Ein langes Wochenende in und um Hildesheim. Die Stadt des Unesco-Weltkulturerbes grüßt mit dem markigen Slogan:
Die Region Hildesheim - ein Juwel für Fahrradfahrer
Nachdem ich aus dem Zug bzw. dem Hauptbahnhof polterte, dauerte es keine 800m, bis ich von einem Hildesheimer standesgemäß heimatlich gegrüßt wurde: "RAAADWEG!!!"
Zur Abwechslung mal ein Fußgänger! An der Bushaltestelle. Weil ich eben nicht bereit war, der B-Pflicht durch den Wartebereich Folge zu leisten. Hurra. Fängt ja gut an hier.
Immerhin: im Hotel wurde auf Nachfrage nach einem trockenen Plätzchen für die Räder ohne Umschweife auf den Speisesaal verwiesen. Dort durften die Räder tatsächlich hingestellt werden.
Tag 1: "Radweg zur Kunst".
Verspricht viel, ist auf offiziellen Wegweisern ausgeschildert und ... gnaaaa!!!!!
während ich noch recht ungehalten über bescheidene Oberfläche und Matschradweg entlang des Flüsschens Innerste bin, rausche ich fast in die Brems- und Absteigeschikane an einer Holzbrücke.
Jajaja, "Sichtfahrgebot". Ich hätte auf den ersten 4km lernen sollen: "nicht in der Gegend rumgucken, konzentrier dich auf den Weg!"
Und während ich noch schimpfe und um die 2. Schikane am anderen Ende der Brücke herumkurve...
potztausend, sind wir hier richtig?!?!
(Blick zurück zur Brücke)
Das Elend changiert zwischen "Radfahrer, bitte bleiben Sie der Fahrbahn fern!!! Wir haben linksseitige B-Pflichten!" und "Sie können sicherlich erahnen, wo es längs geht, oder? Wegweiser sind überbewertet!"
Dieser Radweg ist ein schönes Beispiel für "Immer vorbereitet sein. Niemals ohne Navi.", denn schon im ersten Dörfchen südlich von Hildesheim war der "häh?!"-Punkt erreicht. Kein Wegweiser, nix. Blick aufs Mobilophon... ah, ok, da längs.
Nützt aber alles nüscht, wir verfransen und trotzdem. Und das liegt nicht an den diversen(!) verdrehten Wegweisern!
Irgendwie schaffen wir es zurück auf den Radweg zur Kunst in Bad Salzdethfurt.
ja-nee... ach, lass mal gut sein.
natürlich alles nur "kurze Stücke", um Radfahrer fern von "Straßen" zu halten.
Wie auch hier an der Bahnlinie:
narf! Hildesheimer Land, meine Perle.
Tag 4 - mal nach Hannover fahren. Sind schließlich nur knapp 35km. Und es kann eigentlich doch nur besser werden, oder?
Vorweg: nope!
kennt jemand diese tolle Art von "befestiger Weg"?
sieht eigentlich gar nicht sooo schlimm aus.
"eigentlich". Denn das ist einfach nur Rütteloberfläche. Mag sein, dass das mit 1,5-bar-Ballonreifen auf Hollandrad erträglich ist. Mit 35mm-Reifen auf 6bar ist es unerträglich.
Das Elend nach Hannover geht aber trotz meiner Jammerei weiter.
Mit Betonplatten durch die Kulturlandschaft..
und hinter der Kurve auf Kleinpflaster in die Botanik.
Irgendwann kurz vor oder bereits in den Außenbereichen von Hannover führt der Radweg über eine Fußgängerbrücke. Kein Witz, wer kennt es nicht:
na klar, Brückengeländer zu niedrig. Wer steigt ab? Julia und Matthias. Wer drängelt sich mit den Worten "hihi, wir sind nicht so brav.." rechts dran vorbei? Genau, die Gruppe Rentner-Pedelec-Fahrer. Die 200m nach der Brücke natürlich vom knatternden Freilaufgeräusch hinter ihnen nichts mitbekommen und keinen Platz machen. Hatte kurz überlegt, auch mal "nicht so brav" zu sein und mit 20cm Abstand vorbeizuziehen. Habs sein lassen.
Weiter Richtung Hannover:
Jo. Während wir noch drüber sinnieren, über welche Distanz die erneute Kombi aus
und nun hier in der Wallachei Gültigkeit entfalten möge, zieht die Rentner-Gang wieder ungeniert an uns vorbei.
Tja, jetzt waren wir auch nicht mehr brav und sind auf dem Matschweg mit Teilpflasterung fluchend weiter in Richtung Zentrum gehoppelt.
Ja, am Tag vorher ein bisschen Regen, aber wat mutt, dat mutt. Nech?
Zur Abwechslung mit Pflasterung:
Neinnein, das ist kein Ein-Richtungs-Radweg. Das ist ein Zwei-Richtung-Fuß-und-Radweg. Vielleicht gilt hier noch immer "Fußweg, Radfahrer absteigen"? No one knows...
Und klaro, wenn der Radweg hier längs geführt wird, aber von gesperrter "Fußgängerbrücke" geschrieben wird, muss es für Radfahrer schon irgendwie weitergehen. Ist schließlich keine Umleitung ausgeschildert.
ach, doch nicht. Macht doch nix, als Radfahrer ist man mobil und Umwege sind Teil des Erlebnisses!
Wir hatten ernsthaft zwischendurch überlegt, einfach umzudrehen. Denn am Abend hätte der Rückweg über die grandiose Scheiße nach Hildesheim auf uns gewartet.
Aber dann doch lieber Zähne zusammenbeißen und auf die S-Bahn zurück hoffen.
In Hannover angekommen stellen wir fest: die wollen fast 10,- für die Fahrt nach Hildesheim haben.
Nicht mit gebürtigen Schwaben und Ossis!!! Da trag ich mein Fahrrad lieber 40km, als für 26min Fahrzeit 10,- hinzublättern!
Wäre doch gelacht, wenn wir nicht anderweitig nach Hildesheim kämen.
Zum Beispiel über Mittellandkanal und Seitenkanal.
Ja nun ... während sich der Weg am Maschsee und durch die Eilenriede noch halbwegs ok fuhr, erwartete uns hier, im Nirgendwo zwischen Hannover und Bolzum ein abruptes Ende des bsi dahin doch passablen, asphaltierten Weges.
*zonk*
links im Bild verläuft der Mittellandkanal. Auf den geschotterten Deich gelangt man vom Aufnahmeort, indem man das Rad über eine Leitplanke hebt, das Warnschild mit "Betriebsgelände" ignoriert und das Rad die Treppe hochwuchtet.
Auch hier diskutierten wir erstmal 5min, ob wir nun den Weg mit dieser Qualität für eine unbekannte Distanz verfolgen, oder gegen das Verbotsschild verstoßen. Wir trafen letztendlich wohl die richtige Entscheidung und wechselten auf den Deich.
Die restlichen Kilometer nach Hildesheim waren nicht besser. Falsche Wegweiser, keine Wegweiser, gesperrte Straßen ohne Umleitung, Radfahren verboten, Matschkuhlen und absurde B-Pflichten.
Und komische Schutzsteifen. Wie der hier:
Hildesheim und ich - wir werden keine Freunde mehr.
Wer dort mit dem Fahrrad fährt, hat vermutlich wirklich keine Freunde, kein Geld und keinen Verstand. Warnwestenquote hoch, Helmtragequote hoch, Gehwegradlerquote hoch.
Lichtblick: KFZ-Lenker im Wesentlichen vernünftiger drauf als in Hamburg.