Wahlrechtsreform: Ene mene muh und raus ist die CSU

  • "CSU-Parteichef Markus Söder sieht mit dem Entwurf der Ampelkoalition zu einem neuen Bundeswahlrecht sogar die Existenz seiner Partei infrage gestellt. Der Entwurf, der am Freitag vom Bundestag beschlossen werden soll, sei "ein dicker Hund", sagte er in München. Söder kündigte an, im Zweifel dagegen klagen zu wollen." :)

    tagesschau vom 15.3.23

    Regierungsmehrheit für Wahlrechtsreform am Freitag steht
    So wie es aussieht, kann die Ampelkoalition die Reform des Wahlrechts ohne die Opposition verabschieden. Bei internen Abstimmungen in den Fraktionen wurde der…
    www.tagesschau.de

    Sollte es der Ampelkoalition tatsächlich gelingen, Schröders Befürchtungen Wahrheit werden zu lassen, dann würde ich ihr einiges andere verzeihen. :*

  • Bei der letzten Wahl CSU 5,2%, ja, da kann schon mal der Angstschweiß ausbrechen ...

    Da kann man sich dann ja mit der Linken zusammentun und klagen.

    Wenn das leider, leider fehlschlägt, müssen die sich überlegen:

    - mit der CDU fusionieren und darin untergehen

    - sich bundesweit ausdehnen und, nachdem die CDU das auch tat, bundesweit untergehen ...

    Kann spannend werden ... ;)

    Ansonsten wundere ich mich aber auch, dass das mit der Grundmandatsklausel abgeschafft werden soll ...

  • CSU = Christlich Soziale Union; Linke ist laut Wikipedia eine "linke, demokratisch-sozialistische Partei in Deutschland.". Das passt doch wie Faust auf's Auge.

    Die beiden Parteien sollten fusionieren!

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Anstatt mit dem Festhalten an der Grundmandatsklausel könnte man der CSU in der Form entgegenkommen, dass man sie genauso, wie die Parteien von nationalen Minderheiten (Dänen, Friesen, Sorben, Sinti und Roma) behandelt. Die CSU könnte man als die Partei der nationalen Minderheit der Bayern einstufen. Und dann verfügen, dass für die CSU die 5% Sperrklausel nicht gilt.

    Dass für die Parteien der genannten nationalen Minderheiten die Sperrklausel nicht gilt, war mir gar nicht so recht bewusst. Bekannt war mir nur der Südschleswigsche Wählerverband als Partei der dänischen Minderheit. Und ich dachte, das gilt nur für das Landesparlament in Schleswig-Holstein. Tatsächlich gibt es aber auch einen Bundestagsabgeordneten des Südschleswigschen Wählerverbandes.

    Konsequenterweise müssten dann natürlich auch neben der Bayernpartei (CSU) auch einer Hessenpartei und einer Niedersachsenpartei und einer Saarlandspartei usw. dieselben Sonderrechte zugestanden werden. :/

  • Nein, Bayern sind keine nationale Minderheit im Sinne des Rahmenabkommens des Europarats, das sind nur Dänen, Sorben, Friesen und Roma.

    Dann muss man wohl von einem eklatanten Missbrauch der Grundmandatsklausel durch die Unionsparteien sprechen, insbesondere durch die CSU.

    Die bemüht sich auf Bundesebene stets alleine nur darum, das Maximum für Bayern herauszuholen. Und in Bayern tut sie so, als sei sie die einzig wählbare Partei in Bayern, weil nur die CSU garantieren kann, dass sie sich tatsächlich für Bayern einsetzt, während alle anderen Parteien angeblich lediglich Befehlsempfängerinnen der jeweiligen Parteispitzen auf Bundesebene seien, die angeblich allesamt darauf abzielen, Bayern schweren Schaden zuzufügen.

    Da kann man ja nur froh sein, dass in anderen Bundesländern und Partei-Konglomerationen nicht ebenfalls vergleichbare Konstrukte entstanden sind. Denn dann hätten wir einen Bundestag, der sich zusammensetzte aus Landesparteien, die nicht darum wetteifern politische Ideen zu verwirklichen, sondern einfach nur ganz platt die Interessen ihres Bundeslandes als oberstes politische Ideal betrachten.

