Luftreinhaltung: Fakten oder Fake-News?
Es spricht Dr. Kurt Duwe MdHB, umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion und Naturwissenschaftler.
Die gute Nachricht: Hamburg halte bis auf einen Parameter alle Grenzwerte ein. Ausnahme: „Stickstoffdioxyd“. Dort überschreite der Jahresmittelwert den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Von 2017 bis 2018 wären keine Änderungen zu erkennen, schon ein paar stürmische Tage könnten die Messwerte verändern.
Es folgt eine Übersicht über die Positionen der Messstationen der Kategorien Verkehr und Hintergrund. Die Positionen der Messstationen wären noch vor Erlass der EU-Richtlinie für die Aufstellung der Messstationen im Jahr 2008 festgelegt worden.
An den Hintergrundmessstationen wären die Werte seit einigen Jahren unproblematisch, die vier Verkehrsmesstationen lägen allerdings ständig über den Grenzwert. Ein deutlicher deutlicher Anstieg der Messwerte wäre um die Jahrtausendwende zu erkennen, als zu Lasten der Benzinmotoren verstärkt Dieselfahrzeuge zugelassen worden wären, die einen höheren Ausstoß an „Stickstoffdioxyden“ verursachen.
Anlage 3 der 39. BImSchV wird in Auszügen vorgelesen.
Die Messstationen wären aber nicht jene Orte, an denen sich Menschen regelmäßig und längere Zeit aufhalten. Die Stationen sollten vielmehr so aufgestellt werden, dass Messwerte ermittelt werden, denen die Bevölkerung im Mittel ausgesetzt wäre.
Der Kurzzeitwert von 2,5 Mikrogramm pro Kubikmeter würde ständig deutlich unterschritten. Es wäre also für gesunde Menschen unproblematisch, sich kurze Zeit an belasteten Stellen aufzuhalten.
Zwischenfrage: Warum wird kein flächendeckendes Netz von Messstationen aufgestellt?
Antwort: Man sollte lieber in der Nähe der bisherigen Messstationen weitere Messwerte erheben, so dass man nicht nur den Wert direkt von der Fahrbahn hat, sondern auch noch einige Meter davon entfernt.
Die Umweltbehörde habe in der Nähe der Messstationen eine Reihe von Passivsammlern aufgestellt. Mit dem Abstand zur Fahrbahn sänken die Werte. In Hamburg wurden entlang der Habichtstraße eine Reihe von Proben entnommen, die allesamt unterschiedlich, aber allesamt unterhalb des Grenzwertes liegen. Repräsentativ wäre die Aufstellung der aktiven Messstation an der Habichtstraße also nicht, denn allein der Messwert an der „offiziellen“ Messstation befände sich oberhalb des Grenzwertes.
Laut der BImSchV sollen die Stationen beispielsweise nicht direkt neben Fahrbahnen oder Verkehrsinseln aufgestellt werden. Der Luftstrom sollte nicht durch Hindernisse beeinträchtigt werden — an der Habichtstraße stünden aber eine Menge Bäume im direkten Umfeld, die im Sommer Laub trügen, das dann wiederum die Messwerte beeinflusse.
Es wird ein Tortendiagramm gezeigt, das die Herkunft der Belastung zeigt. Ein Teil stamme von Quellen außerhalb Hamburgs, ein anderer Teil vom Hafen, ein Teil von Kraftfahrzeugen, Bussen, Motorrädern und Lastkraftwagen. Diese Daten stammen aus Modellberechnungen, in die alles hineingeworfen würde, was man über die Belastungen wisse.
An der Habichtstraße gäbe es aber noch kein Fahrverbot, weil man dazu die Lastkraftwagen aussperren müsste. Für die ließe sich aber keine ordentliche Umleitung einrichten. Die Fahrverbote in der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße wären politischer Aktionismus, damit man zeigen könne, man tue etwas. Die Fahrzeuge führen nun einen Umweg und sorgten im Umfeld für höhere Belastungen, die dann aber in der Hoffnung des rot-grünen Senats unter der Grenzwerte blieben.
Im Westen von Hamburg wäre die Belastung durch die Schifffahrt überrepräsentiert, dort wären vor allem Containerschiffe zu 80 Prozent ursächlich.
Kurze Debatte, ob nicht die Passagierschiffe das Problem wären. Empörter Einwurf eines Zuhörers: „Wollen Sie den Leuten die Kreuzfahrten verbieten?“
Es folgt ein kurzer Ausflug zu synthetischen Kraftstoffen. Am Hamburger Flughafen würden schon synthetische Kraftstoffe genutzt. Gemeint ist aber offenbar kein Kerosin, sondern synthetisch hergestellter Diesel für die Kraftfahrzeuge am Boden. Das ginge aber auch in der Schifffahrt, wobei die dort benötigten Mengen um ein Vielfaches größer wären.
