Section Control endgültig rechtens

  • Unter dem Titel, "Grünes Licht für Section Control", berichtet die HAZ vom 3. Februar 2021 im Hannover-Teil der Print-Ausgabe:

    "Das seit Jahren umstrittene Streckenradar Section Control an der Bundesstraße 6 zwischen Gleidingen und Rethen ist rechtens: Anwalt Arne Ritter aus Hannover, der seit Langem für die Abschaltung der Anlage kämpft, ist endgültig juristisch gescheitert – und das sogar deutlich früher als angenommen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lehnte seine Verfassungsbeschwerde nun überraschend schnell ab."

    Wirklich umstritten ist die Streckenbezogene Tempokontrolle allerdings nicht. Denn selbst Autofahrer, die sonst gerne über Tempokontrollen schimpfen, (Tenor: "Die kontrollieren ja immer nur an den Stellen, wo Autofahrer leicht verführt sind zu schnell zu fahren.") erkennen in einer streckenbezogenen Tempokontrolle ein Stück mehr Gerechtigkeit.

    "Section Control misst die gefahrene Geschwindigkeit auf einem 2,2 Kilometer langen Abschnitt und berechnet daraus das Durchschnittstempo. Liegt das über den erlaubten 100 km/h, blitzt es am Ende. Dafür werden die Kennzeichen erfasst." Kritiker bemängelten, dass es nicht sein dürfe, dass der "Überwachungsstaat" mit Section Control für ein bis zwei Minuten die Kennzeichen der Fahrzeuge erfasse. Daraus konstruierten sie dann eine politische Kampagne in der federführend auch die "Pseudo-Freiheitspartei" FDP mitwirkte und versuchten auf diesem Weg, Wählerstimmen bei den Rasern unter den Autofahrern gut zu machen.

    Hier ein FDP-Plakat gegen Section Control in einem HAZ-Bericht vom 10.3.2019: "FDP macht Anti-Werbung gegen Section Control"

    https://mar.prod.image.rndtech.de/var/storage/im…ser_article.jpg

    Und hier der Link zum Artikel:

    https://www.haz.de/Umland/Laatzen…Section-Control

    Wer jedoch meint, mit dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe sei der Rechtsfrieden hergestellt, könnte daneben liegen: "Am Verwaltungsgericht Hannover liegt allerdings bereits die nächste Klage gegen das Streckenradar vor – von der Gruppe für Menschen- und Freiheitsrechte Freiheitsfoto.", heißt es am Ende des HAZ-Artikels.

    Es ist eine hanebüchene Unverschämtheit, wie hier versucht wird, unter Berufung auf die Menschenrechte die "unbegrenzte Raserei von Verkehrsrowdys" schönzureden, während sogar die Mehrheit der Autofahrer Section Control, also die Form der Tempokontrolle über einen längeren Streckenabschnitt, für gerecht hält, weil nicht das zu schnelle Fahren an einer einzelnen Stelle, sondern das notorische zu schnell Fahren die Grundlage für ein Bußgeld ist.

    Hier ein Link zu googlemaps: Der Kontrollabschnitt ist auf der B6 zwischen Gleidingen und Rethen. Eine vierspurig ausgebaute Bundestraße mit zwei Fahrspuren je Richtung und einer stabilen Mittelleitplanke aus Betonsteinen. Einen Fahrradweg gibt es dort nicht. Die Straße ist als Kraftfahrstraße ausgewiesen.

    https://www.google.com/maps/place/Gle…811!4d9.8432458

  • Wegen der Datenschutzproblematik: Man könnte mit Kryptographie draufschmeißen. Vorne steht ne Kamera, hinten steht eine. Die Bildaufnahmen werden mit einer Ableitung aus dem erfassten KFZ-Kennzeichen und der Zeit verschlüsselt und an einen zentralen Server gesendet. Nur wenn die Aufnahmen innerhalb von sagen wir mal 75 Sekunden gemacht wurden, passen die kryptographischen Schlüssel zueinander, ansonsten sind die Daten nicht mehr entschlüsselbar. Um die Wahrscheinlichkeit von Fehlerkennungen noch zu steigern, könnte man automatisch Farbe und Art des Fahrzeugs mit einberechnen.

    Um datenschutzfreundliche Lösungen zu bekommen, muss man diese nur wollen. Technisch ist das kein Problem.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Das ist ja in diesem Land genau der Punkt: technisch ist das kein Problem, aber es fehlt doch eben oft genau am Willen.

