Oldenburg: Toter Winkel schuld an tragischem Unfall

  • Toter Winkel schuld an tragischem Unfall

    Hoffentlich gibt’s da noch den eigentlichen Text des Urteils — wie genau dort nun begründet wurde, dass nicht der Lastkraftwagen-Fahrer sondern der Tote Winkel am Unfall schuld ist, interessiert mich ja brennend.

    Ist der Tote Winkel nun sowas wie höhere Gewalt? Und bleibt diese Idee, dass der Tote Winkel schuld ist, auf Lastkraftwagen begrenzt? Auch ein normales Kraftfahrzeug hat einige Tote Winkel, auch der Schulterblick wird eingeschränkt von diversen Säulen im Blickfeld, außerdem kann noch diverses Straßenmobiliar und -begleitgrün sowie parkende Kraftfahrzeuge oder die berühmte tiefstehende Sonne die Sicht beeinflussen. Ist dann tatsächlich nächstes Mal die tiefstehende Sonne schuld? Bislang habe ich die Straßenverkehrs-Ordnung so interpretiert, dass man nur fahren darf, wenn man den Bereich, in den man hineinfährt, auch einsehen kann. Und wenn man diverse Tote Winkel beachten muss, dann darf man trotzdem fahren? Mir ist diese Argumentation zu wirr.

    Schön ist der letzte Absatz des Artikels. Der Lastkraftwagenfahrer ist ja schließlich nicht schuld, also müssen die anderen Verkehrsteilnehmer besser aufpassen. Eine Bitte an die Lastkraftwagenfahrer zu richten, trotz ihrer Toten Winkel vorsichtiger abzubiegen kommt wohl nicht über die Lippen:

    Zitat

    Den Lastwagenfahrer trifft demnach keine Schuld. Er konnte den Radfahrer nicht sehen. Anwalt Hillmann, der die Verkehrsregelung an der Ecke Schützenhofstraße/Bremer Straße „katastrophal“ nannte, appellierte an alle Fahrradfahrer, bei abbiegenden Lastwagen besonders vorsichtig zu sein.

    Mal schauen, ob das noch zur nächsten Instanz weitergereicht wird. Ich hoffe darauf.

  • Klassische Juristenselbstherrlichkeit. Ich mach die Welt, wie sie mir gefällt. Eine eindeutige Rechtslage wird einfach in das Gegenteil umgebogen. Bei Richtern ist das straffrei und keine Rechtsbeugung, wie auch schon der BGH in genau gleicher Manier bestimmte urteilte.

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    Peter Viehrig

    "Glaube ist die Überzeugung, dass etwas wahr ist, weil die Belege zeigen, dass es falsch ist."
    (Andreas Müller)

  • Ich lese den Artikel so, dass der LKW-Fahrer annehmen musste/durfte dass er aufgrund der vielen Spiegel eben keinen toten Winkel habe (sonst bräuchte man die ja nicht?).

    Auch wenn Unwissenheit nicht vor Strafe schützen soll kann ich sowohl das Urteil als auch den Rat an die Radfahrer durchaus nachvollziehen, vermisse allerdings auch den Rat an die LKW-Fahrer.

  • Hi
    das einzige, was an der Verhandlung wohl in Ordnung ist, ist die Äußerung des Anwalts, dass die Verkehrsführung dort katastrophal gefährlich ist.
    Womit er allerdings nicht alles gesagt hat: die Verkehrsführung für Radler ist flächendeckend an vielen Ecken katastrophal gefährlich.

    Man weiß, dass LKW tote Winkel haben, die sie nicht wie PKW durch Schulterblick kompensieren können. Trotzdem führt man Radler so, dass sie genau in diesen Winkel geführt werden.

    Leider steht in dem Artikel recht genau, wo sich vor der Grünphase der LKW befand, aber nicht, wo der Radfahrer war.
    Nach den Kommentaren unter dem Artikel ist dort wohl ein Radfahrstreifen.
    Benutzte der Radler diesen Streifen?
    War er schon vorne an der Haltelinie? Wohl kaum, dann wäre er längst weg gewesen, bevor der LKW abbiegen konnte.
    Wahrscheinlich kam er gerade auf die Ampel zugefahren, als diese grün wurde, und war schneller als die anfahrenden KFZ. Er fuhr auf seinem Radfahrstreifen rechts an der sich bereits bewegenden Kolonne vorbei und war auf Höhe der Ampel wohl neben dem LKW, als dieser rechts abbog und ihn erfasste und tötete.

