Der heutige Sonntag begann — ganz untypisch für mich — um sechs Uhr morgens. Schnell aufstehen, kurz duschen, dann aufs Rad: Um 8.15 Uhr begann eine Tour der Fahrradsternfahrt drüben in Wedel. Früher, als ich noch in Wedel wohnte, konnte ich locker bis 7.50 Uhr schlafen, jetzt lagen noch zwanzig Kilometer zwischen mir und dem Bett. Und ich fand um diese Uhrzeit noch nicht einmal einen Bäcker: Erst an einer Tankstelle bekam ich ein paar Brötchen.
Von Eidelstedt bis Wedel war alles ganz ruhig, schließlich ist um diese Uhrzeit auch noch kaum jemand unterwegs. Man merkte auch sofort wo die Landesgrenze lag: Die Benutzungspflichten wurden noch absurder als man es aus Hamburg kennt. Da fährt man in Schenefeld auf gemeinsamen Fuß- Und Radwegen, die rein vom Gefühl her schmaler als mein Bett sind. Und mein Bett ist nicht breit.
In Wedel komme ich erstmals in die Verlegenheit neben einem so genannten anderen Radweg zu fahren, denn dort zwischen Rissen und dem Wedeler Bahnhof war eine Benutzungspflicht nun wirklich nicht mehr zu rechtfertigen. Die StreetView-Aufnahmen von 2008 zeigen die Straße noch mit blauen Schildern. Hinter der Landesgrenze, also in Wedel, wo das StreetView-Auto nicht mehr fahren durfte, gibt es noch so einen freigegebenen Gehweg, der aber auch momentan wegen Bauarbeiten gesperrt war. Das hielt natürlich einen Kraftfahrer nicht davon ab, mich erstmal anzuhupen und mir dann durchs Beifahrerfenster zu erklären, er riefe jetzt die Polizei. Das müsse er nicht, erkläre ich ihm durchs Fenster, während ich mich an seinem Wagen festhalte und er mit seinem Handy in der Handy in der Hand mit 15 Kilometer pro Stunde neben mir herzuckelt, hinter uns nähere sich schon die Kavallerie. Vier Motorräder und zwei Streifenwagen waren gerade auf dem Weg zum Treffpunkt der Fahrradsternfahrt, aber leider hatte der Kraftfahrer dann doch keinen Gesprächsbedarf mehr, er beließ es bei den üblichen Sterbender-Schwan-Gesten und fuhr dann lieber schnell davon. Schade.
Die Sternfahrt war dann teilweise etwas nervig, weil die vielen Wartezeiten nervten. An jedem Treffpunkt warteten wir knapp zehn Minuten, bis es weiterging. Das fand ich eigentlich gar nicht so schlecht, damit hatte ich immerhin etwas Zeit zum Frühstücken. Die letzten Male hatte ich insgesamt sechs Brötchen und drei Liter Wasser verbraucht, in diesem Sommer kam ich mit einem Liter und zwei Brezeln aus. Ob das nun gesund war?
Viel mehr nervten solche Pausen wie auf der Autobahn in Wilhelmsburg (20 Minuten), vor der Köhlbrandbrücke (30 Minuten), hinter der Köhlbrandbrücke (60 Minuten) und am Kreuz Hamburg-Süd (15 Minuten). Ich fürchte allerdings, dass sich solche Pausen kaum vermeiden lassen, denn natürlich will man die Köhlbrandbrücke nicht stundenlang sperren, bis auch noch der letzte Radfahrer sein Rad nach oben geschoben und wieder nach unten gebremst hat. Und natürlich möchte man nach der Brücke, wenn sich das Teilnehmerfeld auf mehrere Kilometer mit größeren Lücken gestreckt hätte, nicht jede Kreuzung einzeln mit einem Polizisten bewachen lassen; dazu wäre man personell vermutlich auch gar nicht mal in der Lage. Dann warten wir eben, das ist zwar hochgradig nervig, aber es gibt wohl schlimmeres.
Und das ist natürlich mein Lieblingsthema: Bei der Critical Mass Hamburg klappt das mit dem Korken mittlerweile ja recht zuverlässig. Aber bei der Fahrradsternfahrt waren dieses Mal vorne vier bis acht Motorradpolizisten unterwegs, dann kommt noch ein Streifenwagen, im Teilnehmerfeld fahren dann hin und wieder ein paar Fahrradpolizisten herum und hinten zwei Wagen mit diesem Überholverbot-Schildern. Und zwischendurch fuhren auch mal hin und wieder ein paar Motorräder herum. Aber man verließ sich wohl darauf, dass die Kraftfahrer wohl warten werden, wenn im Querverkehr ein Radfahrer nach dem anderen unterwegs ist — und wie ich nun von der Critical Mass Hamburg weiß, klappt das nicht.
Eigentlich war es dieses Mal verhältnismäßig ruhig, immerhin wollte mich niemand totfahren. Und trotzdem war ich relativ oft am Corken: Innerorts an den Kreuzungen geht das ja noch, das kennt man ja, da kommen die Kraftfahrer angerollt und sind ärgerlich, Steuern, Verkehrsregeln, Radwege, das übliche halt, aber man unterhält sich ja meistens doch ganz nett. Dann kommen wieder welche, die unbedingt durchs Teilnehmerfeld fahren wollen und genau wissen, dass in der Straßenverkehrs-Ordnung stünde, dass man Fahrrad-Verbände umfahren dürfe, wenn kein Polizist den Verkehr regelt, aber auch das ist man ja irgendwie gewohnt. Ich frage mich ja auch, wie sehr da der Verstand am Lenkrad aussetzt: Ob nun ein Polizist den Verkehr regelt oder nicht ändert doch nichts daran, ob man sich nun verkehrsgefährdend verhalten darf oder nicht.
Aber mal im Ernst: Verlässt sich die Polizei auch darauf, dass die Teilnehmer selbst das Corken von Autobahnauffahrten übernehmen? Das war mir dann ja doch eine Nummer zu krass, da irgendwelchen Leuten, die mit überhöhter Geschwindigkeit auf dem Seitenstreifen am Stau vorbeisausen, zu erklären, dass die jetzt nicht eine Fahrrad-Demonstration platzen lassen werden. Ich halte definitiv nicht noch mal meinen Kopf für solche Spinner hin. Innerorts corken ist okay, da können wir drüber reden, auch wenn ich der Meinung bin, dass das bei einer Demonstration eher die Aufgabe der Polizei als die der Teilnehmer ist.
Oder, um das mal ganz blöd zu formulieren: Wenn die Polizei nicht die Sicherheit der Radfahrer auf der Autobahn gewährleisten kann, dann sollten wir vielleicht nächstes Mal nicht über die Autobahn fahren. Vor zwei oder drei Jahren hatten wir ja schon mal solche Spinner, die sich für ein paar hundert Meter auf dem Seitenstreifen den Weg durch die Demonstration gebahnt haben, sowas muss ich echt nicht noch mal haben.
Was soll’s: Trotzdem werde ich nächstes Jahr wieder mitfahren. Allein schon der Köhlbrandbrücke wegen. Oh, da war ich ja auch noch ganz froh, dass wir die komplette linke Fahrbahn benutzen durften und sich nicht die 18.000 Radfahrer auf einen 3,2 Meter breiten Fahrstreifen quetschen mussten.
War von euch auch noch jemand unterwegs? Wie fandet ihr die Sache?