    Eine Bayern-SPD gäbe es möglicherweise nicht, denn die SPD hat ja in Bayern nicht in einem einzigen Wahlkreis ein Direktmandat bei der Bundestagswahl gewonnen. Aber in den meisten anderen Bundesländern reichte es bei CDU und SPD aus, um die 3 Direktmandate zu erwerben, die dann für die Grundmandatsklausel zählen und die Partei auch dann ins Parlament hieven, wenn sie unter 5% bundesweit liegt.

    Es ist ja auch nicht so, dass die CSU die Partei wäre, die am Grundmandat unverrückbar festhalten will. Vielmehr will die CSU, dass 3 Direktmandate nicht ausreichen für die Grundmandatsklausel. Deshalb ist es sowas von "obersaumäßig" scheinheilig, jetzt den Eindruck zu erwecken, man ziehe mit der Linken an einem Strick, um das Grundmandat zu retten.

    Würde zum Beispiel die Zahl der Direktmandate für die Grundmandatsklausel auf 10 erhöht werden, dann wäre die CSU auch dann im Bundestags vertreten, wenn sie unter 5% Zweitstimmen bundesweit kommt. Die Linke jedoch würde es vermutlich nicht schaffen, auf 10 gewählte Direktkandidaten zu kommen. Deshalb macht sich die CSU in Wirklichkeit gar nicht dafür stark, die jetzige Grundmandatsklausel zu retten. Vielmehr wäre es ihr lieb, die Hürde auf 5 oder 10 gewählte Direktabgeordnete zu erhöhen.

    Und was die Chancengleichheit angeht: In einem kleinen Land wie Bremen könnte keine Partei solchen fiesen Tricksereien veranstalten wie die CSU. Die haben ohnehin nur 2 direkt gewählte Abgeordnete. Und in den anderen Ländern gibt es keine Parteien, die solche fiesen Tricksereien veranstalten und damit die Demokratie aushebeln.

    Die Abschaffung des Grundmandates ist die hoffentlich erfolgreiche Konsequenz daraus, dass die CSU seit Jahrzehnten damit einen eklatanten Schindluder treibt.

    2 Mal editiert, zuletzt von Ullie (17. März 2023 um 00:38)

  • Ich halte Direktmandate für undemokratisch, weil sie die Bevölkerung nicht repräsentieren. Angenommen sechs Kandidaten (AfD, CDU, FDP, Grüne, Linke, SPD) stellen sich zu Wahl, alle kommen etwa auf dasselbe Ergebnis. 100%/6 = 16.7%. Dann kann halt schonmal ein SPD-Kandidat mit 20% gewinnen. Die Stimmen für die anderen 80% sind damit wertlos. Und die anderen 80% könnten sich im Leben nicht vorstellen, die SPD zu wählen, aber den Sitz im Parlament hätte deren Kandidat trotzdem, obwohl ihn 80% nicht wollten. Davon abgesehen... welcher Wähler kennt überhaupt seine Direktkandidaten? Der Grüne aus Eimsbüttel fällt mir spontan noch ein, aber auf die anderen wäre ich nicht gekommen.

    Wenn man hingegend die Wahlkreisstimme (Erst-Stimme) nutzt, um die Reihenfolge der Kandidaten innerhalb einer Partei festzulegen, sind das keine verschenkten Stimmen, sondern dann machen sie wieder SInn. Dann könnte ich z. B. meine Hauptstimme (Zweit-Stimme) der AfD geben, weil die meine Meinung gut vertreten, aber dem Herrn Wissing (so er in meinem Wahlkreis wäre) der FDP würde ich die Wahlkreis-Stimme geben, weil der echt nen super Job macht, auch wenn FDP ansonsten doof ist.

