Woche 21 vom 20. bis 26. Mai 2024

  • In den Niederlanden genauso – ich glaube, Deutschland ist das einzige Land, wo man glaubt, außerorts explizit Gehwege ausweisen zu müssen. Anderswo darf man außerorts einfach auf dem Radweg laufen (dabei NICHT im Weg rumstehen!) und dann hat sich das.

    Dem Fußverkehr oberste Priorität einzuräumen, noch vor dem Fahrradverkehr halte ich für richtig. Immerhin führt das faktisch in Deutschland dazu, dass bei schmalen Fußwegen außerorts nicht einfach ein Radwegschild dran gehängt wird und dann ist es ein Fahrradweg. Sondern dass ein Fußwegschild plus Radfahrer frei ausgeschildert wird. Dann kann der Fahrradverkehr ganz legal die Fahrbahn benutzen. Gilt denn in Dänemark die Fahrradwegbenutzungspflicht?

  • man bedenke, wie viele Autofahrer nichtmal verstehen, dass ein dickes rotes Band, dass ihren Weg quert Vorrang haben könnte.

    Woher leitest du ab, dass das rote Band Vorrang hat? Das Einordnen auf der Rechtsabbiegerspur über einen Radfahrstreifen in Mittellage ist aus meiner Sicht ein Fahrstreifenwechsel, bei dem §7 (5) zu beachten ist. Daraus begründet sich eine besondere Sorgfaltspflicht desjenigen, der die Spur wechselt, aber kein Vorrecht desjenigen, der geradeaus fährt.

    Zitat

    (5) In allen Fällen darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Jeder Fahrstreifenwechsel ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen.

    Schon sind wir wieder bei Vorteil 2 der Kombispur, denn für Radfahrer gilt gleichzeitig eine besondere Sorgfaltspflicht aufgrund §10 ("...von einem anderen Straßenteil auf die Fahrbahn einfahren") -> Niemand hat Vorrang, beide müssen aufpassen :)

  • Schon sind wir wieder bei Vorteil 2 der Kombispur, denn für Radfahrer gilt gleichzeitig eine besondere Sorgfaltspflicht aufgrund §10 ("...von einem anderen Straßenteil auf die Fahrbahn einfahren") -> Niemand hat Vorrang, beide müssen aufpassen :)

    "Niemand hat Vorrang" heißt in der Praxis, die Autos haben Vorrang – denn für die besteht ja keine Gefahr.

  • Dem Fußverkehr oberste Priorität einzuräumen, noch vor dem Fahrradverkehr halte ich für richtig.

    Außerorts ist Fußverkehr praktisch bedeutungslos – deswegen den Radverkehr übermäßig zu behindern oder völlig auszuschließen ist insofern unverhältnismäßig. Man kann von einem Radfahrer erwarten, dass er einen Fußgänger nicht übermäht – man kann aber von ihm nicht erwarten, kilometerweit Schrittgeschwindigkeit zu fahren, falls da doch jemand aus dem Gebüsch gesprungen kommt.

  • Ich halte das für keine gute Radverkehrsführung, wenn der Radverkehr zum Linksabbiegen über zwei Geradausspuren fahren soll.

    keine Sorge. Im Li-la-Laune-Land des sicheren Radverkehrs in Dänemark ist es nicht vorgesehen, dass der Radverkehr direkt links abbiegt. Es ist völlig sicher stets indirekt links abzubiegen... :rolleyes:

  • in Dänemark ist es nicht vorgesehen, dass der Radverkehr direkt links abbiegt

    Das ist wohl nirgends vorgesehen, wo es separierte Radverkehrsführungen gibt, oder? Unabhängig von der Frage, ob direktes Linksabbiegen dennoch erlaubt ist.

  • Von "Radverkehr in Skandinavien" zu reden ist schon komplett unseriös.

    Es ist auch unseriös, davon zu reden, dass der Radverkehr in Skandinavien irgendwie spürbar sicherer wäre als in Deutschland, und dass wir uns deswegen ein Vorbild an diesen Ländern nehmen müssten.

    Dänemark hat wahrscheinlich eine einigermaßen zuverlässige Zählung der Verkehrstoten. Bei den Verletzten scheint es aber reine Glücksache zu sein, dass ein Unfall mal in der amtlichen Statistik landet. In D lag das Verhältnis [Tote : Schwerverletzte : Leichtverletzte] in 2022 bei ca. 1 : 35 : 182. In DK betrug es rund 1 : 21 : 11 (sic!). Mit so einer gewaltigen Untererfassung ist jede Schlussfolgerung über das Niveau der dänischen Verkehrssicherheit mit Sicherheit grob irreführend.