    In dieser Section Control Auseinandersetzung ging es nach meiner Erinnerung um mehr.

    Und wenn ich mich recht erinnere, musste deshalb sogar das niedersächsische Polizeigesetz geändert werden.

    Die Kläger gegen Section Controll befürchten, dass es im Falle von schweren Verbrechen der Polizei möglich ist, die vorhandene Infrastruktur (die Kameras der Section Control) für diese Ausnahmesituation, Fahndung wegen eines besonders schweren Verbrechens, so umzuschalten, dass die Nummernschilder über einen längeren Zeitraum registriert werden, als die knapp zwei Minuten, die notwendig sind, um einen Tempoverstoß nachzuweisen.

    Ich halte das alles für an den Haaren herbeigezogen, denn für den Fall, dass die Polizei eine solche Fahndung für notwendig hält und diese Fahndungsmethode ihr gestattet wird, könnte sie auch auf eigene Kameras zurückgreifen, die sie dann installieren kann.

    Was mich ärgert: Diejenigen "Pseudo-Freiheitskämpfer", die gegen Section Control geklagt hatten, berufen sich auf Freiheitsrechte, die gar nicht verletzt wurden, denn ihre Klage wurde ja abgewiesen.

    Gleichzeitig schränken sie durch ihr Mobilitätsverhalten und die von Autofahrern erhobenen Forderungen nach immer mehr, sowie immer breiteren und schnelleren Straßen die Freiheitsrechte von Fußgängern und Fahrradfahrern massiv ein, indem sie Straßen in Todesstreifen verwandeln.

  • Also ich sehe Section Control als unnötig an. Was die Kläger da befürchten ist leider durchaus realistisch. Man nehme nur mal die aktuellen Beispiele, wo die Polizei sich die Corona Gästelisten geschnappt hat (Quelle). So viel sind Versprechen die Daten sind nur für X und werden nicht für andere Dinge genutzt wert.

    Verboten und gefährlich ist es überhaupt zu schnell zu fahren, nicht nur im Schnitt. Am Ende setzt da die Autofahrerlogik ein: "Jetzt war ich langsamer wegen Trecker/Radfahrer/... jetzt kann ich innerhalb der Section ausgleichen". Ist doch jetzt bereits so bei den Bußgeldern, viele fahren so viel zu schnell wie es ohne Punkte möglich ist.

    Das nächste praktische Problem (was ich hier in der Region Niederrhein beobachte) bleibt auch ungelöst. Es wird immer an den gleichen Stellen gemessen. Diese kennt man nach einer Zeit und merkt dann auch, dass dort wo es typischerweise nie kontrolliert, dieses auch ausgenutzt wird. Wenn SC dazu führt, dass es durch Schilder angekündigt werden muss, dann verschlimmert es das Problem evt. sogar, dass mache zu schnell fahren, wenn sie gerade nicht kontrolliert werden.

    Weiteres Problem, wer mit dem Auto nur das maximal erlaubte Tempo fährt wird recht schnell unangenehme Blicke in den Rückspiegel erleben. Leider wird aber nur das Tempo kontrolliert und nicht gleichzeitig auch die Abstände, das bleibt mit SC ebenfalls ungelöst.

    Und das Hauptproblem, das insgesamt zu wenig (vor allem sind die die Kontrollen wichtig, die nicht stationär sind) kontrolliert wird ist ein Personalproblem, das bleibt durch Section Control auch ungelöst.

    Doomsday: It's nature's revenge for what we've done (Chris Pohl)

  • Unter dem Titel, "Warum „Section Control“ trotz guter Bilanz gescheitert ist" berichtet die HAZ von heute (24.1.24):

    "Nach drei Jahren im Regelbetrieb ist Schluss für das erste und einzige Streckenradar in Deutschland. Trotz erhöhter Sicherheit auf einem Teil der B6 wurde Section Control abgeschaltet. Laut dem Betreiber der Anlage, der Polizeidirektion Hannover, gilt der 2,2 Kilometer lange Abschnitt zwischen Rethen und Gleidingen mittlerweile nicht mehr als Unfallhäufungsstelle. Die Kosten belaufen sich nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums auf rund eine Million Euro.
    Dass der Systemhersteller Jenoptik den Betrieb der Anlage einstellt, habe das Innenministerium mit „großem Bedauern“ zur Kenntnis genommen, so eine Sprecherin. „Niedersachsen ist weiterhin davon überzeugt, dass die Abschnittskontrolle mit zu den innovativsten Verkehrsüberwachungstechniken zählt“, sagt Sprecherin Svenja Mischel.