    Vielleicht könnte man als Kompromiss die 5%-Hürde auf 4% absenken? Dann wären FDP, Linke und CSU recht sicher drin. Oder man ändert das System dahingehend, dass man "sonstige" vor der Berechnung der Hürde abzieht. Dann hätten die Linken bei der letzten Wahl 4.9 / (100 - 8.7) * 100 = 5.4% bekommen und wären ohne Grundmandate drin.

    Parteilose Kandidaten würde ich gar nicht erst zulassen. Erstens sind die nicht relevant, zweitens verkomplizieren die das System.

    Zur CSU nochmal: Würden die, anstatt formal mit der CDU zu verschmelzen, aufgrund ihrer Hybris aus dem Bundestag fliegen, würde ich das sehr begrüßen.

    Ähnliches gilt für die ganzen anderen Splitterparteien auch. Die sollen sich zu ausreichend großen Parteien zusammenschließen und das Spektrum parteiintern repräsentieren.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Gerhardt, wenn man so liest, was Du mit deiner Erst- und Zweitstimme machst (AfD & FDP), bin plötzlich schwer für Direktmandate.

    Eigentlich fände ich es besser, es wäre so wie bei unserer Landtagswahl (Bayern), Verhältniswahlrecht. Da sind Stimmkreis und Wahlkreis so aufgeteilt, das es keine Überhangmandate geben kann. Sind 180 Plätze, dabei bleibt es.

  • Gerhardt, wenn man so liest, was Du mit deiner Erst- und Zweitstimme machst (AfD & FDP), bin plötzlich schwer für Direktmandate.

    Dein Ironiedetektor scheint defekt zu sein.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Der Bundestag hat die Reform gegen die Stimmen der Opposition (AfD enthielt sich) beschlossen.

    Aus der Union kam der in der Vergangenheit der Vorschlag, 15 Überhangmandate nicht auszugleichen. Aber nun nennt man das beschlossene Gesetz einen "Akt der Respektlosigkeit gegenüber den Wählerinnen und Wählern und gegenüber der Demokratie an sich" und "Verfassungswidrig".

    Ich hoffe die haben ihre Klagen schon vorbereitet und dass das ganze schnell vom BVerfG geklärt wird.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Leider haben die "Schwatten" schon angedroht, erst einmal nach Karlsruhe zu gehen, bei Ablehnung bei nächster Gelegenheit dieses Wahlgesetz wieder zurückdrehen, wie sie es schon 2009 mit dem Atomausstieg der Rot/Grünen getan haben.

  • bei Ablehnung bei nächster Gelegenheit dieses Wahlgesetz wieder zurückdrehen

    Ich hoffe doch, dass sich das noch lange rauszögert. Aber dafür müsste die SPD (oder die Grünen) bei den nächsten Wahlen mal jemanden aufstellen, der/die beliebt ist und keine Scholze oder Politikneulinge.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.

  • Aus der Union kam der in der Vergangenheit der Vorschlag, 15 Überhangmandate nicht auszugleichen. Aber nun nennt man das beschlossene Gesetz einen "Akt der Respektlosigkeit gegenüber den Wählerinnen und Wählern und gegenüber der Demokratie an sich" und "Verfassungswidrig".

    Bei der letzten Bundestagswahl (2021) war auf der CSU-Landesliste Michael Kufffer auf Platz 11, also ein Listenplatz ziemlich weit vorne.

    https://www.csu.de/common/download/Ergebnisliste_2021.pdf

    In den Bundestag gewählt wurde er trotzdem nicht, weil er sein Direktmandat nicht gewinnen konnte und bei der CSU die Liste keine Rolle spielte, es waren einfach zu viele Direktkandidaten erfolgreich. Michael Kuffer allerdings scheiterte in Wahlkreis 219 (München Süd). Obwohl er auf dem 11. Platz der Landesliste stand und die CSU insgesamt 45 Abgeordnete in den Bundestag entsenden konnte. In den Bundestag ist Kuffer trotzdem nicht eingezogen.

    bundestagswahl-2021

    Michael Kuffer war nicht dabei.

    tz.de vom 24.9.21

    Letztlich auch eine Art Respektlosigkeit gegenüber dem Wähler. Wer als Wähler darauf vertraut, dass die besten Leute einer Partei auf den vorderen Listenplätzen stehen und deshalb bei ausreichend Zweitstimmen ins Parlament einziehen, der sollte besser nicht CSU wählen.

