganz schnell dran sind.

    Hier noch mal ein Link zu einem Wahlplakat aus Hamburg von der Kommunalwahl 2015:

  • Seine „Leichtigkeit und Flüssigkeit“, so steht es heute noch im Gesetz, sollte durch andere Verkehrsarten nicht behindert werden.

    Sowas triggert sofort meinen Bullshit-Detektor. Das Wort "Flüssigkeit" kommt in der aktuellen StVO nicht ein einziges Mal vor. "Leichtigkeit" [des Verkehrs] wird auch nur in Bezug auf die Position von Verkehrszeichen erwähnt. In der österreichischen StVO hingegen findet sich "Leichtigkeit und Flüssigkeit" einige Male...
    Ist das jetzt miese Recherche oder billige Polemik? Beides diskreditiert in meinen Augen die Quelle/die Autorin. Was schade ist, da ich dem Inhalt großteils zustimmen kann.

  • Na ja, wenn ich mir den Verkehrsablauf eines Radfahrers beim Queren einer Kreuzung mit zwei freilaufenden Rechtsabbiegern anschaue oder die Stellen, an denen sich nicht mehr als zwei Radfahrer an der roten Ampel aufstellen können, ohne andere zu behindern ...

  • @timovic
    Na klar, der Geist des Ganzen ist über die Jahrzehnte in den relevanten Regelwerken erhalten geblieben. De facto macht es also keinen Unterschied, ob er in "Reichsdeutsch" oder in euphemistischer Form daherkommt. Aber wenn man (zu Recht!) mit dem in vielerlei Hinsicht veralteten Regelwerk argumentiert, sollte man dann doch bitte genau sein.

    In dem Text geht es i. ü. ähnlich weiter [Fettung von mir]:

    Doch Beschränkungen und Verbote des „fließenden Verkehrs“ – hier sind immer noch nur die Autos gemeint – gelten nur bei besonderer Gefahrenlage, etwa vor Schulen oder Kindergärten.

    Das ist mir vor dem Hintergrund dessen, was tatsächlich in §45 steht und welche Auswirkungen dies insbesondere auf den Radverkehr hat, einfach zu schwarz/weiß und damit mindestens ungenau argumentiert. So hinterlässt das Ganze einen faden Beigeschmack.

  • Die Bundestagswahl ist gelaufen, aber in Niedersachsen ist am 15. Oktober 2017 Landtagswahl und die neuen Plakate hängen schon, auch mit radverkehrspolitisch-relevanten Wahlplakaten.
    Die Grünen: "Mobilität ist mehr als vier Reifen":

  • Dass sich ausgerechnet die CDU in der Wahlwerbung für Radfahrerinnen und Radfahrer stark macht, kommt für mich unerwartet.
    Vielleicht sind bei der CDU die Berührungsängste etwas schwächer, wenn es um die Nachwuchsförderung geht wie bei ihrem Plakat mit der Aussage: "Sie kümmern sich um die wichtigen Dinge."
    Heißt das nicht, dass die CDU erkannt hat, dass es sich beim Radfahren um ein "wichtiges Ding" handelt?

    Egal wie man die Sache sieht. Fakt ist: Auf dem CDU-Wahlplakat sind zwei Fahrräder abgebildet! Während bei dem weiter oben gezeigten Wahlplakat der Grünen letztlich unklar bleibt, was für eine Art Mobilität gemeint ist. Ein Fahrrad hat jedenfalls in der Regel weniger als vier Reifen!

  • Mehr statt teurer fordert die Partei Die Linke im niedersächsischen Landtagswahlkampf. Damit wird zwar nicht auf ein Fahrradthema angespielt, sondern auf den ÖPNV, aber immerhin. Schließlich sind viele Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer auch begeisterte Benutzer des ÖPNV. Ich frage mich allerdings, was für einen Zugtyp Die Linke da als Plakatmotiv ausgewählt hat? Sehr vertraut sieht der jedefalls für mich nicht aus. Und insgesamt wirkt das Plakat ein wenig apokalyptisch, wie eine Szene aus einem düsteren Scince-fiction-Film. Schade, denn die Botschaft finde ich eigentlich gut.

  • Ich frage mich allerdings, was für einen Zugtyp Die Linke da als Plakatmotiv ausgewählt hat?

    Das sind Superliner-Wagen, wie sie von Amtrak im Westen der USA auf längeren Strecken eingesetzt werden. Die Farbgebung ist schlecht zu erkennen, könnte aber der Pacific Surfliner sein.

    Die meisten Verbindungen dort gehen nicht allzu häufig, sind eher teuer, langsam und anfällig für Verspätungen. Ein gute Wahl also für eine Illustration wie Bahnverbindungen nicht aussehen sollten :D .

  • Das sind Superliner-Wagen, wie sie von Amtrak im Westen der USA auf längeren Strecken eingesetzt werden. Die Farbgebung ist schlecht zu erkennen, könnte aber der Pacific Surfliner sein.
    Die meisten Verbindungen dort gehen nicht allzu häufig, sind eher teuer, langsam und anfällig für Verspätungen. Ein gute Wahl also für eine Illustration wie Bahnverbindungen nicht aussehen sollten :D .

    Hallo orvio,

    vielen Dank für den Hinweis, durch den ich jetzt weiß, wo man suchen muss. Hier ein Link zu einem Bild aus dem entsprechenden wikipedia-Artikel "Superliner":

    Was sich allerdings die Macher des Wahlplakates vom Jugendverband solid der Partei Die Linke dabei dachten, diesen Zug als Motiv zu wählen???