    Auch bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig gibt es Bedauern über das Aus. Dort ist Robert Wynands Fachbereichsleiter. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Zulassung von Geschwindigkeitsmessgeräten – auch für die erste „Section-Control“-Einheit. „Das funktioniert, und alle profitieren im Sinne der Verkehrssicherheit“, sagt Wynands."

    Gleich mehrere Sachen sind daran merkwürdig:

    Die Geschwindigkeitskontrolle wird abgeschaltet, weil aufgrund der Geschwindigkeitskontrolle keine Unfälle mehr passieren.

    Das Innenministerium, bedauert, die Physikalisch Technische Bundesanstalt bedauert, alle profitieren im Sinne der Verkehrssicherheit, aber abgeschaltet wird trotzdem. Da haben sich mit dem vorgeschobenen Argument, Datenschutzauflagen würden angeblich verletzt werden, diejenigen durchgesetzt, die die grenzenlose Auto-Raserei für einen zivilisatorischen Erfolg halten und deshalb auch seit Jahren leider erfolgreich verhindern, dass eine generelle Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen gilt, oder die geltenden Höchstgeschwindigkeiten auf Landstraßen und innerorts reduziert werden.

  • Die Geschwindigkeitskontrolle wird abgeschaltet, weil aufgrund der Geschwindigkeitskontrolle keine Unfälle mehr passieren.

    Das ist der gleiche Unsinn, wie auf der A24 in Brandenburg. Da hat man 130km/h limitiert, weil es so viele Unfälle gab. Die Unfälle waren kräftig reduziert, also schießt man daraus, dass es keinen Grund mehr ein Limit gibt. Also wieder freies brumm-brumm.

    A24 Hamburg-Berlin: Tempolimit in Brandenburg senkt die Unfallzahlen – und wird deshalb aufgehoben
    Deutschland diskutiert über ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen, derweil hat Brandenburg bestehende 130-Schilder abmontiert. Einwände der Polizei wurden…
    www.spiegel.de
  • Dann kann man aufgrund solcher Argumentation doch auch Lichtzeichenanlagen und vorfahrtsweisende Verkehrszeichen abbauen und auch Radweg-Benutzungspflichten zurücknehmen.

  • Also ich sehe Section Control als unnötig an. Was die Kläger da befürchten ist leider durchaus realistisch. Man nehme nur mal die aktuellen Beispiele, wo die Polizei sich die Corona Gästelisten geschnappt hat (Quelle). So viel sind Versprechen die Daten sind nur für X und werden nicht für andere Dinge genutzt wert.

    Für mich bleibt da ein bisschen mehr als nur ein unangenehmes Geschmäckle. Mit dem Hinweis auf nicht erfüllte Datenschutz-Regeln wird eine effiziente Geschwindigkeitskontrolle erst um Jahre verzögert und dann nach kurzer Betriebszeit wieder abgeschafft.

    Das passt so was von zu dieser HAZ-Meldung vom 25.1.2024:

    "Sind Autofahrer zu schnell unterwegs oder werden geblitzt, drohen Punkte in Flensburg. Bei schweren Verstößen kann der Führerschein schnell weg sein. Es sei denn, man lässt sich die Punkte gegen Geld von jemand anderem abnehmen. Diese inzwischen offenbar weit verbreitete Praxis wird von den Bundesländern scharf kritisiert. Sie fordern strengere Gesetzesregelungen. Das Thema wurde auch beim Verkehrsgerichtstag in dieser Woche in Goslar diskutiert."

    Wer hat denn diese Gesetze geschrieben, die einen solchen Punktehandel ermöglichen? Da sind nicht zufällig Lobbyverbände und Politiker im Dienste der Autoindustrie dran beteiligt gewesen?:/ Und wird sich am Punktehandel tatsächlich was ändern? Oder taucht dann einmal mehr der blau-gelbe Springkasper auf und plädiert in diesem Fall auf das "Freiheitsrecht", dass der eine des anderen (Punkte-)Last trage, könne man doch nicht einfach so per Gesetz verbieten?