  • Ich halte Direktmandate für undemokratisch, weil sie die Bevölkerung nicht repräsentieren. Angenommen sechs Kandidaten (AfD, CDU, FDP, Grüne, Linke, SPD) stellen sich zu Wahl, alle kommen etwa auf dasselbe Ergebnis. 100%/6 = 16.7%. Dann kann halt schonmal ein SPD-Kandidat mit 20% gewinnen. Die Stimmen für die anderen 80% sind damit wertlos. Und die anderen 80% könnten sich im Leben nicht vorstellen, die SPD zu wählen, aber den Sitz im Parlament hätte deren Kandidat trotzdem, obwohl ihn 80% nicht wollten. Davon abgesehen... welcher Wähler kennt überhaupt seine Direktkandidaten? Der Grüne aus Eimsbüttel fällt mir spontan noch ein, aber auf die anderen wäre ich nicht gekommen.

    Dieses Problem wäre allerdings nicht unlösbar. Man könnte nämlich Nachwahlen in all jenen Wahlkreisen veranstalten, in denen der Wahlkreis-"Gewinner" weniger als 50 % der Stimmen erhalten hatte.

    Dann müsste zum Beispiel 14 Tage nach der eigentlichen Wahl in den entsprechenden Wahlkreisen eine Nachwahl stattfinden und erst wenn diese Nachwahl-Ergebnisse feststünden, könnte die endgültige Sitzverteilung ermittelt werden.

    Kannst ja mal schauen, wie sich das in deinem Wahlkreis gestalten würde.

    In den insgesamt 4 Bundestag-Wahlkreisen in Hannover Stadt und Land hätte in allen Wahlkreisen eine Nachwahl stattfinden müssen.

    Wenn man annimmt, dass bei einer Nachwahl der SPD-Kandidat*innen von den Grünen-Wählern unterstützt worden wäre, hätte zum Beispiel im Wahlkreis Hannover-Land I die SPD-Kandidatin keine absolute Mehrheit erzielt. Aber vielleicht hätten die Linken ja auch die SPD-Kandidatin bei einer Nachwahl gewählt, dann hätte es für die SPD-Kandidatin gerade eben so gereicht.

    Probiere es doch mal für deinen Wahlkreis durch. Mit dieser interaktiven Karte auf der Internetseite des Deutschen Bundestages gelingt das recht gut:

    Ich vermute, dass bei einer entsprechenden Wahlrechtsreform (Nachwahlen in den Wahlkreisen, in denen der Sieger unter 50 % liegt) es nicht zur Verteilung von Überhangmandaten und Ausgleichs-Mandaten gekommen wäre. Allerdings ist das reine Vermutung und mit Gewissheit wird das niemand sagen können.

    In Bayern hätte vermutlich trotzdem die CSU vielerorts die Nase vorne gehabt, weil dort die Freien Wähler der CSU bei den sogenannten "Erststimmen" Prozente abgejagt hatten. Die FW-Wähler hätten dann bei einer Nachwahl vermutlich für die CSU gestimmt.

    Bundestagswahl - Ergebnisse in der Grafikansicht für Gesamtbayern

  • Ich hoffe doch, dass sich das noch lange rauszögert. Aber dafür müsste die SPD (oder die Grünen) bei den nächsten Wahlen mal jemanden aufstellen, der/die beliebt ist und keine Scholze oder Politikneulinge.

    Mein Eindruck ist: Scholz ist sehr viel beliebter beim Wahlvolk, als das von den Medien vielfach behauptet wird.

    Und es war in der Tat überraschend, dass er es bei der Bundestagswahl geschafft hatte, ein SPD-Ergebnis zu erzielen, das eine Regierungsübernahme ermöglichte.