    "Ein gute Wahl also für eine Illustration wie Bahnverbindungen nicht aussehen sollten.", da ist deine Vermutung ja fast noch geschmeichelt.

  • Ich fürchte, dass sie sich nichts dabei gedacht haben.

    Wobei man sich bei der AfD und dem Slogan "Hol dir dein Land zurück" mit dem Bild des Matterhorns schon gefragt hat, ob die Trottel damit andeuten wollten, die Schweiz zu annektieren.

  • Seit rund zwei Monate zieren jetzt schon Wahlplakate jedweder Coleur die Straßenränder in Niedersachsen, und immer wenn man glaubt, alle gesehen zu haben, kommen doch noch mal neue dazu. Das hat freilich auch damit zu tun, dass heute in Niedersachsen Landtagswahl ist und deshalb die Wahlplakateausstellung noch mal einen neuen Schub erhielt, während in anderen Bundesländern schon abgehängt wurde.

    So direkt Radverkehrspolitisch relevantes war eigentlich nie dabei - schade!

    Und das Thema Umweltverschmutzung durch den MIV wurde direkt nur von kleineren Parteien thematisiert. Auch die Grünen übten hier Zurückhaltung - vermutlich steckt ihnen die Angst in den Knochen als "Verbotspartei" denunziert zu werden und sie haben nicht den Mumm, diesem Vorwurf zu begegnen oder verzichten darauf aus strategischen Überlegungen überhaupt erst in die Richtung Einschränkungen für den MIV Flagge zu zeigen.

    Hier noch mal zwei neuere Beispiele, die mir die letzten Tage aufgefallen sind:

    Da ist einerseits ein Plakat der Partei "Deutsche Mitte" (DM). Die taz urteilt über diese relativ unbekannte Partei: "Die Partei ordnet sich zwar selbst in der politischen Mitte ein, im Wahlprogramm sind jedoch verschwörungstheoretische wie rechte Inhalte zu finden." Das kann ich nach Gesprächen mit Vertretern der Partei an Wahlkampfständen bestätigen. Insbesondere der medienpoltische Ansatz der Partei, demzufolge der öffentlich rechtliche Rund- und Fernsehfunk ein doktrinäres Staatsfernsehen darstelle, das einseitig die herrschenden Regierenden unterstütze und einen Meinungskartell bilde, erinnert sehr an AfD-Propaganda.

    Dem "Problembär" Auto will die Partei DM einen grünen Anstrich verpassen. (Es ist mit einem grünen Rasenteppich bekleidet). Die DM will die Autoindustrie schützen, als ob die nicht schon reichlich genug geschützt würde, woraus ja viele Probleme erst entstehen:

    Ein weiterer Satire-Beitrag der Partei Die Partei stellt die Aussage dar: Grüne! Finger weg von unseren Autos.

    Ich vermute allerdings, dass es einige Wähler gibt, die die Satire darin nicht erkennen können und das Plakat ganz einfach als Warnung verstehen, eine grüne Partei zu wählen, vor der sich jedoch tatsächlich kein Autofahrer fürchten muss.

  • Dass sich ausgerechnet die CDU in der Wahlwerbung für Radfahrerinnen und Radfahrer stark macht, kommt für mich unerwartet.
    Vielleicht sind bei der CDU die Berührungsängste etwas schwächer, wenn es um die Nachwuchsförderung geht wie bei ihrem Plakat mit der Aussage: "Sie kümmern sich um die wichtigen Dinge."
    Heißt das nicht, dass die CDU erkannt hat, dass es sich beim Radfahren um ein "wichtiges Ding" handelt?

    Egal wie man die Sache sieht. Fakt ist: Auf dem CDU-Wahlplakat sind zwei Fahrräder abgebildet! Während bei dem weiter oben gezeigten Wahlplakat der Grünen letztlich unklar bleibt, was für eine Art Mobilität gemeint ist. Ein Fahrrad hat jedenfalls in der Regel weniger als vier Reifen!

    Wieso, passt doch: Mutti spielt mit den Kindern auf dem Gehweg mit deren neuem Spielzeug. Ob da jetzt ein Fahrrad oder eine Sandschaufel abgebildet ist ist doch Jacke wie Hose. Dort wo die rummachen hat das mit Verkehr wenig zu tun. Es impliziert für mich höchstens wo die CDU das Fahrrad (immer noch?) sieht: als Kinderspielzeug auf dem Gehweg.

  • Mein hochgereckter Daumen gilt der zutreffenden Analyse, nicht dem kritisierten Inhalt. ;)

    (Nebenbei: Was hat das Mädchen da auf dem Kopf? Und vor allem wie? Soll das ein richtig sitzender Helm sein?)

    APF hat ganz sicher Recht mit seiner Analyse.
    Und trotzdem: Ausgerechnet dieses CDU-Plakat ist das einzige, das ich in diesem Wahlkampf sowohl bei der diesjährigen Bundestagswahl als auch bei der Niedersachsenwahl hier in Hannover gesehen hatte, auf dem ein Fahrrad abgebildet war. (Sogar zwei, wenn auch "nur" Kinderfahrräder auf Parkwegen.) Und ich habe wahrlich sehr viele Plakate gesehen!