    Folgerung 1:
    Der LKW-Fahrer hat während der Rotphase nicht auf den rückwärtigen Radverkehr geachtet, obwohl er erkennen musste, dass sich dort ein Radfahrstreifen befand, der Radler dazu einlädt, rechts an der Kolonne vorbeizufahren und er vorhatte, diesen Radfahrstreifen zu kreuzen. Hätte der Fahrer aufmerksam seine Spiegel genutzt, hätte er den nahenden Radfahrer sicherlich erkennen müssen und der Unfall wäre nicht passiert.

    Folgerung 2:
    Der Radler ist sehenden Auges in diese gefährliche Lage gekommen. Rechts an einem anfahrenden LKW vorbei zu fahren, wenn die Möglichkeit besteht, dass dieser rechts abbiegt, ist zumindest für mich ein absolutes no go. Selbst wenn kein Blinker gesetzt ist, weiß man nicht, was der Fahrer vorhat.
    Ich will kein Victim-Blaming betreiben, aber man kann ruhig sagen, dass man sich nicht darauf verlassen sollte,
    dass man gesehen worden ist
    dass jeder VT blinkt, wenn er die Fahrtrichtung wechselt
    dass jeder VT, der blinkt und einen gesehen hat, einem den Vorrang einräumt, den man in der Situation hat.

    Ich fahre bei anfahrenden Kolonnen immer so, dass ich mich in einer Lücke zwischen den Fahrzeugen befinde und den Vordermann nicht rechts überhole. Egal, ob ich auf der Fahrbahn, auf dem Radfahrstreifen oder Radweg fahre. Vertrauen auf die rechtliche Situation kann tödlich enden, wie man hier leider wieder gesehen hat.

    Theoretisch ist es ein Problem des LKW-Fahrers, wie er sicher um die Ecke kommt. Praktisch trifft es den Radler, wenn der LKW-Fahrer Fehler macht.

    bye
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  • Ich lese den Artikel so, dass der LKW-Fahrer annehmen musste/durfte dass er aufgrund der vielen Spiegel eben keinen toten Winkel habe (sonst bräuchte man die ja nicht?).

    Auch wenn Unwissenheit nicht vor Strafe schützen soll kann ich sowohl das Urteil als auch den Rat an die Radfahrer durchaus nachvollziehen, vermisse allerdings auch den Rat an die LKW-Fahrer.

    Ich lese aus dem Urteil, dass dem LKW-Fahrer die Behauptung, er habe den Radfahrer nicht gesehen, nicht widerlegt werden konnte. Ärgerlich ist, dass das Gericht dann von seiner eigenen »Überzeugung« spricht, der Radfahrer sei im toten Winkel gewesen. Wenn die wenigstens gesagt hätten »es kann nicht ausgeschlossen werden, dass« ...

    Die Kreuzung sieht auf Google Maps wirklich katastrophal aus. Die Haltelinie der Radfahrer liegt zwar weiter vorne als die Haltelinie für KfZ, ist aber immer noch eine runde Buslänge von der Verlängerung der Bordsteinkanten der Bremer Straße entfernt. An dieser Haltelinie beginnt aber schon die Rundung der Bordsteinkante. Auf diesem Abschnitt gibt es keine Linien, die den Verkehr irgendwie führen würden. Als nach links wollender Radfahrer würde ich geradlinig bis zur Mitte der Bremer Straße durchfahren und dann erst eine Linkskurve machen. Aber wann beginnt ein Rechtsabbieger, nach rechts zu ziehen? Erst wenn das Führerhaus des LKW auf der Bremer Straße ist? Oder schon vorher, weil ja die Rundung der Bordsteinkante so schön früh beginnt?
    Und wo soll dieser tote Winkel gewesen sein? Hat sich der Fahrer etwa nicht vom ordnungsgemäßen Zustand seines Fahrzeuges überzeugt? Denn er war ja der Meinung, keinen toten Winkel zu haben!

  • Ich hole diesen alten Thread nochmal hoch, da mir eine schöne Illustration begegnet ist, die gut illustriert, dass ein moderner LKW keinen Toten Winkel hat (haben soll).

    Dann darf man ja in Zukunft die Polizei, falls sie mal wieder gegenüber Radfahrern und Fußgängern in den Medien vom »toten Winkel« schwadroniert, auf ihr eigenes Material verweisen.

  • Wie ist das bei Bussen? Hier der VRS fährt die Aufkleber von wegen totem Winkel am Heck spazieren. Die Spiegel scheinen auch deutlich weniger zu sein als an einem LKW. Und bei Gelenkbussen hört der Spaß sicher auch auf.

    bye
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