    Welcher Kandidat aus dem Kreis der SPD wäre denn besser geeignet? Die SPD arbeitet mit doppeltem Boden. Scholz spielt nur den Zauderer bei der Waffenhilfe für die Ukraine, um sich beim SPD-Wahlvolk beliebt zu machen. Scholz' Zaudern kreiden ihm viele Medien an. Vielen Wählern in Deutschland aber ist Scholz' scheinbare Zurückhaltung im Ukrainekrieg sehr recht.

    Und noch ein Verdacht hinsichtlich der SPD drängt sich auf:
    Bei der Wahlrechtsreform geht es ihr gar nicht wirklich darum, die Grundmandatsklausel abzuschaffen, sondern diese so zu verändern, dass die Linke nicht mehr in den Bundestag käme. Hätte die CSU nämlich Erfolg mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht, könnte dabei eine Regelung herauskommen, dass zukünftig 15 Grundmandate zur Anwendung der Grundmandatsklausel nötig werden.

    Für die CSU kein Problem, für die Linke das Aus. Das würde auch der SPD und der FDP gefallen, ich fürchte auch den Grünen.

    Siehe auch: taz vom 14.3.2023:

    Pläne zur Wahlrechtsreform: Ampel spielt gefährliches Roulette
    Klagen gegen die Abschaffung der Grundmandatsklausel könnten durchaus Erfolg haben. Vermutlich würden sie aber eher der CSU nutzen als der Linken.
    taz.de

    "Es ist nur schwer vorstellbar, dass das Gericht eine Regelung akzeptiert, bei der die CSU in Bayern zwar in 45 Wahlkreisen die meisten Stimmen holt, am Ende aber kei­ne:n einzigen Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te:n erhält, weil sie bundesweit nur 4,9 Prozent der Stimmen erhielt. Um das zu verhindern, könnte Karlsruhe eine Grundmandatsklausel als notwendiges Korrektiv für die wahlverzerrende Fünfprozenthürde vorschreiben – zwar sicher nicht ab 3 Direktmandaten, aber zum Beispiel ab 15 gewonnenen Wahlkreisen. Klagen könnten also eher der CSU nutzen als der Linken."

    2 Mal editiert, zuletzt von Ullie (18. März 2023 um 10:26) aus folgendem Grund: Ergänzung zweiter Teil

  • "Wahlrechtsreform: Ene mene muh und raus ist die CSU" So ist es also nun nicht gekommen:

    Verfassungsgericht kippt Wahlrechtsreform der Ampel – diese zwei Parteien können jetzt aufatmen
    Die Wahlrechtsreform der Ampelkoalition ist umstritten – so sehr, dass das Bundesverfassungsgericht darüber urteilen muss. Was Sie zur Entscheidung wissen…
    www.t-online.de

    Aber ein bisschen draußen ist sie schon, die CSU:

    "Laut der Entscheidung vom Dienstag beanstandete das Gericht nicht, die Regelung zu Überhang- und Ausgleichsmandaten zu streichen, die den aktuellen Bundestag auf 733 Sitze aufgebläht haben. Anders sieht das bei der Fünfprozenthürde in Kombination mit der geplanten Abschaffung der sogenannten Grundmandatsklausel aus, die das Gericht als verfassungswidrig einstuft."

    Das heißt, es kann sein, dass ein CSU-Kandidat in einem bestimmten Wahlkreis die Direktwahl-Stimme gewinnt, aber er kann trotzdem nicht in den Bundestag einziehen, weil bei der Verteilung der Sitze entsprechend dem Ergebnis der Verhältniswahl-Stimmen nicht genug Sitze von der CSU gewonnen wurden.

    Ich finde das Urteil sehr gut! Es ist absehbar, dass jetzt dran herumgemäkelt wird. Und gewiss werden manche Kommentatoren versucht sein, von der hervorragenden Bedeutung der "Erststimme" zu reden. Aber das ist meines Erachtens kompletter Zufall, dass die Erststimme so heißt. Das Kreuzchen für die Erststimme macht man halt links und das für die Zweitstimme rechts davon auf dem Wahlzettel.

    Genauso gut hätte man von Kringel-Links-Stimme und Kringel-Rechts-Stimme sprechen können, das hätte sich aber vielleicht ein bisschen umständlich angehört und außerdem waren die Begriffe "Links" und "Rechts" in der Politiker-Sprache bereits vergeben.