Debatte um Landstrom in Hamburg. Das ließe sich allein aufgrund der Belastung des Stromnetzes nicht realisieren.
Nächstes Thema: Ab wann sollen Fahrverbote gelten? 40 oder 50 Mikrogramm pro Kubikmeter? Bei geringfügigen Überschreitungen des Messwertes sollten unter Umständen bis 50 Mikrogramm pro Kubikmeter keine Fahrverbote angeordnet werden können. Für das Gesamtproblem der Schadstoffbelastung wäre das natürlich keine Lösung.
Oder doch 30 Mikrogramm pro Kubikmeter? Woher nehmen Ärzte die Erkenntnis, dass ein Stoff gefährlich ist? Im Totenschein stünde schließlich nie, dass ein Mensch an Stickstoffdioxiden aus einem Dieselmotor gestorben wäre. Man könne dort also nur mit Statistiken arbeiten. In der Fachwelt herrsche eine große Unsicherheit, was ein vernünftiger Grenzwert wäre. Die üblichen Verdächtigen bei der EU wären der Meinung, dass 30 Mikrogramm pro Kubikmeter angemessen sei. Damit beeinflusse man aber auch ganz andere Dinge, so dass man abwägen müsse, ob sozusagen der volkswirtschaftliche Schaden den gesundheitlichen Vorteilen wirklich angemessen wären. Dieser Grenzwert werde heute und auch in naher Zukunft mit heutigen Antrieben nicht realisierbar sein.
Was wäre eigentlich mit der Luftqualität in Innenräumen? Die Luftuqalität wäre draußen vermutlich besser als innen.
Daraufhin entbrennt eine neue Debatte unter den Zuhörern: Wenn man zu Hause eine Kerze anzünde, hätte man direkt eine Belastung von 600 bis 800 Mikrogramm pro Kubikmeter. Der NO2-Grenzwert für Innenräume läge bei sagenhaften 950 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Längere, aber leider undeutliche Debatte in Ermangelung eines Saalmikrofons über Messwerte und die üblichen Fake-News von 950 Mikrogramm für Bureaus.
Endlich fällt bei einem Zuschauer die Phrase „Vernichtungsfeldzug gegen das Auto“: Er habe auf YouTube ein Video gesehen, dass andere Länder andere Grenzwerte hätten, in der Schweiz wäre der NO2-Messwert bei 6.000 Mikrogramm pro Kubikmeter festgelegt worden, die osteuropäischen Staaten häten gar keine Grenzwerte. In Thessalonikie stünde eine Messstation auf dem Dach einer Uni, in Paris stünden auch die Verkehrsmessstationen weit abseits der Fahrbahn in einem Park hinter zwei Mauern, in Italien würden die Messstationen mit einem Sack erstickt, um die Autoindustrie zu schützen. Kein anderes Land erließe Fahrverbote und führe einen Vernichtungsfeldzug gegen das Auto. Rechtsstreitigkeiten bezüglich der Fahrverbote würden vor den Verwaltungsgerichten nicht symmetrisch geführt, denn die Umweltministerien und Behörden lägen in den Bundesländern meistens in der Hand der SPD oder der Grünen. Die wollen aber heimlich auch die Diesel von der Straße haben und könnten hin und wieder mal ein paar Argumente unter den Tisch fallen lassen.
Nächste Frage: Wie könnte man denn die Klimaziele erreichen?
Antwort: Marktwirtschaft! Allen Technologien die gleichen Chancen einräumen, nichts bevorzugen, nichts benachteiligen. Der Markt regle alles, am Ende gewinne die beste Technologie.
Man wisse noch gar nicht, welche Art der Mobilität im Jahr 2030 führend wäre. Man lege sich heute auf Ziele fest, aber warum lässt man die Ziele nicht offen? Wir wüssten, dass 2100 die Welt untergehen werde, weil wir angeblich nur 1,5 °C erreichen dürfen. Woher wüssten wir das überhaupt? Wir könnten nicht das Wetter von morgen vorhersagen, aber die Temperatur im Jahr 2100?
Debatte: Die Grenzwerte wären lediglich politisch angetrieben. Ein renommierter Lungenfachmann namens Köhler habe dargelegt, dass die Messwerte blanker Unsinn wären und man überhaupt nicht nachweisen könne, dass überhaupt jemand an einer NO2-Vergiftung gestorben wäre. Es stünde schließlich nirgendwo im Totenschein, dass ein Mensch aufgrund der NO2-Belastung aus einem deutschen Auto gestorben wäre. Die FDP müsse der wahren Wissenschaft zur Geltung verhelfen. Wir schlössen ein Pariser Klimaabkommen, mit dem wir unseren Wohlstand beschnitten, aber den angeblcihen Klimawandel nur um wenige Monate verzögerten! Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre betrüge nur 0,00000…1 Prozent, wie könne das Auswirkungen auf die Temperatur haben? Der gesunde Menschenverstand bescheinige doch schon, dass diese winzigen Konzentrationen keinen Einfluss auf das Klima eines Planeten haben könnten! Man müsse bei der FDP den Mut haben, auf Seiten der Wissenschaft immer nachzufragen, immer nachzuhaken! Ein Großteil der Bevölkerung wäre dankbar, wenn endlich jemand der Wissenschaft zu Wahrheit und Recht verhelfe. Lauter Applaus!
Debatte: Wer wäre denn überhaupt den NO2-Konzentrationen ausgesetzt? Man müsse sich ein Jahr lang rund um die Uhr neben der Messstation aufhalten, um die durchschnittliche Jahresbelastung zu erreichen. Anwohner wären nicht belastet, die hätten Fenster, Autofahrer wären nicht belastet, die hätten ebenfalls Fenster und säßen ja schließlich im Auto, Radfahrer könnten woanders langfahren, niemand werde zum Radfahren gezwungen. Für alle Verkehrsmessstellen wäre nicht der Nachweis geführt worden, dass überhaupt irgendein Mensch auch nur ansatzweise von dieser Belastung betroffen würde.
Duwe betont noch einmal, dass er Naturwissenschaftler wäre und bemängelt, dass in der öffentlichen Diskussionen „da draußen“ noch nicht immer sauber und wissenschaftlich argumentiert würde.
Passend dazu, Duwe kommt längst nicht mehr so recht zu Wort, läuft parallel die dazugehörige Debatte zwischen den Zuschauern, in der nicht zwischen NO2, CO2 und Feinstaub differenziert wird. Ein Chefarzt im Ruhestand stellt sich vor und führt das beliebte Beispiel eines Schweißers an, der acht Stunden am Tag ein Leben lang schweißt und am Ende problemlos 90 oder 100 Jahre alt würde. Der dürfe jeden Tag 950 Mikrogramm pro Kubikmeter einatmen, genau wie jeder Bureauarbeiter. Es gäbe keinen Schweißer, der an Lungenkrankheiten gestorben wäre, die stürben eher an einem Arbeitsunfall, wenn ihnen ein Stahlträger auf den Kopf fiele („Das beweisen Sie mal!“, brüllt jemand von hinten).
Ein anderer führt an, Schweißer wären bei der Versicherung immer eine Risikogruppe, eben wegen Lungenkrankheiten. Wiederum ein anderer meint, die Lungenkrankheiten kämen vom Rauchen, denn wer schweiße, rauche auch häufig. Das sage die Statistik, er kenne keinen Schweißer, der an einer NO2-Vergiftung gestorben wäre.
„WAS IST DENN DAS FÜR EIN PALAVER DA VORNE! ICH KANN MIR DEN SCHEIß NICHT MEHR ANHÖREN, ICH GEHE, TSCHÜS!“, steht zwischendurch einer der Debattenteilnehmer auf und verlässt wutentbrannt den Saal. Toller Auftritt!
Jetzt reden ein paar Leute durcheinander, man kann nicht viel verstehen.
Jemand führt an, bei der Debatte um ein Rauchverbot damals hätte auch niemand belegen können, das Rauchen wirklich gefährlich wäre. Zwischenfrage: Wenn sich nicht beweisen lässt, das Rauchen gefährlich wäre, wird das Rauchverbot endlich wieder aufgehoben? Wieder wird durcheinander gesappelt. Andauernd kommt Köhler mit seinen 107 Kollegen als rennomierter Wissenschaftler zu Wort. Mein Lieblingszitat für heute: „Die Menschen wüssten schließlich selbst am besten, ob sie rauchen wollen oder nicht.“
Die Debatte wird noch hitziger, es kommt immer wieder der fehlende Totenschein zu Wort: Niemand könne einen Totenschein vorzeigen, auf dem was von NO2 stünde!
Nach einer ganzen Weile beendet Duwe die Debatte.
Er schließt mit klugen Worten: Man solle nicht alle Argumente einfach ungeprüft übernehmen und alles nachplappern, was andere sagen.