Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen

  • Ich weiß nicht, ob das hier schon mal verlinkt wurde, ist ja schon über ein Jahr alt: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/…uptstrassen.pdf

    Nach der flächendeckenden Ausweisung von Tempo-30-Zonen im Nebennetz wenden nun immer mehr Kommunen Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen an. Gründe sind meist eine höhere Verkehrssicherheit, besserer Lärmschutz, Luftreinhaltung und auch häufig die Förderung von Fuß- und Radverkehr sowie eine höhere Aufenthaltsqualität. Vielerorts bestehen Unsicherheiten über die tatsächlichen Auswirkungen einer Tempo-30-Anordnung. Diese Broschüre stellt die wichtigsten Erkenntnisse aus Messungen der Tempo-30-Wirkungen zusammen.

    Im Folgenden ein paar Zusammenfassungen zu bestimmten Themen.

    Irgendwo gab es hier mal eine Kapazitätsdiskussion. Die Broschüre sagt dazu:

    Und zur Reisedauer und Verkehrsfluss:

    Und zur Luftqualität:

    Zitat

    Fazit zur Luftreinhaltung:

    Tempo 30 reduziert die Luftschadstoffbelastung, wenn es gelingt, die Qualität des Verkehrsflusses

    beizubehalten oder zu verbessern.

  • Da steht nicht, dass der Verkehrsfluss nicht beeinträchtigt wird.

    In der von Chrik verlinkten Studie heißt es: "Für ein zügiges Vorankommen sind die Gestaltung der Kreuzungen und ein möglichst kontinuierlicher Verkehrsfluss weitaus wichtiger als die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Die Qualität des Verkehrsflusses kann indirekt durch geringere Höchstgeschwindigkeiten steigen, weil die geringere Spannweite der gefahrenen Geschwindigkeiten eine bessere Fahrzeugpulkbildung ermöglicht und damit die Nutzung von Grünen Wellen unterstützen kann."

    Und darin liegt meines Erachtens das Hauptproblem bei Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen. Zweifelsfrei ist es angenehmer mit dem Rad oder zu Fuß in einer Hauptverkehrsstraße mit max. Tempo 30. Deshalb begrüße ich auch die Initiativen für Tempo 30 in Hauptverkehrsstraßen ausdrücklich. Aber leider wird bei einer Betrachtung der Auswirkungen immer nur darauf geachtet, ob sich dadurch die Aufnahmekapazität der Straße verringert, was - wie in der vorliegenden Studie - in der Regel verneint wird. Dabei wäre doch genau das wünschenswert. Ein Rückbau der Autoverkehrsinfrastruktur! Doch die Temporeduktion bewirkt möglicherweise das Gegenteil, noch mehr Autos passen auf die Straßen und der Autoverkehr nimmt weiter zu.

    Bezeichnend ist, dass das Thema Geschwindigkeitsbegrenzung offensichtlich immer schon hoch emontional diskutiert wurde: "Die Post an den Bundesverkehrsminister ist starker Tobak. Mütter klagen den Tod ihrer Kinder an, die beim Spielen von Autos überfahren wurden. Andere Briefeschreiber kritisieren den „Massenmord auf Deutschlands Straßen“. Mitte der 50er Jahre herrscht in der Bundesrepublik freie Fahrt für freie Bürger. Es gibt keine Tempolimits. Vor 60 Jahren (1. September 1957) schob ein Bundesgesetz einen ersten Riegel vor. In Ortschaften gilt seitdem Tempo 50.
    Die Heftigkeit der damaligen Debatte stellt die heutigen Diskussionen um Tempo 30 in Innenstädten oder Tempolimits auf Landstraßen und Autobahnen in den Schatten. Doch vom Tisch ist das Thema keineswegs." Sächsische Zeitung omline vom 25.8.2017 http://www.sz-online.de/nachrichten/60…50-3758321.html

    Und unser aller "Überkanzler" Helmut Schmidt kritisierte Tempo 50 innerorts als damaliges Mitglied im Verkehrsausschuss:

    "Noch deutlicher umreißt Müller Hermanns SPD-Kollege Helmut Schmidt die Ursachen der hohen Unfallziffern: "Rümmele sollte sich in erster Linie darum kümmern, daß endlich die Straßen verkehrsgerecht ausgebaut werden." Der Spiegel vom 17.10.1956 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43064362.html Hinweis: Rümmele setzte als stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschuss für Verkehrswesen 1957 das inerörtliche Tempolimit von 50km/h durch.


    Das eine Geschwindigkeitsbegrenzung innerorts den Verkehr zusammenbrechen ließe, behauptet übrigens der ADAC schon seit langem: "Natürlich war der ADAC gegen jegliches Tempolimit, und viele hochrangige Experten waren es auch. Man glaubte, der Verkehr in der Stadt breche zusammen, wenn man generell nur noch 50 fahren dürfe." faz net vom 6.7.2007, http://www.faz.net/aktuell/techni…1460250-p2.html

    Die jetzige Diskussion über Tempo 30 innerorts ist unbedingt im Spiegel der Diskussion Mitte, Ende der 50er-Jahre zu sehen. Dann wird schnell klar, dass es mit den Einwänden gegen eine weitere Geschwindigkeitsreduktion auf Hauptverkehsstraßen nicht so weit her ist. ("Fake news" gab's auch früher schon!)

  • Zweifelsfrei ist es angenehmer mit dem Rad oder zu Fuß in einer Hauptverkehrsstraße mit max. Tempo 30.

    Im Längsverkehr auf jeden Fall.

    Wenn aber die Einführung von Tempo 30 an die Bedingung geknüpft ist, den Durchgangsverkehr auf Hauptstraßen noch mehr zu Lasten der querenden Ortsverkehre zu priorisieren, bin ich dagegen.

    Als Beispiel nehmen wir mal die Kieler Straße in Hamburg. Die ist ja hier im Forum gut dokumentiert. Da ist es egal, ob 30,50, oder 70 gefahren wird. Sogar im Stau ist das lebensfeindliches Gebiet. Queren kann man die nur, wenn der Verkehrsfluss absichtlich durch Ampeln unterbrochen wird.

    Verkehrsfluss ist was für Autobahnen. Innerorts müssen die Prioritäten anders liegen.

    Irgendwie pervers. Weil eine Verkehrsart die Luft verschmutzt, muss sie Vorfahrt haben, damit sie sie wenigstens weniger verschmutzt. ||