    Eigentlich müsste die Erststimme richtig "Direktwahl-Stimme" heißen. Und die Zweitstimme müsste Verhältniswahl-Stimme heißen! Und da kommt es schließlich darauf an, dass das Verhältnis der Wählerstimmen sich im Parlament widerspiegelt.

    In diesem Zusammenhang ist diese Aussage in dem Urteil interessant:

    "Die Fünfprozentsperrklausel sei "in ihrer geltenden Form mit dem Grundgesetz nicht vereinbar", hieß es nun in dem Urteil. Sie beeinträchtige den Grundsatz der Wahlgleichheit. Bis zu einer Neuregelung gelte die Grundmandatsklausel weiter, ordnete das Gericht an. Das ist vor allem für die im September 2025 geplante Bundestagswahl relevant: Gelingt es dem Gesetzgeber nicht, die Sperrklausel bis dahin etwa auf drei Prozent zu senken, und die Fünfprozenthürde besteht weiterhin, gilt für diese Wahl immer noch die Grundmandatsklausel."

    Bisher gilt und nach dem neuen BVG-Urteil gilt das jetzt erst mal auch weiter, dass es genügt, wenn eine Partei in drei Wahlkreisen die Direktwahlstimmen-Mehrheit erringt, dann ist sie entsprechend dem Ergebnis der Verhältniswahl-Stimmen im Parlament vertreten. Das BVG fordert jedoch eine Neuregelung in dem Sinne, dass unabhängig von den Wahlkreisen mit gewonnenem Direkt-Wahlergebnis anstatt einer 5%-Hürde zukünftig eine 3%-Hürde ausschlaggebend dafür sein soll, ob eine Partei ins Parlament einzieht oder nicht.

    Wahrscheinlich wird das eigentlich sinnvolle BVG-Urteil einen CSU-Ministerpräsidenten nicht davon abhalten, gegen das Urteil zu polemisieren. Aber dem sollte jedes Mal entgegengehalten werden, dass das unverhältnismäßige und nur schwer nachvollziehbare "Aufblähen" des Parlaments durch Überhangmandate und Ausgleichsmandate die Alternative wäre, die nun wirklich niemand haben will, und wo wir froh sein können, dass die Initiatoren der Wahlrechtsreform und das BVG jetzt damit aufgeräumt haben!

  • Und was sagt Söder? Er verhält sich taktisch, schließlich ist die Klage beim BVG von der CSU mit veranlasst worden. Da würde es sich taktisch nicht gut machen, wenn Söder jetzt gegen das Urteil stänkert. Aber es dürfte ihn ganz schön gewurmt haben, dass die Verhältniswahl-Stimmen jetzt ausschlaggebend sind. Denn in dem tagesschau-Bericht vom 30.7.2024 heißt es auch: "Söder kündigte aber auch an, eine unionsgeführte Bundesregierung wolle die neue Zuteilungsregelung wieder korrigieren. "Klar ist auch: Sollten die Wähler uns in der nächsten Regierung sehen, werden wir dieses Ampel-Gesetz umgehend ändern. Das ist für die CSU eine Koalitionsbedingung für eine nächste Bundesregierung.""

    Urteil zur Wahlrechtsreform: Union sieht Schlappe für Ampelkoalition
    Vor allem Linke und CSU lehnten die Wahlrechtsreform der Ampel ab. Das Karlsruher Urteil kommt ihnen also gerade recht. CSU-Chef Söder sprach von einer…
    www.tagesschau.de

    Und wenn Söder dann den Spieß wieder umdrehen wollte, dann läuft das unaufhaltbar wieder darauf hinaus, dass der Bundestag mit vielen Überhangmandaten und Ausgleichsmandaten aufgebläht würde.

  • Es ist doch aber nun schon so, dass gerade die CSU mit einigen Direktmandaten "außen vor" bleiben wird, wenn die (auf die ganze Republik aus Bayern hochgerechneten) Zweitstimmen nicht ausreichen?