    Was die notorischen Rechtsabbiegeunfälle anbetrifft, so kam DK zuletzt 2022 auf 2 Todesopfer. Klingt wenig, ist aber bei etwa gleicher Pro-Kopf-Radfahrleistung und 1/14 der deutschen Bevölkerung mit hochgerechnet 28 immer noch mehr als in D, wo es 2022 19 solcher Todesfälle gab.

  • Das ist wohl nirgends vorgesehen, wo es separierte Radverkehrsführungen gibt, oder? Unabhängig von der Frage, ob direktes Linksabbiegen dennoch erlaubt ist.

    Das Verbot des direkten Linksabbiegens gilt in DK aber auch und besonders für Straßen ohne Radweg.

  • Außerorts ist Fußverkehr praktisch bedeutungslos – deswegen den Radverkehr übermäßig zu behindern oder völlig auszuschließen ist insofern unverhältnismäßig. Man kann von einem Radfahrer erwarten, dass er einen Fußgänger nicht übermäht – man kann aber von ihm nicht erwarten, kilometerweit Schrittgeschwindigkeit zu fahren, falls da doch jemand aus dem Gebüsch gesprungen kommt.

    Was bedeutet in so einem Fall Schrittgeschwindigkeit? Wenn kein Fußgänger in der Nähe ist und das auch klar zu sehen ist, dann fahre ich mit dem Fahrrad sagen wir mal "leicht erhöhte Schrittgeschwindigkeit". Solange ich keinen Fußgänger dabei gefährde, weil es mangels Masse nicht möglich ist, wer sollte da auf die Idee kommen, mit der Radar-Pistole nachzumessen, ob ich 5 bis 7 oder 10 oder 15 km/h fahre?

    Und wer gerne schneller fährt und es aus eigener Kraft kann, oder weil er einen Unterstützermotor hat, der benutzt die Fahrbahn. Darf er auch, weil auf dem Fußweg, der mit Radverkehrsfreigabe ausgeschildert ist, muss er nicht fahren.

    Und wenn der Weg ausreichend breit ist, dann wird eben damit ausgeschildert: [Zeichen 240]Da muss dann auch nicht Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Blöd nur, dass manchmal auch zu schmale und dafür ungeeignete Wege mit [Zeichen 240] ausgeschildert sind.

  • Ich kenne das dänische Verkehrsrecht nicht, aber wie soll man denn ohne "Radweg" zwingend indirekt links abbiegen?

    So wie in der deutschen StVO beschrieben: geradeaus über die Kreuzung, am gegenüberliegenden Fahrbahnrand (aber noch auf der Fahrbahn) das Fahrrad im rechten Winkel auf der Stelle umsetzen und, wenn auf der bisher benutzten Straße von links und rechts nichts mehr kommt, weiterfahren. Das Abbiegen über zwei Radverkehrsführungen ist zwar umständlich, aber nicht im Sinne des Erfinders "indirekt".


    indirektes-linksabbiegen.png

  • Klingt wenig, ist aber bei etwa gleicher Pro-Kopf-Radfahrleistung und 1/14 der deutschen Bevölkerung […]

    Jo, den Teil vergisst man immer: Das Land ist im Vergleich zu Deutschland und selbst zu den Niederlanden winzig. Und das schlägt sich massiv auf die Jahresfahrleistung nieder: In DE addiert sich das auf ungefähr 42 Mrd. km, in NL auf 16 Mrd. km, in DK dagegen nur spärliche 3 Mrd. km.

  • Auf dem Papier: 7 km/h Höchgeschwindigkeit, auch bei (wie in deinem Beispiel) zweifelsfrei erkennbar völliger Abwesenheit von Fußgängern. Macht in der Praxis natürlich kein Schwein.

    Die Frage ist halt, ob sich der Gesetzgeber dass genau so gedacht hat. Im Falle das Fußgänger zugegen sind soll auf jeden Fall für den Fahrradverkehr auf den dafür freigegebenen Gehwegen Schrittgeschwindigkeit gelten. Im Falle dass keine Fußgänger in der Nähe ist, ist es eh wurscht. Und die meisten Fahrradfahrer fahren eh nicht so schnell, außer vielleicht bergab.

    Würde im Gesetz das Schrittgeschwindigkeitsgebot anders formuliert sein, dann bestünde die Gefahr, dass der bestmögliche Fußgängerschutz verwässert würde.

  • Die Frage ist halt, ob sich der Gesetzgeber dass genau so gedacht hat.

