Alles begann mit einem Tweet von @dwachsmu von einer Radfahrt durch das brandenburgische Wandlitz, nördlich von Berlin gelegen, wo sich einige Kraftfahrer ganz tüchtig mit dem Abstand beim Überholen verschätzten. Gleich in der ersten Antwort folgt der offenbar obligatorische Hinweis auf den rechts hinter den parkenden Kraftfahrzeugen gelegenen RAAAADWEEEEG.
Nach einiger Zeit informierte die Brandenburger Polizei darüber, dass es ja „rechts von Ihnen“ einen Radweg gäbe, auf dem @dwachsmu ja hätte fahren können, wenn es ihm auf der Fahrbahn zu ungemütlich würde. Dass es sich dabei lediglich um einen für den Radverkehr freigegebenen Gehweg handelt, auf dem man also mit dem Rad in Schrittgeschwindigkeit fahren darf, fand bei der brandenburgischen Social-Media-Abteilung leider keine hinreichende Würdigung.
Dann mischte sich der Unabhängige in der Polizei e.V. ein, in dem offenbar auch Hamburger Polizeibeamte organisiert sind, und die Sache nahm etwas an Fahrt auf. In die Debatte, um es sich bei um einen Radweg oder einen Gehweg handle, auf dem man überdies auch nur noch mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfe, warf man wortlos einen Screenshot von den Verkehrsschildern ein. Was auch immer das bedeuten sollte. Die Beamten konnten sich offenbar bis heute nicht von der Idee lösen, dass es sich nicht um einen gemeinsamen Fuß- und Radweg handeln könnte.
Munter ging es dann weiter:
- Sicherlich richtig, aber im Sinne der Diskussion nicht Gegenstand der eigentlichen Frage: Auch auf unbeschilderten Radweg könne man mit dem Rad fahren
- Klassiker: Wenn ein Radweg vorhanden ist, könne man den auch nutzen, anstatt sich und andere zu gefährden
- Losgelöst von jeglichen Statistiken und Untersuchungen über Unfälle und Sicherheit im Straßenverkehr geht wieder die Empfehlung raus: Der gesunde Menschenverstand sage aus, dass man auf dem Radweg und nicht auf der Fahrbahn fährt, darum eine generelle Benutzungspflicht auch ohne Zeichen 237 eingeführt werden müsse.
- Wichtige Erkenntnis: Im ADFC sind Fahrradlobbyisten. Das ist eine ganz schön schwere Tatsachenbehauptung, für die sich die Beamten hoffentlich mit hinreichenden Beweisen rückversichert haben, denn nach meiner Kenntnis handelt es sich bei den meisten ADFC-Ortsverbänden eher um harmlose Organisatoren von Radtouren.
- So genannte Fahrradaktivisten würden regelmäßig zum Problem, weil sie auf ihr „vermeintliches Recht“ bestünden. Eingebettet in den Gesamtkontext des Fadens bedeutet das wohl, dass Radfahrer nicht auf dem freigegebenen Gehweg fahren, sondern sich lieber über übergriffige Kraftfahrer auslassen, von denen sie dann auf der Fahrbahn für das vermeintliche Fehlverhalten sanktioniert werden.
- Wer von „automobiler Gewalt“ spricht, verlasse den Boden des sachlichen Gesprächs. Ob das auch im Zusammenhang mit Rennen mit Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr gilt?
- Man dürfe nicht immer auf sein Recht bestehen. Das soll wohl auf die bei der Polizei beliebte Argumentationsgrundlage mit § 1 StVO hindeuten: „Wenn ein Radweg vorhanden ist, ist dieser, (sic!) zu verwenden, anstatt den Kraftverkehr zu behindern.“
- In einem anderen Diskussionsfaden, in dem ein bisschen gegen Fahrradlobbyisten ausgeteilt wird, kommt plötzlich ein seltsamer Spruch, dass Polizeibeamte bei der nächsten Wahl ihre Erfahrungen berücksichtigen werden — keine Ahnung, was das heißen soll. Weil Radfahrer gerne eine Ahndung von übergriffigen Kraftfahrern wünschen, wählen Polizeibeamte die AfD?
Edit: Nun habe ich wohl zu früh den Absenden-Button gedrückt. Auf jeden Fall wundere ich mich angesichts dieser Äußerungen gar nicht mehr über meine Begegnungen mit der Polizei — ganz egal, ob ich mich über mangelhafte Verkehrsführungen für den Radverkehr durch Baustellen beschwere, ob ich als Geschädigter oder als Zeuge bei einem Verkehrsunfall zugange bin, ob ich beim Verkehrsausschuss ins Gespräch mit den Beamten komme oder sie bei einer dieser vielen Verkehrssicherheitsmaßnahmen antreffe: Ich höre mir quasi immer an, ich könne doch auch woanders langfahren und den bestens ausgebauten und breiten Radweg nutzen.
Ich kann mich adhoc nicht daran erinnern, dass wirklich mal jemand ganz klar gesagt hätte: „Nein, das geht nicht, dass der Kraftverkehr Sie dort so sehr bedrängt und anhupt.“ Es kommt immer noch der Ratschlag, ich könne doch auch einen Umweg fahren oder entgegen der Verkehrsregeln auf dem Gehweg pedalieren oder absteigen und überhaupt, wüsste ich denn, wie sich Radfahrer im Straßenverkehr verhalten, das sind die letzten Rowdys!
Tja. Und nach meinen Erfahrungen bei der Verkehrskontrolle Ende August gehe ich den Beamten vielleicht lieber aus dem Weg. Von Freund und Helfer ist bei den Gebaren der so genannten Unabhängigen in der Polizei nichts zu spüren, solange ich kein Auto fahre.