    Hat er. Die Einschränkung auf „kategorisch Schrittgeschwindigkeit“ war mit der Schilderwaldnovelle 2009 zwar aufgehoben worden, aber die zur Rettung der mit der Novelle für ungültig erklärten antiken Prä-1992-Schilder im Bestand vom Verkehrsministerium erfundene „geniale“ Lösung mit der angeblichen Nichtigkeit wegen eines banalen Zitierfehlers machte 2012 den Neuerlass der kompletten StVO notwendig. Darin wurde -wohl auf ausdrücklichen Wunsch der Länder im Bundesrat- die Rückkehr zur bis 2009 geltenden kategorischen Schrittgeschwindigkeit verordnet.

  • Danke für die Erläuterungen Th(oma)s Es gab also 2009 eine Novelle des StVO, die Schilderwaldnovelle genannt wurde und die zum Ziel hatte, die Anzahl von Verkehrsschildern zu reduzieren. Diese Kombi [Zeichen 239]+[Zusatzzeichen 1022-10] gab es allerdings schon vor 2009:

    Fotografiert in Marienwerder: https://www.google.com/maps/@52.40564…i8192?entry=ttu

    Vor 2009 galt also auf diesem Fußweg in Marienwerder Schrittgeschwindigkeit für den Fahrradverkehr, der auf diesem Fußweg zugelassen ist. Ab 2009 durfte dann schneller gefahren werden als Schrittgeschwindigkeit, weil bei der "Schilderwaldnovelle 2009" darauf verzichtet wurde, im Fall dieser Beschilderung auf dem Foto Schrittgeschwindigkeit für den Fahrradverkehr vorzuschreiben.

    Wegen eines "Zitierfehlers" wird 2012/2013 die StVO erneut geändert. Ab 2013 gilt dann wieder (auch auf dem fotografierten Fußweg in Marienwerder):

    "Ist durch Zusatzzeichen die Benutzung eines Gehwegs für eine andere Verkehrsart erlaubt, muss diese auf den Fußgängerverkehr Rücksicht nehmen. Der Fußgängerverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Fahrverkehr warten; er darf nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren." Und das gilt nicht nur für den Fahrradverkehr, sondern zum Beispiel auch für Lieferverkehr, für den es ja in vielen Fußgängerzonen ein Zusatzzeichen gibt, das den Lieferverkehr zu bestimmten Uhrzeiten zulässt. (Geregelt ist das in Anlage 2 laufende Nummer 18 StVO.)

    Das liest sich doch alles sehr vernünftig. Der Schutz des Fußverkehrs ist gewährleistet. Nicht nur der Schutz vor schnell fahrenden Fahrradfahrer*innen, sondern auch der Schutz vor schnell fahrenden Lieferfahrzeugen. Beide Verkehre, Fahrradverkehr und Lieferverkehr, dürfen (insoweit dort zugelassen) höchstens mit Schrittgeschwindigkeit in Fußgängerbereichen fahren.

    Hier der Link zu einer streetview-Aufnahme von August 2023 mit dem immer noch alten und trotzdem noch gültigen Fußwegschild in Marienwerder mit dem Zusatz [Zusatzzeichen 1022-10]:

    Google Maps
    Find local businesses, view maps and get driving directions in Google Maps.
    www.google.com
  • tödlicher Unfall hier um die Ecke:

    Radfahrer stirbt nach Unfall auf Brauhauskreuzung in Saalfeld
    Experten der Polizei und Gutachter ermitteln zum genauen Unfallhergang. Was bisher zu dem Zusammenstoß mit einem Lkw bekannt ist.
    www.otz.de

    (Fahrrad = Symbolbild!)

    laut Beschreibung muss es diese Kreuzung gewesen sein:

    GoogleMaps

    Radfahrer fährt von links nach rechts, LKW in Blickrichtung, möchte nach rechts abbiegen.

    Laut Artikel fuhr der Radfahrer (61) auf der B85. Ob hier wirklich gemeint ist, dass er auf der Fahrbahn fuhr? Ich kann es mir nicht vorstellen. unabhängig von der Frage, auf welcher Teilfläche er nun unterwegs war:

    Dienstag um 09:30 ist die LSA an der Kreuzung nicht deaktiviert... :/

    hm. klingt fast nach Rotlichtverstoß

  • Danke für den archive-Link. "Die Brauhauskreuzung gilt als Unfallschwerpunkt". Im Destatis Unfallatlas ist nur ein einziger Unfall dort eingetragen, das war 2019, und außer "Fahrrad" waren daran keine anderen Verkehrsarten beteiligt. Was nicht so alles in der Zeitung als Unfallschwerpunkt "gilt".:evil: